Entscheidungsdatum: 14.01.2019
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. April 2017 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.
I.
Die Beigeladene ist seit dem 26. April 2016 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit dem 1. Mai 2013 ist sie bei der H. AG im Bereich "Heilwesen-Schaden" tätig. Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses ist ein Arbeitsvertrag vom 11. April 2013, ergänzt durch eine Zusatzvereinbarung vom 21. März 2016. Mit Bescheid vom 12. August 2016 ließ die Beklagte die Beigeladene auch als Syndikusrechtsanwältin zu. Die Klage der Klägerin gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Dieser Zulassungsgrund ist erfüllt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senates.
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin setzt die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht voraus, dass diesem eine umfassende Alleinvertretungsbefugnis eingeräumt wird, die Grundlage für das erforderliche außenwirksame Auftreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18, z.V.b.). Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte vom 16. Juni 2015 (BT-Drucks. 18/5201) sollte zwar "die Vertretungsbefugnis nach außen" eine der Voraussetzungen für eine Zulassung darstellen (BT-Drucks. 18/5201, S. 5; § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO-E). In der Begründung heißt es, die anwaltliche Tätigkeit müsse die (gegebenenfalls im Innenverhältnis beschränkte) Befugnis umfassen, den Mandanten, den Arbeitgeber also, nach außen zu vertreten (BT-Drucks. 18/5201, S. 29). Dieser Vorschlag ist jedoch nicht Gesetz geworden. Gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO muss das Arbeitsverhältnis vielmehr unter anderem von der Befugnis geprägt sein, "nach außen verantwortlich aufzutreten". In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (BT-Drucks. 18/6915, S. 22) heißt es dazu:
"Des Weiteren wird das ursprünglich in § 46 Abs. 3 Nummer 4 BRAO-E vorgesehene Merkmal der "Vertretungsbefugnis nach außen" dahingehend umformuliert, dass das Vorliegen einer anwaltlichen Tätigkeit neben den übrigen in § 46 Absatz 3 und 4 BRAO-E genannten Merkmalen die Befugnis voraussetzt, nach außen verantwortlich aufzutreten. Durch diese sprachliche Änderung wird klargestellt, dass das Vorliegen einer anwaltlichen Tätigkeit nicht die Erteilung einer Prokura oder Handlungsvollmacht im Sinne der §§ 48 ff. des Handelsgesetzbuches voraussetzt. Die Neuformulierung knüpft zugleich an die von der D. entwickelte "Vier-Kriterien-Theorie", insbesondere an das Kriterium der Rechtsentscheidung an, welches dem anwaltlichen Berufsrecht und der dortigen Regelung des § 3 BRAO angepasst wurde."
c) Der Umstand, dass die Entscheidungsbefugnis der Beigeladenen summenmäßig beschränkt ist und die Beigeladene bei Überschreitung dieser Grenze die Weisung ihrer Abteilungsleiterin einzuholen hat, steht ihrer Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nicht entgegen. Das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen wird von ihren fachlich unabhängigen und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten im Sinne von § 46 Abs. 3 Satz 1 BRAO geprägt.
(1) Wie der Senat bereits entschieden hat, müssen die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten, fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten quantitativ und qualitativ den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses darstellen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, z.V.b. in BGHZ, Rn. 79 mwN). Ob es für die Annahme einer Prägung des Arbeitsverhältnisses ausreicht, dass die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Tätigkeiten mehr als die Hälfte der insgesamt geleisteten Arbeit ausmachen, hat der Senat bisher offen gelassen. Ein Anteil von etwa 70 bis 80 Prozent der insgesamt geleisteten Arbeit reicht regelmäßig aus (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2018, aaO Rn. 82).
(2) Die Beigeladene hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof erklärt, die Grenze von 50.000 € sei in etwa 20 bis 30 vom Hundert ihrer Fälle überschritten. Die Richtigkeit dieser Angaben zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Damit wird das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen von ihrer fachlich unabhängigen, eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeit geprägt.
d) Die Klägerin bezweifelt schließlich die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen, die durch die einschlägigen Versicherungsbedingungen, durch die Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes zur Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen, durch die auf dieser gesetzlichen Grundlage erlassenen aufsichtsbehördlichen Anordnungen und durch deren Umsetzung durch den Arbeitgeber eingeschränkt sei. Diese Bedenken sind nicht berechtigt. Wie der Senat bereits entschieden hat, berühren Regeln, die keine Weisungen innerhalb des Arbeitsverhältnisses sind und an die auch der Arbeitgeber gebunden ist, die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nicht (BGH, Beschluss vom 1. August 2017 - AnwZ (Brfg) 14/17, NJW 2017, 2835 Rn. 12; vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, NJW-RR 2018, 827 Rn. 11 f.; Urteil vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 68/17, juris Rn. 33). Im Beschluss vom 12. März 2018 (aaO Rn. 10) hat der Senat sich zudem näher mit den Einwänden der Klägerin betreffend die Vorgaben einer "Stabsstelle" befasst.
2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft die Rechtssache nicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
a) Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, juris Rn. 21 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Insbesondere muss begründet werden, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 39/16, Rn. 9 mwN; st.Rspr.).
b) Die Klägerin möchte die folgende Rechtsfrage klären lassen:
"Ist ein Arbeitnehmer im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO befugt, nach außen verantwortlich aufzutreten, und ist sein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO durch diese Befugnis geprägt, wenn die dem Arbeitnehmer für rechtsgeschäftliches Handeln erteilte Vollmacht auf einen bestimmten Eurobetrag begrenzt ist und ihm in den darüber hinausgehenden Fällen eine Vertretung nur im Zusammenwirken mit einer anderen Person gestattet ist?"
Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich aus dem Gesetz und auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung dahingehend beantworten, dass ein Arbeitnehmer, der an Weisungen eines Vorgesetzten gebunden ist, nicht eigenverantwortlich und fachlich unabhängig tätig wird (§ 46 Abs. 4 BRAO). Zu prüfen ist jeweils, ob das Arbeitsverhältnis von der eigenverantwortlichen, fachlich unabhängigen Tätigkeit oder aber von der weisungsgebundenen Tätigkeit des Arbeitnehmers geprägt wird.
c) Die Klägerin verweist ferner auf folgende, ihrer Ansicht nach klärungsbedürftige Rechtsfrage:
"Kann eine fachlich unabhängige Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3, 4 BRAO vorliegen bzw. gewährleistet sein, wenn die dem Arbeitnehmer für rechtsgeschäftliches Handeln erteilte Vollmacht auf einen bestimmten Eurobetrag begrenzt ist und ihm in den darüber hinausgehenden Fällen eine Vertretung nur im Zusammenwirken mit einer anderen Person gestattet ist?"
Hier gilt das oben Ausgeführte entsprechend.
3. Dem Anwaltsgerichtshof ist schließlich kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Insbesondere hat der Anwaltsgerichtshof nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.
a) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren erster Instanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 19 mwN; vom 29. Mai 2018 - AnwZ (Brfg) 71/17, juris Rn. 11).
b) Die Klägerin verweist auf die Angaben der Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof, es gebe Arbeitsanweisungen, die aber nur formaler Natur seien und mit der sachlich-fachlichen Arbeit nichts zu tun hätten. Sie meint, der Anwaltsgerichtshof hätte sich mit dieser Erklärung nicht zufriedengeben dürfen. Vielmehr hätte er aufklären müssen, welchen Inhalt die Arbeitsanweisungen hatten und ob sie die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen einschränkten. Das reicht nicht aus. Weder hat die Klägerin Beweisanträge gestellt oder in anderer Weise auf die nunmehr als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung hingewirkt, noch legt sie die Gründe dar, aus denen sich dem Anwaltsgerichtshof diese weiteren Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 112c Abs. 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 2 BRAO festgesetzt.
Kayser |
|
Lohmann |
|
Seiters |
|
Kau |
|
Lauer |
|