Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 12.07.2013


BSG 12.07.2013 - B 1 KR 74/12 B

Sozialgerichtliches Verfahren - ärztliche Weiterbildungsvorschriften - revisionsrechtliche Auslegung - Rechtsnorm - ausgelaufenes Recht - keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
12.07.2013
Aktenzeichen:
B 1 KR 74/12 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Potsdam, 20. Januar 2011, Az: S 15 KR 100/08, Urteilvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 17. April 2012, Az: L 9 KR 83/11, Urteil
Zitierte Gesetze
ÄMWeitBiO

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. April 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 15 066,89 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die klagende Krankenhausträgerin ist mit ihrem Begehren, die beklagte Krankenkasse (KK) zur Zahlung von 15 066,89 Euro für die Behandlung der bei der Beklagten versicherten S. J. (Versicherte) zu verurteilen, bei dem SG erfolgreich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe keinen Vergütungsanspruch. Die von der Klägerin in ihrem Plankrankenhaus für die Versicherte erbrachten, der Orthopädie zuzurechnenden knieendoprothetischen Leistungen seien nicht von dessen Versorgungsauftrag erfasst gewesen, der sich aus dem Landeskrankenhausplan (LKHPlan) des Landes Brandenburg ergebe. Sie habe gemäß dem bestandskräftigen Bescheid vom 3.2.2003 zum 2. LKHPlan im Plankrankenhaus nur chirurgische Leistungen erbringen dürfen. Ziff 5 Abs 1 S 2 2. LKHPlan bestimme, dass die Zuordnung der bettenführenden Abteilungen zu den Fachgebieten nach der von der Landesärztekammer Brandenburg beschlossenen Weiterbildungsordnung (WBO) zu erfolgen habe. Hierbei handele es sich um eine statische Verweisung auf die im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des 2. LKHPlans geltende WBO (hier idF der 6. Satzung vom 25.9.2002). Danach gehörten knieendoprothetische Leistungen nicht zum Fachgebiet Chirurgie (Urteil vom 17.4.2012).

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Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

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II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

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1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

5

a) Die Klägerin formuliert zunächst die Rechtsfrage:

        

"Führt die Änderung einer Weiterbildungsordnung bei einer pauschalen Bezugnahme des Landeskrankenhausplans zu einer inhaltlichen Änderung des Versorgungsauftrages des Krankenhauses nach § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG, § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V?"

Die Beschwerdebegründung legt die Entscheidungserheblichkeit der Frage jedoch nicht hinreichend dar. Sie macht nicht deutlich, dass die von ihr formulierte Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren klärungsfähig wäre. Insoweit hätte sie sich mit der abweichenden Auslegung des 2. LKHPlans des Landes Brandenburg durch das LSG auseinandersetzen und darlegen müssen, ob und inwieweit revisibles Recht vorliegt, das einer Überprüfung im Revisionsverfahren zugänglich ist (vgl hierzu BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 19 mwN; vgl auch BSG Beschluss vom 21.2.2001 - B 4 RA 35/00 B; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 4 ff). Der bloße Verweis der Klägerin darauf, dass es primär um die Auslegung des Versorgungsauftrags im Sinne der § 39 Abs 1 S 3 SGB V, § 8 Abs 1 S 4 Nr 1 KHEntgG gehe, genügt den Begründungsanforderungen nicht.

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b) Die Klägerin formuliert als zweite Rechtsfrage:

        

"Ist das Revisionsgericht bei der Auslegung des Begriffs des 'Versorgungsauftrages' im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG unter Beachtung der Weiterbildungsordnung der jeweiligen Landesärztekammer an die Auslegung der Weiterbildungsordnung des LSG gebunden oder ist das BSG berechtigt, die Vorschriften über die Weiterbildungsordnung der jeweiligen Landesärztekammer selbst auszulegen, um den Versorgungsauftrag im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG zu bestimmen?"

Die Beschwerdebegründung legt schon nicht die Klärungsbedürftigkeit dar. Sie verweist vielmehr selbst auf Rechtsprechung des für das Vertrags(zahn)arztrecht zuständigen 6. Senats des BSG (SozR 4-2500 § 95 Nr 5; SozR 4-2500 § 95 Nr 7; SozR 4-2500 § 95 Nr 8), wonach "bereits geklärt ist, dass die Weiterbildungsvorschriften einer revisionsrechtlichen Auslegung gleichfalls zugängig sind". Soweit die Beschwerdebegründung darauf abstellt, dass sich bislang weder der 1. noch der 3. Senat des BSG mit der Frage auseinandergesetzt hätten, inwieweit unter Berücksichtigung der Muster-WBO der Bundesärztekammer das Weiterbildungsrecht revisibles Recht sei, zeigt sie nicht auf, dass trotz der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG weiterhin Klärungsbedarf in krankenhausvergütungsrechtlichen Zusammenhängen besteht.

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c) Die Klägerin formuliert schließlich als dritte Rechtsfrage:

        

"Ist es zulässig, den Versorgungsauftrag eines Krankenhauses nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG nur auf den Bereich festzulegen, der ausdrücklich positiv in der Weiterbildungsordnung bzw. in der Weiterbildungsrichtlinie definiert wurde; insbesondere ist es als zulässig anzusehen, dass eine knieendoprothetische Operation nicht im Fachbereich der Chirurgie, sondern ausschließlich dem Fachbereich der Orthopädie zugeordnet wird?"

Es kann offenbleiben, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage klar formuliert. Hinsichtlich des ersten Teils der Frage zeigt sie jedenfalls nicht deren Entscheidungserheblichkeit auf. Diese wird weder durch den Hinweis auf die Rechtsprechung des 6. Senats des BSG (BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8) noch auf § 137c SGB V verdeutlicht. Im Kern greift die Beschwerdebegründung, wie aus dem zweiten Teil der Frage hervorgeht, lediglich das Auslegungsergebnis des LSG der seit 2005 nicht mehr geltenden WBO der Landesärztekammer Brandenburg an. Sie legt insoweit die grundsätzliche Bedeutung nicht dar. Sie führt selbst aus, dass sich das Recht der Weiterbildung von Chirurgen und Orthopäden sowohl in der WBO der Landesärztekammer Brandenburg als auch in den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Muster-WBO geändert habe und es sich bei der vom LSG zugrunde gelegten WBO um ausgelaufenes Recht handele. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Rechtsnorm, bei der es sich um ausgelaufenes Recht handelt, regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung (vgl BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - Juris RdNr 10 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.