Entscheidungsdatum: 08.07.2013
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Mai 2012 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Hebamme und ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der "Hebamme J. S. Limited" der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.
Durch bestandskräftigen Bescheid vom 18.4.2005 stellte die Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers fest, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als selbstständige Hebamme gemäß § 2 S 1 Nr 3 SGB VI seit 1.12.2001 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei und forderte Beiträge.
Mit Schreiben vom 14.11.2005 beantragte die Klägerin die Prüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status als Geschäftsführerin der "Hebamme J. S. Limited". Durch Bescheid vom 22.12.2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin diese Tätigkeit selbstständig ausübe und kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege.
Durch Bescheid vom 7.4.2006 und Widerspruchsbescheid vom 5.10.2006 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 18.4.2005 im Wege des § 44 SGB X ab. Die dagegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben (zuletzt Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 10.5.2012). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 10.5.2012 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.
1. Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 4.10.2012 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Die Klägerin wirft folgende Fragen auf: |
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a) |
"Verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG wenn beim Handwerker iSd. § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH oder Ltd. eine Prüfung der Sozialversicherungspflicht durch den Rentenversicherungsträger ausschließlich aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung unabhängig davon, ob er seine 18 Rentenversicherungspflichtjahre erbracht hat erfolgt und er damit sozialversicherungsfrei ist, während die Hebamme, die ihre Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH oder Ltd. ausübt, nach Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit als geschäftsführende Gesellschafterin allein aufgrund ihrer Tätigkeit als Hebamme der Sozialversicherungspflicht unterliegt. |
b) |
Ist eine geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH oder Ltd. sozialversicherungspflichtig, wenn sie ua die Tätigkeit einer Hebamme bzw Familienhebamme ausführt? |
c) |
Ist die Tätigkeit einer Familienhebamme, die sich mit ganz anderen Tätigkeiten beschäftigt als dem früheren klassischen Beruf der Hebamme im Rahmen des "Kinder auf die Welt bringens" überhaupt unter § 2 S 1 Nr 3 SGB VI zu subsumieren und verstößt die Zwangsmitgliedschaft gegen die Verfassung? |
d) |
"Verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art 3 Abs. 1 GG wenn bei den gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI pflichtversicherten Masseuren und Altenpflegern zwischen dem Masseur und dem Sportmasseur bzw. der Altenpflegerin und der Krankenpflegerin hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht unterschieden wird, nicht jedoch bei der Kinder auf die Welt bringenden Hebamme und der Familienhebamme?" |
zu Frage a)
Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm aufgeworfen hat, die in einem Revisionsurteil durch das Revisionsgericht zu klären wäre. Jedenfalls genügt die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Zwar kann die Frage der Vereinbarkeit einer Norm des einfachen Rechts mit dem GG die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen (vgl zB BSGE 40, 158, 159 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; BSG SozR 1500 § 160a Nr 17). Für die Zulässigkeit der Beschwerde reicht aber nicht der schlichte Hinweis auf die angeblich verletzte Norm des GG. Wird in der Beschwerde - wie hier - eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht: Die Klägerin bildet bereits keine den Anforderungen der Rechtsprechung des BVerfG genügenden Vergleichsgruppen, weil sie sich nicht damit auseinandersetzt, dass Anknüpfungspunkt für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung die jeweilige Tätigkeit ist (vgl zum Tätigkeitsbezug und zur Möglichkeit der Mehrfachversicherung BSGE 49, 38, 39 = SozR 2200 § 1227 Nr 29 S 69; Gürtner in Kasseler Komm, § 2 SGB VI RdNr 7, Stand Einzelkommentierung März 2013; Grintsch in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 2 RdNr 52). In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Klägerin - unbeschadet der Richtigkeit ihrer Prämissen für die Fragestellung - nicht, dass zwischen ihrer Tätigkeit als selbstständige Hebamme und ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der "Hebamme J. S. Limited" zu differenzieren sein könnte. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin darlegen müssen, dass und weshalb eine solche getrennte Bewertung der Tätigkeit als Geschäftsführerin einerseits und als Hebamme andererseits rechtlich unzulässig ist. Denn nur in diesem Fall könnte es auf eine Vergleichbarkeit mit Fallgruppen nach § 2 S 1 Nr 8 SGB VI ankommen. Schließlich legt die Klägerin auch nicht die Klärungsfähigkeit der Frage in der gebotenen Weise dar: Indem sie sich auf ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Ltd. konzentriert und eine vermeintliche Ungleichbehandlung zu anderen Geschäftsführern rügt, übersieht sie, dass die Beklagte durch Bescheid vom 22.12.2005 festgestellt hat, dass sie insoweit - also in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Ltd. - seit 1.11.2005 selbstständig tätig ist. Hinsichtlich dieser Tätigkeit als Geschäftsführerin einer Ltd. fehlt es daher an einer die Klägerin belastenden Entscheidung der Beklagten.
zu Frage b)
Es kann offenbleiben, ob die Klägerin mit ihrer zweiten Frage eine den Anforderungen des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG entsprechende Rechtsfrage, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist, formuliert oder lediglich eine Frage zur Rechtsanwendung im Einzelfall stellt. Jedenfalls legt sie nicht ansatzweise - wie erforderlich - die verfassungsrechtlichen Grundlagen des sinngemäß behaupteten Gleichheitsrechtsverstoßes dar. Darüber hinaus berücksichtigt sie auch insoweit nicht die oben dargestellte notwendige Differenzierung nach den jeweiligen Tätigkeiten - zum einen als Hebamme und zum anderen als Geschäftsführerin der "Hebamme J. S. Limited" - sondern vermischt erneut beide Tätigkeiten, was sich insbesondere in ihrer Forderung nach einer "analogen" Anwendung von § 2 S 1 Nr 8 SGB VI auf eine "Hebamme, die ihre Tätigkeit als Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH/Ldt. ausübt", dokumentiert.
zu Frage c)
Soweit die Klägerin zunächst nach der Subsumtion von Familienhebammen unter den Begriff Hebamme iS des § 2 S 1 Nr 3 SGB VI fragt und dann im zweiten Teil der dritten Frage die Verfassungsgemäßheit der Versicherungspflicht von (Familien-)Hebammen hinterfragt, legt sie die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht in der gebotenen Weise dar. Sie befasst sich nicht hinreichend mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG (vgl speziell zur Versicherungspflicht selbstständig tätiger Hebammen: BSG Beschluss vom 5.8.2003 - B 12 RA 5/03 B - Juris; allgemein zur Versicherungspflicht selbstständig Tätiger: BVerfG SozR 4-2600 § 2 Nr 10 RdNr 28 ff; BSG SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 31 f mwN). Die Klägerin zeigt deshalb nicht in der gebotenen Weise auf, inwieweit in diesem Zusammenhang noch oder erneut Klärungsbedarf besteht. Soweit sie anführt, die bisherigen Entscheidungen des BSG seien nur zur Versicherungspflicht selbstständiger Lehrer ergangen und im Beschluss vom 5.8.2003 sei nur die Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf andere Personengruppen nach § 2 S 1 SGB VI angenommen worden, arbeitet sie nicht heraus, warum die zitierte Rechtsprechung des BSG für selbstständig tätige Hebammen - auch in Kenntnis des Beschlusses vom 5.8.2003 - nicht gelten sollte. Soweit sie darauf hinweist, dass Hebammen über ihre Tätigkeit in der Geburtshilfe hinaus zunehmend auch in anderen Lebensbereichen als "Familienhebamme" tätig seien, legt sie nicht dar, inwieweit es sich bei dieser Tätigkeit vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung und der gesetzlichen Regelungszwecke rechtlich um eine andere Tätigkeit handeln sollte, als die von § 2 S 1 Nr 3 SGB VI erfasste Tätigkeit als Hebamme; ferner wird nicht deutlich, weshalb das von der Klägerin umschriebene neue Tätigkeitsbild der "Familienhebamme" nicht von der nach § 1 Hebammengesetz (HebG) vorgesehenen Erlaubnispflicht zur Führung der Berufsbezeichnung "Hebamme" erfasst sein sollte. In diesem Zusammenhang kommt es für die Frage der Revisionszulassung auf den von der Klägerin angenommenen sozialpolitischen Handlungsbedarf nicht an.
zu Frage d)
Auch hinsichtlich ihrer in der vierten Frage formulierten Rüge einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung wird die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen an eine zulässige Beschwerde, mit der eine Verletzung des Gleichheitssatzes gerügt wird, gerecht, weil die Klägerin nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegt, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen. Die Klägerin berücksichtigt insbesondere nicht, dass das § 2 S 1 Nr 3 SGB VI eine Tätigkeit als "Hebamme" oder "Entbindungspfleger" voraussetzt, dass das Führen beider Berufsbezeichnungen nach § 1 Abs 1 HebG erlaubnispflichtig ist und gemäß § 4 Abs 1 S 1 HebG zur Leistung von Geburtshilfe, abgesehen von Notfällen, außer Ärztinnen und Ärzten nur Personen mit einer Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Hebamme" oder "Entbindungspfleger" sowie Dienstleistungserbringer iS des § 1 Abs 2 HebG berechtigt sind. Sie befasst sich nicht damit, dass demgegenüber der in § 2 S 1 Nr 2 SGB VI benutzte Begriff der "Pflegeperson" weitergehend gefasst ist und Tätigkeiten unter verschiedenen Berufsbezeichnungen, zB Krankenschwester, Krankenpfleger, Masseur, erfasst (vgl Grintsch, aaO, RdNr 7). Mit der mit dem Wortlaut von § 2 S 1 Nr 2 SGB VI einhergehenden Notwendigkeit der Abgrenzung von Tätigkeiten nach dem Kriterium, ob sie zwar auf eigene Rechnung, aber in Abhängigkeit von Heilkundigen (zB Ärzten) und deren Weisungen erfolgen (vgl hierzu BSG SozR 2400 § 2 Nr 4 und 5; BSG SozR 3-2600 § 2 Nr 2 S 7), setzt sich die Klägerin nicht auseinander.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.