Entscheidungsdatum: 27.01.2010
Zu den nach der Satzung einer Krankenkasse beitragspflichtigen Einnahmen eines freiwillig Versicherten, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden können, gehört auch eine Kapitalzahlung aus einem Rentenversicherungsvertrag (Anschluss an BSG vom 6.9.2001 - B 12 KR 5/01 R = SozR 3-2500 § 240 Nr 40).
Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Bemessung der Beiträge des Klägers zu seiner freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung eine Kapitalzahlung aus einer privaten Rentenversicherung zu berücksichtigen ist.
Der im Juni 1942 geborene und bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versicherte Kläger hatte bei einem privaten Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag über eine am 1.2.1993 beginnende private Rentenversicherung abgeschlossen. Nach diesem Vertrag bestand ab 1.2.2007 ua ein Anspruch auf eine jährliche lebenslange Altersrente in Höhe von 1.548,53 DM. Ferner war vereinbart, dass der Kläger mit einer Frist von drei Monaten vor Beginn der Rente deren Abfindung durch eine einmalige Kapitalzahlung verlangen konnte. Von diesem Kapitalwahlrecht machte der Kläger Gebrauch. Ihm wurde zum 1.2.2007 aus dieser Versicherung ein Betrag in Höhe von 16.622,55 Euro ausgezahlt.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 22.6.2007 die ab Juli 2007 zu zahlenden Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 283,53 Euro fest. Für die Beitragsbemessung berücksichtigte sie neben dem Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und einer Betriebsrente von dem Auszahlungsbetrag aus der privaten Rentenversicherung 1/120 (138,52 Euro) als beitragspflichtige monatliche Einnahme. Den ausschließlich gegen die Berücksichtigung der zuletzt genannten Kapitalzahlung als beitragspflichtige Einnahme gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2007 zurück.
Das SG hat mit Urteil vom 30.5.2008 die Klage abgewiesen. Mit Urteil vom 14.10.2008 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, nach der Satzung der Beklagten sei die Kapitalzahlung als beitragspflichtige Einnahme für die Höhe der Beiträge zu berücksichtigen, weil sie zum Lebensunterhalt verbraucht werden könne. Die dies regelnde Satzungsbestimmung entspreche § 240 Abs 2 SGB V, sei hinreichend bestimmt und verstoße nicht gegen Art 3 GG.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung von § 240 SGB V sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Die Kapitalzahlung aus seiner privaten Rentenversicherung sei keine dem Lebensunterhalt dienende Einnahme, weil sie für größere Anschaffungen hätte verbraucht werden sollen. Die Satzungsregelung definiere die beitragspflichtigen Einnahmen nicht hinreichend bestimmt und verstoße damit gegen das Rechtsstaatsprinzip. Auch würden unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz andere Einnahmen nicht für die Beitragsbemessung berücksichtigt, obwohl sie ebenfalls zum Lebensunterhalt verbraucht werden könnten. Jedenfalls könnten die in der Satzung genannten Leistungen von Versicherungsgesellschaften nur berücksichtigt werden, wenn sie aus einer früheren beruflichen Tätigkeit herrührten und auch auf Leistungen des Arbeitgebers beruhten. Die Beitragsbemessung der in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten müsse derjenigen der Versicherungspflichtigen entsprechen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30.5.2008 und das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14.10.2008 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2007 insoweit aufzuheben, als darin bei der Beitragsbemessung die kapitalisierte Rente in Höhe von 16.622,55 Euro mit monatlich 138,52 Euro als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zutreffend die monatlichen Krankenversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung der Kapitalzahlung festgesetzt. Auch eine Kapitalzahlung aus einem privaten Rentenversicherungsvertrag war für die Beitragsbemessung des freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat auf der Grundlage des § 240 SGB V iVm § 19 ihrer Satzung zutreffend ab 1.7.2007 höhere Krankenversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung auch der Kapitalzahlung aus der privaten Rentenversicherung festgesetzt. Zu Recht hat sie der Beitragsbemessung neben anderen Einnahmen monatlich 138,52 Euro aus dieser Zahlung als beitragspflichtige Einnahme zugrunde gelegt.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (vom 20.12.1988, BGBl I 2477) ab 1.1.1989 nach § 240 SGB V. Nach § 240 Abs 1 und 2 SGB V in der hier anwendbaren bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (geändert ab 1.1.2009 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378) wurde die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs 1 Satz 1), wobei sicherzustellen war, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigte (Abs 1 Satz 2). Die Satzung musste mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen waren (Abs 2 Satz 1).
Nach § 19 der Satzung der Beklagten in der hier anwendbaren, bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung waren für die Bemessung der Beiträge freiwilliger Mitglieder alle Einnahmen und Geldmittel beitragspflichtig, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden konnten, ohne Berücksichtigung ihrer steuerrechtlichen Behandlung (Abs 1 Satz 1 und 2). Als beitragspflichtige Einnahmen waren auch Versorgungsbezüge im Sinne von § 229 SGB V sowie Leistungen von Versicherungsgesellschaften zu berücksichtigen. Als Einnahmen in diesem Sinne galten sowohl laufende Geldleistungen (Renten) als auch nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen (Kapitalauszahlungen; Abs 1b Satz 1 und 2). Für Einmalbeträge, die keinem abgegrenzten Zeitraum zuzuordnen waren, galt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag, längstens für die Dauer von 120 Monaten, beginnend mit dem ersten des auf die Auszahlung folgenden Kalendermonats (Abs 1b Satz 3).
Diese Satzungsbestimmungen, die revisibles Recht iS von § 162 SGG enthalten, weil ihr Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt und damit der Auslegung durch das Revisionsgericht unterliegen (vgl Urteil des Senats vom 22.3.2006, B 12 KR 8/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 6), reichten aus, um die Kapitalzahlung aus dem privaten Rentenversicherungsvertrag des Klägers mit einem monatlichen Betrag von 1/120 des Gesamtbetrags der Beitragsbemessung zugrunde zu legen.
Bei dem von der Beklagten zur Beitragsbemessung herangezogenen Kapitalbetrag von 16.622,55 Euro handelte es sich um eine Einnahme iS von § 19 Abs 1 der Satzung, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden konnte. Bereits die in § 19 Abs 1 der Satzung enthaltene Generalklausel genügte, um Zahlungen aus einem privaten Rentenversicherungsvertrag bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen.
§ 240 Abs 1 Satz 2 SGB V beschränkte die Beitragsbemessung nicht auf bestimmte Einkunftsarten und deren Zweckbestimmung (vgl Urteil des Senats vom 19.12.2000, B 12 KR 1/00 R , BSGE 87, 228 = SozR 3-2500 § 240 Nr 34). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V wurde von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds bestimmt (vgl Urteil des Senats vom 6.9.2001, B 12 KR 14/00 R , SozR 3-2500 § 240 Nr 41). Für die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen der freiwilligen Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse reicht eine Generalklausel aus, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigten auch andere Einnahmen der freiwillig Versicherten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in der ständigen Rechtsprechung des BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden waren (vgl Urteile des Senats vom 23.2.1995, 12 RK 66/93 , BSGE 76, 34 = SozR 3-2500 § 240 Nr 19, vom 23.9.1999, B 12 KR 12/98 R , SozR 3-2500 § 240 Nr 31, vom 6.9.2001, B 12 KR 14/00 R , SozR 3-2500 § 240 Nr 41, sowie, B 12 KR 5/01 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 40, und vom 22.3.2006, B 12 KR 8/05 R , SozR 4-2500 § 240 Nr 6). Lediglich wenn die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten stieß oder verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung standen und sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnehmen ließen, setzte die Berücksichtigung der Einnahmen eine konkretisierende Satzungsregelung voraus (vgl BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 6, mwN). Für Renten aus privaten Versicherungsverträgen hat es der Senat ausreichen lassen, sie aufgrund einer entsprechenden Generalklausel der Beitragsbemessung zu unterwerfen, ohne dass es der ausdrücklichen Bezeichnung dieser Rentenarten in der Satzung bedurfte (vgl BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 41 zu einer Unfallrente aus einem Versicherungsvertrag unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 180 Nr 32 zu einer privaten Berufsunfähigkeitsrente als Einnahme iS von § 180 Abs 4 RVO und BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 40 zur Altersrente aus einem Rentenversicherungsvertrag).
Soweit der Kläger meint, die Kapitalzahlung aus seiner privaten Rentenversicherung dürfe nicht als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt werden, weil sie weder den Einkünften aus Renten noch aus Versorgungsbezügen oder aus Arbeitseinkommen iS des § 238a SGB V vergleichbar sei, verkennt er, dass nach §§ 240, 238a SGB V auch sonstige, diesen Einnahmearten nicht vergleichbare Einnahmen nach der og Rechtsprechung für die Beitragsbemessung berücksichtigt werden können. Entgegen seiner Auffassung schließen weder die Auszahlung der Versicherung als Kapitalbetrag anstatt der ursprünglich vereinbarten Rente noch die vom Versicherten beabsichtigte Verwendung dieses Kapitalbetrags dessen Berücksichtigung als beitragspflichtige Einnahme aus. Auch sind Beiträge entgegen der Meinung des Klägers aus dem Zahlbetrag und nicht nur aus dem Ertragsanteil oder aus anfallenden Zinsen zu entrichten. Auch die einkommensteuerrechtliche Behandlung ist nicht entscheidend (vgl BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 40 sowie Urteil vom 12.11.2008, B 12 KR 6/08 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 7 mwN).
Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ist nicht ersichtlich. Dass nach den gesetzlichen Regelungen bei freiwillig Versicherten nicht nur Versorgungsbezüge, also Einnahmen, die unmittelbar auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis oder auf frühere Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind, sowie Arbeitseinkommen, sondern auch Einnahmen aufgrund privater Eigenvorsorge im Gegensatz zur Beitragsbemessung bei Pflichtversicherten zu berücksichtigen sind, entspricht dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen, und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 3.2.1993, 1 BvR 1920/92, SozR 3-2500 § 240 Nr 11, unter Hinweis auf Beschluss vom 6.12.1988, 2 BvL 18/84, BVerfGE 79, 223 = SozR 2200 § 180 Nr 46). Soweit der Kläger eine Ungleichbehandlung rügt, weil Auszahlungen aus Ratensparverträgen, aus Aktien, aus Pfandbriefen, aus einem Bausparvertrag, aus Erbschaften oder aus Schenkungen nicht zur Beitragsbemessung herangezogen würden, kann offen bleiben, ob dies tatsächlich zutrifft. Jedenfalls ist es dem Gesetz- und Satzungsgeber nicht verwehrt, typisierend Zahlungen aus privaten Rentenversicherungsverträgen, die wie die ebenfalls der Beitragspflicht unterworfenen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung der Altersvorsorge dienende Leibrenten sind, im Unterschied zu sonstigen Kapitalzuflüssen bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen.
Soweit der Kläger meint, es könnten ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz nur den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vergleichbare Kapitalleistungen der Beitragserhebung unterworfen sein, verkennt er zum einen, dass bei freiwillig Versicherten die Beitragserhebung nicht auf solche Leistungen beschränkt ist, und zum anderen, dass Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch ohne finanzielle Beteiligung des Arbeitgebers zur Beitragsbemessung herangezogen werden können (vgl BSG, SozR 4-2500 § 229 Nr 7 mwN).
Zutreffend hat die Beklagte den Betrag der ausgezahlten Kapitalleistung aus der privaten Rentenversicherung auf 120 Monate verteilt und für die Zeit nach der Auszahlung ab 1.7.2007 monatlich 138,52 Euro der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Als nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung, die keinem abgegrenzten Zeitraum zuzuordnen war, war der ausgezahlte Betrag aus der privaten Rentenversicherung gemäß § 19 Abs 1b Satz 3 der Satzung mit monatlich 1/120 zu berücksichtigen. An der Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung bestehen - ebenso wie im Hinblick auf die entsprechende Vorschrift des § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V (vgl BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 7 mwN) - keine Zweifel.