Entscheidungsdatum: 25.11.2013
Die Berufung des Klägers gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2012 ergangene Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Schreiben vom 31. August 2011 forderte ihn die Beklagte auf, es zu unterlassen, die Kanzleibezeichnung "Prof. Dr. H. W. . Rechtsanwälte für Hochschulrecht. H. . He. " zu verwenden und bis zum 2. September 2011 eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Der Kläger gab die Unterlassungserklärung nicht ab. Die Beklagte erwirkte daraufhin am 9. September 2011 eine einstweilige Verfügung beim Landgericht H. ( O ). Außerdem leitete sie ein berufsrechtliches Beschwerdeverfahren gegen den Kläger ein. Der Kläger beantragte daraufhin Akteneinsicht in sämtliche ihn betreffenden Personal- und Beschwerdeakten einschließlich der Akte zu der Abmahnung und dem Verfahren vor dem Landgericht H. . Die Beklagte verweigerte dem Kläger zunächst die Einsichtnahme in die von ihr geführte Akte über das Verfahren vor dem Landgericht H. . Sie teilte der Prozessbevollmächtigten des Klägers dann den Inhalt der von ihr geführten zivilrechtlichen Akte zusammenfassend mit ("Diese enthält außer den ihren Auftraggebern bekannten Schriftstücken des Verfahrens selbst, Ausdrucken von Internetseiten 'www.professor-w. .de' und der Korrespondenz mit dem von der Rechtsanwaltskammer beauftragten Prozessbevollmächtigten lediglich die Ihnen hiermit in Ablichtung überlassene Notiz vom 31.08.2011…") und überreichte die Ablichtung der Notiz vom 31. August 2011. Eine Einsichtnahme in die Korrespondenz mit ihrem Prozessbevollmächtigten lehnte die Beklagte weiterhin ab, diese unterliege nicht dem Akteneinsichtsrecht.
Das Landgericht hat die angegriffene Kanzleibezeichnung als irreführend eingestuft und die einstweilige Verfügung vom 9. September 2011 mit Urteil vom 29. März 2012 bestätigt. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil hat das Hanseatische Oberlandesgericht mit Urteil vom 20. Juni 2013 - U - zurückgewiesen.
Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage auf umfassende Akteneinsicht abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Einsichtnahme des Klägers in ihre Korrespondenz mit ihrem Prozessbevollmächtigten in den sich dem wettbewerbsrechtlichen Abmahnverfahren anschließenden Folgeprozessen zu Recht abgelehnt.
1. Nach § 58 Abs. 1 BRAO hat der Rechtsanwalt das Recht, die über ihn geführten Personalakten einzusehen. Der Begriff der Personalakte in § 58 BRAO ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur materiell zu verstehen. Für die Frage, ob ein Vorgang zu den Personalakten gehört, kommt es nicht darauf an, wo und wie er geführt oder aufbewahrt wird (formelles Prinzip), sondern allein darauf, ob er den Rechtsanwalt in einem inneren Zusammenhang mit seinem Status als Rechtsanwalt betrifft (Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 58 Rn. 6 f. m.w.N.; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 58 Rn. 2; zum Begriff der Personalakten bei Arbeitnehmern und Beamten vgl. auch BAG, Urteile vom 16. November 2010 - 9 AZR 573/09, BAGE 136, 156 Rn. 13 und vom 15. November 1985 - 7 AZR 92/83, juris Rn. 17; BVerwGE 67, 300, 302; 36, 134, 137 f.; Battis, BBG, 4. Aufl., § 106 Rn. 6).
2. Nach Auffassung des Senats gehören auch die Akten bezüglich eines wettbewerbsrechtlichen Zivilverfahrens, das die Rechtsanwaltskammer gegen ein Kammermitglied betreibt, prinzipiell zu den Personalakten im materiellen Sinn des betroffenen Kammermitglieds.
a) Die Rechtsanwaltskammer wird im Wettbewerbsverfahren gegen ein Kammermitglied in Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO tätig. Das Recht, ein Verfahren nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb gegen eins ihrer Mitglieder einzuleiten, konkretisiert die Befugnis der Rechtsanwaltskammer zur Überwachung der Berufspflichten ihrer Mitglieder. Voraussetzung eines Anspruchs der Rechtsanwaltskammer auf Unterlassung im Rahmen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb ist daher auch eine Verletzung der berufsrechtlichen Regeln, hier also des § 43b BRAO (vgl. BVerfGE 111, 366, 374 ff.; BGH, Urteil vom 6. April 2006 - I ZR 272/03, NJW 2006, 2481). Das Vorgehen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist effizienter, weil die Untersagungsverfügung verschuldensunabhängig und in einem vollstreckbaren Titel ausgesprochen wird. Deshalb ist ein solches Vorgehen aber wegen des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG nur zulässig, wenn es angemessen erscheint und nicht unverhältnismäßig ist.
Weil die Durchführung eines wettbewerbsrechtlichen Zivilverfahrens gegen ein Kammermitglied eine Maßnahme im Rahmen der Überwachung der Berufspflichten ist, gilt hinsichtlich des Rechts der Akteneinsicht hinsichtlich der von der Rechtsanwaltskammer geführten Akte grundsätzlich § 58 BRAO. Der betroffene Rechtsanwalt hat ein Akteneinsichtsrecht auch in Vorgänge eines solchen Zivilverfahrens, soweit diese materiell in seine Personalakten aufzunehmen sind. Ein Akteneinsichtsrecht nach § 58 BRAO besteht auch, wenn die Rechtsanwaltskammer den wettbewerbsrechtlichen Verstoß durch eine Rüge ahndet. Vorgänge über ein Rügeverfahren gehören schon vor dessen Abschluss zur Personalakte (Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 74 Rn. 18; Weyland in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 74 Rn. 25). Da es sich bei dem Unterlassungsverfahren nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wie beim Rügeverfahren um eine Maßnahme im Rahmen der Aufsichtsausübung handelt, kann für das Recht auf Akteneinsicht hinsichtlich der Akten beider Verfahren keine abweichende Regelung gelten.
b) Das Recht auf Einsichtnahme in die Personalakten wird durch das beim Zivilgericht anhängige Wettbewerbsverfahren nicht ausgeschlossen. § 58 BRAO und § 74 BRAO sehen eine Einschränkung des Rechts auf Akteneinsicht in einem laufenden Verfahren nicht vor. Der Umstand, dass sich die Rechtsanwaltskammer zur Durchsetzung ihrer Aufsichtspflicht des ohnehin für das betroffene Kammermitglied schärferen und belastenderen Unterlassungsanspruchs nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bedient, kann nicht zur zusätzlichen Beschneidung von dessen Rechten führen. Das Recht auf Akteneinsicht entfällt in diesem Fall auch nicht gemäß § 44a VwGO oder § 29 HmbVwVfG. § 44a Satz 1 VwGO ist tatbestandlich nicht einschlägig, wenn eine Verfahrenshandlung unabhängig von einem laufenden Verwaltungsverfahren begehrt wird. Das Recht auf Akteneinsicht in die Personalakte ist in der Bundesrechtsanwaltsordnung verfahrensunabhängig ausgestaltet. Demgemäß ist auch § 29 HmbVwVfG hier nicht einschlägig, der - in Übereinstimmung mit § 29 VwVfG des Bundes - das Recht auf Akteneinsicht während eines Verwaltungsverfahrens regelt. § 29 VwVfG gilt nicht für Verfahren, in denen gerade und ausschließlich darüber zu entscheiden ist, ob die beantragte Akteneinsicht zu gewähren ist (vgl. BVerwGE 67, 300, 303 f.).
3. Allerdings ist nicht jeder Vorgang, der im Zusammenhang mit einer Person entsteht, notwendig Bestandteil von deren Personalakte. Vorgänge, die von dem Dienst- oder sonstigen Rechtsverhältnis sachlich zu trennenden Zwecken dienen, gehören materiell nicht hinein, auch wenn das Dienst- oder Rechtsverhältnis dadurch berührt wird (vgl. § 106 Abs. 1 Satz 6 BBG). Arbeitsunterlagen oder innerbehördlicher Schriftverkehr, die als solche keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Betroffenen haben, gehören ebenfalls nicht in die Personalakten (vgl. BAG, Urteil vom 15. November 1985 - 7 AZR 92/83, juris Rn. 21). Nur Unterlagen, die rechtlich relevant sind und sich auf die Rechtsstellung des Betroffenen auswirken können, sind zu den Personalakten zu nehmen.
Dementsprechend gehört die Korrespondenz der Beklagten mit ihrem eigenen Prozessbevollmächtigten nicht zu den Personalakten des Klägers, weil sie ihn nicht in seiner Stellung als Rechtsanwalt betrifft. Es fehlt bereits ein unmittelbarer innerer Zusammenhang mit der Stellung des Klägers als Rechtsanwalt. Rechtlich relevant werden können, wenn überhaupt, erst die Schriftsätze, die nach außen, etwa an das Gericht, gehen, nur diese können den Rechtsanwalt überhaupt in seinem Rechtsverhältnis betreffen. Nur solche Vorgänge gehören in die Personalakte und unterliegen dem Einsichtsrecht. Im Ergebnis hat der Anwaltsgerichtshof daher das Vorliegen eines Anspruchs des Klägers zu Recht verneint.
Kayser Roggenbuck Lohmann
Stüer Martini