Entscheidungsdatum: 29.04.2014
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 10. Juli 2013 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5600 Euro festgesetzt.
I. Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer für das Verfahren S 2 KA 5544/08 vor dem SG Gotha in Höhe von 5600 Euro. Mit ihrer am 25.11.2008 beim SG eingegangenen Klage wandte sich die Klägerin gegen die Festsetzung ihres Honorars für das IV. Quartal 2005 und das I. Quartal 2006 durch die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen. Am 15.2.2012 rügte die Klägerin die Dauer des Verfahrens. Das SG ordnete am 20.3.2013 mit Zustimmung der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens S 2 KA 5544/08 an. Das LSG hat auf die bereits am 11.7.2012 erhobene Schadensersatzklage festgestellt, dass das Verfahren unangemessen lang gewesen sei, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ua darauf verwiesen, die Klage sei zwar nach Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist im Anschluss an die Verzögerungsrüge zulässig geworden. Auch sei in der Zeit vom 15.2. bis 17.8.2010 sowie vom 16.11.2010 bis 31.12.2011 ein Verfahrensstillstand eingetreten, der durch sachliche Gründe nicht zu erklären sei. Aufgrund von unangemessenen (Leer-)Laufzeiten vor Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) mWv 3.12.2011 komme eine Entschädigung mangels unverzüglicher Verzögerungsrüge indes nicht in Betracht, ebenso wenig eine Entschädigung für Zeiträume von unter einem Monat nach Inkrafttreten des ÜGG (Urteil vom 10.7.2013).
Gegen das ihr am 15.8.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.9.2013 Revision eingelegt und nach Hinweis des Gerichts auf den Eingang nach Ablauf der Einlegungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ua angeführt, der zunächst angesprochene Rechtsanwalt habe erst am 12.9.2013 mitgeteilt, dass ihm eine Einarbeitung nicht möglich sei. Daraufhin seien dem Prozessbevollmächtigten drei Parallelsachen mit unterschiedlichen Zugangsdaten und Fristen zum 16.9. bzw 23.9.2013 zugesandt worden. Dessen stets zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte habe die unterschiedlichen Fristen korrekt ermittelt, der Prozessbevollmächtigte sie selbst überprüft. Gleichwohl habe die Büroangestellte sodann infolge einer Verwechslung im Fristenkalender sämtliche Fristen auf den 23.9.2013 notiert.
II. Die nicht in der gesetzlichen Frist eingelegte Revision ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 169 S 2 und 3 SGG).
1. Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen (§ 164 Abs 1 S 1 SGG). Die Klägerin hätte mithin Revision gegen das Urteil des LSG, welches ihr am 15.8.2013 mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung zugestellt wurde, bis zum Ablauf des 16.9.2013 (Montag) einlegen müssen (§ 64 Abs 3 SGG). Dem genügt die erst am 23.9.2013 beim BSG eingegangene Revisionsschrift nicht.
2. Der Klägerin ist auch nicht antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfrist zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Die Voraussetzung hierfür, nämlich dass die Klägerin ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, ist nicht erfüllt. Die Klägerin hat schuldhaft die Revisionseinlegungsfrist versäumt, da sie sich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 73 Abs 4 S 1 und Abs 6 S 7 SGG iVm § 85 Abs 1 ZPO). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten selbst - sowie der von ihm beschäftigten, zur Rechtsvertretung im Prozess befugten Personen (s § 73 SGG und dazu Keller und Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 67 RdNr 9e und § 73 RdNr 49-54, jeweils mwN) - ist der Prozesspartei stets zuzurechnen. Ein Verschulden der weiteren - von dem Prozessbevollmächtigten herangezogenen - Bediensteten ist der Prozesspartei indessen dann nicht zuzurechnen, wenn deren Fehlverhalten Aufgaben betrifft, die auf sie delegiert werden durften und wenn sie sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht wurden (BSG Beschluss vom 14.8.2012 - B 6 KA 10/12 B - Juris RdNr 7 mwN; vgl auch § 831 Abs 1 S 2 BGB).
Delegierbar sind grundsätzlich nur Routineangelegenheiten.Die Berechnung von Fristen, die nicht zu den Routinefristen gehören, muss der Rechtsanwalt selbst übernehmen (BSG Beschluss vom 27.7.2005 - B 11a AL 93/05 B). Die Führung von Revisionsverfahren ist für Rechtsanwälte typischerweise keine Routineangelegenheit; diese Vertretungen kommen bei ihnen im Allgemeinen nur selten vor (vgl BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 15 S 43). Der Senat braucht nicht abschließend zu vertiefen, ob und inwieweit die Berechnung der Frist zur Einlegung der Revision der Bürokraft überlassen werden durfte, wenn - wie hier - der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die von seiner Büroangestellten ermittelten unterschiedlichen Fristen zur Einlegung von Rechtsmitteln in drei Parallelfällen vor Eintragung in den Fristenkalender eigenhändig überprüfte. Die von ihm geschilderte Büroorganisation lässt jedenfalls nicht erkennen, ob und welche Maßnahmen er zudem ergriffen hat, die sicherstellen, dass das Fristende nicht nur vorab richtig ermittelt, sondern auch zutreffend im Fristenkalender festgehalten wird (vgl zum Umfang der Prüfung bei Vorlage auf Vorfrist BSG Beschluss vom 10.3.2008 - B 1 KR 29/07 R - Juris RdNr 4).
Allerdings braucht der Rechtsanwalt nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist, wenn er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung einer Frist, ihrer Notierung auf den Handakten, zur Eintragung im Fristenkalender sowie zur Bestätigung der Kalendereintragung durch einen Erledigungsvermerk auf den Handakten bei Vorlage der Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung geprüft hat. Zwar erstreckt sich die Pflicht zur Prüfung auch darauf, ob das (zutreffend errechnete) Fristende im Fristenkalender notiert worden ist. Doch kann sich der Prozessbevollmächtigte unter den beschriebenen Umständen grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken. Andernfalls würde die Einschaltung von Bürokräften in die Fristenüberwachung weitgehend sinnlos, die jedoch aus organisatorischen Gründen erforderlich und deshalb zulässig ist (vgl BGH NJW 2008, 1670 mwN). Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender ordnungsgemäß in der Handakte vermerkt wurde und sich die Prüfung hierauf erstreckte. Eine entsprechende Verfahrensweise ist hier indes nicht glaubhaft gemacht.
Hinzu kommt vorliegend die Besonderheit, dass in mehreren Verfahren derselben Beteiligten mehrere Fristen für Rechtsmittel und Rechtsmittelbegründungen zu notieren waren. In einem solchen Fall muss der Rechtsanwalt durch besondere organisatorische Maßnahmen verhindern, dass eine Verwechselung in der Behandlung der verschiedenen Verfahren entstehen kann (BGH NJW 2010, 3585). Vorkehrungen, die eine Verwechselung unterschiedlicher Fristen paralleler Verfahren verhindern, sind jedoch ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 S 6, § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.