Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 16.07.2010


BSG 16.07.2010 - B 11 AL 180/09 B

Vermittlung Arbeitsloser und Arbeitsuchender - Selbst- bzw Berufsinformationssystem (SIS bzw BIZ) der BA - personenbezogene Nutzerregistrierung für Internetseiten außerhalb des Hausangebots - kein Anspruch auf anonyme Nutzung - Verfassungsmäßigkeit


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsdatum:
16.07.2010
Aktenzeichen:
B 11 AL 180/09 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 16. Juni 2009, Az: S 7 AL 1338/09, Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 7. Oktober 2009, Az: L 3 AL 3363/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Tatbestand

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In der Hauptsache ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger als Bezieher von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in ihren Berufsinformationszentren (BIZ) Internetarbeitsplätze ohne personenbezogene Nutzerregistrierung für von ihr nicht freigegebene Internetseiten zur Verfügung stellen muss.

2

Die Beklagte stellt ihren Nutzern eine anonyme und anmeldefreie Nutzung ihrer eigenen arbeitsmarktbezogenen Angebote im Internet zur Verfügung. Zur Vermeidung von Missbrauch ist jedoch seit 2009 allen Dienststellen die personenbezogene Nutzerregistrierung für Internetseiten außerhalb des eigenen Angebots der Beklagten durch eine interne Handlungsempfehlung verbindlich vorgegeben. Hiergegen wendet sich der Kläger ua mit der Begründung, die Registriermaßnahme verstoße gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

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Klage und Berufung waren ohne Erfolg. Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und hat hierfür Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

Entscheidungsgründe

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1. Dem Kläger steht PKH nicht zu, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>). Die Revision ist nur zuzulassen, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder Verfahrensmangel) vorliegt. Ein solcher Grund ist nach den Ausführungen des Klägers und nach Lage der Akten nicht zu erkennen.

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Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu. Das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) wirft klärungsbedürftige und im konkreten Verfahren klärungsfähige Rechtsfragen von allgemeinem Interesse (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7) nicht auf. Eine Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf registrierungsfreie Nutzung von Internetseiten in den BIZ der Beklagten außerhalb des von ihr zur Verfügung gestellten Angebots ist weder einfachrechtlich in §§ 35 Abs 3, 41 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ( iVm § 16 Abs 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch) vorhanden noch aus der Verfassung über Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 Grundgesetz (<GG>, Recht auf informationelle Selbstbestimmung) noch Art 20 GG (Sozialstaatsprinzip) abzuleiten. Ziel der genannten Regelungen des einfachen Rechts des SGB III ist es vornehmlich, die Internetjobbörse "Virtueller Arbeitsmarkt" weiterzuentwickeln. Nur im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit (BA), Vermittlung auch über Selbstinformationseinrichtungen durchzuführen, sehen §§ 35, 41 SGB III eine beschränkte Datenaufnahme, Nutzung und Übermittlung der Daten vor (§§ 35 Abs 3 Satz 2, 41 Abs 3 SGB III idF des Neuausrichtungsgesetzes vom 21.12.2008, BGBl I 2917; vgl dazu BT-Drucks 16/10810 S 29 ff). Darüber hinausgehende Serviceleistungen werden davon ersichtlich nicht erfasst. Es steht dem Kläger frei, für Internetseiten außerhalb des Angebots der Beklagten Internetzugänge außerhalb des BIZ zu nutzen. Dies entspricht dem von Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, welches die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, mit umfasst (grundlegend BVerfGE 65, 1 ). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat überdies zuletzt in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 = NJW 2010, 505) einen einklagbaren Leistungsanspruch unmittelbar aus dem Sozialstaatsgebot (iVm Art 1 Abs 1 GG) nur bei Fehlen der notwendigen materiellen Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins abgeleitet. Die Tatsache, dass der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, rechtfertigt als solche keinen weitergehenden Leistungsanspruch. Die Antwort auf die Frage nach einem Recht zur registrierungsfreien Nutzung des Internets außerhalb der hauseigenen Angebote in den BIZ der BA ergibt sich im verneinenden Sinne damit unmittelbar aus dem Gesetz (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7) bzw der Rechtsprechung des BVerfG. Die Rechtslage ist insoweit nicht mit Zweifeln behaftet, welche Klärungsbedarf aufwerfen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl, 2010, RdNr 313).

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Das Urteil des LSG weicht danach auch nicht von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG ab (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

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Anhaltspunkte für Verfahrensfehler, auf denen das Urteil der Vorinstanz beruhen könnte (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), sind ebenfalls nicht zu erkennen.

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2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingereicht und unterzeichnet ist (§ 73 Abs 4 SGG).

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.