Entscheidungsdatum: 12.10.2017
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 29. März 2017 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die der Sache nach geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO) liegen nicht vor.
1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 24. März 2017 - AnwZ (Brfg) 60/16, juris Rn. 4; vom 31. März 2017 - AnwZ (Brfg) 58/16, juris Rn. 4 und vom 3. April 2017 - AnwZ (Brfg) 7/17, juris Rn. 3). Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen.
a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 4 und vom 3. April 2017, aaO Rn. 4; jeweils mwN).
b) Der Kläger befand sich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsverfügung vom 27. Juni 2016 in Vermögensverfall.
Der Kläger war in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis in 39 Fällen eingetragen (§ 882b ZPO). Zwar kommt die an eine Eintragung anknüpfende gesetzliche Vermutung nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der jeweiligen Eintragung zugrunde liegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt war (vgl. nur Senatsbeschluss vom 3. April 2017, aaO Rn. 6 mwN). Dies ist hier aber nicht der Fall gewesen.
Zur Widerlegung der aus einer Eintragung resultierenden gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls hat ein Rechtsanwalt bezogen auf den o.a. maßgeblichen Zeitpunkt ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret - gegebenenfalls unter Vorlage eines nachvollziehbaren beziehungsweise realistischen Tilgungsplans - darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. Juli 2016 - AnwZ (Brfg) 22/16, juris Rn. 6; vom 29. Dezember 2016, aaO Rn. 5; vom 24. März 2017, aaO Rn. 6 und vom 3. April 2017, aaO Rn. 12). An beidem fehlt es, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat. Soweit der Kläger in seiner Antragsbegründung auf sein Schreiben an die Beklagte vom 15. Dezember 2015 verweist, enthält dieses nicht ansatzweise die notwendigen Angaben. Immobilienbesitz ist im Übrigen nur dann beachtlich, wenn er zum maßgeblichen Zeitpunkt als liquider Vermögenswert zur Verfügung steht (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, juris Rn. 6 und vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 10, jeweils mwN). Dies war hier nicht der Fall, wie neben den o.a. Eintragungen auch der weitere Umstand zeigt, dass es in der Zeit vor dem Widerruf zu 69 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gekommen ist. Die von dem Kläger - im Übrigen ohne jeglichen Beleg - in seiner Antragsbegründung für 2017 behaupteten Maßnahmen zur Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse sind demgegenüber schon aus zeitlichen Gründen (s.o.) ohne Bedeutung; dies gilt erst recht für die in Zukunft angekündigten Maßnahmen.
c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Einzelanwalts sind demgegenüber nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 31. März 2017, aaO Rn. 6 mwN). Der Kläger ist jedoch weiter als Einzelanwalt tätig; seine Antragsbegründung verhält sich im Übrigen auch nicht näher zu einem ausnahmsweisen Ausschluss der Gefährdung von Mandanteninteressen.
2. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Kläger beruft sich darauf, dass er krankheitsbedingt an der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2017 nicht habe teilnehmen können. Der Verfahrensablauf vor dem Anwaltsgerichtshof rechtfertigt jedoch nicht den insoweit vom Kläger erhobenen Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
a) Der Kläger hat am 29. Juli 2016 gegen den ihm am 29. Juni 2016 zugestellten Widerrufsbescheid Klage erhoben, eine Begründung in einem gesonderten Schriftsatz angekündigt und insoweit um "Fristerstreckung mit Rücksicht auf die Sommerpause bis zum 30.09.2016" gebeten. Nachdem der Anwaltsgerichtshof daraufhin den Kläger zur Begründung der Klage bis zum 30. September 2016 aufgefordert hat, ist lediglich am 30. September 2016 ein Fax eingegangen, in dem der Kläger um Fristverlängerung bis zum 21. Oktober 2016 gebeten hat unter Hinweis darauf, dass sein "temporärer Zahlungsengpass" durch den Verkauf weiterer Wohneinheiten seines Mehrfamilienhauses zeitnah behoben werden könne und Finanzierungsverhandlungen mit einer Bank liefen. Nach antragsgemäßer Fristverlängerung hat der Kläger mit Fax vom 25. Oktober 2016 um erneute Fristverlängerung gebeten unter Hinweis darauf, dass die Verhandlungen noch andauerten. Der Anwaltsgerichtshof hat die Frist bis 21. November 2016 verlängert, gleichzeitig den Kläger aber auf die Senatsrechtsprechung (s.o.) zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs hingewiesen und ihm aufgegeben, innerhalb der Frist die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühle (§ 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat der Anwaltsgerichtshof am 8. Dezember 2016 unter Hinweis darauf, dass im Fall des Ausbleibens eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO), Termin auf den 29. März 2017 bestimmt. Der Kläger hat auch in der Folgezeit die Klage nicht begründet.
Dieser Ablauf entspricht dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens der Beklagten. Auch dort hat der Kläger, der erstmals von der Beklagten zum Vermögensverfall mit Schreiben vom 21. April 2015 angehört worden ist, trotz mehrfacher Aufforderungen der Beklagten und diverser Fristverlängerungen keine nähere Stellungnahme zu den Zwangsvollstreckungen und den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis abgegeben.
Mit Fax vom 28. März 2017 hat der Kläger dann um Verlegung des Termins vom 29. März 2017 gebeten, da er wegen eines Bandscheibenvorfalls verhindert sei. Nach Hinweis auf die notwendige Glaubhaftmachung hat der Kläger ein auf den 27. März 2017 datiertes und aus zwei Sätzen bestehendes Attest eines Orthopäden vorgelegt, wonach er sich in Behandlung "wegen einer Bandscheibenerkrankung mit jetzt akuter Exazerbation (siehe Anlage) befindet und unter starker Medikation steht. Er ist weder dienst- noch arbeits- noch reisefähig". Als Anlage war ein an den Orthopäden gerichteter Arztbericht der Radiologie M. vom 13. Januar 2017 beigefügt, in dem ein Bandscheibenvorfall attestiert wurde. Der Anwaltsgerichtshof hat mit dem Kläger am Morgen des 29. März 2017 per Fax übermittelten Beschluss die Verlegung des Termins abgelehnt.
b) Dieser Ablauf ist nicht geeignet, die Zulassung der Berufung nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu rechtfertigen. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung sind wegen der durch einen Vermögensverfall indizierten Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung strenge Anforderungen zu stellen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. März 2015 - AnwZ (Brfg) 43/14, juris Rn. 5 und vom 28. November 2016 - AnwZ (Brfg) 23/16, juris Rn. 10). Der Antragsteller muss insoweit die Gründe für die Verhinderung so angeben und untermauern, dass das Gericht die Frage der Reise- und Verhandlungsfähigkeit selbst beurteilen kann. Diese strengen Anforderungen müssen - angesichts des o.a. Ablaufs des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens - gerade auch im vorliegenden Fall gelten, bei dem die Rechtslage zum Widerruf (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) eindeutig ist. Der Anwaltsgerichtshof hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass mit der pauschalen Bescheinigung vom 27. März 2017 weder hinreichend glaubhaft gemacht worden ist, dass der Kläger aufgrund des bereits Anfang Januar 2017 attestierten Bandscheibenvorfalls am 29. März 2017 nicht zu dem ganz in der Nähe seiner Wohnung stattfindenden Gerichtstermin hätte erscheinen können, noch dass er aufgrund des Vorfalls und der erfolgten Medikation verhandlungsunfähig gewesen ist. Sollte der Bandscheibenvorfall und dessen Behandlung dagegen mit entsprechenden (nicht glaubhaft gemachten) Folgen verbunden gewesen sein, hätte der Kläger, worauf der Anwaltsgerichtshof zutreffend hingewiesen hat, rechtzeitig für die Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten Sorge tragen müssen (siehe auch Senat, Beschlüsse vom 16. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 34/12, juris Rn. 4; vom 12. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 13/14, juris Rn. 4 und vom 12. März 2015, aaO Rn. 7). Hiervon wäre er nur entbunden gewesen, wenn sich seine Erkrankung erst unmittelbar vor dem Termin unvorhergesehen und grundlegend verschlechtert und dies dazu geführt hätte, dass ihm eine Teilnahme am Termin unmöglich gewesen ist. Dies hat der Kläger gegenüber dem Anwaltsgerichtshof aber weder substantiell dargelegt noch ausreichend glaubhaft gemacht. Hinzu kommt, dass die Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls nicht lediglich entsprechenden Vortrag, sondern vor allem die Vorlage entsprechender Belege erfordert. Dass dies dem Kläger - wenn es solche gegeben hätte - krankheitsbedingt unmöglich war, ist nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser |
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