Entscheidungsdatum: 01.08.2017
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das am 16. Dezember 2016 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
I.
Der Beigeladene wurde am 21. August 2009 von der Rechtsanwaltskammer D. als Rechtsanwalt zugelassen. Aufgrund seines Verzichtes wurde diese Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO zum 31. August 2016 widerrufen.
Der Beigeladene ist seit dem 1. Januar 2016 bei dem A. (A. ) in K. als Syndikusrechtsanwalt eingestellt. Der A. ist ein Rückdeckungspool, in dem zahlreiche deutsche Kommunalversicherer zusammengeschlossen sind und in den kommunale Großschäden aus dem Bereich der allgemeinen Haftpflichtversicherung eingebracht werden (vgl. Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 4. Aufl., Rn. 2307 f.; Brandau, VW 1987, 186, 190).
Mit Schreiben vom 23. Februar 2016 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Dem Antrag waren sein Arbeitsvertrag mit dem A. vom 2. Juni 2015, eine Dienstanweisung vom 30. September 2015, die eine "Vollmachtenregelung" enthält, und eine Tätigkeitsbeschreibung vom 23. Februar 2016 beigefügt, ausweislich derer die in ihr enthaltenen Angaben Bestandteil des Arbeitsvertrages sind. Mit Schreiben vom 23. Mai 2016 reichte der Beigeladene einen aktualisierten Teil der Tätigkeitsbeschreibung ein.
Die Beklagte ließ den Beigeladenen mit Bescheid vom 12. Juli 2016 als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46 Abs. 2 BRAO bei dem A. zur Rechtsanwaltschaft zu. Die hiergegen gerichtete Klage der Rentenversicherungsträgerin hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Die Klägerin beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.
a) Die Klägerin beanstandet die Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, im Hinblick auf die in der Dienstanweisung in Bezug genommenen Verrechnungsgrundsätze und Auslegungsbeschlüsse ergebe sich hinreichend, dass die Tätigkeit des Beigeladenen fachlich unabhängig und eigenverantwortlich im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO ausgeübt werde. Sie macht geltend, es sei nicht bekannt, was in den Verrechnungsgrundsätzen und Auslegungsbeschlüssen im Einzelnen geregelt sei. Betriebsinterne Regelungen seien zumindest potenziell geeignet, die Entscheidungsfreiheit, Eigenverantwortlichkeit und fachliche Unabhängigkeit der Adressaten dieser Regelungen zu beschränken, wenn nicht gar zu beseitigen. Die Schlussfolgerung des Anwaltsgerichtshofs sei angesichts des fehlenden Wissens um die Inhalte der Verrechnungsgrundsätze und Auslegungsbeschlüsse nicht nachvollziehbar.
b) Diese Ausführungen begründen keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Der Beigeladene hat, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, Rechtsnatur und Inhalt der Verrechnungsgrundsätze und Auslegungsbeschlüsse hinreichend und glaubhaft erläutert. Hinweise hierzu ergeben sich auch aus Rechtsprechung und Literatur zum kommunalen Versicherungsrecht.
Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof ausgeführt, bei den Verrechnungsgrundsätzen handele es sich um ein mit Versicherungsbedingungen vergleichbares Regelwerk, aus dem sich ergebe, was vom A. zur Umlage gebracht werden könne. Auslegungsbeschlüsse seien Beschlüsse der Mitglieder, die einzelne Regelungen in den Verrechnungsgrundsätzen erläuterten. Im Hinblick auf die Verrechnungsgrundsätze ergibt sich dies auch aus Rechtsprechung und Literatur zu den Kommunalversicherern wie den Kommunalen Schadensausgleichen (KSA; zu den KSA als nichtrechtsfähigen Vereinen vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 6/13, VersR 2014, 332; Krafft in Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl. Rn. 1387; Bergmann/Schumacher aaO Rn. 2310). Diese betreiben Versicherungsgeschäfte (BGH, Urteil vom 16. November 1967 - II ZR 259/64, VersR 1968, 138 f.; Bergmann/Schumacher aaO Rn. 2310; Schwartze in: Brömmelmeyer/Heiss/Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, 1. Aufl., S. 249). Die Beziehungen zwischen ihnen und ihren Mitgliedern stellen Versicherungsverhältnisse dar (BGH aaO; Bergmann/Schumacher aaO; Schwartze aaO S. 250). Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kommunalen Schadensausgleich und seinem Mitglied wird durch die Verrechnungsgrundsätze geregelt (Bergmann/Schumacher aaO Rn. 2311). Letztere sind daher mit Versicherungsbedingungen vergleichbar (OLG Dresden, VersR 2009, 1260 f.; Krafft aaO Rn. 1387; vgl. auch Bergmann/Schumacher aaO). Sie werden von den Mitgliedern des KSA, denen Versicherungsschutz gewährt wird, oder dem Verwaltungsrat des KSA, in dem die Mitglieder des KSA vertreten sind, beschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2013 aaO S. 333). Dafür, dass Rechtsnatur, Bedeutung und Zustandekommen der Verrechnungsgrundsätze des Rückdeckungspools der Kommunalversicherer, des A. , - entgegen den Ausführungen des Beigeladenen - anders zu beurteilen sollten, spricht nichts.
Damit handelt es sich bei den Verrechnungsgrundsätzen nicht um allein arbeitsrechtlich relevante Regelungen zur Auslegung der Rechtslage, deren Inhalt und Dichte vom Arbeitgeber des Syndikusrechtsanwalts - ähnlich einer allgemeinen Weisung - ohne Mitwirkung Dritter einseitig bestimmt werden. Sie sind vielmehr Bestimmungen, deren gleichermaßen für den (Rück-)Versicherer und dessen Mitglieder verbindliche Geltung - wie beim Versicherungsvertrag und den mit ihm vereinbarten Versicherungsbedingungen - die Mitwirkung Dritter - hier: der Mitglieder des A. - voraussetzt. Gleiches gilt für die Auslegungsbeschlüsse der kommunalen Erstversicherer als Mitglieder des A. .
Der Beurteilungsspielraum des Beigeladenen wird zwar, wie er in seinem Schriftsatz vom 9. Dezember 2016 ausgeführt hat (unter 2. und 5.), durch die Verrechnungsgrundsätze begrenzt. Dies ist indes darin begründet, dass es sich - im Unterschied zu betriebsinternen Richtlinien - um zwischen (Rück-)Versicherer und Erstversicherer vereinbarte allgemein geltende Regeln handelt. Aus einer solchen Begrenzung lassen sich keine Zweifel an der fachlich unabhängigen und eigenverantwortlichen Ausübung der Tätigkeit des Beigeladenen herleiten. Die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit wird durch die Bindung an geltendes Recht nicht beeinträchtigt. Sie bezieht sich auf die weisungsfreie und eigenständige Analyse der Rechtslage (§ 46 Abs. 4 Satz 1 BRAO), die vorliegend auch durch die Verrechnungsgrundsätze und Auslegungsbeschlüsse mit gebildet wird. Auch ein - fachlich unabhängig und eigenverantwortlich handelnder - externer Rechtanwalt, der ein Mitglied des A. oder den A. selbst berät, hat einerseits die Verrechnungssätze und Auslegungsbeschlüsse zu beachten und ist andererseits in der Analyse der durch sie gebildeten Rechtslage eigenständig und weisungsfrei.
Entscheidend ist somit die Rechtsnatur der Regelung, die der Syndikusrechtsanwalt zu beachten hat. Handelt es sich um auf seine anwaltliche Tätigkeit bezogene Weisungen des Arbeitgebers in Gestalt von betriebsinternen Regelungen, kann dies der Unabhängigkeit seiner Tätigkeit entgegenstehen (zur fehlenden unabhängigen Tätigkeit eines richtliniengebundenen Schadenssachbearbeiters vgl. Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, BT-Drucks. 18/5201, S. 29). Handelt es sich hingegen um Regelungen, die nicht als Weisungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erfolgen und an die - wie vorliegend - auch der Arbeitgeber des Syndikusrechtsanwalts gegenüber Dritten - hier: gegenüber den Mitgliedern des A. - gebunden ist, werden die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nicht berührt. Letzteres gilt unabhängig von der Dichte und Detailliertheit der Regelungen. Sowohl das Gesetzesrecht als auch vertragliche Bestimmungen - etwa in Gestalt von allgemeinen Geschäftsbedingungen - können die für ein Rechtsverhältnis maßgebliche Rechtslage umfassend und detailreich regeln mit der Folge, dass für den Bearbeiter bei der rechtlichen Beurteilung nur ein geringer oder kein Spielraum verbleibt. Die fachlich unabhängige Tätigkeit und eigenständige Analyse der - in diesen Fällen eindeutigen - Rechtslage durch den Syndikusrechtsanwalt wird hierdurch, wie der Vergleich mit einem externen, dieselbe Rechtslage beurteilenden Rechtsanwalt zeigt, nicht beeinträchtigt.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.
Die Klägerin meint, es springe ins Auge, dass die Rechtsfrage, ob eine unabhängige und weisungsfreie Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 4 BRAO auch dann vorliege, wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestünden, wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebundenen Schadenssachbearbeiter einer Versicherung der Fall sei, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweise.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Bei den Verrechnungsgrundsätzen und Auslegungsbeschlüssen handelt es sich, wie ausgeführt, nicht um "Richtlinien" im Sinne einer allgemeinen arbeitsrechtlichen Weisung des Arbeitgebers des Syndikusrechtsanwalts, sondern um unter Mitwirkung der Mitglieder des A. beschlossene Regelungen, die der Beigeladene deshalb zu beachten hat, weil sein Arbeitgeber an sie gebunden ist. Die aus ihnen folgenden "Vorgaben" zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen sind mithin nicht anders zu beurteilen als "Vorgaben", die sich aufgrund einer für ein bestimmtes Rechtsverhältnis geltenden Rechtslage ergeben, wie dies etwa bei einem durch allgemeine Geschäftsbedingungen näher ausgeformten Vertragsverhältnis der Fall ist. Hierdurch wird eine unabhängige und weisungsfreie Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts im Sinne des § 46 Abs. 4 BRAO nicht in Frage gestellt.
3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat die Klägerin nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709).
Die Klägerin misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, ob eine unabhängige und weisungsfreie Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 4 BRAO auch dann vorliege, wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestünden, wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebundenen Schadenssachbearbeiter einer Versicherung der Fall sei. Diese Frage ist indes vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn der Beigeladene ist, wie ausgeführt, kein richtliniengebundener Schadenssachbearbeiter. Bei den Verrechnungsgrundsätzen handelt es sich nicht um "Richtlinien" im Sinne einer allgemeinen arbeitsrechtlichen Weisung des Arbeitgebers des Syndikusrechtsanwalts, die den Beigeladenen in der fachlich unabhängigen und eigenständigen Analyse der Rechtslage beeinträchtigen könnte, sondern um auch den Arbeitgeber des Beigeladenen gegenüber Dritten bindendes und nicht auf das Arbeitsverhältnis beschränktes Recht. Insbesondere handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um abstrakt-generelle Anweisungen, die - vom Arbeitgeber vorgegeben - über das hinausgehen, was sich ohnehin aus Gesetz und allgemeinen Versicherungsbedingungen ergibt. Denn die von den Mitgliedern des A. beschlossenen Verrechnungsgrundsätze sind in vorliegendem Zusammenhang mit allgemeinen Versicherungsbedingungen vergleichbar und Teil der vom Beigeladenen - fachlich unabhängig und eigenverantwortlich - zu prüfenden Rechtslage. Gleiches gilt für die Auslegungsbeschlüsse des A. .
4. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Anwaltsgerichtshof habe im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Inhalt der unternehmensinternen Richtlinien (Verrechnungsgrundsätze, Auslegungsbeschlüsse) ermitteln müssen. Er habe deren Inhalt daraufhin überprüfen müssen, ob und aufgrund welcher Regelungsintensität und -dichte sie die fachliche Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Tätigkeit des Beigeladenen beschränkten oder beseitigten.
Auch hiermit vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Wie bereits ausgeführt (siehe oben zu 1 b), sind Inhalt und Regelungsdichte von Bestimmungen, die der Syndikusrechtsanwalt zu beachten hat, dann ohne Bedeutung für die von ihm vorzunehmende fachlich unabhängige und eigenständige Analyse der Rechtslage, wenn es sich bei den Bestimmungen nicht um Weisungen des Arbeitgebers (als Richtlinien oder in anderer Gestalt), sondern um die auch vom Arbeitgeber gegenüber Dritten - hier: den Mitgliedern des A. - zu beachtende, sich nicht auf das Arbeitsverhältnis beschränkende Rechtslage selbst handelt. Auch ein externer, dieselbe Rechtslage im Interesse seines Mandanten beurteilender Rechtsanwalt wird in vergleichbaren, eine hohe Regelungsdichte ausweisenden Fällen fachlich unabhängig und eigenverantwortlich anwaltlich tätig. Einer weiteren Aufklärung des Inhalts der Verrechnungsgrundsätze und Auslegungsbeschlüsse bedurfte es daher nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 BRAO.
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