Entscheidungsdatum: 17.03.2016
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO) liegen nicht vor.
1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. März 2015 - AnwZ (Brfg) 47/14, juris Rn. 3 und vom 3. Juni 2015 - AnwZ (Brfg) 11/15, juris Rn. 3, jeweils mwN). Entsprechende Zweifel vermag der Kläger mit seiner Antragsbegründung nicht darzulegen.
Der Kläger macht insoweit geltend, dass es an einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchender mangele. Dies sieht der Senat - in Übereinstimmung mit dem Anwaltsgerichtshof - anders. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 26. August 2013 - AnwZ (Brfg) 31/13, juris Rn. 5; vom 16. März 2015, aaO Rn. 5 und vom 3. Juni 2015, aaO Rn. 8, jeweils mwN). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Der Kläger ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig. Mit seinem Vortrag zu den von ihm ergriffenen Maßnahmen, mit denen der Eingang von Fremdgeld vermieden werden soll, vermag er nicht durchzudringen. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senat, aaO, jeweils mwN).
2. Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 3. Juni 2015, aaO Rn. 10 mwN).
a) Der Kläger verweist hierzu darauf, dass der Widerruf nur auf Forderungen eines Gläubigers und zwar des Finanzamts gestützt worden sei. Im Gegensatz zu anderen Gläubigern sei das Finanzamt nicht verhandlungsbereit gewesen. Dieser Umstand erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen des o.a. Zulassungsgrundes. Das Finanzamt hat aus vollstreckbaren Steuerbescheiden über 93.489 € in zwei Fällen erfolglos die Zwangsvollstreckung betrieben und anschließend einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Der Kläger hat daraufhin, um sich die Möglichkeit der Restschuldbefreiung zu erhalten, einen Eigenantrag gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde kurz nach dem Widerruf der Zulassung eröffnet und ist noch nicht beendet. Der Anwaltsgerichtshof, auf dessen Begründung der Senat Bezug nimmt, ist insoweit zutreffend vom Vorliegen eines Vermögensverfalls des Klägers ausgegangen, dem im Übrigen bereits mehrfach in der Vergangenheit die Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 und Nr. 9 BRAO entzogen worden ist. Die Annahme eines Vermögensverfalls setzt dabei nicht voraus, dass es vor dem Widerruf zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von mehr als einem Gläubiger gekommen ist (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 26. August 2013, aaO Rn. 4; vom 19. März 2014 - AnwZ (Brfg) 4/14, juris Rn. 6 und vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 9).
b) Auch der Umstand, dass bezüglich der Steuerbescheide Verfahren beim Finanzgericht anhängig sind, begründet keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten. Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend darauf abgestellt, dass es ausreicht, dass die den Bescheiden zugrundeliegenden Forderungen vollstreckbar waren und die Vollziehbarkeit nicht durch das Finanzgericht ausgesetzt worden ist. Auf den rechtskräftigen Abschluss der finanzgerichtlichen Verfahren kommt es nicht an (siehe auch Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, HFR 2014, 637). Nur ergänzend ist anzumerken, dass der Kläger nichts dazu vorgetragen hat, inwiefern die Steuerbescheide fehlerhaft sind, und im Übrigen nach seinen im angefochtenen Urteil beschriebenen desolaten Einkommensverhältnissen - betrieblicher Gewinn in 2013 vor Steuern nur 4.095,47 €, in 2014 nur 4.447,61 € - nicht davon ausgegangen werden konnte, dass er in absehbarer Zeit auch nur einen Bruchteil der Forderungen des Finanzamts hätte begleichen können.
c) Der Vortrag des Klägers, dass zwischenzeitlich die Verhandlungen zum Insolvenzplan "kurz vor dem Abschluss sind", ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ohne Bedeutung. Denn maßgeblicher Zeitpunkt ist der des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 26. August 2013, aaO Rn. 3; vom 16. März 2015, aaO Rn. 4 und vom 3. Juni 2015, aaO Rn. 4, jeweils mwN). Spätere Entwicklungen sind im Rahmen eines Wiederzulassungsverfahrens geltend zu machen. Im Übrigen können insoweit die Vermögensverhältnisse erst dann wieder als geordnet angesehen werden, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO a.F. bzw. § 287a InsO n.F.) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senat aaO, jeweils mwN). Dies ist bisher nicht der Fall.
3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich ebenfalls nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 9. April 2014 - AnwZ (Brfg) 1/14, juris Rn. 7 und vom 21. Mai 2015 - AnwZ (Brfg) 6/15, juris Rn. 14 mwN).
Soweit der Kläger seinen Vortrag wiederholt, wonach die Annahme des Vermögensverfalls und das zur Zeit laufende Insolvenzverfahren ihren Grund in noch nicht bestandskräftigen Forderungen des Finanzamts hätten, ergibt sich hieraus keine grundsätzliche Bedeutung. Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen zu 2b.
Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung annimmt, "weil die Entziehung der Zulassung gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt", ist der diesbezügliche Vortrag dem Senat nicht verständlich. Ob in anderen Ländern der Europäischen Union Rechtsanwälten bei Insolvenz ebenfalls die Zulassung entzogen wird, ist ohne Bedeutung. Hieraus kann weder abgeleitet werden, dass § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO allgemein oder der streitgegenständliche Widerruf konkret gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen. Dies ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig. Gleiches gilt für die vom Kläger ohne nähere Begründung in den Raum gestellte Behauptung, es verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, dass seine Berufung der Zulassung bedürfe. Auch die nicht näher erläuterte Rüge, der Umstand, dass der Anwaltsgerichtshof - zudem mehrheitlich - mit Rechtsanwälten besetzt sei, verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die Besetzung verstößt auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. nur Senat, Beschluss vom 9. April 2014, aaO Rn. 8; siehe auch Beschluss vom 4. Mai 1998 - AnwZ (B) 81/97, BRAK-Mitt. 1999, 39, 40; BVerfGE 26, 186, 199 f.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
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