Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 04.08.2010


BVerwG 04.08.2010 - 9 C 7/09

Lkw-Maut: Erstattungsstreitigkeit; Berechnung der Maut nach Autobahnabschnitten unter Anwendung der Regeln kaufmännischer Rundung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
04.08.2010
Aktenzeichen:
9 C 7/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 23. Juni 2009, Az: 9 A 3082/08, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 4 Abs 1a ABMG
§ 4 Abs 4 ABMG
§ 21 VwKostG

Tatbestand

1

Die Beklagte wendet sich mit der Revision gegen ihre Verurteilung zur Erstattung von Lkw-Maut in Höhe von 2,52 € an die Klägerin. Die in den Niederlanden ansässige Klägerin betreibt einen Blumengroßhandel. Sie beantragte im Januar 2006 beim Bundesamt für Güterverkehr, die für eines ihrer Fahrzeuge, eine Sattelzugmaschine mit Auflieger, zuvor über das Erhebungssystem der Beigeladenen (hier: "On-Board-Unit") an diese entrichtete Mautbeträge rückwirkend ab dem 1. Januar 2005 zu erstatten, weil für das Fahrzeug keine Mautpflicht bestehe; es sei nicht ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt, sondern diene auch dem Verkauf. Mit Bescheid vom 7. Juni 2006 und Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2006 lehnte das Bundesamt für Güterverkehr die Erstattung ab.

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Das Verwaltungsgericht hat die unter anderem auf Aufhebung der genannten Bescheide und Erstattung der im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 16. März 2006 geleisteten Maut in Höhe von 9.837,41 € gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Bescheide zur Erstattung in Höhe von 2,52 € verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Die Berufung bleibe überwiegend ohne Erfolg. Denn das Fahrzeug der Klägerin sei ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt und daher sowohl nach nationalem Recht als auch nach Europarecht mautpflichtig. Die dem Fahrzeug der Klägerin selbst anhaftenden objektiven Merkmale ließen diesen ausschließlichen Verwendungszweck erkennen. In Höhe von 2,52 € sei das Erstattungsbegehren jedoch begründet. Insoweit beruhe die Mautzahlung auf der von der Beklagten vorgegebenen Praxis, die zu entrichtende Maut als Summe der kaufmännisch auf volle Cent gerundeten Beträge zu berechnen, die bezogen auf die Länge der einzelnen befahrenen Autobahnabschnitte anfallen. Diese Praxis der abschnittweisen Ermittlung der Mautbeträge sei nicht durch eine nach dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt gebotene Rechtsgrundlage gedeckt. Diese hätten daher bezogen auf die jeweilige Gesamtstrecke festgesetzt werden müssen.

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Gegen diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hat nur die Beklagte Revision eingelegt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 2,52 € an die Klägerin beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

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Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Höhe der von der Klägerin zu entrichtenden Maut als Summe der jeweils nach der Länge der einzelnen befahrenen Autobahnabschnitte unter Ansatz des Mautsatzes bei kaufmännischer Rundung anfallenden Beträge bestimmt wurde. Für diese Praxis gebe es entgegen dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Gesetzesvorbehalt keine rechtliche Grundlage, so dass die Klägerin die Maut in einer Höhe von 2,52 € rechtsgrundlos geleistet habe. Ihr stehe insoweit ein Anspruch auf Erstattung nach § 4 Abs. 1a des Autobahnmautgesetzes (ABMG) in Verbindung mit § 21 VwKostG gegenüber der Beklagten zu. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden.

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1. Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass einschlägige Rechtsgrundlage für das an die Beklagte gerichtete Erstattungsbegehren der Klägerin die gemäß § 4 Abs. 1a ABMG für den Bereich der Mautentrichtung entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 21 VwKostG ist, wonach überzahlte oder zu Unrecht erhobene Kosten unverzüglich zu erstatten sind.

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a) Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin ihr Begehren nicht stattdessen auf dem Zivilrechtswege gegenüber der Beigeladenen verfolgen kann. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt.

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aa) Das Autobahnmautgesetz legt die Maut als öffentlich-rechtliche Benutzungsgebühr fest (vgl. u.a. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 ABMG; BTDrucks 14/7013 S. 10). Der zivilrechtliche Vertrag, der nach § 4 Abs. 5 ABMG bei Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen zwischen dieser und dem Mautschuldner zustande kommt, ersetzt nicht das öffentlich-rechtliche Gebührenverhältnis zwischen dem Mautschuldner und der Beklagten als Gebührengläubigerin, sondern modifiziert dieses nur insoweit, als der Einzug der Maut privatrechtlich erfolgt und der Mautschuldner folgerichtig gemäß § 4 Abs. 5 ABMG von der Verpflichtung zur Entrichtung der Maut unmittelbar an das Bundesamt für Güterverkehr befreit ist (vgl. BTDrucks 15/3678 S. 8). Somit stehen bei Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen zwei Rechtsverhältnisse nebeneinander, nämlich das öffentlich-rechtliche Gebührenverhältnis zwischen Mautschuldner und Beklagter einerseits, für das alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften nach dem Autobahnmautgesetz und die auf der Grundlage dieses Gesetzes ergangenen Rechtsverordnungen bestimmend sind, und das auf die Organisation der Mautzahlung beschränkte privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Mautschuldner und Beigeladener andererseits, das durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beigeladenen ausgestaltet wird (vgl. BTDrucks 15/3678 S. 8; vgl. auch Müller/Schulz, FStrG, 2008, § 4 ABMG Rn. 123 ff.). Bei Rechtsstreitigkeiten ist danach zu unterscheiden, auf welches der beiden Rechtsverhältnisse sie sich beziehen. Rechtsstreitigkeiten, die den von der Beigeladenen zu verantwortenden Vollzug des auf die Organisation der Mautzahlung gerichteten Vertrags nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ABMG betreffen, sind nach Maßgabe der dieses Rechtsverhältnis ausgestaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beigeladenen vor den Zivilgerichten zwischen dieser und dem Mautschuldner zu klären (vgl. BTDrucks 15/3678 S. 8). Rechtsstreitigkeiten, bei denen es um die Vereinbarkeit des Autobahnmautgesetzes bzw. der auf seiner Grundlage erlassenen Normen mit höherrangigem Recht oder um die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften - etwa zur Mautpflicht selbst oder zur Höhe der Maut - geht, betreffen allein das öffentlich-rechtliche Gebührenverhältnis zwischen dem Mautschuldner und der Beklagten und sind somit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären.

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Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit über die Erstattung eines unter Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen gezahlten Betrages können - abgesehen von der speziell geregelten Erstattung bei Nichtdurchführung oder nicht vollständiger Durchführung der Fahrt (§ 4 Abs. 4 ABMG, § 10 LKW-MautV) - beide Rechtsverhältnisse betroffen sein. Die Zahlung dieses Betrages ist zum Einen dazu bestimmt, der infolge der Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen dieser gegenüber entstandenen vertraglichen Pflicht zur Zahlung eines "Entgelts" in Höhe der zu entrichtenden Maut nachzukommen. Mit der Zahlung verfolgt der Mautschuldner zum Anderen das Ziel, gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 ABMG von der Verpflichtung zur Entrichtung der Maut unmittelbar an das Bundesamt für Güterverkehr befreit zu werden. Zu diesem Zweck beauftragt er die Beigeladene, den von ihm entrichteten Betrag an das Bundesamt abzuführen. Die auftragsgemäße Weiterleitung des Betrages an das Bundesamt stellt damit eine Leistung dar, die der Beklagten zuzurechnen ist (vgl. Fuchs/Kirsch, DÖV 2010, 27 <30>). Danach kommt es darauf an, welchem dieser beiden Leistungsverhältnisse der gerügte Mangel zuzuordnen ist. Trägt der Mautschuldner zum Beispiel vor, es sei aufgrund einer fehlerhaften Abbuchung im Erhebungssystem der Beigeladenen zu einer Überzahlung gekommen, ist das Leistungsverhältnis zur Beigeladenen betroffen. Geht es nicht um derartige "erhebungstechnische" Mängel, sondern um Grund oder Höhe der Mautpflicht selbst, ist das öffentlich-rechtliche Gebührenverhältnis zur Beklagten betroffen.

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bb) Der zuletzt genannte Fall liegt hier vor. Die Praxis der Berechnung der Maut nach Autobahnabschnitten unter Anwendung der Regeln kaufmännischer Rundung ist nicht dem vertraglichen Leistungsverhältnis mit der Beigeladenen zuzuordnen. Sie wurde nicht durch die Beigeladene etwa in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber den Mautschuldnern verbindlich festgelegt, sondern stellt eine Vorgabe der Beklagten dar, nach der das von der Beigeladenen errichtete Erhebungssystem die für die einzelnen Fahrten zu entrichtende Maut berechnet. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Somit sind das genannte Verfahren zur Berechnung der Maut und die sich daraus ergebenden Mautzahlungen der Beklagten zuzurechnen.

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b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die Klägerin ihr Erstattungsbegehren nicht auf § 4 Abs. 4 ABMG i.V.m. § 10 LKW-MautV stützen kann, weil diese Regelung allein den - hier nicht vorliegenden - speziellen Fall der nicht oder nicht vollständig durchgeführten Fahrt betrifft. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch nicht deshalb auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückzugreifen, weil der Wortlaut des § 21 VwKostG einer Anwendung auf den vorliegenden Fall entgegensteht. Zutreffend ist allerdings, dass es vorliegend nicht um eine "Überzahlung" im Sinne dieser Vorschrift geht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte nicht deshalb zur Erstattung von 2,52 € verurteilt, weil die Klägerin in dieser Höhe versehentlich zu viel Maut bezahlt hat. Es hat vielmehr angenommen, dass die Mautzahlung in dieser Höhe auf einer gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verstoßenden Berechnungspraxis der Beklagten beruht, es also insoweit an einer Mautpflicht fehlt. Dieser Fall ist jedoch nach der zweiten Alternative des § 21 VwKostG zu beurteilen, wonach "zu Unrecht erhobene Kosten" zu erstatten sind. Es bedarf keiner Klärung, ob die Annahme der Beklagten zutrifft, dass diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur die Erstattung solcher Gebühren betrifft, die durch Bescheid "erhoben" wurden, was vorliegend nicht erfolgt ist. Denn § 21 VwKostG ist für den Bereich der Mautentrichtung nicht unmittelbar, sondern nach § 4 Abs. 1a ABMG "entsprechend" anwendbar. Mit dieser Verweisung sollte eine Regelung geschaffen werden, die alle nicht speziell im Autobahnmautgesetz oder in den hierauf gestützten Rechtsverordnungen normierten Erstattungsansprüche umfasst, und nicht nur die wenigen Fälle, in denen die Maut ohne Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen unmittelbar an das Bundesamt für Güterverkehr entrichtet (§ 4 Abs. 1 ABMG) oder gemäß § 8 Abs. 1 ABMG nachträglich durch Bescheid erhoben wird.

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2. Die Klägerin war in Höhe von 2,52 € nicht zur Zahlung von Maut verpflichtet.

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a) Nach dem Rechtsstaatsgebot sind Eingriffsregelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 26. September 1978 - 1 BvR 525/77 - BVerfGE 49, 168 <181>). Die zu entrichtende Gebühr muss daher nicht generell anhand des normativ vorgegebenen Gebührentatbestandes "auf den Cent genau" vorausberechnet werden können. Vielmehr können Rahmengebühren festgelegt oder die Gebührenbemessung an unbestimmte Rechtsbegriffe geknüpft werden, um der Behörde eine Gebührenfestsetzung zu ermöglichen, die unterschiedlichen Einzelfallumständen gerecht wird. Ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot liegt jedoch dann vor, wenn es wegen der Unbestimmtheit der gebührenrechtlichen Regelungen nicht mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausschließen (Urteile vom 2. Juli 1969 - BVerwG IV C 68.67 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 6 S. 5 f. und vom 21. Oktober 1970 - BVerwG IV C 137.68 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 1 S. 2; Beschluss vom 25. September 1989 - BVerwG 8 B 95.89 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 23 S. 8; Urteil vom 12. Juni 2006 - BVerwG 10 C 9.05 - BVerwGE 126, 222 Rn. 30 m.w.N.).

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aa) Gemessen daran verstößt die von der Beklagten entwickelte Praxis zur Rundung der zurückgelegten Entfernungen und der sich unter Anwendung der Mautsätze ergebenden Mautbeträge auf volle Cent gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot.

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(1) Die Mauthöheverordnung setzt die Mautsätze pro Kilometer auf den Cent genau fest. Deren Anwendung auf die zurückgelegte Strecke ergibt nur dann einen Betrag, der nicht auf volle Cent gerundet werden muss, wenn die zurückgelegte Strecke ihrerseits auf volle Kilometer gerundet wird. Anders als beispielsweise zahlreiche Vorschriften des Kommunalabgabenrechts enthalten jedoch das Autobahnmautgesetz und die Mauthöheverordnung weder eine Regelung zur Rundung auf volle Cent noch eine Bestimmung darüber, nach welchem Längenmaß die zurückgelegte Strecke zu ermitteln ist. Daher kann die Lkw-Maut jedenfalls bei den konkret geltenden Mautsätzen nicht ohne ergänzende Festlegungen zu diesen für die Gebührenbemessung maßgeblichen Größen erhoben werden.

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Solche Festlegungen hat die Beklagte durch ihre Praxis getroffen. Danach werden Entfernungen auf volle 100 Meter kaufmännisch gerundet; maßgeblich sind dabei die Längen der einzelnen mautpflichtigen Autobahnabschnitte (siehe unten bb). Die sich danach unter Anwendung der Mautsätze ergebenden Beträge sowie deren Summe werden wiederum kaufmännisch auf volle Cent gerundet. Bei der kaufmännischen Rundung wird ab der Ziffer 5 aufgerundet. Somit können sich die von der Beklagten vorgegebenen Rundungsregelungen im Einzelfall zu Lasten des Mautschuldners auswirken, wie das Oberverwaltungsgericht dies im vorliegenden Fall auch festgestellt hat. Die Aufrundungen, die bereits bei der Ziffer 5 ansetzen, überwiegen auch im Ganzen gesehen die Abrundungen, so dass die Praxis kaufmännischer Rundung in der Summe höhere Mauteinnahmen bewirkt.

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(2) Diese Rundungspraxis der Beklagten kann sich nicht auf einen gesetzlich eingeräumten Entscheidungsspielraum stützen, sondern schließt eine Regelungslücke, um die Maut erheben zu können. Es fehlt jedoch an Gründen, die es mit Blick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot rechtfertigen könnten, der Verwaltung die freie Entscheidung über die Bemessung der zurückgelegten Entfernungen und die Rundung der Mautbeträge auf volle Cent zu überlassen. Die sachgerechte Entscheidung darüber, ob eine für die Festsetzung der Gebühr maßgebliche Größe auf- oder abzurunden ist, hängt nicht von den Umständen des Einzelfalles ab, sondern kann ohne Weiteres generell-abstrakt getroffen werden. Zudem kann eine willkürliche Handhabung dieses Entscheidungsspielraums bei der Gebührenfestsetzung nicht ausgeschlossen werden. Das zeigt auch der vorliegende Fall. Es ist kein objektives Kriterium erkennbar, nach dem zuverlässig festgestellt werden kann, dass gerade die hier praktizierte kaufmännische Rundung sachgerecht und angemessen ist und nicht etwa auch eine Praxis, bei der die Länge der Autobahnabschnitte und die Mautbeträge durchgängig auf 100 Meter bzw. auf volle Cent aufgerundet werden. Die zuletzt genannte Möglichkeit einer durchgängigen Aufrundung zu Lasten der Mautschuldner macht schließlich deutlich, dass sich die Entscheidung über die Rundung der genannten Größen mehr als nur geringfügig auf den Umfang der Mauteinnahmen auswirken kann.

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(3) Somit darf die Verwaltung in Fällen, in denen - wie hier - normative Festlegungen zur Rundung maßgeblicher Bemessungsgrößen fehlen, diese Regelungslücke nicht durch eine Rundungspraxis schließen, die sich belastend auf die Gebührenschuldner auswirken kann. Die Verwaltung ist allerdings nicht gehindert, bei der Festsetzung der Gebühren zugunsten der Gebührenpflichtigen abzurunden. Denn eine solche jedenfalls nicht belastend wirkende Praxis bedarf keiner Rechtsgrundlage. Mit Blick auf die Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist die Behörde auch gehalten, entsprechend vorzugehen, um den Gebührentatbestand zur Anwendung bringen zu können. Somit hätte die Beklagte ein Berechnungsverfahren vorgeben müssen, nach dem sowohl die Länge der einzelnen Autobahnabschnitte als auch die abschnittweise ermittelten Beträge und die Summe dieser Beträge durchgängig auf 100 Meter bzw. auf volle Cent abzurunden sind.

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bb) Demgegenüber bedarf die Praxis der Beklagten, die Maut gesondert für jeden befahrenen Autobahnabschnitt und nicht nach der insgesamt befahrenen Strecke zu ermitteln, für sich genommen keiner Rechtsgrundlage.

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Allerdings wirkt sie immer dann belastend, wenn überwiegend Autobahnabschnitte befahren werden, deren Länge nach den Vorgaben der Beklagten auf volle 100 Meter aufzurunden sind. Nach dieser mangels normativer Ermächtigung unzulässigen Rundungspraxis kann die Aufteilung der zurückgelegten Strecke in Autobahnabschnitte jedoch nicht beurteilt werden. Maßgebend ist vielmehr, ob sich die abschnittweise Ermittlung der Mautbeträge auch dann belastend auswirkt, wenn die zurückgelegten Entfernungen - wie geboten - stets zugunsten der Mautschuldner abgerundet werden, soweit nicht ohnehin der Meter als Längenmaß genommen wird. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil vervielfachen sich die für die Mautschuldner günstigen Abrundungen der zurückgelegten Strecke, wenn die Berechnung nicht auf die Gesamtstrecke, sondern auf die einzelnen Autobahnabschnitte bezogen wird. Als nicht belastendes Detail des Berechnungsverfahrens bedarf die Aufteilung der bei mautpflichtigen Fahrten zurückgelegten Strecke in Autobahnabschnitte jedoch keiner Rechtsgrundlage, sondern durfte von der Beklagten nach Gesichtspunkten der Verwaltungspraktikabilität festgelegt werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dieses Verwaltungsermessen nicht sachgerecht ausgeübt hätte. Sie sieht den Vorteil der von ihr gewählten Berechnungspraxis unter anderem darin, dass jeder Autobahnabschnitt im Voraus mit den auf ihn entfallenden Mautbeträgen - bzw. im Falle der Mautfreiheit nach § 1 Abs. 3 ABMG mit dem Wert "0" - belegt werden könne, was die automatische Ermittlung der für die einzelnen Fahrten zu entrichtenden Maut erleichtere; damit sei zugleich in praktischer Hinsicht die Voraussetzung dafür gelegt, dass der Verordnungsgeber die Option des § 3 Abs. 3 Satz 2 ABMG wahrnehmen und die Mautsätze künftig auch nach bestimmten Abschnitten von Bundesautobahnen differenzieren könne, ohne dass die Berechnungspraxis umgestellt werden müsse. Diese Überlegungen sind ohne Weiteres nachvollziehbar.

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Nach alledem ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen, ohne dass es auf eine Klärung der Frage ankommt, ob das Fahrzeug der Klägerin überhaupt der Mautpflicht unterliegt. Wäre die von der Klägerin zu entrichtende Maut auf der Grundlage einer Abrundung der einzelnen Entfernungen auf 100 Meter und der ermittelten Beträge auf volle Cent berechnet worden, hätte sie zumindest um den vom Oberverwaltungsgericht angesetzten Betrag von 2,52 € unterhalb des Betrages gelegen, der vom Erhebungssystem der Beigeladenen nach den unzulässigen Vorgaben der Beklagten errechnet wurde. In dieser Höhe kann die Klägerin mithin von der Beklagten nach § 4 Abs. 1a ABMG i.V.m. § 21 VwKostG Erstattung rechtsgrundlos geleisteter Maut verlangen.