Entscheidungsdatum: 16.12.2011
Auf Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. Juli 2011 zugelassen.
I.
Die Beklagte hat mit Bescheid 30. April 2010 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Den Widerspruch des Klägers hat die Beklagte mit Bescheid vom 3. September 2010 zurückgewiesen. Die hierauf vom Kläger erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Die Berufung ist zuzulassen, weil der Kläger hinreichend dargelegt hat, dass dem Anwaltsgerichtshof ein Verfahrensfehler im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO unterlaufen ist.
Der Anwaltsgerichtshof hat den Terminverlegungsantrag des Klägers vom 29. Juli 2011 zurückgewiesen, obwohl der Kläger, der sich selbst vertritt, durch Vorlage eines aussagekräftigen ärztlichen Attests und ergänzende Erklärungen seiner Ehefrau glaubhaft gemacht hat, dass er aufgrund einer plötzlichen und unvorhersehbaren Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands daran gehindert war, selbst an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen oder wenigstens einen umfassend informierten Kollegen mit seiner Vertretung zu beauftragen. Die somit unter Verstoß gegen § 112c Abs. 1 BRAO, § 173 Abs. 1 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgte Zurückweisung des Verlegungsantrags stellt unter den hier gegebenen Umständen eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dar (vgl. BVerwG, NJW 2001, 2735 m.w.N.). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs auf diesem Verfahrensfehler beruht (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, § 112e BRAO). Zwar hätte der Kläger nach dem seit 1. September 2009 geltenden Recht in der mündlichen Verhandlung nicht damit gehört werden können, seine finanziellen Verhältnisse hätten sich nach Abschluss des behördlichen Verfahrens über den Zulassungswiderruf konsolidiert; dieses Vorbringen ist einem gesonderten Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, NJW 2011, 3234 Rn. 9 ff.). Vortrag zu anderen Aspekten der Widerrufsentscheidung blieb dem Kläger jedoch unbenommen.
Da der Kläger nicht nur eine unzureichende Aufklärung des dem Gericht unterbreiteten Prozessstoffs, sondern die verfahrensfehlerhafte Verhinderung seiner Teilnahme an der mündlichen Verhandlung rügt, ist von ihm kein hypothetischer Sachvortrag dazu zu verlangen, was er im Falle seiner Teilnahme oder der Vertretung durch einen sachkundigen Kollegen in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen vorgebracht hätte (vgl. BVerwG, aaO; NJW 2008, aaO Rn. 4 m.w.N.). Seine Ausführungen im Zulassungsverfahren, wonach er im Termin zur mündlichen Verhandlung den Nachweis hätte erbringen können, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise ausgeschlossen gewesen sei, genügt daher den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers.
III.
Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
Kessal-Wulf König Fetzer
Wüllrich Stüer