Entscheidungsdatum: 08.11.2017
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
I.
Der Beschuldigte wurde am 8. April 2017 festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst auf Grund Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Nürnberg vom 9. Januar 2017 und sodann auf Grund Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des Oberlandesgerichts München vom 12. Mai 2017.
Gegenstand des aktuell vollzogenen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe als Heranwachsender
- sich an einer Vereinigung im Ausland, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Völkermord (§ 6 VStGB) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11, 12 VStGB) zu begehen, als Mitglied beteiligt und
- durch dieselbe Handlung eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er eine andere Person unterwiesen habe oder sich habe unterweisen lassen in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat dienen,
Der Beschuldigte sei am 4./5. September 2016 von Deutschland aus in das syrische Bürgerkriegsgebiet gereist und habe sich dort der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Jabhat Fath al-Sham" angeschlossen. Er habe sich einer mehrwöchigen Kampfausbildung unterzogen sowie anschließend von Ende Oktober bis Anfang November 2016 für die Vereinigung Wachdienste ausgeübt und sich an Kampfhandlungen in Aleppo beteiligt. Außerdem habe er sich Anfang Oktober 2016 erfolglos darum bemüht, von seiner Familie Geldmittel für den Kauf einer Kriegswaffe und sonstiger militärischer Ausrüstung zu erlangen.
Gegen diesen Haftbefehl legte der Beschuldigte Beschwerde ein, die der 9. Strafsenat des Oberlandesgerichts München mit Beschluss vom 27. Juni 2017 verwarf.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vom 12. Mai 2017 vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.
a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Geschehen auszugehen:
aa) Die "Jabhat Fath al-Sham"
Die "Jabhat Fath al-Sham" ("Front zur Eroberung Großsyriens") ist identisch mit der Vereinigung "Jabhat al-Nusra", die Ende 2011 von Abu Muhammad al-Jawlani und anderen syrischen Mitgliedern der seinerzeitigen Organisation "Islamischer Staat im Irak" (ISI) im Auftrag deren Anführers Abu Bakr al-Baghdadi in Syrien gegründet wurde und als Ableger der irakischen Organisation im Nachbarland operieren sollte. Die Gründung wurde im Januar 2012 in einem im Internet veröffentlichten Video bekannt gegeben. Zwischen den beiden Gruppierungen kam es im April 2013 zum Bruch, als al-Baghdadi die Vereinigung der Teilorganisationen ISI und Jabhat al-Nusra im neu ausgerufenen "Islamischen Staat im Irak und Großsyrien" (ISIG) verkündete. Muhammad al-Jawlani wies dies als Anführer der Jabhat al-Nusra zurück, betonte die Eigenständigkeit seiner Gruppierung und legte den Treueeid auf den Emir der Kern-al-Qaida, Ayman al-Zawahiri, ab; sie fungierte danach als Regionalorganisation von al-Qaida in Syrien. In der Folge kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Jabhat al-Nusra und dem ISIG.
Gemäß einer Videoverlautbarung von Muhammad al-Jawlani vom 28. Juli 2016 benannte sich die Jabhat al-Nusra um in Jabhat Fath al-Sham und löste sich einvernehmlich von der Kern-al-Qaida. Im Januar 2017 ging die Jabhat Fath al-Sham wiederum in dem al-Quaida-nahen Bündnis "Hai'a Tahrir al-Sham" (Vereinigung zur Befreiung Großsyriens) auf, dessen militärische Führung Muhammad al-Jawlani übernahm.
Ziel der Jabhat Fath al-Sham war der Sturz des Assad-Regimes in Syrien, das sie durch einen islamischen Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Sharia ersetzen wollte. Darüber hinaus erstrebte sie die "Befreiung" des historischen Großsyrien, das heißt Syriens einschließlich von Teilen der südlichen Türkei, des Libanon, Jordaniens, Israels und der palästinensischen Gebiete. Diese Ziele verfolgte die Vereinigung mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, Entführungen, gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militär- und Sicherheitsapparats und nicht am Konflikt beteiligten Zivilisten. Insgesamt werden der Gruppierung mehr als 2.000 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 10.000 Menschen getötet wurden.
Die Jabhat Fath al-Sham war militärisch-hierarchisch organisiert. Dem Anführer Muhammad al-Jawlani war ein aus fünf bis sechs Personen gebildeter Shura-Rat zugeordnet. Unterhalb dieser Führungsebene standen die Kommandeure der kämpfenden Einheiten, die ihrerseits in die vor Ort agierenden Kampfgruppen untergliedert waren. Ihre militärische Ausbildung erhielten die Kämpfer in einem verzweigten Netz von Trainingslagern. Daneben gab es Hinweise auf sogenannte "Sharia-Komitees" in den von der Organisation kontrollierten Gebieten, die religiöse Angelegenheiten regelten und den Aufbau eines eigenen Justiz- und Verwaltungssystems vorantrieben. Für ihre Öffentlichkeitsarbeit bediente sie sich einer eigenen Medienstelle, über die sie im Internet Verlautbarungen, Operationsberichte und Anschlagsvideos verbreitete. Darüber hinaus unterhielt sie ein Netzwerk von "Korrespondenten" in Syrien, die ihre Berichte über Twitter-Kanäle veröffentlichten.
bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten
Der Beschuldigte reiste am 4. September 2016 aus Deutschland aus und gelangte am 5. September 2016 über die Türkei unter Inanspruchnahme von Schleuserdiensten in das syrische Bürgerkriegsgebiet, wo er sich der Jabhat Fath al-Sham anschloss. Er gliederte sich in die Organisation ein und identifizierte sich mit der Ideologie, den Zielen und der Tätigkeit der Vereinigung.
In der Folge durchlief der Beschuldigte ein mehrwöchiges zweistufiges paramilitärisches Training, während dessen er unter anderem an Schusswaffen ausgebildet wurde, um sich an bewaffneten Kämpfen gegen das Assad-Regime in Aleppo zu beteiligen. Im Anschluss daran nahm er für die Jabhat Fath al-Sham von Ende Oktober bis Anfang November 2016 Wachdienste wahr und - wie beabsichtigt - an bewaffneten Kampfeinsätzen in Aleppo teil.
Darüber hinaus bemühte sich der Beschuldigte am 9./10. Oktober 2016 mehrfach über den Messengerdienst "WhatsApp" erfolglos darum, von seiner Mutter Geldmittel zu erlangen, um sich davon militärische Ausrüstungsgegenstände einschließlich einer Kriegswaffe zu kaufen. Weiterhin rief er jedenfalls am 7. Oktober 2016 auf seinem Instagram-Account andere ausreisewillige Kämpfer zur "Hijra" in das syrische Bürgerkriegsgebiet auf; in einer Telegram-Chatnachricht vom 29. Oktober 2016 gab er seinem Kommunikationspartner Rat zu im Rahmen der Ausreise benötigten Geldmitteln und kündigte an, ihn zu diesem Zweck an eine andere Person zu vermitteln.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Haftbefehl vom 12. Mai 2017 und den auf die Haftbeschwerde ergangenen Beschluss vom 27. Juni 2017 verwiesen.
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Jabhat Fath al-Sham" aus den "Strukturerkenntnissen", die der Generalbundesanwalt zu dieser Organisation für das vorliegende Verfahren in der gleichnamigen Sachakte zusammengetragen hat, insbesondere dem Gutachten des islamwissenschaftlichen Sachverständigen Dr. S. vom 11. Dezember 2014 sowie - vor allem die jüngeren Entwicklungen betreffend - dem Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 13. Oktober 2016, der Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 6. Februar 2017 und dem Auswertebericht des Bundeskriminalamts ("Zwischenstand März 2017").
Hinsichtlich der Beweislage zu den Tathandlungen des - bislang zur Sache schweigenden - Beschuldigten nimmt der Senat zunächst Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 27. Juni 2017 (S. 6 ff.).
Die weiteren kriminalpolizeilichen Ermittlungen haben den dringenden Tatverdacht noch verfestigt. So hat der Zeuge Ö. ausgesagt, der Beschuldigte habe ihm nach seiner Ausreise über den Messengerdienst "WhatsApp" mitgeteilt, dass er für die Terrorvereinigung "al-Nusra" kämpfe. Der Zeuge K. hat bekundet, der Beschuldigte habe ihm vor der Abreise offenbart gehabt, dass er beabsichtige, sich an den bewaffneten Auseinandersetzungen in Syrien zu beteiligen; auf Grund vom Beschuldigten zuvor für die "Jabhat al-Nusra" geäußerter Sympathien sei ihm - dem Zeugen - klar gewesen, dass jener einen Anschluss an diese terroristische Vereinigung anstrebe. Ebenfalls erhärtet wird der dringende Tatverdacht durch die Auswertung der vom Beschuldigten über den Messengerdienst "Telegram" geführten Kommunikation. So bestätigte er etwa einem unbekannten Kommunikationspartner am 9. November 2016, drei Tage in Aleppo gewesen zu sein. Auf Telegram-Profilbildern ist der Beschuldigte in Militärkleidung mit einer Kalaschnikow zu erkennen. Auch die Ermittlungsergebnisse zum Onlinedienst "Instagram" belegen den dem Beschuldigten angelasteten Sachverhalt. Sein ehemaliges dortiges Profil weist darauf hin, dass er Angehöriger der "Jabhat Fath al-Sham" war; zudem ergibt sich aus den Ermittlungen, dass er über "Instagram" andere zur Ausreise in das syrische Bürgerkriegsgebiet aufforderte. Bezüglich der weiteren Ermittlungen nach der Entscheidung über die Haftbeschwerde verweist der Senat ergänzend auf den "2. Sachstandsbericht" der Kriminalpolizei Nürnberg vom 8. September 2017.
Soweit die Verteidigung im Haftbeschwerdeverfahren geltend gemacht hat, die im Haftbefehl verwerteten WhatsApp-Chatnachrichten an die Familie des Beschuldigten stammten nicht von ihm, sondern seien durch Dritte gefertigt und versandt worden, vermag dies unter den gegebenen Umständen den dringenden Tatverdacht nicht zu entkräften. Ungeachtet dessen, dass kein Anhalt dafür besteht, dass der Account des Beschuldigten ohne sein Wissen zu Falschmeldungen missbraucht worden wäre, wird - in Anbetracht der Beweislage im Übrigen - nach derzeitigem Sachstand in der Hauptverhandlung zu klären sein, inwieweit sich der zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichts München von der Authentizität der Chatnachrichten zu überzeugen vermag.
Entgegen der im Haftprüfungsverfahren geäußerten Auffassung der Verteidigung entkräftet auch die - nach Aktenlage dem Beschuldigten zuzurechnende - Telegram-Chatnachricht vom 5. Oktober 2016, er sei "in der nähe von jizr (Stadt Jisr al-Shughur) bei junud al sham", nicht den dringenden Tatverdacht hinsichtlich einer Mitgliedschaft in der Jabhat Fath al-Sham. Denn zum einen ist eine solche Bekundung, soweit ersichtlich, vereinzelt geblieben. Zum anderen könnte der Inhalt der Nachricht im Sinne einer Ortsangabe zu verstehen sein. Schließlich deutet eine WhatsApp-Chatnachricht des Beschuldigten vom 29. Oktober 2016 darauf hin, dass jihadistische Gruppierungen, so auch die Junud al-Sham, vereint unter dem Dach bzw. dem Kommando der Jabhat Fath al-Sham an bewaffneten Konflikten teilnahmen.
c) In rechtlicher Hinsicht folgt aus alledem, dass sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1, 2 Nr. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, §§ 52, 53 StGB) strafbar gemacht hat.
aa) Indem sich der Beschuldigte der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Jabath Fath al-Sham" anschloss und sich auf verschiedene Weise, unter anderem als Kämpfer, für diese betätigte, beteiligte er sich an ihr als Mitglied.
(1) Soweit er sich dabei im Umgang mit Schusswaffen sowie in sonstigen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat dienlichen Fertigkeiten unterweisen ließ, verwirklichte er - idealkonkurrierend mit dieser mitgliedschaftlichen Beteiligung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB) - den Straftatbestand des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB. Da nach den Ermittlungsergebnissen alles darauf hindeutet, dass sich die Kampfhandlungen, zu denen der Beschuldigte schon während seines paramilitärischen Trainings fest entschlossen war, (auch) gegen das Assad-Regime richten sollten, besteht kein Zweifel an der hinreichenden Konkretisierung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - 3 StR 326/16, NJW 2017, 2928, 2929 f.).
Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, wie es konkurrenzrechtlich zu bewerten ist, wenn der die schwere staatsgefährdende Gewalttat Vorbereitende diese später tatsächlich begeht und sich dadurch nach anderen Strafvorschriften, beispielsweise wegen Tötungsdelikten, strafbar macht. Einerseits könnte auf allgemeine Grundsätze zum Verhältnis von Beteiligungsversuch im Vorfeld der Tat (§ 30 StGB), Versuch (§§ 22 ff. StGB) und Vollendung zurückgegriffen werden, so dass die Vorbereitungstat nach § 89a StGB als weniger intensive Deliktsverwirklichung gegenüber der - zunächst nur geplanten, dann aber - ausgeführten Gewalttat wegen Subsidiarität zurückträte (so MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89a Rn. 76 mwN; zu den für § 30 StGB geltenden rechtlichen Maßstäben s. BGH, Urteil vom 15. Mai 1992 - 3 StR 419/91, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 3; Beschluss vom 14. April 2010 - 2 StR 87/10, StraFo 2010, 296; MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 30 Rn. 73); andererseits könnte gegen die Annahme von Gesetzeseinheit eingewandt werden, dass die auf die Gewalttat selbst anzuwendenden Strafvorschriften regelmäßig andere Rechtsgüter schützen (so S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 89a Rn. 24). Eine derartige Fallkonstellation ist hier allerdings nicht zu beurteilen; die Teilnahme des Beschuldigten an den Kampfhandlungen in Syrien lässt sich anhand der Ermittlungsergebnisse bislang nicht in dem Sinne näher bestimmen, dass sie sich unter eine andere Strafnorm subsumieren ließe.
(2) Soweit sich der Beschuldigte nach Aktenlage über das Sichunterweisenlassen im Sinne von § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB hinaus als Mitglied für die Jabhat Fath al-Sham betätigte, etwa indem er sich um Geldmittel für den Kauf von militärischer Ausrüstung bemühte oder zugunsten der Vereinigung zur Ausreise in das syrische Bürgerkriegsgebiet aufrief, erfüllt dieses Verhalten neben § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB keinen weiteren Straftatbestand. Diese Betätigungsakte werden durch das Organisationsdelikt verklammert und treten in ihrer Gesamtheit als materiellrechtlich eigenständige Tat (§ 53 StGB) zu den auch gegen ein anderes Strafgesetz verstoßenden Beteiligungshandlungen hinzu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 f., 319 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, BGHR StGB § 129a Konkurrenzen 6).
Die verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit, in welche die ansonsten straflosen Betätigungsakte fallen, ist ebenfalls Gegenstand der Haftprüfung, weil sich der vollzogene und vorgelegte Haftbefehl vom 12. Mai 2017 in tatsächlicher Hinsicht auf einzelne dieser Handlungen bezieht (zu den rechtlichen Maßstäben s. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 8 f.; vom 11. Januar 2017 - AK 67/16, juris Rn. 22). So sind darin insbesondere auch die Bemühungen um Geldmittel angeführt.
bb) Deutsches Strafrecht ist gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2, 4 StGB und § 89a Abs. 3 Satz 2 Variante 1 StGB anwendbar (zum Strafanwendungsrecht in den Fällen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung s. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).
cc) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern der Jabhat Fath al-Sham - als Nachfolgerin der Jabhat al-Nusra - liegt in der Fassung vom 26. November 2015 vor. Die gemäß § 89a Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 StGB notwendige Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Beschuldigten wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat wurde am 13. Oktober 2016 erteilt.
2. Beim Beschuldigten ist der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO, auch bei der gebotenen restriktiven Handhabung der Vorschrift (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN), gegeben.
Das Oberlandesgericht München hat sich in dem auf die Haftbeschwerde des Beschuldigten ergangenen Beschluss vom 27. Juni 2017 eingehend mit dem Haftgrund der Schwerkriminalität befasst, dabei die hierfür geltenden rechtlichen Maßstäbe zutreffend wiedergegeben und die tatsächlichen Umstände überzeugend dargelegt, auf Grund derer eine Flucht des Beschuldigten - wenn er auf freien Fuß entlassen würde - nicht auszuschließen wäre. Der Senat schließt sich der Bewertung des Beschwerdegerichts an. Von besonderer Bedeutung ist dabei Folgendes:
Zwar kehrte der Beschuldigte am 8. April 2017 freiwillig mit dem Flugzeug nach Deutschland zurück und ließ hierüber durch einen seiner Verteidiger den kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter informieren, was die Festnahme des Beschuldigten bei seiner Ankunft am Düsseldorfer Flughafen zur Folge hatte. Dies bietet jedoch keine hinreichende Gewähr dafür, dass er sich künftig dem Strafverfahren zuverlässig zur Verfügung stellt. Der Beschuldigte erwies sich in der Vergangenheit als charakterlich labil und einfach zu verleiten, was nicht zuletzt in den Tathandlungen aufscheint. Auch die Verteidigung charakterisiert ihn als "unselbständig, beinflussbar und leichtgläubig". Trotz einer intakten, ihm vertrauensvoll zugewandten familiären Umgebung und offenbar stabiler sozialer Verhältnisse verschwand der Beschuldigte mit nur drei bis vier Tagen Vorlauf, um sich - mit hoher Wahrscheinlichkeit - von Unbekannten nach Syrien schleusen zu lassen und dort auf der Seite einer islamistischen Terrororganisation an bewaffneten Kampfhandlungen teilzunehmen. Es spricht nichts dafür, dass er sich zwischenzeitlich von seiner extremistisch-islamischen Einstellung gelöst hätte.
Auch im Zusammenhang mit seiner Rückkehr nach Deutschland verhielt sich der Beschuldigte nach Aktenlage wankelmütig: Zwischen dem Beschuldigten und seiner Mutter bestand wieder seit dem 18. Februar 2017 Kontakt mittels ihrer - später sichergestellten - Mobiltelefone. Zunächst zeigte er sich unbeeindruckt von deren Ansinnen, ihn zu einer Rückreise zu bewegen. Am 10. März 2017 war es der Mutter dann gelungen, ihn zu überzeugen; er erklärte, "gerettet" werden zu wollen, obgleich er befürchtete, inhaftiert zu werden. Bis zum 19. März 2017, nachdem sein Vater in die Türkei gereist war, hatte der Beschuldigte es sich allerdings wieder anders überlegt. Am 21. März 2017 war er dann - offenbar wieder rückkehrwillig - in der Türkei eingetroffen, wo er den Angaben seines Vaters zufolge in eine Art Polizeigewahrsam genommen wurde.
Gewichtige Gründe, die gegen die Annahme von Fluchtgefahr sprechen und somit hier den Haftgrund der Schwerkriminalität als unverhältnismäßig erscheinen ließen (s. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09, BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 2), liegen demnach nicht vor. Dass die die Fluchtgefahr begründenden Umstände nur noch geringeres Gewicht haben, hindert die Aufrechterhaltung des auf § 112 Abs. 3 StPO gestützten Haftbefehls nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2002 - StB 17/02, BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 1).
3. Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) ist unter diesen Umständen nicht erfolgversprechend.
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
5. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gegeben; der besondere Umfang der Ermittlungen und ihre Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
Die Sachakten umfassen mittlerweile 14 Bände. Die Ermittlungen gestalteten sich bislang aufwendig. Die Ermittlungsbehörden hatten erhebliche Datenmengen auszuwerten. Allein die Erkenntnisse zu der über den Messengerdienst "Telegram" geführten Kommunikation, die in den vier Bänden der Teilermittlungsakte IV in der Form von - zwischen dem 30. Juni und dem 15. September 2017 erstellten - Auswertungsvermerken mit Anlagen niedergelegt sind, haben einen Umfang von mehr als 1.200 Blatt.
Im Hinblick auf die noch nicht hinreichend gesicherte Beweislage wurden Durchsuchungsmaßnahmen bei einer Mehrzahl von Kontaktpersonen des Beschuldigten zeitgleich am 4. August 2017 vollzogen. Erst anschließend konnten etliche der Personen als Zeugen vernommen werden. Bei den Durchsuchungen wurden weitere auszuwertende Daten gesichert. Darüber hinaus wurden - am 25. Juni 2017 angeordnete - Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt, insbesondere auch Telegram-Chatverkehr überwacht. Ferner wurde ein Rechtshilfeersuchen in die Schweiz veranlasst, dessen Erledigung noch aussteht.
Nachdem die Kriminalpolizei Nürnberg unter dem 8. September 2017 einen ausführlichen "2. Sachstandsbericht" gefertigt hatte, hat die Generalstaatsanwaltschaft München in der Haftprüfungsvorlage vom 28. September 2017 angekündigt, "in Kürze" Anklage zu erheben. Angesichts des bereits weit fortgeschrittenen Ermittlungsstandes wird sich die Generalstaatsanwaltschaft um eine zügige Umsetzung ihrer Ankündigung zu bemühen haben.
Becker Spaniol Berg