Entscheidungsdatum: 18.07.2016
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 13. Mai 2013 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag des Klägers abgewiesen worden ist.
Es wird festgestellt, dass es sich bei dem von der D. Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500 € festgesetzt.
Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit dem 28. Juli 2011 darf er die Bezeichnung "Fachanwalt für Verkehrsrecht" führen. Am 22. Juni 2012 besuchte der Kläger ein sechsstündiges Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik". Unter dem 27. Juni 2012 reichte er die dieses Seminar betreffende Teilnahmebestätigung bei der Beklagten ein und bat um Bestätigung, dass er seiner Fortbildungsverpflichtung für das Jahr 2012 nachgekommen sei. Die Beklagte antwortete, es handele sich um ein allgemeines Seminar ohne besonderen Bezug zum Fachgebiet "Verkehrsrecht". Im folgenden Schriftverkehr stellte die Beklagte sich auf den Standpunkt, ihre Auskunft sei nicht rechtsbehelfsfähig. Ob der Kläger seine Fortbildungsverpflichtung erfüllt habe, werde abschließend erst im Verfahren über den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht entschieden. Nachdem der Kläger anwaltlichen Beistand in Anspruch genommen und eine Klage, gegebenenfalls auch einen Antrag auf Eilrechtsschutz angekündigt hatte, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 ab, sich zu verpflichten, bis zum Abschluss des zu erwartenden Rechtsstreits von der Einleitung eines Verfahrens auf Rücknahme der Erlaubnis zur Führung des Fachanwaltstitels abzusehen; nach ständiger Übung der Kammer könne die versäumte Fortbildung jedoch ohne Angabe von Gründen bis zum 31. März 2013 nachgeholt werden. Unabhängig hiervon könnten die im Jahr 2013 absolvierten Fortbildungen vorläufig - bis zu einer gerichtlichen Entscheidung - auf die fehlenden sechs Fortbildungsstunden für das Jahr 2012 angerechnet werden. In einem weiteren Schreiben vom 24. Januar 2013 heißt es, die Fortbildungspflicht sei während des laufenden Rechtsstreits nicht suspendiert. Wenn der Kläger bis zum 30. November 2013 keine anerkennungsfähigen Fortbildungsnachweise einreichen werde, werde über einen Widerruf der Befugnis entschieden werden.
Der Kläger will erreichen, dass das Seminar, welches hinreichende Bezüge zum Fachgebiet "Verkehrsrecht" aufgewiesen habe, als Fortbildungsnachweis für das Jahr 2012 anerkannt wird. Er hat gemeint, Anspruch auf Anerkennung in Form eines Verwaltungsaktes zu haben, wobei sich die erforderliche Ermächtigungsgrundlage aus § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 FAO ergebe. Hilfsweise möge die Anerkennungsfähigkeit festgestellt werden. Das Feststellungsinteresse folge daraus, dass er sein künftiges Verhalten an der begehrten Feststellung ausrichten wolle. Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verpflichten, die von der D. Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH ausgestellte Bestätigung über die Teilnahme des Klägers an dem Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 Abs. 3 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht anzuerkennen;
2. hilfsweise festzustellen, dass es sich bei dem von der D. Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Klage insgesamt für unzulässig gehalten, weil dem Kläger derzeit kein Widerruf der Erlaubnis zum Führen des Fachanwaltstitels drohe.
Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, außerhalb eines Widerrufsverfahrens durch selbständigen Verwaltungsakt über die Anerkennungsfähigkeit von Fortbildungsveranstaltungen und über die Erfüllung der Fortbildungspflicht zu entscheiden. Die Klage könne nicht in eine Anfechtungsklage umgedeutet werden, weil die von der Beklagten erteilte Auskunft kein Verwaltungsakt sei; sie stelle weder eine Belehrung noch eine Rüge dar. Der Hilfsantrag sei als Feststellungsantrag zulässig, aber nicht begründet. Ob ein allgemeiner Bezug zum Fachgebiet ausreiche oder ob sich die Fortbildung speziell auf ein Thema oder Gebiet des § 14d FAO beziehen müsse, könne offenbleiben. Ein Bezug zum Fachgebiet Verkehrsrecht, insbesondere zum Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht und zu den Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung im Verkehrsrecht könne durchaus hergestellt werden. Das Seminar habe jedoch nur Grundkenntnisse allgemeiner Art vermittelt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 13. Mai 2013, Az. BayAGH I – 28/12,
1. die Beklagte zu verpflichten, die von der D. Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH ausgestellte Bestätigung über die Teilnahme des Klägers an dem Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 Abs. 3 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht anzuerkennen;
2. hilfsweise festzustellen, dass es sich bei dem von der D. Gesellschaft für Aus- und Fortbildung sowie Serviceleistungen mbH am 22. Juni 2012 veranstalteten Seminar "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" um eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 der Fachanwaltsordnung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Die Berufung führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten nach dem Hilfsantrag des Klägers.
1. Der Hauptantrag bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes des Inhalts, dass die Bescheinigung des Anbieters des Seminars "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" am 22. Juni 2012 als Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 FAO für das Fachgebiet Verkehrsrecht anerkannt wird. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Gründe der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 112e Satz 2 BRAO, § 130b Satz 2 VwGO). Hinsichtlich des Berufungsvorbringens des Klägers ist ergänzend folgendes auszuführen:
a) Weder die Vorschrift des § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO noch diejenige des § 15 Satz 1 und 3 FAO in der hier anwendbaren Fassung vom 1. Juli 2009 ermächtigen die zuständige Rechtsanwaltskammer, im Wege des Verwaltungsaktes abschließend über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zur Erfüllung der Fortbildungspflicht zu entscheiden. In beiden genannten Vorschriften ist von einer selbständigen Entscheidung über die Anerkennung nicht die Rede. Die Vorschrift des § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO ermächtigt die Kammer, nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung zu widerrufen, wenn die in der Fachanwaltsordnung vorgeschriebene Fortbildung unterblieben ist. § 15 FAO regelt die Anforderungen an die Fortbildung, die einem Fachanwalt obliegt. Das einzuhaltende Verfahren ergibt sich aus den §§ 17 ff., 25 FAO. Nach § 25 Abs. 2 und 3 FAO ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis des Vorstandes von den sie rechtfertigenden Tatsachen zulässig. Vor der Entscheidung ist der Rechtsanwalt zu hören. Der Widerrufsbescheid ist mit Gründen zu versehen und dem Rechtsanwalt zuzustellen. Danach wird die Kammer erstmals nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres mit der Frage des Widerrufs befasst und hat innerhalb dieses Folgejahres eine Entscheidung zu treffen. Damit wäre auch dem Interesse des Rechtsanwalts an Rechtsklarheit Genüge getan.
b) Nach gefestigter Senatsrechtsprechung hat die Kammer bei der Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens über die Widerrufsentscheidung allerdings gegebenenfalls auch nach Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres eingetretene Umstände zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 8 f.; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10). Da die Jahresfrist, innerhalb derer der Widerruf zu erfolgen hat, erst mit Kenntnis aller maßgebenden Umstände beginnt (§ 25 Abs. 2 FAO; vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945 f.), kann sich ein längerer Zeitraum der Unsicherheit ergeben. Das liegt jedoch an der Ausgestaltung der Widerrufsentscheidung als Ermessensentscheidung. Der Tatbestand der Erfüllung oder der Nichterfüllung steht nach wie vor mit Ablauf des Kalenderjahres fest (BGH, Urteil vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 9). Der Satzungsgeber hat die zitierte, immerhin aus dem Jahr 2001 stammende Rechtsprechung nicht zum Anlass genommen, ein gesondertes, auf die Erfüllung oder Nichterfüllung der Fortbildungsobliegenheit bezogenes und dem Widerrufsverfahren vorgeschaltetes Feststellungsverfahren einzuführen. Erst recht hat er kein Verfahren vorgesehen, welches eine verbindliche Entscheidung über die Erfüllung oder Nichterfüllung der Fortbildungsobliegenheit bereits innerhalb des laufenden Kalenderjahres und damit so rechtzeitig ermöglicht, dass etwa nicht anerkannte Fortbildungen noch rechtzeitig nachgeholt werden können. Da die erstmalige Verletzung der Fortbildungspflicht nicht zwingend zu einem Widerruf führt und eine überobligationsmäßige Fortbildung im folgenden Jahr bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ein Absehen vom Widerruf der Erlaubnis zur Folge haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10), ist eine derartige Regelung auch nicht zwingend zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen des Fachanwalts am Fortbestand der Erlaubnis erforderlich.
c) Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Ermächtigungsgrundlage nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger den Erlass eines für ihn günstigen Verwaltungsaktes begehrt. Wenn die Kammer auf Antrag oder von Amts wegen über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zu befinden hätte, könnte die Entscheidung positiv oder abschlägig ausfallen. Die Schreiben der Beklagten, in welchen diese eine Anerkennung der Fortbildungsanträge ablehnte, stellen nach Form und Inhalt keine Verwaltungsakte (§ 35 VwVfG) dar. Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung BVerwGE 140, 256 Rn. 25. In dieser Entscheidung ging es um eine Vorschrift, die den Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes ausdrücklich vorsah. Das Bundesverwaltungsgericht hat also nicht angenommen, dass der feststellende Verwaltungsakt keiner rechtlichen Grundlage bedurfte, sondern umgekehrt ausgeführt, das angestrebte Ziel - die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis - könne im Wege eines (in der Verordnung vorgesehenen) feststellenden Verwaltungsaktes oder aber im Wege der Feststellungsklage der gerichtlichen Feststellung erreicht werden. Im Fall, welcher der Entscheidung BVerwGE 117, 133, 134 zugrunde lag, war die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes immerhin dem Gesetz im Wege der Auslegung zu entnehmen.
2. Der hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantrag hat demgegenüber Erfolg.
a) Der Antrag ist zulässig. Feststellungsanträge sind im Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit seit der Änderung des Verfahrensrechts zum 1. September 2009 und dem damit verbundenen Wegfall der Vorschriften der §§ 39 ff., 223 BRAO a.F. nicht mehr grundsätzlich unzulässig (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2016 - AnwZ (Brfg) 62/15, juris Rn. 7). Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 43 Abs. 1 VwGO).
aa) Das erforderliche konkrete Rechtsverhältnis zwischen den Parteien folgt aus der bereits zitierten Vorschrift des § 15 FAO in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Juli 2009, nach welcher der Kläger sich im Jahr 2012 fortzubilden und die Fortbildung unaufgefordert der Beklagten nachzuweisen hatte.
bb) Auch ein Feststellungsinteresse kann nicht verneint werden. Die Frage, ob das vom Kläger im Jahre 2012 besuchte Seminar als Fortbildungsveranstaltung im Sinne von § 15 FAO für einen Fachanwalt für Verkehrsrecht anzusehen ist, ist zwar in erster Linie eine Vorfrage für die Entscheidung der Beklagten über die Frage des Widerrufs der Befugnis, den Titel eines Fachanwalts für Verkehrsrecht zu führen. Hätte die Beklagte - wie es möglicherweise der Absicht der Satzungsversammlung entsprach, nach deren Vorstellung wohl bereits die einmalige Nichterfüllung der Fortbildungs- und Nachweispflicht einen Widerruf der Fachanwaltserlaubnis nach sich ziehen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945 mwN) - unverzüglich nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres eine gebundene Entscheidung über den Widerruf zu treffen, ließe sich ein schutzwürdiges Interesse an einer dem Streit über den Widerruf vorgelagerten verbindlichen Feststellung schwerlich bejahen.
Es handelt sich jedoch nicht um eine gebundene Entscheidung, sondern um eine Ermessensentscheidung. Bei der Ausübung des Ermessens kann auch eine nachträgliche überobligationsmäßige Fortbildung im folgenden Kalenderjahr zu berücksichtigen sein (BGH, Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 8 f.; vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat die Beklagte eigener Darstellung nach die in den Folgejahren vorgelegten Nachweise jeweils auf die älteste ihrer Ansicht nach noch offene Fortbildungsobliegenheit angerechnet. Solange der Kläger seiner Fortbildungsobliegenheit nachkommt, hat sie bei dieser Vorgehensweise keinen Anlass, ein Widerrufsverfahren im Hinblick auf das Jahr 2012 einzuleiten. Der Kläger könnte sich damit zufrieden geben und sich bis zum Ende seines Berufslebens nach Maßgabe des § 15 FAO fortbilden. Er liefe dann jedoch Gefahr, dass eine künftige Nichterfüllung der jährlichen Fortbildungsobliegenheit - sei sie auf Meinungsverschiedenheiten über die Eignung eines Seminars, sei sie auf unverschuldete Unmöglichkeit der Teilnahme an einem zweifelsfrei geeigneten Seminar zurückzuführen - als Wiederholungsfall eingestuft würde, was Auswirkungen auf die Ausübung des Ermessens im Widerrufsverfahren hätte. Gegebenenfalls würde die Eignung des Seminars vom 22. Juni 2012 viele Jahre später beurteilt werden müssen. Aufgrund dieser besonderen Vorgehensweise der Beklagten kennt der Kläger - der sich ja grundsätzlich rechtstreu verhalten will - auf Dauer den Umfang seiner Fortbildungsobliegenheit nicht. Darauf, dass die Fortbildung für das Jahr 2012 schon lange nicht mehr nachgeholt werden kann, kommt es nicht an. Der Streit über die Eignung des Seminars ist nicht nur im Hinblick auf künftige Ermessensentscheidungen von Bedeutung, was der Senat - allerdings unter der Geltung des alten Verfahrensrechts - nicht für ausreichend erachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2006 - AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926 f.). Diese andauernde Unsicherheit lässt sich für den Kläger nur durch die begehrte Feststellung beseitigen.
b) Der Antrag ist auch begründet. Das Seminar vom 22. Juni 2012 genügte den Anforderungen, die an eine anwaltliche Fortbildungsveranstaltung auf dem Fachgebiet "Verkehrsrecht" zu stellen sind.
aa) Die hier maßgebliche Vorschrift des § 15 Satz 1 FAO in der Fassung vom 1. Juli 2009 sah vor, dass der Fachanwalt an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung auf seinem Fachgebiet teilzunehmen hatte. Die Beifügung "auf diesem Gebiet" kann sprachlich auch allein auf die Fortbildungsform des wissenschaftlichen Publizierens bezogen werden. Zwingend ist dies jedoch nicht. In der ersten Fassung des § 15 FAO vom 1. September 1999 hieß es, der eine Fachanwaltsbezeichnung führende Rechtsanwalt müsse "auf diesem Fachgebiet" jährlich an einer Fortbildungsveranstaltung teilnehmen. Durch die Einfügung des wissenschaftlichen Publizierens als weitere Fortbildungsart durch § 15 FAO in der Fassung vom 1. Januar 2003, die zu der geschilderten sprachlichen Unklarheit geführt hat, sollten jedoch die Anforderungen an die "Fortbildungsveranstaltung" nicht verändert werden; jedenfalls gibt es hierfür keine Anhaltspunkte (vgl. Möller, NJW 2014, 2758, 2760). Die seit dem 1. Januar 2015 geltende Fassung des § 15 sieht dementsprechend vor, dass der Fachanwalt an "fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen" hörend oder dozierend teilzunehmen habe. Dass die Fortbildungsveranstaltung i.S.v. § 15 FAO einen Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Fachanwalts aufweisen muss, wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen. Welche Bereiche zum Fachgebiet "Verkehrsrecht" gehörten, ist der Vorschrift des § 14d FAO zu entnehmen.
Weitere Anforderungen an eine den Anforderungen des § 15 FAO genügende Fortbildungsveranstaltung ergeben sich aus dem Zusammenspiel des § 15 FAO mit anderen Vorschriften der Fachanwaltsordnung und der Bundesrechtsanwaltsordnung. Auszugehen ist von § 43c Abs. 1 BRAO. Nach dieser Vorschrift wird die Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, nur einem solchen Rechtsanwalt verliehen, der besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet erworben hat. Die satzungsrechtlichen Vorschriften, welche die Voraussetzungen der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnungen betreffen (§§ 2 ff. FAO), nehmen diese Formulierung auf. Der Anwärter muss danach besondere theoretische Kenntnisse auf dem jeweiligen Gebiet nachweisen (§ 4 FAO) und besondere praktische Erfahrungen auf ihm gesammelt haben (§ 6 FAO).
An die Pflichtfortbildung können keine geringeren Anforderungen gestellt werden. Sie muss besondere Kenntnisse vermitteln. Es kann nicht darum gehen, den (erneuten) Erwerb von Grundlagenkenntnissen nachzuweisen, die bei jedem Anwalt vorausgesetzt werden können. Die Fortbildung nach § 15 FAO dient vielmehr dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung der bereits vorhandenen besonderen Kenntnisse des Fachanwalts (vgl. Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 15 FAO Rn. 4a; Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15 FAO Rn. 14). Nur diese Auslegung wird auch dem Ziel des § 15 FAO gerecht. Die Vorschrift soll erreichen, dass der Fachanwalt nicht nur bei Erwerb des Fachanwaltstitels über besondere theoretische Kenntnisse und praktischen Erfahrungen auf seinem Fachgebiet verfügt, sondern auch später und dauerhaft. Sie dient damit der Qualitätssicherung (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945, 1946). Dadurch wird das rechtsuchende Publikum geschützt, welches auf den Fachanwaltstitel vertraut, ohne zu wissen, wann dieser verliehen worden ist. Zugleich soll ein einheitlicher Qualitätsstandard aller Fachanwälte gesichert werden (Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 15 FAO Rn. 8).
bb) Das Seminar, welches der Kläger am 22. Juni 2012 besucht hat, entsprach diesen Anforderungen.
(1) Das Seminar kann den Bereichen "Verkehrszivilrecht" (§ 14d Nr. 1 FAO), "Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht" (§ 14d Nr. 3 FAO) und "Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung" (§ 14d Nr. 5 FAO) des Fachgebiets "Verkehrsrecht" zugeordnet werden. Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik können allerdings durchaus auch in anderen Fachgebieten von Bedeutung sein. Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass jeder forensisch tätige Rechtsanwalt vom Besuch eines derartigen Seminars profitieren könnte. Dieser Umstand allein schließt die Eignung des Seminars zur Pflichtfortbildung eines Fachanwalts jedoch nicht aus. Fachanwaltsfortbildungen dürfen mehr als ein Fachgebiet betreffen, wenn sie Fachwissen behandeln, welches auf mehr als einem Gebiet von Bedeutung ist (vgl. etwa Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben, 3. Aufl. Rn. 1348; Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 5. Aufl., § 15 FAO Rn. 60). Die besondere Bedeutung der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik für das Fachgebiet "Verkehrsrecht" erschließt sich ohne weiteres daraus, dass sich die Ereignisse, welchen den Fällen dieses Fachgebiets zugrunde liegen, durchweg in der Öffentlichkeit, nämlich im Straßenverkehr abspielen und überdurchschnittlich häufig von zunächst unbeteiligten Personen, die dann als Zeugen in Betracht kommen, wahrgenommen werden. In diesem Punkt unterscheidet sich das Verkehrsrecht von anderen Fachgebieten, etwa denjenigen, in denen es um Vertragsrecht geht; hier steht häufig eher die Auslegung der Verträge im Zentrum des Rechtsstreits. Einer der Schwerpunkte des fraglichen Seminars lag folgerichtig auf dem Gebiet des Verkehrsrechts. Der Referent hat in seiner als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. August 2013 überreichten Stellungnahme erklärt, vor allem Fälle und Beispiele aus den Bereichen Straf-, Verkehrs-, Familien-, Versicherungs- und Baurecht behandelt zu haben. Insofern handelt es sich auch nicht um ein bloßes Querschnittsseminar ohne spezifischen Bezug zum Verkehrsrecht.
(2) Entgegen der Ansicht des Anwaltsgerichtshofs vermittelte das Seminar auch nicht nur Grundkenntnisse, die bei jedem forensisch tätigen Rechtsanwalt vorausgesetzt werden können. Die ausweislich der überreichten Unterlagen und der ergänzenden Stellungnahme des Referenten im Seminar vermittelten Grundlagen der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik sind von den im Studium und Referendariat vermittelten juristischen Grundkenntnissen zu unterscheiden, welche eine Fachanwaltsbezeichnung nicht zu rechtfertigen vermögen. Die schriftlichen Unterlagen, welche der Anwaltsgerichtshof für unzulänglich hielt, enthielten den Angaben des Referenten zufolge zudem nur das Grundlagenwissen, welches im Seminar vorausgesetzt und auf welchem aufgebaut wurde. Dass ein Skript von 29 Seiten nicht ausreicht, um ein sechsstündiges Seminar zu bestreiten, liegt auf der Hand. Ein Rechtsanwalt, der die Grundlagen der Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik beherrscht, wird überdies den auf diesem Gebiet nicht besonders geschulten Rechtsanwälten regelmäßig überlegen sein. Dies rechtfertigt jedenfalls dann die (weitere) Führung einer Fachanwaltsbezeichnung, wenn es - wie hier - um einen Fachbereich geht, in denen die Sachverhaltsermittlung durch Zeugenbeweis typischerweise von besonderer Bedeutung ist. Dass die hier in Frage stehende Fortbildung nicht alle Bereiche des Fachgebiets "Verkehrsrecht" ausschöpft, steht ihrer Anerkennung nicht entgegen.
3. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 155 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 GKG festgesetzt.
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