Entscheidungsdatum: 25.05.2012
Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 2012 (3 BGs 104/12) wird aufgehoben.
Der Beschuldigte ist in dieser Sache freizulassen.
I.
Der Beschuldigte wurde am 13. November 2011 vorläufig festgenommen. Seit dem 14. November 2011 befindet er sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (3 BGs 10/11) - nachfolgend ersetzt durch den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 2012 (3 BGs 104/12) - ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 2012 ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe zwischen Anfang Mai 2001 und Ende Mai 2011 in Jena, Hannover und andernorts durch vier rechtlich selbständige Handlungen
- einem anderen zu dessen vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Taten - Mord in sechs Fällen, versuchtem Mord in einem Falle und [besonders] schwerem Raub in drei Fällen - Hilfe geleistet (Beihilfe zum Mord, zum versuchten Mord und zum [besonders] schweren Raub, § 27, §§ 211, 22, §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3a StGB; hinsichtlich des rechtlichen Gesichtspunkts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB, geht der Haftbefehl von Strafverfolgungsverjährung aus), - in drei Fällen jeweils eine Vereinigung unterstützt, deren Zweck und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord oder Totschlag zu begehen und Sprengstoffexplosionen herbeizuführen (Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 StGB).
II.
Die Prüfung, ob die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus fortdauern darf (§§ 121, 122 StPO), führt zur Aufhebung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 2012, denn der Beschuldigte ist der ihm vorgeworfenen Straftaten nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht dringend verdächtig im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO.
1. Nach den bisherigen Ermittlungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
a) Ende 1997 ergaben sich Hinweise darauf, dass eine von der anderweitig verfolgten Beate Z. am 10. August 1996 angemietete Garage in Jena von ihr sowie von Uwe B. und Uwe M. - nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen seinerzeit wie Z. aktive Mitglieder der "Kameradschaft Jena" in der rechtsextremen Vereinigung "Thüringer Heimatschutz" - zur Herstellung von Sprengsätzen genutzt wird. Eine Durchsuchung der Garage am 26. Januar 1998, bei der funktionsfähige Rohrbomben sowie insgesamt ca. 1,4 kg TNT aufgefunden wurden, nahmen B., M. und Z. zum Anlass, unter Verschleierung ihrer Identität unterzutauchen. Haftbefehle vom 28. Januar 1998 wegen des dringenden Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz u.a. konnten nicht vollstreckt werden; die eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden am 15. September 2003 wegen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung eingestellt.
B., M. und Z. kamen nach den Vorfällen in Jena noch Anfang 1998 überein, sich nunmehr zu einer eigenständigen Gruppierung zusammenzuschließen, sich dabei dem gemeinsamen Ziel der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland hin zu einem an der nationalsozialistischen Ideologie ausgerichtetem System unterzuordnen und dieses Ziel künftig aus dem Untergrund heraus mit Waffengewalt weiterzuverfolgen. Den Boden für den angestrebten Systemwechsel wollten sie dadurch bereiten, dass sie durch Mordanschläge auf "Feinde des deutschen Volkes", worunter sie in erster Linie türkischstämmige Einwohner der Bundesrepublik Deutschland sowie Repräsentanten der staatlichen Ordnung wie etwa Polizeibeamte verstanden, ein Klima der Verunsicherung schufen. Zur Kennzeichnung ihres Verbands wählten sie spätestens 2001 den Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" und entwickelten ergänzend hierzu ein "Logo" in Form einer besonders gestalteten Buchstabenfolge "NSU".
b) In Verfolgung der gemeinsam beschlossenen Ziele begingen im Einzelnen nicht ermittelte Mitglieder der Gruppierung die nachfolgenden Straftaten.
aa) Unter Verwendung einer Pistole Ceska 83 Kaliber 7,65 mm - am 9. September 2000 und am 27. Juni 2001 auch einer zur scharfen Waffe des Kalibers 6,35 mm umgebauten Schreckschusspistole Bruni 315 Auto - verübten sie insgesamt neun Mordanschläge gegen in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Personen ausländischer Herkunft.
- Am 9. September 2000 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehöriger S. in seinem mobilen Blumenverkaufsstand durch mehrere Schüsse.
- Am 13. Juni 2001 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehörigen Ö. in den Räumlichkeiten seiner Änderungsschneiderei durch zwei Kopfschüsse.
- Am 27. Juni 2001 töteten sie in Hamburg den türkischen Staatsangehörigen T. in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch drei Kopfschüsse.
- Am 29. August 2001 töteten sie in München den türkischen Staatsangehörigen K. in den Räumlichkeiten seines Gemüsehandels durch zwei Kopfschüsse.
- Am 25. Februar 2004 töteten sie in Rostock den türkischen Staatsangehörigen Tu. in einer Imbissstube, in der er an diesem Tage aushalf, durch drei Kopfschüsse.
- Am 9. Juni 2005 töteten sie in Nürnberg den türkischen Staatsangehörigen Y. in den Räumen seiner Imbissstube durch Kopfschüsse.
- Am 15. Juni 2005 töteten sie in München den griechischen Staatsangehörigen B. in den Räumlichkeiten seines Schlüsseldienstes durch Kopfschüsse.
- Am 4. April 2006 töteten sie in Dortmund den türkischen Staatsangehörigen Ku. in dem von ihm betriebenen Kiosk durch zwei Kopfschüsse.
- Am 6. April 2006 töteten sie in Kassel den türkischen Staatsangehörigen Yo. in den Räumlichkeiten eines Internet-Cafés durch zwei Kopfschüsse.
bb) In zwei Fällen führten im Einzelnen nicht ermittelte Mitglieder der Gruppierung auch Sprengstoffanschläge aus.
- Zwischen Dezember 2000 und dem 19. Januar 2001 platzierten sie einen in eine Blechdose eingebauten Sprengsatz in einem iranischen Lebensmittelgeschäft in Köln. Dieser detonierte am 19. Januar 2001 und verletzte die Tochter des Inhabers schwer.
- Am 9. Juni 2004 stellten sie vor dem Friseursalon eines türkischen Staatsangehörigen in Köln-Mühlheim ein Fahrrad ab, auf dessen Gepäckträger sich ein Metallbehälter mit einem Sprengsatz und Splittermaterial in Form von Nägeln befand. Diesen Sprengsatz brachten sie anschließend ferngezündet zur Detonation, wodurch 22 Personen teilweise lebensgefährlich verletzt wurden.
cc) Unter Verwendung von Pistolen Radom Vis 35 Kaliber 9 mm und Tokarew TT3 Kaliber 9 mm töteten sie am 25. April 2007 gegen 14.00 Uhr in Heilbronn die im Einsatz befindliche Polizeibeamtin Ki. durch einen Kopfschuss, verletzten den sie begleitenden Polizeibeamten A. durch einen weiteren Kopfschuss schwer und brachten deren Dienstwaffen und andere Polizeiausrüstung in ihren Besitz.
dd) Zur Beschaffung der für die Vereinigung und für den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder notwendigen finanziellen Mittel begingen Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" schließlich mindestens drei Banküberfälle.
- Am 5. Oktober 2006 gegen 12.00 Uhr betrat eine Person die Filiale der Sparkasse in der straße in Z. und forderte unter Vorhalt einer Pistole die Herausgabe von Bargeld. Ein sich lösender Schuss traf einen Auszubildenden in den Bauch, worauf die Person ohne Beute flüchtete.
- Am 7. September 2011 gegen 8.50 Uhr begaben sich zwei Personen in die Filiale der Sparkasse in Ar. und forderten unter Vorhalt zweier Pistolen, eines Revolvers und einer Handgranate die Herausgabe von Bargeld. Weiter verletzten sie eine Bankangestellte durch Schläge. Auf diese Weise erreichten sie die Aushändigung von ca. 15.000 € in bar.
- Am 4. November 2011 gegen 9.15 Uhr überfielen B. und M. unter Verwendung von Schusswaffen die Filiale der Sparkasse am platz in E. und erbeuteten dabei ca. 75.000 €.
c) Auch der Beschuldigte war aktives Mitglied der "Kameradschaft Jena". Ihm war zumindest bekannt, dass B., M. und Z., denen er freundschaftlich verbunden war, Anfang 1998 wegen des Bombenfundes in der von ihnen genutzten Garage untergetaucht waren und seitdem im Untergrund lebten. Gleichwohl gewährte er B., M. und Z. in mehreren Fällen seine Unterstützung.
aa) Zwischen dem 1. Mai 2001 und einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahre 2002 nahm der Beschuldigte vom anderweitig verfolgten W. in dessen Wohnung in J. einen Stoffbeutel entgegen mit dem Auftrag, ihn in einer Sporttasche verstaut zu B., M. und Z. nach Zwickau zu verbringen. Auf der Fahrt stellte der Beschuldigte beim Befühlen des Beutels fest, dass sich darin eine Schusswaffe befand. Am Hauptbahnhof in Zwickau wurde er von Z. abgeholt und in die von den Dreien seit dem 1. Mai 2001 genutzte Wohnung P. straße 2 geführt. Dort übergab der Beschuldigte die Waffe nebst beigefügter Munition an B. und M..
bb) Um dem unter den Personalien des Beschuldigten auftretenden und diesem im Aussehen ähnelnden B. mit einem Führerschein auszustatten, meldete der Beschuldigte im Januar oder im Februar 2004 wahrheitswidrig den Verlust seines eigenen Führerscheins. Das ihm am 4. Februar 2004 ausgestellte Ersatzdokument, Nr. , übergab er an B. zum weiteren Gebrauch. Die angefallenen Kosten wurden ihm von Z. erstattet. Weiter überließ er B. in diesem Zusammenhang die auf seinen Namen ausgestellte ADAC-Mitgliedskarte, Nr. , zur eigenen Nutzung.
cc) Um Z. eine notwendige ärztliche Behandlung zu ermöglichen, forderte B. oder M. den Beschuldigten Anfang des Jahres 2006 auf, eine passende Krankenversicherungskarte zu besorgen. Der Beschuldigte wandte sich an seine Bekannte R. (nunmehr Sch. ), die ihm gegen Zahlung von 300 € ihre Versichertenkarte der AOK Niedersachsen, Nr. , überließ. Diese gab der Beschuldigte zusammen mit den notwendigen Informationen über die Person der Inhaberin weiter; seine Auslagen wurden ihm wiederum von Z. erstattet.
dd) Bereits 2001 hatte sich der Beschuldigte auf Verlangen von B., M. und Z. einen Reisepass ausstellen lassen, den er anschließend bei einem Treffen beim Bahnhof in Zwickau an Z. zur Verwendung durch B. übergeben hatte. Da die Gültigkeit dieses Passes am 6. Juni 2011 ablief, forderten B., M. und Z. den Beschuldigten bei einem Besuch im Frühjahr 2011 auf, sich einen neuen Reisepass ausstellen zu lassen und ihn wiederum B. zur Verfügung zu stellen. Der Beschuldigte erklärte sich damit einverstanden, worauf Z. mit ihm zunächst einen Fotografen und anschließend das Passamt aufsuchte. Den darauf am 19. Mai 2011 von der Gemeinde Ro. ausgestellten Reisepass, Nr. , gab der Beschuldigte wie vereinbart an die drei Personen weiter. Ebenso übergab er ihnen bei dieser Gelegenheit seine Versichertenkarte der AOK Niedersachsen, Nr. , zur weiteren Verwendung durch B.
2. Der am 19. Mai 2011 ausgestellte Reisepass, der Führerschein, die Krankenversicherungskarte und die ADAC-Karte des Beschuldigten befanden sich in dem von B. und M. anlässlich des Überfalls am 4. November 2011 gefahrenen, unter Verwendung des Reisepasses von B. angemieteten Wohnmobil, in dem sie sich nach Entdeckung ihrer Tatbeteiligung noch am selben Tage das Leben nahmen. Die auf den Namen "R. " ausgestellte Krankenversichertenkarte wurde in der von B., M. und Z. zuletzt genutzten, von Z. nach dem Tode von B. und M. am 14. November 2011 zur Vernichtung von Beweismitteln in Brand gesetzten Wohnung in der F. straße 26 in Z. sichergestellt. Dort fand sich ferner ein Mäppchen mit u.a. sechs Passphotos des Beschuldigten, die mit dem Lichtbild im Reisepass identisch sind. Die Übergabe dieser Gegenstände sowie den ihm zur Last gelegten Transport der Pistole hat der Beschuldigte wie oben beschrieben eingeräumt.
3. a) Nach Auffassung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs besteht darüber hinaus der dringende Verdacht, der Beschuldigte habe bei seinem Handeln jedenfalls damit gerechnet und billigend in Kauf genommen, dass B., M. und Z. seit ihrem Untertauchen Anfang 1998 entschlossen waren, aus dem Untergrund heraus Mord- und Sprengstoffanschläge zu begehen, um so eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen.
In Bezug auf den Vorwurf der Beihilfe zu Verbrechen des Mordes und des schweren Raubes geht der Ermittlungsrichter weiter davon aus, dass der Beschuldigte durch die Übergabe der Pistole die dem "Nationalsozialistischen Untergrund" zuzurechnenden, unter Verwendung von Schusswaffen begangenen Taten objektiv gefördert habe. Zwar sei nicht zu belegen, dass die übergebene Pistole bei einer dieser Taten Verwendung fand. Indes seien sie zum einen durch die Aushändigung der Waffe nebst Munition insofern erleichtert worden, dass hierdurch "die Zugriffs- und Auswahlmöglichkeiten der NSU-Mitglieder auf Schusswaffen und ihr[en] Schusswaffenbestand" objektiv erweitert worden sei. Zum anderen habe der Beschuldigte psychische Beihilfe zu den Morden und Banküberfällen geleistet, da er durch die Übergabe der Pistole signalisiert habe, "dass die Gruppe sich auf ihn verlassen kann und er grundsätzlich hinter ihren Taten steht". Auch in subjektiver Hinsicht bestehe der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte bei der Übergabe der Waffe damit gerechnet und billigend in Kauf genommen habe, hierdurch die Begehung von Mordanschlägen und Raubüberfällen unter Verwendung von Schusswaffen zu erleichtern.
b) Dem kann sich der Senat nicht anschließen.
aa) Soweit dem Beschuldigten vorgeworfen wird, er habe Beihilfe zu den dem "Nationalsozialistischen Untergrund" zuzurechnenden, nach dem Jahre 2002 unter Verwendung von Schusswaffen verübten Straftaten geleistet, fehlen bereits tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass die Übergabe der Pistole diese Taten, wie nach § 27 StGB erforderlich, objektiv in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert hat (vgl. hierzu Fischer, StGB, 59. Aufl., § 27 Rn. 14 mwN).
Ob es sich bei der übergebenen Pistole um eine der Schusswaffen handelt, die von Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Untergrunds" in der Folge bei der Begehung von Mordanschlägen oder Banküberfällen verwendet wurden, bleibt, wovon auch der Haftbefehl ausgeht, nach gegenwärtigem Ermittlungsstand offen. Der Beschuldigte konnte diese Pistole bei seiner Vernehmung am 21. Dezember 2011 - etwa zehn Jahre nach dem Vorfall - unter den ihm vorgelegten Tatwaffen nicht wiedererkennen. Soweit der Haftbefehl darauf abstellt, der Beschuldigte habe durch die Übergabe der Pistole die in der Folge begangenen Straftaten der Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" deshalb gefördert, weil er deren Zugriffsmöglichkeiten auf Schusswaffen erweitert habe, ermangelt dies schon einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Die nächste auf die Übergabe der Waffe folgende Tat ereignete sich nach den Ermittlungen am 24. Februar 2004, somit - wovon nach Sachlage auszugehen ist - erst nahezu drei Jahre danach. Über welches Waffenarsenal die handelnden Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" zu diesem Zeitpunkt verfügten, ist ungeklärt. Schon die Annahme, die vom Beschuldigten übergebene Pistole habe sich bei den späteren Taten trotz der verstrichenen erheblichen Zeiträume jeweils noch in deren Besitz befunden, bliebe Spekulation, denn der Beschuldigte konnte die Waffe auch im Bestand der Asservate insgesamt nicht identifizieren. Selbst wenn sie sich jedoch zu den jeweiligen Tatzeiten noch im Besitz der Gruppenmitglieder befunden haben sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen, wie allein hierdurch die einzelnen Mord- und Raubtaten objektiv erleichtert oder gefördert worden sein sollen.
Soweit der Haftbefehl daneben den dringenden Verdacht der psychischen Beihilfe annimmt, weil der Beschuldigte durch die Übergabe der Waffe zu erkennen gegeben habe, er stehe hinter den Zielen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" und der in Verfolgung dieser Ziele ausgeübten Gewalt, bleibt - ungeachtet der Frage, ob der Beschuldigte mit Mordanschlägen rechnete - bereits offen, ob es für die Gruppierung bei der Planung und bei der Ausführung ihrer Taten überhaupt von Bedeutung war, dabei gerade auch beim Beschuldigten Rückhalt zu finden. So ist der Aussage des Beschuldigten vom 1. Dezember 2011, 12. Januar 2012 und 17. Januar 2012 zu entnehmen, dass "die Drei" während der ab 1996 geführten Strategiediskussionen, was ihre Person betrifft, ungeachtet des Widerspruchs von W. und des Beschuldigten eine Bewaffnung für geboten hielten. Auch sind nach gegenwärtigem Ermittlungsstand die Aussagen des Beschuldigten vom 25. November und vom 1. Dezember 2011 sowie vom 24. Februar 2012 nicht zu widerlegen, er habe sich der Pistole notgedrungen durch die ihm abverlangte Übergabe entledigt, "den Dreien" aber klargemacht, dass er so etwas nie wieder machen werde, mit Waffen nichts zu tun haben wolle und die Anwendung von Gewalt für sich ausschließe. Trotz der Übergabe der Waffe bot sich B., M. und Z. danach keine Grundlage für die Annahme, der Beschuldigte stehe hinter künftigen Mordanschlägen und befürworte diese.
Zu Ende gedacht würde die Auffassung des Ermittlungsrichters im Übrigen dazu führen, dass jede Unterstützungshandlung im Sinne von § 129 Abs. 1, § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB oder gar schon jede gegenüber Mitgliedern einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung geäußerte Bekundung von Sympathie für ihre Ziele oder Taten objektiv - ohne dass weiteres hinzukommen müsste - als Beihilfe zu den danach aus der Vereinigung heraus begangenen Straftaten zu werten wäre; dies wäre indes rechtlich nicht haltbar.
bb) Zum Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung hat sich der Beschuldigte bei seinen Vernehmungen - zusammengefasst - dahin eingelassen, er habe zu keinem Zeitpunkt damit gerechnet, dass B., M. und Z. Straftaten gegen das Leben anderer begehen. Er sei ihnen freundschaftlich verbunden gewesen und habe sie deshalb, nachdem sie wegen der Ermittlungen in Jena untergetaucht waren, bei ihrem Leben im Untergrund unterstützt. Mordanschläge habe er ihnen von vornherein nicht zugetraut. Wohl habe er vermutet, das sich die Drei, die stets über nicht unerhebliche Geldmittel verfügt hätten, ihren Lebensunterhalt durch Straftaten finanziert hätten.
Beweismittel, welche diese Einlassung mit der für die Annahme eines dringenden Tatverdachts erforderlichen Wahrscheinlichkeit widerlegen könnten, stehen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht zur Verfügung.
(1) Hinweise darauf, dass dem Beschuldigten bei seinen Tathandlungen die Verantwortlichkeit von B., M. oder Z. für eine der nunmehr dem "Nationalsozialistischen Untergrund" zugerechneten Straftaten bekannt war, ergeben sich nicht. Hiergegen spricht bereits, dass sich diese Gruppierung bei der Planung und bei der Durchführung ihrer Aktionen streng abgeschottet und - für eine terroristische Vereinigung ungewöhnlich - über mehr als zehn Jahre hinweg davon abgesehen hat, sich zu ihren Taten zu bekennen. So wurde ein rechtsterroristischer Hintergrund der eingangs beschriebenen Mordanschläge überhaupt erst durch die Funde in der von Z. am 14. November 2011 in Brand gesetzten Wohnung F. straße 26 in Z. offenbar. Die nicht näher verifizierte, anlässlich eines Besuchs bei B., M. und Z. zu einem unbekanntem Zeitpunkt gefallene Bemerkung des Beschuldigten "Mensch, über Euch hört man ja Sachen" (Vernehmung vom 13. November 2011, S. 8) erlaubt vor diesem Hintergrund keine andere Beurteilung; sie kann sich auch auf die dem Beschuldigten erst über Ka. bekannt gewordenen Rohrbombenfunde beziehen (Vernehmung vom 13. November 2011, S. 6).
(2) Die hiernach allein verbleibenden, sich aus den eigenen Einlassungen des Beschuldigten ergebenden Beweisanzeichen vermögen auch bei der gebotenen Gesamtwürdigung jedenfalls nicht den dringenden Verdacht zu begründen, der Beschuldigte habe bei seinem Handeln damit gerechnet, eine Gruppierung zu unterstützen, deren Ziele auf die Begehung terroristischer Anschläge gerichtet waren. In diesem Sinne hinreichend sichere Schlüsse darauf, zu welcher Einschätzung der Beschuldigte im hier maßgeblichen Zeitraum von Anfang 2004 bis Mai 2011 in Bezug auf mögliche politisch motivierte Straftaten von B., M. und Z. gegen das Leben anderer gelangt war, lassen sie nicht zu.
Einerseits war dem Beschuldigten aus den in den Jahren 1996 und 1997 geführten Diskussionen bekannt, dass B., M. und Z. seinerzeit entschlossen waren, sich zur Durchsetzung ihrer Ziele zu bewaffnen (Vernehmungen vom 1. Dezember 2011, S. 14; 12. Januar 2012, S. 3; 17. Januar 2012, S. 12). Auch wurde er nach seinem Umzug von J. nach H. im Jahre 1997 von Ka. darüber in Kenntnis gesetzt, dass in deren Garage Rohrbomben nebst Sprengstoff gefunden worden waren (Vernehmung vom 13. November 2011, S. 6). Er hat den Dreien nicht nur im Jahre 2001 oder 2002 selbst eine Pistole überbracht, sondern bekam im Jahre 2002 oder 2003 von M. auch eine in deren Besitz befindliche Pumpgun vorgezeigt (Vernehmungen vom 12. Januar 2012, S. 5; 17. Januar 2012, S. 8; 13. März 2012, S. 5). Bei der Übergabe der Pistole hat sich der Beschuldigte unter anderem mit der Bemerkung distanziert, man könne sich nicht anmaßen, "mit fünf Leuten die Welt zu retten" (Vernehmungen vom 25. November 2011, S. 9 und 24. Februar 2012, S. 4). Nicht zu verkennen ist auch, dass W. , vom Beschuldigten wegen des Unterschiebens der Pistole zur Rede gestellt, äußerte, es sei besser, "wenn du nicht weißt, was sie damit vorhaben" (Vernehmungen vom 25. November 2011, S. 9 und 1. Dezember 2011, S. 8). Ebenso hatte der Beschuldigte von der Aufhebung der Haftbefehle wegen der Vorfälle in Jena infolge Verjährung in der Zeitung gelesen (Vernehmung vom 14. November 2011, S. 3), weshalb er für das Auftreten der Drei unter fremder Identität allein aus diesem Grund keinen Anlass mehr sehen konnte.
Andererseits verliert die Aussagekraft dieser Indizien entscheidend an Gewicht dadurch, dass sie überwiegend nur aus Geschehnissen abgeleitet werden können, die sich entweder noch in der Zeit vor dem Untertauchen von B., M. und Z. oder aber im Zusammenhang mit der Übergabe der Pistole im Jahre 2001 oder 2002 ereignet hatten. Zu den Zeitpunkten der dem Beschuldigten nunmehr vorgeworfenen Unterstützungshandlungen lagen diese Ereignisse jeweils bereits mehrere Jahre zurück. Für den Beschuldigten deutete, wie oben dargelegt, nichts darauf hin, dass B., M. und Z. zwischenzeitlich den von ihnen vor ihrem Untertauchen befürworteten bewaffneten Kampf tatsächlich aufgenommen und Anschläge mittels Schusswaffen oder Sprengstoff verübt hätten. In dieser aus der Sicht des Beschuldigten über Jahre anhaltenden Passivität - ausgenommen von ihm offensichtlich für möglich gehaltene Banküberfälle zur Beschaffung finanzieller Mittel - findet seine Einlassung, er habe mit Straftaten von B., M. und Z. gegen das Leben anderer nicht gerechnet und ihnen Mordanschläge von vornherein nicht zugetraut, eine wesentliche Stütze.
Hinzu kommt, dass auch die dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen selbst nichts zum Gegenstand hatten, was aus seiner Sicht über eine Hilfe für B., M. und Z. bei der Verschleierung ihrer Identität hinausgegangen wäre und darauf hingedeutet hätte, dass die Genannten sich mit der Planung und Durchführung von Mord- und Sprengstoffanschlägen befassen. Dies gilt auch, soweit der Beschuldigte Handlungen eingeräumt hat, die nicht Gegenstand des Haftbefehls sind, wie eine Unterstützungszahlung von 3.000 DM auf Veranlassung von W. im Jahre 1998 oder 1999 und die Inverwahrungnahme von 10.000 DM im Jahre 2001. Die vom Beschuldigten so genannten "Systemchecks", bei denen B., M. und Z. sich jährlich anlässlich von Besuchen oder gemeinsamen Urlaubsaufenthalten darüber vergewisserten, dass in den persönlichen Lebensumständen des Beschuldigten keine Veränderungen eingetreten waren, die dem weiteren gefahrlosen Gebrauch seiner Papiere entgegenstanden (Vernehmung vom 12. Januar 2012, S. 3), rechtfertigen keine andere Einschätzung.
4. Der Senat hat erwogen, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt sein könnte, dass das bisherige Ermittlungsergebnis den dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten belegt, er habe sich zumindest der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht, weil er den im Untergrund lebenden Mitgliedern der "NSU" die vom Haftbefehl erfassten Hilfsdienste in dem Wissen erbrachte, dass diese ihren Lebensunterhalt (auch) aus der Beute aus Banküberfällen bestritten.
Indes würde es insoweit an einem Haftgrund fehlen. § 112 Abs. 3 StPO findet bei der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung keine Anwendung. Fluchtgefahr im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StGB sähe der Senat bei einem derart eingeschränkten Tatvorwurf nicht. Von den durch den Haftbefehl erfassten Taten könnte dem Beschuldigten allein noch Fall 4 als Unterstützung einer kriminellen Vereinigung angelastet werden, da alle früheren Unterstützungshandlungen unter diesem rechtlichen Aspekt verjährt wären. Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch verjährte Taten - wenn auch mit eingeschränktem Gewicht - bei der Bemessung der Strafe für ein noch nicht verjährtes Delikt gegebenenfalls schärfend berücksichtigt werden. Dennoch würde dem Beschuldigten auch unter Berücksichtigung dieses Aspekts bei einem Schuldspruch nach § 129 Abs. 1 StGB keine derart hohe Strafe drohen, dass schon diese für sich einen hinreichend hohen Fluchtanreiz böte. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte, wovon auch der Haftbefehl ausgeht, seit längerer Zeit in einer stabilen Beziehung lebt, über eine Berufsausbildung verfügt, vor seiner Festnahme stets in einem festen Arbeitsverhältnis stand und seine Unterstützungshandlungen für den "NSU" zumindest in objektiver Hinsicht in vollem Umfang eingeräumt hat; auch dies spricht gegen eine Fluchtgefahr.
5. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass sich durch vorliegende Entscheidung nichts an der Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts ändert; denn gegen den Beschuldigten besteht jedenfalls der einfache Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in drei Fällen fort (§ 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG).
Becker Hubert Mayer