Entscheidungsdatum: 03.11.2014
Auf die Revision der Generalstaatsanwaltschaft Hamm wird das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat des Anwaltsgerichtshofs zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
A.
Nach der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anschuldigungsschrift wird den angeschuldigten Rechtsanwälten als Berufspflichtverletzung vorgeworfen, sie seien seit 2008 als Rechtsanwälte tätig geworden, obwohl sie in derselben Rechtssache als Angehörige des öffentlichen Dienstes bereits tätig geworden waren (Pflichtverletzung nach § 45 Abs. 1 Nr. 1, § 113 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 3 Abs. 1 BORA). Rechtsanwalt Dr. B. sei Vorsitzender des Beschwerdeausschusses nach § 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V der Ärzte und Krankenkassen N. in D. , Rechtsanwalt Dr. W. sei stellvertretender Vorsitzender. Die Anwaltssozietät Dr. B. und Partner vertrete den Beschwerdeausschuss in sozialgerichtlichen Verfahren, u.a. in dem seit 2007 anhängigen Klageverfahren der Gemeinschaftspraxis Dr. M. & Partner auf Aufhebung eines Widerrufsbescheides des Beschwerdeausschusses vom 26. Juni 2007. Das Anwaltsgericht hat die Rechtsanwälte freigesprochen, weil der unparteiische Vorsitzende des Beschwerdeausschusses kein Angehöriger des öffentlichen Dienstes sei. Der Anwaltsgerichtshof hat die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft D. verworfen. Er hat offen gelassen, ob die Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses nach § 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V Angehörige des öffentlichen Dienstes seien. § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO sei verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass ein Tätigkeitsverbot nur bestehe, wenn die konkrete Gefahr einer Interessenkollision gegeben sei. Dies hat der Anwaltsgerichtshof verneint und die Revision zur Klärung der für grundsätzlich erachteten Frage zugelassen, ob § 45 BRAO ausnahmslos die spätere anwaltliche Tätigkeit verbieten könne oder ob hierfür nicht zumindest ein konkretisierbarer möglicher Interessenwiderspruch vorhanden sein müsse. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision rügt die Generalstaatsanwaltschaft H. die Verletzung sachlichen Rechts.
B.
Das Rechtsmittel ist nach § 145 Abs. 1 Nr. 3, § 146 Abs. 1 BRAO zulässig. Es hat auch Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs sind die Rechtsanwälte Dr. B. und Dr. W. gemeinsam mit anderen Anwälten in der Anwaltssozietät Dr. B. und Partner tätig. Rechtsanwalt Dr. B. ist seit Anfang 2004 unparteiischer Vorsitzender des Beschwerdeausschusses der Ärzte und Krankenkassen N. im Sinne des § 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V. Rechtsanwalt Dr. W. ist mindestens in einem Fall (Gemeinschaftspraxis Dr. M. & Partner) als stellvertretender Vorsitzender dieses Beschwerdeausschusses tätig gewesen. Seit dem Jahr 2008 vertritt die Rechtsanwaltssozietät Dr. B. und Partner auf Wunsch der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen ständig den Beschwerdeausschuss in den sozialgerichtlichen Verfahren, in welchen die Ärzte gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vorgehen, so auch in dem zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren der Gemeinschaftspraxis Dr. M. & Partner in Ne. (SG D. Az.: ). Rechtsanwalt Dr. B. mandatierte regelmäßig seine eigene Anwaltssozietät; die Mandate wurden von dem Sozietätsmitglied Rechtsanwalt F. bearbeitet. Im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens des Dr. M. hatte die Rechtsanwaltskammer D. zunächst die Ansicht vertreten, dass keine rechtlichen Bedenken gegen die Übernahme des Vertretungsmandats für den Beschwerdeausschuss bestünden. Inzwischen hat die Rechtsanwaltskammer ihre Meinung geändert.
II.
Die Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs tragen den Freispruch nicht.
1. Die Tatbestandsmerkmale des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO sind erfüllt.
a) Rechtsanwalt Dr. W. hat beim Erlass des Widerrufsbescheids in dem Verfahren der Gemeinschaftspraxis Dr. M. & Partner als Angehöriger des öffentlichen Dienstes gehandelt. Auch Rechtsanwalt Dr. B. ist in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Beschwerdeausschusses in dieser Sache Angehöriger des öffentlichen Dienstes.
aa) Nach § 4 Abs. 1 SGB V sind Krankenkassen rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Nach § 77 Abs. 5 SGB V sind auch die Kassenärztlichen Vereinigungen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Diese beiden Körperschaften des öffentlichen Rechts bilden nach § 106 Abs. 4 Satz 1 SGB V bei der Kassenärztlichen Vereinigung eine gemeinsame Prüfungsstelle und einen gemeinsamen Beschwerdeausschuss. Der Beschwerdeausschuss besteht aus Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden (§ 106 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Die Kosten der Prüfungsstelle und des Beschwerdeausschusses tragen die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen je zur Hälfte. Das Bundesministerium für Gesundheit bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Geschäftsführung der Prüfungsstellen und der Beschwerdeausschüsse einschließlich der Entschädigung der Vorsitzenden der Ausschüsse und zu den Pflichten der von den in Absatz 2 Satz 4 genannten Vertragspartnern (Landesverbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und Kassenärztliche Vereinigungen) entsandten Vertreter (§ 106 Abs. 4a Satz 7 und 8 SGB V). Nach § 2 Abs. 2 der vom Bundesministerium für Gesundheit erlassenen Rechtsverordnung (Wirtschaftlichkeitsprüfungs-Verordnung - WiPrüfVO) erhalten der Vorsitzende und seine Stellvertreter Reisekosten in Anlehnung an die Vorschriften über die Reisekostenvergütung der Beamten des Landes nach der jeweils höchsten Reisekostenstufe. Nach § 106 Abs. 7 Satz 1 SGB V führen die Aufsicht über die Prüfungsstellen und Beschwerdeausschüsse die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder.
Die Bildung des Beschwerdeausschusses als gemeinschaftliche Einrichtung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Regelung der Geschäftsführung durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit und die Aufsicht durch Verwaltungsbehörden der Länder belegen, dass der Beschwerdeausschuss eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Behörde ist.
bb) Der Beschwerdeausschuss erfüllt als Behörde Verwaltungsaufgaben und wird somit hoheitlich tätig. Die Prüfungsstellen entscheiden, ob Vertragsärzte oder Einrichtungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen haben und welche Maßnahmen zu treffen sind. Gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle können die betroffenen Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen, die Krankenkasse, die betroffenen Landesverbände der Krankenkassen sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen die Beschwerdeausschüsse anrufen. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt als Vorverfahren im Sinne von § 78 SGG (§ 106 Abs. 5 SGB V). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beschränkt sich bei Entscheidungen in Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung die gerichtliche Kontrolle grundsätzlich auf den das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid des Beschwerdeausschusses. Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung gemäß § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird (vgl. BSG, NZS 1997, 135).
cc) Der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses ist unparteiisch insoweit, als er weder der Seite der Krankenkassen noch der Kassenärztlichen Vereinigung angehört. Er ist ein Organ des Beschwerdeausschusses, das ehrenamtlich tätig ist. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 3 WiPrüfVO, wonach der Vorsitzende und seine Stellvertreter eine Aufwandsentschädigung erhalten (vgl. auch BSG, Urteil vom 15. November 1995 - 6 RKa 58/94, juris Rn. 20). Angehöriger des öffentlichen Dienstes i.S.d. § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ist auch derjenige, der als Nichtbeamter (und nicht dauerhaft im öffentlichen Dienst Angestellter) im Rahmen der Befugnisse der Behörde, für die er auftritt, hoheitlich tätig wird (vgl. Sächsisches OVG, NJW 2003, 3504, 3505). Dass die Tätigkeit ehrenamtlich ist, steht der Annahme als Angehöriger des öffentlichen Dienstes nicht entgegen (BGH, Urteil vom 26. November 2007 - AnwSt (R) 10/06, NJW-RR 2008, 795 Rn. 6; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 45 Rn. 17c).
b) Der Begriff "dieselbe Rechtssache" ist wie in § 356 StGB zu verstehen und umfasst alle Rechtsangelegenheiten, in denen mehrere ein entgegengesetztes rechtliches Interesse verfolgende Beteiligte vorkommen können (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1954 - 4 StR 724/53, BGHSt 5, 301, 304; Urteil vom 16. November 1962 - 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192; Urteil vom 7. Oktober 1986 - 1 StR 519/86, BGHSt 34, 190, 191; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 43a Rn. 61, § 45 Rn. 7; LK-Gillmeister, StGB, 12. Aufl., § 356 Rn. 82). Dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren vor dem Ausschuss, das mit dem Erlass des Bescheids des Beschwerdeausschusses seinen Abschluss fand, und dessen späterer Anfechtung um dieselbe Rechtssache handelt, ist unzweifelhaft. Während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens war Rechtsanwalt Dr. B. für die Durchführung der Aufgaben des Beschwerdeausschusses verantwortlich. Er führte die laufenden Geschäfte des Ausschusses und vertrat diesen gerichtlich wie außergerichtlich (§ 2 WiPrüfVO). Ungeachtet des hier gegebenen Vertretungsfalls war er ebenso wie Rechtsanwalt Dr. W. , der die Ausschusssitzung geleitet hatte, in der die Sache Dr. M. & Partner behandelt wurde, hoheitlich tätig geworden. Der Beschwerdeausschuss ist Beklagter im Klageverfahren. In diesem Sinne ist die Rechtsanwaltssozietät Dr. B. und Partner in derselben Rechtssache tätig geworden.
2. Diese Auslegung widerspricht auch nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Das Tätigkeitsverbot in § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO beschränkt zwar die Berufsausübung, so dass es sich an Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG messen lassen muss (vgl. hierzu BVerfG, NJW 1993, 317; NJW 2003, 2520). Der Gesetzgeber wollte jedoch für die Fallgruppe der Tätigkeit im öffentlichen Dienst durch die entsprechenden Unvereinbarkeitsvorschriften beim rechtsuchenden Publikum dem Eindruck einer zu großen Staatsnähe und der Gefahr von Interessenkollisionen durch den Rechtsanwalt abstrakt vorbeugen (vgl. BT-Drucks. 12/4993 S. 29). Eine solche unvereinbare Staatsnähe wird angenommen, wenn die betreffende Person eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach außen vertritt und auch hoheitliche Aufgaben wahrnimmt (BVerfG, NJW 1993, 317, 320). Daher kommt es auf die Frage möglicher Interessenkonflikte in diesen Fällen nicht an (vgl. Sächsisches OVG, NJW 2003, 3504; AGH Celle, Urteil vom 29. Dezember 2004 - AGH 13/04, juris Rn. 18; Anwaltsgericht Frankfurt, Beschluss vom 5. Mai 2010 - IV AG 22/10, juris Rn. 4; Böhnlein, aaO § 45 Rn. 6, 7; Kilian, aaO § 45 Rn. 15).
Eine Einschränkung des Vertretungsverbots ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Abs. 4 WiPrüfVO. Danach vertritt der Vorsitzende den Ausschuss gerichtlich und außergerichtlich. Soweit der Vorsitzende den Ausschuss vor Gericht vertritt, kann er hierfür mit der Kassenärztlichen Vereinigung, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen eine gesonderte Vergütung vereinbaren. Die Vorschrift enthält eine Regelung der Vertretung des Beschwerdeausschusses, der als Prozessbeteiligter nicht handlungsfähig ist. Sie enthält hingegen keine Ausnahme vom Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO für Rechtsanwälte, die Vorsitzende des Beschwerdeausschusses sind. Der Beschwerdeausschuss kann danach, vertreten durch den Vorsitzenden, den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht selbst führen (§ 73 Abs. 1 SGG). Soweit der Vorsitzende Rechtsanwalt ist, gestattet die Regelung allerdings nur das Tätigwerden als Organ des Beschwerdeausschusses, nicht als dessen Prozessvertreter.
3. Das für den konkret befassten Rechtsanwalt geltende Verbot wird in § 45 Abs. 3 BRAO auf sämtliche Sozietätsmitglieder erstreckt. Mit der Übernahme des Mandates durch die Sozietät haben alle Mitglieder der Sozietät die Vertretung des Mandanten übernommen. Der Umstand, dass Rechtsanwalt F. die Sache als Sachbearbeiter übernommen hatte, ist unerheblich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schulden die Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät die durch die Mandatsübernahme begründeten Anwaltspflichten grundsätzlich gemeinsam (BGH, Urteil vom 6. Juli 1971 - VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355, 359; Beschluss vom 9. Dezember 1991 - NotZ 26/90, MDR 1992, 415; Urteil vom 5. November 1993 - V ZR 1/93, BGHZ 124, 47, 48 f.; Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193, Rn. 14 ff.). Dem Rechtsuchenden, der eine Sozietät beauftragt, kommen gerade die Vorteile der Organisation und der Arbeitsteilung innerhalb einer Sozietät zugute. Wenn ein Anwalt verhindert sein sollte, ist für Vertretung gesorgt. Der die Sache bearbeitende Anwalt kann sich gegebenenfalls in Spezialfragen bei anderen Sozietätsmitgliedern Rat holen. Denn die gemeinsame Nutzung der Berufserfahrung und die Pflege des Gedankenaustauschs gehört zum Zweck der Sozietät (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1971 - VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355, 360; Urteil vom 5. November 1993 - V ZR 1/93, BGHZ 124, 47, 50). Die Erstreckung des Tätigkeitsverbots auf einen Sozius setzt allerdings voraus, dass dieser die tatsächlichen Umstände kennt, die das Tätigkeitsverbot begründen, oder sich trotz evidenter Anhaltspunkte der Kenntnisnahme solcher Umstände verschließt (OLG Schleswig, MDR 2002, 1459, 1460; Böhnlein, aaO § 45 Rn. 38). Hinsichtlich der Tätigkeit des Rechtsanwalts Dr. B. besteht an der Kenntnis kein Zweifel. Aber auch soweit Rechtsanwalt Dr. W. sich darauf beruft, von der Mandatserteilung an die Sozietät im Fall Dr. M. & Partner nichts gewusst zu haben, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen ein schuldhafter Verstoß nicht ausschließen. Ein Rechtsanwalt, der seinen Beruf in Sozietät ausübt, muss durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass er und die anderen Mitglieder der Sozietät kein Mandat übernehmen, dessen Übernahme und Erfüllung gegen § 45 BRAO verstößt. Für einen Verstoß gegen § 45 Abs. 3 BRAO reicht Fahrlässigkeit (Böhnlein, aaO § 45 Rn. 40; Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 113 Rn. 7; Kilian, aaO § 45 Rn. 46).
Das Einverständnis der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen mit der Mandatserteilung schließt auch im Falle der Erstreckung des Vertretungsverbots nach § 45 Abs. 3 BRAO einen Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot nicht aus (aA Kilian, aaO § 45 Rn. 45b). Die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA ist auf § 45 Abs. 3 BRAO nicht anwendbar (aA Saenger/Rise BRAK-Mitt. 2007, 97, 100). § 3 Abs. 2 Satz 2 BORA konkretisiert lediglich die in § 43a Abs. 4 BRAO geregelte Berufspflicht des Rechtsanwalts, keine widerstreitenden Interessen wahrzunehmen. Die in § 45 Abs. 3 BRAO zum Ausdruck gekommene Entscheidung des Gesetzgebers konnte der Satzungsgeber nicht abändern (vgl. Henssler in Henssler/Prütting, aaO § 3 BORA Rn. 29). Eine einschränkende Auslegung des § 45 Abs. 3 BRAO in den Fällen des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO aus verfassungsmäßigen Gründen ist nicht geboten (aA Henssler, aaO m.w.N.). Da der Normzweck bei § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO über die Gewährleistung des ungeteilten Einsatzes des Anwalts für die Belange des Mandanten und den Schutz sensibler Informationen hinausgeht und zusätzlich die Sicherung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die neutrale und objektive Amtsführung der dort genannten Berufsgruppen umfasst (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3710, 3711), muss bei der Wahrnehmung öffentlicher Rechtspflege- und Verwaltungsaufgaben bereits jeglicher Anschein der Parteilichkeit vermieden werden. Zur Gewährleistung des Vertrauens der Bevölkerung in die Neutralität und Objektivität des Staates und seiner Funktionsträger ist dabei wegen der überragenden Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die Funktionsfähigkeit und Stabilität des demokratischen Gemeinwesens für eine verantwortliche Beurteilung des Konfliktpotenzials durch die betroffenen Rechtsanwälte und die entsprechend aufgeklärten Mandanten kein Platz (Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 45 BRAO Rn. 46).
III.
Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand.
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter hat nunmehr ausgehend von der Rechtsauffassung des Senats den Vorwurf gegen die Rechtsanwälte zu prüfen.
Kayser Roggenbuck Lohmann
Braeuer Schäfer