Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 03.01.2011


BSG 03.01.2011 - B 13 R 195/10 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage - Darlegung - höchstrichterliche Klärung


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsdatum:
03.01.2011
Aktenzeichen:
B 13 R 195/10 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Hildesheim, 15. Mai 2009, Az: S 41 R 194/06 WAvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 28. April 2010, Az: L 1 R 382/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. April 2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 28.4.2010 hat das LSG Niedersachsen-Bremen den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf eine Divergenz.

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Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung vom 20.8.2010 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 SGG nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

4

1. Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzeigen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

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Der Kläger bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die Frage:

        

"Handelt es sich bei einem Fachberater in einem Baumarkt um eine Tätigkeit, welche dem Bereich der Stufe II des entwickelten Mehrstufenschemas mit dem Leitberuf eines Facharbeiters zuzuordnen ist?"

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Der Senat kann offen lassen, ob es sich hierbei um eine Rechtsfrage, die im vorliegenden Verfahren grundsätzlich klärungsfähig (entscheidungserheblich) sein mag, handelt. Der Kläger zeigt in der Beschwerdebegründung jedenfalls nicht auf, dass sich die Beantwortung nicht schon aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt; die Rechtsfrage mithin noch nicht geklärt bzw weiterhin klärungsbedürftig ist.

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Der Kläger trägt zwar pauschal vor, dass sich die aufgeworfene Frage nicht schon aus §§ 240, 43 SGB VI beantworten lasse. Er nimmt ferner Bezug auf die Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 31, 37, 70), um darzulegen, dass die Feststellung der Erwerbsminderung bzw Berufsunfähigkeit nicht lediglich eine medizinische, sondern vorrangig eine Rechtsfrage sei. Im Rahmen der Rechtsprüfung sei aber auch eine "tatsächliche Betrachtungsweise angezeigt". Insofern habe das LSG nicht hinreichend berücksichtigt, "dass jedermann die Tätigkeit eines 'Fachberaters' im Baumarkt ausüben" könne. Dies sei eine gerichtsbekannte Tatsache, die das LSG im Rahmen der Beantwortung der Rechtsfrage nicht hinreichend berücksichtigt habe.

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Mit diesem Vortrag hat sich der Kläger aber nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des BSG auseinandergesetzt. Denn er legt weder den Inhalt der zitierten Entscheidungen des BSG dar noch zeigt er auf, aus welchem Grund die aufgeworfene Frage mit Hilfe der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu lösen ist. Eine hierauf gerichtete inhaltliche Auseinandersetzung fehlt völlig. Der wiederholt geäußerte Vorwurf, das LSG habe "gerichtsbekannte Tatsachen" nicht beachtet, ist als Rüge unrichtiger Beweiswürdigung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein unbeachtlich (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).

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Die Auseinandersetzung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert aber darzulegen, dh näher darauf einzugehen (vgl BSG vom 19.8.1999 - B 2 U 57/99 B - HVBG-Info 1999, 3342), weshalb eine bereits ins Feld geführte Argumentation nicht zutrifft und eine weitere höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint (vgl BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; BSG vom 29.8.2003 - B 8 KN 7/03 B - Juris RdNr 5). Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden Begriffe aber bereits eine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage gibt (vgl BSG vom 1.3.2006 - B 2 U 8/06 B - UV-Recht Aktuell 2006, 101). Die Auseinandersetzung mit einschlägiger Rechtsprechung erfordert mithin, anhand dieser Rechtsprechung zu begründen, dass noch Bedarf nach einer weiteren Entscheidung des Revisionsgerichts bestehe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23; BSG vom 27.6.2001 - B 6 KA 6/01 B - Juris RdNr 4). Daran fehlt es hier.

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2. Soweit der Kläger Divergenz als weiteren Zulassungsgrund rügt, ist diese nicht hinreichend bezeichnet. Zur formgerechten Darlegung dieses Zulassungsgrundes müssen gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in der Beschwerdebegründung entscheidungstragende Rechtssätze im Berufungsurteil und in einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüber gestellt werden; darüber hinaus ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen erlaubt die Zulassung der Revision wegen Abweichung.

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Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

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Der Kläger trägt insofern vor, das LSG habe sinngemäß folgenden Rechtssatz aufgestellt:

        

"Einen selbstständig tätigen Malermeister in seinem eigenen kleinen Familienbetrieb ist es zumutbar bei Eintritt von Berufsunfähigkeit als Fachberater in einem Baumarkt tätig zu sein - mithin ist er auf Tätigkeiten von der obersten Stufe des Mehrstufenschemas auf Tätigkeiten der vorletzten Stufe des Mehrstufenschemas verweisbar."

13

           

Demgegenüber habe das BSG (BSGE 43, 243, 245 = SozR 2200 § 1246 Nr 16; SozR aaO Nr 21, 109, 147) sinngemäß folgenden Rechtssatz aufgestellt:

        

"Facharbeitern mit Vorgesetztenfunktion und besonders qualifizierte Facharbeiter genießen den umfangreichsten Berufsschutz. Sie sind nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der nächstniedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas (vgl. BSGE 55, 45, 46 S) mit dem Leitberuf des Facharbeiters verweisbar (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 Nr 31, 37, 70), auf angelernte Tätigkeiten kann nicht verwiesen werden."

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Ungeachtet dessen, ob das LSG den zitierten Satz aufgestellt hat, hat der Kläger nicht hinreichend aufgezeigt, dass zwei Entscheidungen einander widersprechende Rechtssätze aufgestellt haben. Im ersten Rechtssatz kleidet der Kläger in Wahrheit seinen konkreten Einzelfall, so wie ihn das LSG in tatsächlicher Hinsicht gewürdigt hat, in einen "abstrakten Rechtssatz". Es fehlt aber an einer abstrakten rechtlichen Aussage, die über diesen Einzelfall hinaus für vergleichbare Sachverhalte gelten soll (vgl hierzu Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 389 mwN; vgl auch BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91). Auch der zweite Teil im zitierten Satz des LSG enthält lediglich die - vermeintliche - rechtliche Schlussfolgerung aus der Tatsachenwürdigung durch das LSG. Damit rügt der Kläger im Ergebnis aber nichts anderes, als dass das Berufungsgericht den vom Kläger zitierten höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden bzw die dort aufgestellten Grundsätze des BSG falsch oder nicht angewendet hat. Dies ist wie dargelegt für die Bezeichnung einer Divergenz nicht ausreichend (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 45).

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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.