Entscheidungsdatum: 26.03.2010
Der Kläger begehrt für den Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 16. Januar 2006 höheres Insolvenzgeld (Insg). Er macht geltend, die Beklagte habe bei der Festsetzung des Insg Beiträge an die Direktversicherung in Höhe von 1.272 Euro zu Unrecht nicht berücksichtigt, die im November 2005 vom Arbeitgeber wegen der Insolvenz nicht gezahlt wurden.
Widerspruch, Klage und Berufung gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. April 2006 sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2006; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 3. März 2008; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger. Er macht geltend, das LSG weiche von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundessozialgerichts (BSG) ab, weil es entschieden habe, dass er für die von seinem Arbeitgeber nicht entrichteten Beiträge für eine Direktversicherung keinen Anspruch auf Insg habe, denn diese seien kein Arbeitsentgelt iS von § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Ferner trägt der Kläger vor, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil die Frage, ob im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung Prämien für Direktversicherungen "Arbeitsentgelt" seien, auch im Hinblick auf die europarechtlichen Insolvenzrichtlinien geklärt werden müsse. Die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits entfalle auch nicht wegen der Entscheidung des BSG vom 5. Dezember 2006 (B 11a AL 19/05 R) oder auf Grund der zwischenzeitlichen Gesetzesänderung (Gesetz vom 2. Dezember 2006, BGBl I 2742). Denn in der genannten Entscheidung setze sich das BSG bei der Auslegung des Begriffes "Arbeitsentgelt" nicht mit seiner eigenen divergierenden Rechtsprechung, der divergierenden Rechtsprechung des BVerfG, des Bundesarbeitsgerichts (BAG), des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Bundesfinanzhofs auseinander.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (dazu nachfolgend unter 1) und der grundsätzlichen Bedeutung (dazu nachfolgend unter 2) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet bzw dargelegt worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1) Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits aufzuzeigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt ist und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (SozR 1500 § 160a Nr 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26; stRspr). Schlüssig darzulegen ist auch, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl ua BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers vom 12. Januar 2010 nicht gerecht.
Mit dem Vortrag, das LSG habe "entschieden, dass der Kläger für die von seinem Arbeitgeber nicht entrichteten Beiträge an eine Direktversicherung keinen Anspruch auf Insolvenzgeld habe, weil sie kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB seien", hat er keinen tragenden abstrakten Rechtssatz formuliert, sondern nur eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Aussage. Doch selbst wenn man davon ausgeht, der Kläger habe mit diesen Ausführungen einen nicht nur auf sich, sondern auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer bezogenen, der Entscheidung des LSG zu Grunde liegenden Rechtssatz herausgearbeitet, ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen kein Widerspruch zu den genannten Entscheidungen des BSG vom 14. Juli 2004 (B 12 KR 10/02 R, BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1) und des BVerfG vom 7. Juli 2009 (1 BvR 1164/07). Die Divergenz-Zulassung rechtfertigt sich nur, wenn die angefochtene Entscheidung und die Entscheidung, von der angeblich abgewichen worden ist, dieselbe Rechtsfrage betreffen (vgl BSG, Beschluss vom 14. März 2007 - B 11a AL 143/06 B; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 404 mwN). Nach den Ausführungen der Beschwerdebegründung bezieht sich die genannte Entscheidung des BSG auf den Begriff des Arbeitsentgelts "sowohl im Beitragsrecht als auch im Steuerrecht". Insoweit ist aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass und weshalb diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Bereich des Insg-Rechts übertragbar sein soll. Die Beschwerdebegründung versäumt es insbesondere, sich mit der vom LSG zitierten Entscheidung des Senats vom 5. Dezember 2006 (B 11a AL 19/05 R) und den dortigen Ausführungen zur Eigenständigkeit des Arbeitsentgeltbegriffs des § 183 Abs 1 SGB III (vgl BSGE 98, 5 = SozR 4-4300 § 183 Nr 7 RdNr 24 mwN) auseinanderzusetzen. Ebenso lässt die in der Beschwerdebegründung wiedergegebene Aussage der genannten Entscheidung des BVerfG keine Identität der Rechtsfragen erkennen. Die Aussage, dass Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung nach der übereinstimmenden Rechtsprechung von BAG und BGH Arbeitsentgelt seien, bezieht sich weder auf das Insg noch speziell auf die Frage der Entgeltumwandlung und ihres Rechtscharakters.
2) Auch der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Fragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage aufzeigen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht.
Der Kläger wirft zwar die Frage auf, ob im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung Prämien für Direktversicherungen "Arbeitsentgelt" seien. Jedoch hat er die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht dargetan. Abgesehen davon, dass die Beschwerdebegründung schon nicht deutlich macht, welcher Sachverhalt dem Rechtsstreit und der aufgeworfenen Frage zu Grunde liegt, betrifft der Rechtsstreit - wie der Kläger selbst vorträgt - abgelaufenes Recht, nämlich § 183 Abs 1 SGB III in der bis zur Gesetzesänderung vom 2. Dezember 2006 gültigen Fassung. Eine außer Kraft getretene Vorschrift hat aber nach ständiger Rechtsprechung des BSG in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Der Einwand des Klägers, sein Fall werde durch diese Gesetzesänderung wegen der fehlenden Rückwirkung nicht erfasst, und die Behauptung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass noch eine Vielzahl weiterer, vergleichbarer Fälle anhängig sei, die nach bisherigem Recht zu entscheiden seien, ersetzen nicht die schlüssige Darlegung eines fortbestehenden Klärungsbedarfs (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; Kummer, aaO, RdNr 347). Fehl geht auch der Vortrag der Beschwerdebegründung, die Gesetzesänderung betreffe nur den Fall nicht gezahlter Beiträge für eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds im Rahmen einer Entgeltumwandlung, nicht aber die "Grundsatzfrage", ob Prämien an eine Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds Arbeitsentgelt iS der §§ 183 ff SGB III bzw der einschlägigen europarechtlichen Insolvenzrichtlinien darstellten. Dabei verkennt der Kläger offensichtlich, dass das Revisionsverfahren nicht dazu da ist, Rechtsfragen abstrakt zu klären. Vielmehr muss die mit der Beschwerde herausgestellte Rechtsfrage für den zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich und klärungsbedürftig sein. Die hiernach erforderlichen Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 31; stRspr).
Soweit der Kläger zugleich eine inhaltliche Kritik an der Entscheidung des LSG vornimmt, eröffnet dies die Revisionsinstanz nicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; stRspr).