Entscheidungsdatum: 10.08.2010
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 2009 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit Urteil vom 28.10.2009 hat das LSG Nordrhein-Westfalen den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Regelaltersrente für den Zeitraum vom 1.7.1997 bis 31.12.1998 verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Allerdings greift die von der Beklagten erhobene Rüge des Fehlens der Vollmacht nicht. Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung des die Beschwerdebegründung unterzeichnenden Rechtsanwalts S. liegt vor. Die vom Kläger bevollmächtigte Rechtsanwältin R. hat Rechtsanwalt S. unter dem 7.7.2010 Untervollmacht erteilt und diese zu den Gerichtsakten gereicht (vgl § 73 Abs 6 SGG). Die Begründung vom 7.7.2010 genügt jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) aufzeigen (vgl zum Ganzen BSG vom 25.9.2002 - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Der Kläger bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die folgenden Fragen: |
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"Ist es zulässig, einen inhaltlich klar formulierten Überprüfungsantrag - hier die Neufeststellung der Rente nach dem ZRBG i.V.m. § 48 SGB X - ohne vorherige Anhörung in der Weise zum Nachteil des Antragstellers umzudeuten, dass er als allgemeiner Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X ohne Bezugnahme auf das ZRBG bearbeitet und dadurch § 3 ZRBG mit einem Rentenbeginn ab 01.07.1997 ausgeschlossen wird und über § 44 Abs. 4 SGB X ein späterer Rentenbeginn die Folge ist (hier ab 01.01.1999)?" (1.) |
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"Ist der Versicherungsträger unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 SGB I bei konkurrierenden Anspruchsgrundlagen zur Überprüfung eines Rentenbescheides - hier einerseits § 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. dem ZRBG und andererseits § 44 Abs. 1 SGB X - verpflichtet, die Anspruchsgrundlage heranzuziehen, die dem Antragsteller das günstigste Ergebnis bringt? (2.) |
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"Liegt eine 'wesentliche Änderung zugunsten des Betroffenen' i.S. von § 48 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 SGB X nur dann vor, wenn sich die Berechnungsfaktoren bei der Rentenberechnung verbessern und es dadurch zu einer monatlichen Rentenerhöhung kommt oder auch dann, wenn bei gleichbleibender monatlicher Rentenhöhe ein verlängerter Nachzahlungszeitraum erreicht werden kann?" (3.) |
Damit mag er zwar Rechtsfragen formuliert haben. Er zeigt jedoch in keinem Fall auf, dass diese klärungsfähig (entscheidungserheblich) sind.
Sofern der Kläger unter (1.) die Frage problematisiert, ob ein Antrag nach § 48 Abs 1 SGB X iVm dem ZRBG "ohne vorherige Anhörung … zum Nachteil des Antragstellers" in einen Antrag nach § 44 Abs 1 SGB X umgedeutet werden könne, legt er nicht dar, dass es für die Entscheidung in einem künftigen Revisionsverfahren auf die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ankommt.
Denn zur Beantwortung der Frage, ob im Anwendungsbereich des § 24 SGB X ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der angeblich fehlerhaft handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (vgl BSG vom 26.9.1991 - BSGE 69, 247, 252 f = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9 f; BSG vom 14.7.1994 - SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 72 f). Nach dem Vortrag des Klägers ging die Beklagte bei dem von ihm gestellten Antrag vom 29.(30.)6.2003 deshalb von einem Überprüfungsantrag nach § 44 Abs 1 SGB X und nicht von einem Antrag nach § 48 Abs 1 SGB X aus, weil nach ihrer - hier maßgeblichen - materiell-rechtlichen Rechtsansicht keine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen zugunsten des Klägers durch das ZRBG eingetreten war. Danach stellte sich aber für die Beklagte - auch nach dem Vorbringen des Klägers - die Frage einer "Umdeutung" des Antrags "zum Nachteil" des Klägers und damit einer "vorherigen Anhörung" von vornherein nicht, denn die Verwaltung kann nur zu solchen Umständen anhören, die sie selbst für erheblich gehalten hat.
Auch zu der unter (2.) aufgeworfenen Frage hat der Kläger die Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt. Denn er hat nicht aufgezeigt, dass für sein Überprüfungsbegehren "einerseits § 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. dem ZRBG und andererseits § 44 Abs. 1 SGB X" als "Anspruchsgrundlage" heranzuziehen ist. Vielmehr macht er die grundsätzliche Bedeutung einer verfahrensrechtlichen Frage geltend, die sich nach der von ihm geschilderten materiell-rechtlichen Rechtsansicht des LSG nicht stellt. Er trägt selbst vor, dass § 48 Abs 1 SGB X nach Meinung des LSG gerade keine Anwendung finde, weil eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen zugunsten des Klägers durch das ZRBG nicht eingetreten sei, sondern die mit Bescheid vom 24.11.2003 verfügte höhere Rentenfestsetzung allein darauf beruhe, dass in den Bescheiden vom 24.8.1998 und 27.9.2002 die Beitragszeiten nach dem WGSVG unzutreffend mit 5/6 bewertet worden seien und die Korrektur (Bewertung der Beitragszeiten mit 6/6) gemäß § 44 SGB X habe erfolgen müssen.
Schließlich hat der Kläger die Klärungsfähigkeit der unter (3.) formulierten Frage ebenso wenig hinreichend dargetan. Denn er trägt wiederum selbst vor, dass nach Meinung des LSG in seinem Fall gerade "keine wesentliche Änderung zugunsten des Betroffenen“ iS von § 48 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 1 SGB X eingetreten sei.
Zur materiellen Rechtsansicht des LSG macht der Kläger einen Zulassungsgrund nicht geltend. Dass er diese für unzutreffend hält und das Berufungsgericht nach seiner Ansicht die Sache falsch entschieden hat, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich und rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl stRspr, zB BSG vom 26.6.1975 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.