Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 28.05.2015


BSG 28.05.2015 - B 12 KR 7/14 R

Kranken- und Pflegeversicherung - freiwillig versichertes Mitglied - Bezug eines Gründungszuschusses - Mindestbeitragsbemessung


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsdatum:
28.05.2015
Aktenzeichen:
B 12 KR 7/14 R
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend SG München, 1. Juli 2011, Az: S 17 KR 1073/10, Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 28. August 2012, Az: L 5 KR 313/11, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 421l SGB 3

Leitsätze

Während des Bezugs eines Gründungszuschusses ist im Rahmen der Beitragsbemessung bei freiwillig versicherten Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung "mindestens" der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße als kalendertägliche Einnahme zugrunde zu legen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. August 2012 wird zurückgewiesen, soweit es die Beitragsbemessung für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis 14. Juni 2008 anbelangt.

Im Übrigen wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob bei dem freiwillig krankenversicherten Kläger in der Zeit seines Bezugs eines Gründungszuschusses der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Rahmen der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) Einnahmen nur nach dem 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße oder mit einem darüber hinausgehenden Betrag als beitragspflichtig zugrunde zu legen sind.

2

Der Kläger ist als selbstständiger (Handels-)Vertreter für pharmazeutische Produkte tätig. Durch Bescheid vom 27.3.2007 gewährte ihm die BA einen monatlichen Gründungszuschuss für die Zeit vom 15.3. bis 14.12.2007 in Höhe von 1621,50 Euro. Durch Bescheid vom 3.1.2008 verlängerte die BA den Gründungszuschuss für die Zeit vom 15.12.2007 bis 14.6.2008 reduziert auf 300 Euro monatlich.

3

Seit 1.5.2007 ist der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) freiwillig krankenversichert. In einem Formular zur Einkommenserklärung gab er gegenüber der Beklagten im April 2009 an, vom 1.1. bis 31.3.2009 ein Arbeitseinkommen in Höhe von 11 900 Euro erzielt zu haben. Zugleich informierte er darüber, dass sein Hauptauftraggeber weggefallen sei und in den nächsten Monaten keine Einkünfte zu erwarten seien; deshalb beantrage er eine Beitragsentlastung für freiwillig versicherte Selbstständige. Durch Beitragsbescheid vom 24.4.2009 setzte die Beklagte - auch im Namen der Pflegekasse - die Beiträge zur GKV und sPV ab 1.4.2009 ausgehend von Einnahmen in Höhe von 75 % der monatlichen Bezugsgröße (= 1890 Euro) vorbehaltlich der Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2009 fest.

4

Am 27.5.2010 beantragte der Kläger die Erstattung von zu viel gezahlten Beiträgen zur GKV und sPV. Er legte die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 (15 554 Euro Einkünfte aus selbstständiger Arbeit; 643 Euro Einkünfte aus Kapitalvermögen) und 2008 (Einkünfte aus selbstständiger Arbeit 31 412 Euro; Einkünfte aus Kapitalvermögen 2510 Euro) vor.

5

Durch drei Bescheide vom 22.6.2010 nahm die Beklagte daraufhin - auch im Namen der Pflegekasse - eine (Neu-)Festsetzung der Beiträge ausgehend von folgenden monatlichen Einnahmen des Klägers vor:

Im Zeitraum 1.5. bis 14.12.2007:

        

Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit: 15 554 Euro : 8 Monate

= 1944,25 Euro

        

Einkünfte aus Kapitalvermögen: 643 Euro : 12 Monate

= 53,58 Euro

        

Gründungszuschuss: 1621,50 Euro - 300 Euro Freibetrag

= 1321,50 Euro

        

Summe:

3319,33 Euro

sowie im Zeitraum 15.12.2007 bis 31.3.2009:

        

Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit

1944,25 Euro

        

Einkünfte aus Kapitalvermögen

 53,58 Euro

        

Summe:

1997,83 Euro

6

Für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.12.2007 habe der Kläger damit 457,10 Euro und für den Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2008 3340,50 Euro zu viel an Beiträgen entrichtet. Das Guthaben werde ihm erstattet.

7

Der Kläger legte am 30.6.2010 gegen die Beitragsfestsetzung hinsichtlich des Zeitraums vom 1.5.2007 bis 14.6.2008 Widerspruch mit der Begründung ein, die Beklagte dürfe in diesem Zeitraum der Beitragsbemessung nur Einnahmen in Höhe des 60. Teils der monatlichen Bezugsgröße zugrunde legen. Gleichzeitig legte er "vorsorglich" Widerspruch hinsichtlich des Zeitraums 1.1. bis 31.3.2009 (= Quartal I/2009) mit dem Antrag ein, die Festsetzung für vorläufig zu erklären. Durch Widerspruchsbescheid vom 13.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

8

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Neufestsetzung der Beiträge zur GKV und sPV in der Zeit vom 1.5.2007 bis 14.6.2008, die Erstattung der in diesem Zeitraum zu viel entrichteten Beiträge sowie die Feststellung begehrt, "die Vorläufigkeit der Beitragsbescheide/Beitragseinstufung für 2009 und 2010 (…) festzustellen".

9

Die Beklagte setzte unter Wechsel der Beitragsklasse vorläufig die Beiträge zur GKV und zur sPV für das Quartal I/2009 (Bescheid vom 29.10.2010, Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.01.2009") und für den Zeitraum ab 1.4.2009 (Bescheid vom 29.10.2010, Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.04.2009") neu fest und erstattete dem Kläger die in der Zeit vom 1.1.2009 bis 30.9.2010 zu viel entrichteten Beiträge in Höhe von 3913,17 Euro.

10

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 1.7.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheid vom 21.12.2011 eine (endgültige) Festsetzung der Beiträge für den Zeitraum ab 1.4.2009 unter Berücksichtigung des Einkommensteuerbescheids für 2009 und der Einkommensteuererklärung des Klägers vom 12.12.2011 vorgenommen. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Soweit es um die Feststellung der Vorläufigkeit der Beitragsbescheide/Beitragseinstufung für 2009 und 2010 gehe, sei die Klage unzulässig. Die Beklagte habe inzwischen mit dem Bescheid vom 21.12.2011 eine endgültige einkommensabhängige Beitragseinstufung ab 1.4.2009 bis einschließlich 31.12.2011 vorgenommen. Dadurch sei nachträglich das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers entfallen. Auch im Übrigen sei die Berufung erfolglos. In der Zeit des Gründungszuschussbezugs vom 1.5.2007 bis 14.6.2008 habe sich die Beitragsbemessung in der GKV nach § 240 SGB V und in der sPV nach § 57 Abs 4 S 1 SGB XI gerichtet. Nach § 240 Abs 4 S 2 SGB V sei im Fall des Bezugs eines Gründungszuschusses der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße lediglich als Mindesteinnahme der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, nicht aber als ein Fixbetrag. Dies entspreche der Intention des Gesetzgebers, bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der GKV deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen (Urteil vom 28.8.2012).

11

Am Tag der mündlichen Verhandlung hat das LSG die Beklagte darüber hinaus schriftlich um "Übersendung des Bescheides von 2011, betreffend die Jahre 2009 und 2010" gebeten. Daraufhin hat die Beklagte Ablichtungen beider Bescheide vom 29.10.2010 sowie eines Bescheides vom 21.12.2011 übersandt (Eingangsstempel des LSG vom 5.9.2012).

12

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 240 Abs 4 S 2 SGB V und macht einen Verfahrensfehler des LSG geltend. § 240 Abs 4 S 2 SGB V schreibe vor, dass im Fall des Bezugs eines Gründungszuschusses "ausschließlich" der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße als Einnahme der Beitragserhebung in der GKV zugrunde zu legen sei. Dies folge bereits daraus, dass - anders als bei den allgemeinen Mindesteinnahmeregelungen in § 240 Abs 4 S 2 SGB V - im Fall des Gründungszuschusses der Zusatz "mindestens" fehle. Bei einer Betrachtung der Systematik sei zu beachten, dass gerade im schwierigen ersten Jahr der Existenzgründung so gut wie kein Gründungszuschussbezieher von einer privilegierten Beitragsbemessung profitieren würde, wenn man der Auffassung der Beklagten folge. Die vom Gesetzgeber vorgesehenen besonderen Regelungen zur Beitragsbemessung für diesen Personenkreis liefen damit aber so gut wie vollständig ins Leere. Auch könne die allgemeine Regelung der Beitragsbelastung nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds nicht herangezogen werden, da § 240 Abs 4 S 2 Halbs 1 SGB V als abschließende, speziellere Regelung zu verstehen sei. Dies belege ebenfalls eine rechtshistorische Betrachtung. Schließlich bestätige auch der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Sinn und Zweck der Regelung seine (des Klägers) Ansicht. Die Gewährleistung der sozialen Absicherung eines Beziehers eines Gründungszuschusses beruhe nicht allein auf der monatlichen Auszahlung eines bestimmten Geldbetrages, sondern - als Folge der besonderen Regelungen für diesen Personenkreis in der GKV, sPV und der gesetzlichen Rentenversicherung - auch auf der während des Zuschussbezugs erfolgenden besonderen Beitragsentlastung durch eine verminderte Beitragshöhe. Schon in der Rechtsprechung des BSG zum Existenzgründungszuschuss (= Vorläufer des Gründungszuschusses) sei anerkannt, dass die zu zahlenden Beiträge zur Sozialversicherung den Existenzgründungszuschuss nicht gänzlich oder überwiegend aufzehren sollten (Hinweis auf BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8, RdNr 21). - Verfahrensfehlerhaft habe das LSG zudem die Klage hinsichtlich der Feststellung der Vorläufigkeit der Beitragsfestsetzung für das Quartal I/2009 als unzulässig angesehen, weil es übersehen habe, dass der Bescheid vom 21.12.2011 eine endgültige Festsetzung nur hinsichtlich des Zeitraums ab 1.4.2009 vorgenommen habe.

13

Der Kläger beantragt sinngemäß,

        

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. August 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 1. Juli 2011 zu ändern und

        

1.    

die Bescheide der Beklagten vom 22. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2010 aufzuheben, soweit für den Zeitraum vom 1. Mai 2007 bis 14. Juni 2008 als Bemessungsgrundlage kalendertäglich ein über dem 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße liegender Betrag zugrunde gelegt wurde, sowie

        

2.    

"festzustellen, dass das Rechtsschutzbedürfnis, die Vorläufigkeit der Beitragsbescheide für 2009 festzustellen, nicht erloschen ist, soweit es den Bescheid vom 22.6.2010 für die Zeit vom 1.1.-31.3.2009 betrifft, die Vorläufigkeit festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge für diesen Zeitraum auf der Basis des Einkommenssteuerbescheids für 2009 neu zu berechnen und für diese Zeit zuviel bezahlte Beträge in Höhe von 660,12 EUR an den Kläger zurückzuerstatten."

14

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

15

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

16

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

17

Im Revisionsverfahren sind den Beteiligten die Verfügung des LSG vom 28.8.2012 sowie die daraufhin eingegangenen Schreiben der Beklagten zur Kenntnis gegeben worden. Die Beklagte hat hierzu mitgeteilt, der Bescheid vom 29.10.2010 (Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.01.2009") sei durch den "ergänzenden" datumsgleichen Bescheid (Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.04.2009") wieder "aufgehoben" worden. Der Kläger hat dazu mitgeteilt, er habe von der Verfügung des LSG und der Reaktion der Beklagten keine Kenntnis gehabt. Der Bescheid der Beklagten vom 29.10.2010 (Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.01.2009") sei ihm unbekannt.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG), ist überwiegend unbegründet.

19

Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, soweit es um die Beitragsbemessung für die Zeit vom 1.5.2007 bis 14.6.2008 geht. Hinsichtlich des Quartals I/2009 hat das LSG die Klage zu Recht als unzulässig angesehen, soweit der Kläger eine "vorläufige" Beitragsfestsetzung begehrt. Soweit der Kläger hingegen hinsichtlich dieses Zeitraums darüber hinaus eine Neuberechnung seiner Beiträge beantragt, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

20

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind hinsichtlich des streitigen Zeitraums vom 1.5.2007 bis 14.6.2008 die Bescheide der Beklagten vom 22.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2010. Hinsichtlich des Quartals I/2009 wurden diese durch die nach Klageerhebung ergangenen Bescheide der Beklagten vom 29.10.2010 geändert, weshalb diese Bescheide gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind. Letzteres haben die Vorinstanzen nicht berücksichtigt.

21

2. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1.5.2007 bis 14.6.2008 sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig, soweit sie darin das Arbeitseinkommen und die Kapitalerträge des Klägers sowie - im Teilzeitraum 1.5.2007 bis 14.12.2007 - den um 300 Euro verminderten Teil des monatlichen Gründungszuschusses, der den 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße übersteigt, als Einnahme der Beitragsbemessung zugrunde legte.

22

a) Nach § 240 Abs 1 SGB V in der bis 31.12.2008 geltenden - und daher vorliegend noch anzuwendenden - Fassung (Gesundheits-Reformgesetz <GRG> vom 20.12.1988 - BGBl I 2477) wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung der Krankenkasse geregelt. Dabei ist nach Abs 1 S 2 der Regelung sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Nach § 240 Abs 2 S 2 SGB V darf der in Abs 4 S 2 genannte Existenzgründungszuschuss und der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nach § 57 SGB III in Höhe von monatlich 300 Euro nicht bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden.

23

Nach § 240 Abs 4 S 1 SGB V gilt für freiwillige Mitglieder als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße. § 240 Abs 4 S 2 SGB V (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) präzisiert die Beitragsbemessung hinsichtlich der zugrunde zu legenden beitragspflichtigen Einnahmen je Kalendertag für die freiwilligen Mitglieder, die - wie der Kläger im streitigen Zeitraum vom 1.5.2007 bis 14.6.2008 - hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind. Nach dem ersten Teilsatz gilt für diese Gruppe als kalendertägliche beitragspflichtige Einnahme der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V). Das Abstellen auf den 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze hat bei dieser Gruppe zur Folge, dass sie von vornherein zu Höchstbeiträgen herangezogen wird (vgl Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand März 2012, § 240 SGB V RdNr 41). Nach § 240 Abs 4 S 2 Teils 2 SGB V gilt bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße als kalendertägliche Einnahme. Die dadurch festgelegte Mindestbemessungsgrenze ist verfassungsgemäß (BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39), obwohl sie dazu führt, dass Angehörige dieser Gruppe zu - zum Teil erheblich - höheren Mindestbeiträgen herangezogen werden als die sonstigen freiwilligen Mitglieder der GKV, für die § 240 Abs 4 S 1 SGB V gilt. § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V schreibt schließlich vor, dass für freiwillige Mitglieder, die Anspruch auf einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III oder einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III oder eine entsprechende Leistung nach § 16 SGB II haben, der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße gilt.

24

Die Beklagte legte in § 21 Abs 5 S 1 ihrer Satzung (in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung des 76. Nachtrags und in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung des 79. Nachtrags) die (unveränderte) Geltung von § 240 Abs 4 SGB V fest.

25

b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V nicht so zu verstehen, dass bei den dort genannten freiwilligen Mitgliedern der GKV mit Anspruch auf einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III kalendertägliche Einnahmen ausschließlich (= fix) in Höhe des 60. Teils der monatlichen Bezugsgröße zugrunde zu legen sind. Hierbei handelt es sich vielmehr um den Mindestbetrag der maßgebenden Einnahmen (in diesem Sinne bereits: LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.2.2007 - L 11 KR 69/06 - Juris RdNr 23; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 5.8.2008 - L 11 KR 1918/08 - Juris RdNr 23; Bernsdorff in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 240 SGB V RdNr 32; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 240 SGB V RdNr 136, Stand Einzelkommentierung Juli 2013; Giesen/Weselski in Wannagat, Sozialgesetzbuch, Stand April 2004, § 240 SGB V RdNr 13; Hebeler in Hänlein/Kruse/Schuler, SGB V, 4. Aufl 2012, § 240 RdNr 13; Marburger in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 1. Aufl 2013, § 240 RdNr 20; Mecke in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 240 RdNr 20; Peters in Kasseler Komm, Stand Dezember 2014, § 240 SGB V RdNr 53; Ulmer in Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 240 SGB V RdNr 9, Stand 1.6.2015; aA SG Leipzig Urteil vom 13.5.2009 - S 8 KR 329/06 - Juris; anscheinend auch Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand März 2012, § 240 SGB V RdNr 46: kein "Mindestbetrag", anders in RdNr 45a "Mindestbetrag in Höhe von 1/60 der Bezugsgröße"). Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift insoweit nicht eindeutig ist (dazu aa), ist dieses Ergebnis jedenfalls aus der Gesetzessystematik (dazu bb) und dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Willen des Gesetzgebers (dazu cc) abzuleiten. Weder die allgemein vom Gesetzgeber erstrebte Privilegierung der Bezieher eines Gründungszuschusses (dazu dd) noch die bisherige Rechtsprechung des BSG steht diesem Ergebnis entgegen (dazu ee).

26

aa) Der Wortlaut des § 240 Abs 4 S 2 SGB V beantwortet die vorliegend zu entscheidende Rechtsfrage nicht eindeutig. Ausdrücklich wird darin der Begriff "mindestens" nur im zweiten Teilsatz beim Nachweis niedrigerer Einnahmen verwendet. Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass man den Wortlaut auch so verstehen könnte, dass der im zweiten Teilsatz verwendete Begriff "mindestens" auch den dritten Teilsatz mit umfasst. Dafür könnte auch sprechen, dass der dritte Teilsatz nur nach einem Komma folgt und somit neben dem zweiten Teilsatz als Aufzählung der Ausnahmen von der Grundregel des § 240 Abs 4 S 2 Teils 1 SGB V aufgefasst werden könnte. Hätte der Gesetzgeber insoweit - im Sinne des Vorbringens des Klägers - eine eigenständige, abschließende Regelung hinsichtlich der im dritten Teilsatz genannten Gruppe gewollt, hätte es an sich nahe gelegen, diesen Teilsatz an ein Semikolon anzuschließen oder einen völlig neuen Satz zu bilden. Zwingend ist diese Sichtweise grammatikalisch allerdings nicht.

27

bb) Für die Festlegung (nur) eines Mindest- und nicht eines (absoluten) Fixbetrags in § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V sprechen jedenfalls die systematischen Zusammenhänge zwischen § 240 Abs 1 S 2 und Abs 4 S 2 SGB V: § 240 Abs 1 S 2 SGB V ordnet umfassend die Berücksichtigung der "gesamten" wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mitglieds an. Demzufolge besteht nach der Rechtsprechung des Senats die Beitragspflicht unabhängig davon, ob diese Einnahmen dem Arbeitsentgelt vergleichbar sind oder nicht und grundsätzlich auch unabhängig davon, ob mit einer Zuwendung ein bestimmter Zweck verfolgt wird oder nicht (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 24 RdNr 21 mwN). Der Senat hat - in enger Auslegung der Regelung - in ständiger Rechtsprechung nur zwei Gruppen von Einnahmen von der Beitragspflicht ausgenommen. Das sind zum einen (Sozial-)Leistungen, die der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen; zum anderen gelten bestimmte Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung privilegiert sind, nicht als Einkommen (BSG aaO). Darum geht es vorliegend weder unmittelbar noch in annähernd vergleichbarer Weise. Damit aber bedürfte die vom Kläger im Ergebnis erstrebte Nichtberücksichtigung seiner tatsächlichen - dh über den 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße hinausgehenden - wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer ausdrücklichen, positiv so geregelten gesetzlichen Grundlage. Daran fehlt es jedoch, weil der insoweit in Frage kommenden Regelung in § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V gerade nicht eine entsprechende eindeutige Regelung entnommen werden kann.

28

cc) Schließlich bestätigt der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers das gewonnene systematische Ergebnis (Hervorhebungen in der Gesetzesbegründung im Folgenden durch den Senat).

29

Der dritte Teilsatz des § 240 Abs 4 S 2 SGB V wurde durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 - ArbMDienstLG 2 (BGBl I 4621) in § 240 Abs 4 S 2 SGB V eingefügt. Im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drucks 15/26 S 26 Zu Nummer 6 <§ 240>) heißt es hierzu:

        

"Mit der Ergänzung wird ein neuer Mindestbeitrag eingeführt, der nur für solche Selbständigen gilt, die durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden und Anspruch auf einen Existenzgründungszuschuss haben.

        

Die Neuregelung ist notwendig, damit einer Existenzgründung keine übermäßig hohen Hindernisse entgegenstehen. Es bleibt zwar grundsätzlich dabei, dass die gesetzliche Krankenversicherung eine Arbeitnehmerversicherung ist und die vom Bundessozialgericht bestätigten Maßstäbe für die Beitragsbemessung bei Selbständigen weiterhin gelten.

        

Der Anspruch auf Existenzgründungszuschuss wurde aber geschaffen, um die Wege aus der Arbeitslosigkeit zu erleichtern und neue Arbeitsplätze zu schaffen, die dann auch den gesetzlichen Krankenkassen neue Beitragszahler zuführen.

        

Nach § 421m SGB III wird der Zuschuss bis zu drei Jahre erbracht. Da der Anspruch nur für diese Zeit bestehen kann, ist die durch die Neuregelung eintretende mögliche Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung zeitlich begrenzt.

        

Der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße beträgt im Jahre 2002 39,09 Euro. Da für den Kalendermonat jeweils 30 Tage als Bemessungsgrundlage anzusetzen sind, ergibt dies bei einem Beitragssatz von 14 vom Hundert einen Monatsbeitrag von 164,10 Euro."

30

Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - ArbMDienstLG 4 (BGBl I 2954) wurde in § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V dann auch der Anspruch auf "eine entsprechende Leistung nach § 16 SGB II" aufgenommen. Im Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit - 9. Ausschuss - (BT-Drucks 15/1749 S 36 zu Artikel 5 Nr 11a <§ 240>) wird hierzu ausgeführt:

        

"Mit dieser Folgeänderung wird sichergestellt, dass der Mindestbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung für Bezieher des Existenzgründungszuschusses nach § 421l des Dritten Buches auch für die Personen gilt, deren Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit der entsprechenden Leistung zur Eingliederung nach § 16 Abs. 1 des Zweiten Buches gefördert wird."

31

Schließlich wurde auch der Anspruch auf monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III aF in § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) aufgenommen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales - 11. Ausschuss - (BT-Drucks 16/1696 S 32 Zu V Zu Nummer 2) heißt es hierzu:

        

"Mit der Änderung wird geregelt, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung für Selbstständige, die einen Gründungszuschuss beziehen, mindestens der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße zu Grunde gelegt wird."

32

Durch diese durch die Materialien belegte Regelungsgeschichte wird deutlich, dass der Gesetzgeber sowohl bei der Schaffung als auch bei beiden zwischenzeitlichen Änderungen von § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V stets davon ausgegangen ist, dass hierdurch ein "Mindestbeitrag" geregelt wird.

33

dd) Die Ansicht des Klägers, es sei der erklärte Wille des Gesetzgebers gewesen, die Bezieher eines Existenzgründungs- und Gründungszuschusses durch eine verminderte Beitragshöhe zu entlasten, verhilft seiner Revision dagegen nicht zum Erfolg. Dem Ziel der Entlastung wird nämlich bereits durch die Existenz der besonderen Regelungen in § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V als solche Rechnung getragen. Schon hierdurch hat der Gesetzgeber für den darin genannten Personenkreis eine privilegierende Sonderregelung iS der vom Kläger identifizierten Zielsetzung im Vergleich zur Gruppe der übrigen hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen freiwilligen Versicherten vorgenommen. Für die vorliegend zu klärende Frage, ob in § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V ein Mindesteinnahmebetrag oder ein Fixbetrag festgelegt wurde, verbleibt es hingegen dabei, dass es ausweislich der Gesetzesmaterialien das erklärte Regelungsziel war, "nur" eine Mindesteinnahmeregelung im Sinne einer Untergrenze zu schaffen.

34

Gegen die Richtigkeit der Sichtweise des Klägers spricht zudem, dass sich die Höhe des Gründungszuschusses nach § 58 Abs 1 SGB III aF (Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 BGBl I 1706) zumindest in den ersten neun Monaten an der Höhe des vom Betroffenen zuvor individuell bezogenen Arbeitslosengeld I orientiert. Fällt damit der Gründungszuschuss (zunächst) in jedem Einzelfall unterschiedlich hoch aus, bedürfte eine betragsmäßig fixe Festlegung der der Beitragsbemessung insgesamt zugrunde liegenden Einnahmen in der GKV durch § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V - wie vom Kläger befürwortet - einer besonderen Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung kann aber weder der Gesetzessystematik noch den Gesetzesmaterialien entnommen werden. Im Gegenteil spricht der Regelungsgehalt des § 240 Abs 2 S 3 SGB V (= Herausnahme des zur sozialen Sicherung vorgesehenen Betrags in Höhe von 300 Euro aus den beitragspflichtigen Einnahmen) dafür, dass der Gesetzgeber nur insoweit einen bestimmten fixen Betrag von der Beitragsbemessung ausnehmen wollte, nicht aber auch darüber hinaus.

35

ee) Die Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8) steht dem ebenso nicht entgegen. In der vom Kläger angeführten Passage der Entscheidungsgründe (BSG aaO, RdNr 21) wird lediglich der Wortlaut von § 240 Abs 4 S 2 SGB V sinngemäß wiedergegeben. Auch aus den weiteren Ausführungen des BSG, wonach angesichts dieser besonderen Vorschriften für die Beitragsbemessung nicht davon auszugehen ist, dass im Regelfall die zu zahlenden Beiträge zur Sozialversicherung den Existenzgründungszuschuss gänzlich oder zum überwiegenden Teil aufzehren werden, kann entgegen der Auffassung des Klägers keine Festlegung in seinem Sinne entnommen werden. Dies gilt schon deswegen, weil dort ohnehin nur von einem "Regelfall" die Rede ist. Darüber hinaus beziehen sich diese Ausführungen lediglich auf eine besondere rentenrechtliche Beitragsbemessungsvorschrift (§ 165 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI) für den Personenkreis der Bezieher eines Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III und nicht auch speziell auf § 240 Abs 4 S 2 Teils 3 SGB V.

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3. Gegen die konkrete Berechnung der festgesetzten Beiträge im Übrigen hat der Kläger keine Einwände erhoben, auch sind sonst Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit nicht ersichtlich. Der Senat legt daher die Beitragsbemessung der Beklagten auch insoweit seiner Entscheidung als zutreffend zugrunde.

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4. Die vorstehenden Erwägungen gelten gemäß § 57 Abs 4 S 1 SGB XI für die zur sPV zu entrichtenden Beiträge entsprechend, da diese Vorschrift auf § 240 SGB V verweist.

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5. Hinsichtlich der Beitragsfestsetzung für das Quartal I/2009 greift die Argumentation des Klägers teilweise nicht durch und führt sein Vorbringen teilweise zur Aufhebung des LSG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

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a) Bezüglich der vom Kläger erstrebten Feststellung der "Vorläufigkeit der Beitragsfestsetzung" hat das LSG die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil dem Kläger insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Eine Beitragsfestsetzung durch einstweiligen Verwaltungsakt ist nach der Rechtsprechung des BSG bei hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen freiwilligen Versicherten (nur) zulässig, wenn sie mit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft ihre selbstständige Tätigkeit aufgenommen haben und deshalb der Nachweis über die Einnahmen iS des § 240 Abs 4 S 2 SGB V für die endgültige Beitragsfestsetzung noch nicht erbracht werden kann (vgl BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5 RdNr 14; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 240 SGB V RdNr 142 ff, Stand Einzelkommentierung Juli 2013). An einem solchen Sachverhalt fehlt es hier: Der Kläger übte bereits vor seinem Wechsel zur Beklagten eine selbstständige Tätigkeit aus und bezog einen monatlichen Gründungszuschuss von der BA. Darüber hinaus nahm die Beklagte - auch im Namen der beigeladenen Pflegekasse - bereits mit Bescheid vom 22.6.2010 eine (endgültige) Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 1.1. bis 31.3.2009 vor.

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b) Anders verhält es sich, soweit der Kläger darüber hinaus im Revisionsverfahren noch eine Neuberechnung der Beiträge für das Quartal I/2009 auf der Basis des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2009 und die Erstattung der für diese Zeit zu viel gezahlten Beiträge in Höhe von 660,12 Euro begehrt. Bezogen auf dieses Begehren kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das LSG die Klage auch insoweit im Ergebnis zu Recht mangels Rechtschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen hat.

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Zwar ist das Vorgehen des LSG, an ein und demselben Tag (dem 28.8.2012) einerseits eine Aufklärungsverfügung zu erlassen und die Beklagte "um Übersendung des Bescheides von 2011" zu bitten und andererseits - ohne deren Ergebnis abzuwarten - dennoch sogleich aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden, nach Aktenlage nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen und im Hinblick auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften zumindest rechtfertigungsbedürftig. Für die Richtigkeit des LSG-Urteils im Ergebnis könnte nach Aktenlage aber sprechen, dass der Kläger möglicherweise durch einen Bescheid der Beklagten vom 29.10.2010 (Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.01.2009") in eine andere Beitragsklasse eingestuft wurde, wodurch er - in begünstigender Weise - zu (absoluten) Mindestbeiträgen für freiwillige Mitglieder, die nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind (§ 240 Abs 4 S 1 SGB V = 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße), herangezogen worden sein könnte und dass ihm auch insoweit zu viel entrichtete Beiträge bereits erstattet worden sein könnten. In diesem Fall wäre der Kläger jedenfalls für das Quartal I/2009 klaglos gestellt, was zur Unzulässigkeit der Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses führen würde (vgl allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 125 RdNr 9 mwN).

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Eine abschließende Entscheidung ist dem erkennenden Senat als Revisionsgericht insoweit verwehrt. Der Sachverhalt ist im Zusammenhang mit den datumsgleichen Bescheiden bzw Schreiben der Beklagten unklar und vom Berufungsgericht zunächst weiter aufzuklären. Da das LSG jedwede Aufklärung und Würdigung im Zusammenhang mit den daraufhin von der Beklagten übersandten Bescheiden/Schreiben unterlassen hat, kann zB derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 29.10.2010 (Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.01.2009") lediglich um den Entwurf eines Bescheides handelte, der - dann allerdings ohne ersichtliche Kenntlichmachung als Entwurf - nur versehentlich in der Verwaltungsakte verblieb. Hierfür spricht, dass der Kläger im Revisionsverfahren geltend macht, ihm sei dieser (mögliche) Bescheid unbekannt. Dagegen spricht allerdings andererseits, dass dem Kläger offenbar in Ausführung dieses (möglichen) Bescheids bereits Beiträge erstattet wurden, weshalb im datumsgleichen Bescheid vom 29.10.2010 (Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.04.2009") um "Rücküberweisung" von 593,97 Euro gebeten wurde, wogegen sich der Kläger mit dem von der Beklagten übersandten Schreiben vom 8.12.2010 wandte. Möglicherweise wurde der (mögliche) Bescheid vom 29.10.2010 (Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.01.2009") aber auch - so die Auffassung der Beklagten im Revisionsverfahren - durch den datumsgleichen Bescheid vom 29.10.2010 (Betreffzeile: "Ihre Beitragseinstufung ab 01.04.2009") "aufgehoben", weil die Beitragsklassenneueinstufung im Quartal I/2009 (möglicherweise) rechtswidrig war, da der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Schreiben an die Beklagte vom 19.4.2009 im Quartal I/2009 "Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit als Pharmakologe" in Höhe von 11 900 Euro erzielt haben will, er dann also im Quartal I/2009 als hauptberuflich selbstständig erwerbstätig anzusehen wäre. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass - gemäß dem von der Beklagten im Revisionsverfahren übersandten Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 8.12.2010 - offenbar noch ein weiteres Schreiben der Beklagten vom 29.11.2010 existiert, das in den Akten gar nicht enthalten ist.

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Das LSG wird aufzuklären haben, ob und ggf welche Bescheide der Beklagten (und ggf der Beigeladenen) zum Quartal I/2009 ergangen sind, inwieweit diese entweder (zu Recht) aufgehoben oder wirksam angefochten wurden und welche tatsächlichen und rechtlichen Folgerungen sich im Hinblick auf die vom Kläger beantragte Neuberechnung seiner Beiträge in diesem Zeitraum ergeben.

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6. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.