Entscheidungsdatum: 02.11.2011
Der Antrag des Klägers, ihm für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. Juni 2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt P. F., D., beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Mit Urteil vom 3.6.2011 hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme für Leistungen im Berufsbildungsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) R. als Leistung zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. F., D., beantragt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) geltend und rügt Verfahrensmängel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
II. 1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall.
2. Die Beschwerde ist unzulässig. Die vorgebrachten Zulassungsgründe - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler - sind nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese Fragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Insbesondere ist der Schritt darzustellen, der die Entscheidung der aufgezeigten Rechtsfrage erforderlich macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31; stRspr). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Dies ist hier nicht geschehen.
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Der Kläger wirft folgende Rechtsfragen auf: |
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"1. |
Kann im Lichte des zwischenzeitlich von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten, sowie am 01.01.2009 in Kraft getretenen Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention - BRK) der Finanzierungsvorbehalt des § 136 Abs. 2 SGB IX noch Vorrang gegenüber dem Wunsch- und Wahlrecht des Behinderten i. S. d. § 9 I SGB IX haben? |
2. |
Ist dem sich aus der BRK ergebenden Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen und der garantierten bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte dem vorbez. Wunsch- und Wahlrecht dergestalt Rechnung zu tragen, dass der mit BSG-Urteil vom 29.06.1995 (11 RAR 57/94) zur Nr. 4 entwickelte Rechtssatz, dass Maßstab für die Werkstattfähigkeit von behinderten Menschen die Verhältnisse in der Werkstätte sind, in die der Schwerbehinderte aufgenommen werden soll, zumindest in Fällen aufgegeben werden muss, in denen die zuständige WfbM ausdrücklich die Bereitschaft bekundet, den Behinderten in den Berufsbildungsbereich aufzunehmen, jedoch dafür zusätzliche Personalmittel für einen erhöhten, von der Norm abweichenden Personalschlüssel benötigt?" |
Damit wirft der Kläger zwar abstrakte Rechtsfragen auf. Er hat jedoch die Klärungsbedürftigkeit dieser beiden Rechtsfragen nicht ausreichend dargelegt. Denn sein Vorbringen, das vom LSG in Bezug genommene Urteil des BSG vom 29.6.1995 (11 RAr 57/94 - BSGE 76, 178 = SozR 3-4100 § 58 Nr 7) stehe im Widerspruch zu der BRK und sei insoweit zeitlich und inhaltlich überholt, lässt eine substanziierte Darlegung und eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG vermissen. So wird lediglich der Leitsatz Nr 4 der genannten Entscheidung wiedergegeben, ohne darzulegen, dass und inwiefern der Entscheidung auch inhaltlich ein derartiger Rechtssatz zugrunde liegt. Auch der Widerspruch zur BRK wird allein behauptet. Es wird insbesondere nicht substanziiert dargelegt, weshalb in der Ablehnung einer Kostenübernahme für eine (erforderliche) 1:1-Betreuung eine "Diskriminierung" des behinderten Menschen im Sinn der BRK zu sehen sein soll. Insoweit fehlt es schon an einer Auseinandersetzung mit der in Art 2 BRK enthaltenen Begriffsbestimmung der "Diskriminierung aufgrund von Behinderung".
Ähnliches gilt für die weiteren, vom Kläger herangezogenen Bestimmungen der BRK (zB Art 4 Abs 2 BRK - Vorbehalt der verfügbaren Mittel der Vertragsstaaten). Soweit der Kläger selbst vorträgt, dass die Bestimmungen der BRK grundsätzlich "keine unmittelbaren innerstaatlichen Rechtsansprüche" begründen könnten, ist nicht nachvollziehbar, dass aus den Regelungen der BRK - etwa im Wege einer entsprechenden Gesetzesumsetzung bzw Gesetzesauslegung - ein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden könnte, eine 1:1-Betreuung in einer "zuständigen" WfbM zu verlangen (vgl insoweit auch BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 10/0 R, RdNr 19). So setzt sich die Beschwerdebegründung - abgesehen davon, dass es sich bei der fraglichen Leistung um eine Ermessensleistung (vgl § 97 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch
Darüber hinaus hat der Kläger auch den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsfähigkeit nicht Rechnung getragen. Klärungsfähigkeit im Sinne von Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers in seinem Sinne hätte ausfallen müssen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 mwN; stRspr). Daran mangelt es zB, wenn die Entscheidung der Berufungsinstanz auf verschiedenen Begründungen gestützt wird, die nicht alle von der aufgeworfenen Rechtsfrage betroffen sind (vgl BSG aaO RdNr 3; SozR 3-1500 § 160a Nr 28). Dies ist hier der Fall.
Das LSG hat die fragliche Werkstattfähigkeit des Klägers nicht allein von dem der WfbM zur Verfügung stehenden Personalschlüssel abhängig gemacht. Vielmehr hat das LSG die Verneinung der Werkstattfähigkeit des Klägers auch auf die Entscheidung des BSG vom 10.3.1994 (7 RAr 22/93
b) Soweit der Kläger "außerdem … zwei Verfahrensmängel im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend macht", beschränkt sich sein gesamtes Vorbringen auf diesen einen Satz. Damit werden mögliche Fehler im Berufungsverfahren nicht "bezeichnet" (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG; vgl zu den Darlegungserfordernissen ua BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und Nr 36).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
Da dem Kläger mangels Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde PKH nicht zu bewilligen ist, hat er auch keinen Anspruch auf Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nach § 73a SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.