Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 02.07.2012


BGH 02.07.2012 - AnwZ (Brfg) 57/11

Anwaltliches Berufsrecht: Erlöschen der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung nach bestandskräftigem Zulassungswiderruf


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Senat für Anwaltssachen
Entscheidungsdatum:
02.07.2012
Aktenzeichen:
AnwZ (Brfg) 57/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 27. Juli 2011, Az: 1 AGH 22/11, Urteilnachgehend BVerfG, 22. Oktober 2014, Az: 1 BvR 1815/12, Stattgebender Kammerbeschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 12.500 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die Klägerin war seit 2006 als Rechtsanwältin zugelassen und seit dem 14. Juli 2009 zum Führen der Bezeichnung "Fachanwältin für Verwaltungsrecht" berechtigt. Nachdem sie ein zwischenzeitlich eingegangenes befristetes Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst in ein unbefristetes umgewandelt hatte, bat sie die Beklagte mit Schreiben vom 28. März 2010 um Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO und zugleich um Zusicherung, bei erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch die Fachanwaltsbezeichnung wieder führen zu dürfen, sofern sie weiterhin ihrer Fortbildungspflicht nach § 15 FAO genüge. Die Beklagte widerrief die Rechtsanwaltszulassung mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 30. März 2010. Mit Schreiben vom 7. April 2010 teilte sie der Klägerin mit, dass sie die begehrte Zusicherung nicht erteilen könne. Die Klägerin müsse im Fall ihrer Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Befugnis neu beantragen. Die auf Feststellung bei Erfüllung der Fortbildungspflicht ohne Weiteres wieder auflebender Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Entscheidungsgründe

2

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

3

1. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht entschieden, dass die der Klägerin erteilte Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung mit der Bestandskraft des Zulassungswiderrufs zur Rechtsanwaltschaft ihre Wirksamkeit verloren hat und nach etwaiger Wiederzulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft auch nicht "wieder aufleben" wird.

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a) Mit dem Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 13 ) hat sich die Befugnis der Klägerin zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung "auf andere Weise" im Sinne des nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO anwendbaren § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt, also ihre äußere und innere Wirksamkeit verloren. Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt unter anderem ein, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen (vgl. BVerwGE 139, 337, 340 f. Rn. 14 m.w.N.; siehe auch Sachs in/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 43 Rn. 204 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 43 Rn. 41).

5

So liegt es hier. Wie auch aus § 43c Abs. 1 Satz 1 BRAO folgt, kann die Befugnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung nur einem Rechtsanwalt verliehen werden und zustehen. Mit dem Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft konnte die Verleihung der Befugnis demgemäß keine Rechtsfolgen mehr zeitigen, womit Erledigung eintrat. Die Beendigung der Wirksamkeit setzte dabei - was im angefochtenen Urteil offen gelassen worden ist - keinen rechtsgestaltenden Akt in Form eines Widerrufs der Erlaubnis nach § 43c Abs. 4 BRAO voraus (vgl. BVerwGE aaO, 341 Rn. 15). Sie ergibt sich vielmehr aus den in § 43 Abs. 2 VwVfG normierten allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind deswegen auch ohne spezifische Regelung in § 43c BRAO normenklare Rechtsgrundlagen für das vom Anwaltsgerichtshof gefundene Ergebnis vorhanden.

6

b) Eine erneute Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft führte nicht zum Wiederaufleben der erledigten Erlaubnis. Vielmehr müsste die Klägerin die Erlaubnis nach dem dafür in der Fachanwaltsordnung vorgeschriebenen Verfahren neu beantragen.

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aa) Der Senat kann offenlassen, ob ein Wiedererstarken der erledigten Erlaubnis nach verwaltungsrechtlichen Regeln überhaupt in Betracht käme. Hiergegen spricht, dass eine erneute Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft das erledigende Ereignis des Zulassungswiderrufs nicht rückwirkend beseitigen (vgl. BVerwGE aaO, 342 Rn. 18), vielmehr die Klägerin ex nunc (abermals) in den Status der Rechtsanwältin einrücken würde. Jedenfalls lässt sich dem Gesamtzusammenhang der die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung normierenden Vorschriften keine Legitimation für ein bloßes Ruhen der Befugnis für die (unbestimmte) Zeit einer erloschenen Rechtsanwaltszulassung ableiten. Namentlich § 3 FAO verdeutlicht die essentielle Bedeutung praktischer anwaltlicher Tätigkeit für das Führen der Fachanwaltsbezeichnung im Interesse der Rechtsuchenden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. April 2005 - AnwZ (B) 31/04, NJW 2005, 1943, 1944; Urteil vom 10. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 9/11, NJW-RR 2012, 298 Rn. 14). Damit ist ein gegebenenfalls automatisches Wiederaufleben der Erlaubnis nach einem jahre- oder gar jahrzehntelangen Ruhen der anwaltlichen Tätigkeit nicht vereinbar. Mit Blick darauf ist auch keine durchgreifend bedenkliche Ungleichbehandlung etwa im Vergleich zu Rechtsanwälten gegeben, die bei fortwährender anwaltlicher Tätigkeit und weiter gepflogener Fortbildung einige Zeit nicht auf dem jeweiligen Fachgebiet tätig sind (im Ergebnis ebenso Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2011, 296).

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bb) Ein genereller Anspruch der Klägerin auf erneute Erteilung der Erlaubnis ohne Erfüllung der Ursprungsvoraussetzungen oder unter erleichterten Voraussetzungen findet in der Fachanwaltsordnung keine Grundlage. Anders als die Beklagte meint, stellen sich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in der Fachanwaltsordnung geregelten Rechtslage, mag auch ihre Handhabung in einzelnen Regionalkammern großzügiger sein. Im Hinblick darauf, dass der Feststellungsantrag einen unbestimmten Zeitraum erfasst, braucht der Senat auch nicht zu entscheiden, ob die Frage im Lichte des Verfassungsrechts anders zu beurteilen wäre, wenn sich ein naher Zeitpunkt abermaliger Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft gewiss absehen ließe.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 52 GKG.

Kayser                                    König                                  Fetzer

                       Frey                                    Martini