Entscheidungsdatum: 25.09.2013
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 6. Juni 2012 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 12.500 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 4. Mai 2009 beantragte sie, ihr zu gestatten, die Fachanwaltsbezeichnung "Arbeitsrecht" zu führen. Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 29. November 2010 zurück, weil den gemeldeten Fällen keine hinreichende Befassung mit Fragestellungen aus dem Bereich des kollektiven Arbeitsrechts zu entnehmen gewesen sei; im deshalb anberaumten Fachgespräch habe die Klägerin keine ausreichenden Kenntnisse auf diesem Gebiet nachweisen können. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nach Ansicht des Anwaltsgerichtshofs hat die Klägerin schon nicht nachgewiesen, innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung 50 gerichts- oder rechtsförmliche Verfahren aus dem Fachgebiet "Arbeitsrecht" bearbeitet zu haben. Nunmehr beanstandet die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag der Klägerin ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Die Klägerin hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Terminverlegung war nicht verfahrensfehlerhaft. Nach der Vorschrift des § 227 ZPO, die gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO auch für das gerichtliche Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen gilt, kann eine mündliche Verhandlung aus "erheblichen Gründen" verlegt oder vertagt werden. Solche Gründe lagen nicht vor. Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Klägerin war zwar urlaubsbedingt an der Sitzungsteilnahme gehindert. Die Klägerin hatte aber eine Sozietät mit ihrer Vertretung beauftragt. Es blieb ihr daher unbenommen, sich in der nicht allzu komplexen Angelegenheit von einem anderen Sozietätsmitglied vertreten zu lassen oder sich in ihrer Eigenschaft als postulationsfähige Rechtsanwältin selbst zu vertreten. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf vorrangige Vertretung durch ihren sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 1998 - 7 B 95/98, juris Rn. 2 m.w.N.).
Eine Verlegung des Termins war auch nicht zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs geboten. Bei dem angesetzten Termin handelte es sich um einen Fortsetzungstermin. Die Sache war bereits am 7. Dezember 2011 mündlich verhandelt und sodann vertagt worden. Am 3. Januar 2012 erging ein Hinweis- und Auflagenbeschluss; die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. Januar 2012. Hiervon hat sie fristgerecht Gebrauch gemacht und dabei erklärt, an ihrem Rechtsstandpunkt festzuhalten; der Auflage, dem Gericht die Akten der Fälle, deren Bewertung streitig war, zur Verfügung zu stellen, werde sie nicht nachkommen. Mit weiterem Beschluss vom 8. Februar 2012 wurde ihr Gelegenheit gegeben, ihren Vortrag bis zum 29. Februar 2012 zu ergänzen. Von dieser Möglichkeit hat sie abgesehen. Die Sache war damit zur Endentscheidung reif und stand zur abschließenden Terminierung an. Da alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte bereits angesprochen worden waren, war es der postulationsfähigen Klägerin zuzumuten, den Termin entweder selbst wahrzunehmen oder sich von einem anderen Mitglied der mandatierten Sozietät vertreten zu lassen.
b) Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin begründet, dass der Anwaltsgerichtshof den Antrag der Klägerin auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen hat.
aa) Eine Ablehnung eines Befangenheitsantrags in der Vorinstanz unterliegt grundsätzlich nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden und sind daher gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 512 ZPO einer inhaltlichen Überprüfung im Berufungsverfahren entzogen. Sie stellen damit grundsätzlich keinen im Zulassungsverfahren zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2011 - AnwZ (Brfg) 46/11, juris Rn. 7; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, juris Rn. 14). Die unrichtige Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs ist allerdings ausnahmsweise dann beachtlich, wenn mit ihr die Verletzung der verfassungsrechtlichen Garantie einer vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht wird. Dies setzt voraus, dass für die Entscheidung willkürliche oder manipulative Erwägungen maßgeblich waren (SächsOVG, KStZ 2010, 216 m.w.N.; ebenso BVerwG, NVwZ 2008, 1025 Rn. 6; NVwZ-RR 2011, 621 Rn. 3 unter Bezugnahme auf § 173 VwGO, § 557 Abs. 2 ZPO für das Revisionsverfahren).
bb) Einen solchen Vorwurf erhebt die Klägerin zu Unrecht. Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs der Klägerin durch Beschluss vom 7. Mai 2012 begegnet in keiner Hinsicht rechtlichen Bedenken; insbesondere hat der Anwaltsgerichtshof keine willkürliche Entscheidung getroffen. Soweit die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch auf die Zurückweisung des Antrags auf Terminverlegung gestützt hat, liegt ein Grund, der die Besorgnis einer Befangenheit des Vorsitzenden Richters aufkommen lassen könnte, schon deswegen nicht vor, weil - wie bereits aufgezeigt - kein Vertagungsgrund im Sinne von § 227 ZPO vorlag. Eine mit dem geltenden Recht in Einklang stehende, für die Partei ungünstige Entscheidung rechtfertigt bei verständiger Betrachtung kein Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des entscheidenden Richters. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein Ablehnungsgrund auch nicht darin, dass Mitgliedern des Anwaltsgerichtshofs von der Vertreterin der Beklagten Bücher überreicht worden sein sollen. Denn der von ihr abgelehnte Vorsitzende Richter hat selbst kein Buch von der Beklagten erhalten.
2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e BRAO Rn. 77). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt.
Sie beruft sich darauf, bei den von ihr angemeldeten Fällen Nr. 15 bis 20 handele es sich um sechs eigenständige Fälle im Sinne von § 5 FAO, so dass sie entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs die Bearbeitung 50 gerichtlicher oder rechtsförmlicher Verfahren (§ 5 Satz 1 Buchst. c FAO a.F.) im maßgeblichen Referenzzeitraum nachgewiesen habe. Dabei geht sie von der Prämisse aus, mehrere Fälle seien nur dann als ein identischer Fall zu behandeln, wenn dieselben Beteiligten mehrere Verfahren mit einem gleichgelagerten Sachverhalt führten. So lägen die Dinge im Streitfall jedoch nicht; sie, die Klägerin, habe in den Fällen Nr. 15 bis 20 für unterschiedliche Beteiligte jeweils ein Verfahren geführt.
Mit diesem Vorbringen lässt die Klägerin außer Acht, dass die Identität der Beteiligten und der zu beurteilenden Tatsachen nur die Abgrenzungskriterien für den eigentlich maßgeblichen Gesichtspunkt bilden, nämlich dafür, ob den bearbeiteten Mandaten ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrundeliegt oder nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 36/05, BGHZ 166, 292 Rn. 12). Entscheidend ist letztlich, ob bei verständiger Würdigung aller Umstände von einem einheitlichen Lebenssachverhalt auszugehen ist, der in mehrere Fälle aufgespalten wurde, oder ob in sich geschlossene, von anderen Sachverhalten deutlich unterscheidbare Lebenssachverhalte juristisch aufzuarbeiten waren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2004 - AnwZ (B) 36/01, NJW 2004, 2748, 2749; Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., § 5 FAO Rn. 4). Bei der erstgenannten Konstellation liegt nur ein Fall vor; bei der letztgenannten Gestaltung sind mehrere Fälle anzunehmen, wobei allerdings in der Regel nicht alle mit dem Faktor "1" gewichtet werden können. Diese Grundsätze gelten auch bei sogenannten "Serienfällen" (vgl. Feuerich/Weyland/Vossebürger, aaO). Diese können - je nach Fallgestaltung - unterschiedliche Fälle (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 48/08, FamRZ 2009, 1320 Rn. 21, 31), aber auch nur einen einzigen Fall darstellen.
In den vorliegend in Frage stehenden Verfahren hat die Klägerin - entgegen ihrer Darstellung in der Antragschrift - nicht verschiedene Mandanten vertreten. Vielmehr ist sie nur für einen einzigen Mandanten tätig geworden, gegen den von sechs Arbeitnehmern - in der Sache und in der rechtlichen Begründung identische - Klagen auf Feststellung der Fortgeltung eines Tarifvertrags und der Anwendbarkeit bestimmter tarifrechtlicher Bestimmungen erhoben worden sind. Die Klägerin ist von ihrem Mandanten hinsichtlich aller sechs Klagen am selben Tag mit der Fertigung einer Klageerwiderung beauftragt worden und hat nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs sechs gleichlautende Erwiderungsschriften gefertigt. Wenn der Anwaltsgerichtshof bei einer solchen Konstellation und in Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin es abgelehnt hat, weitere Einzelheiten zu diesen "Fällen" und deren Bearbeitung vorzutragen, die Fälle Nr. 15 bis 20 als einen zusammengehörenden Lebenssachverhalt bewertet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat in der Antragschrift keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würde. Damit fehlt es an einer ausreichenden Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG. In Verfahren, welche das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen betreffen, setzt der Senat den Streitwert regelmäßig auf 12.500 € fest (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 13). Umstände, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Praxis erfordern könnten, sind nicht ersichtlich.
Tolksdorf Lohmann Fetzer
Quaas Braeuer