Entscheidungsdatum: 23.03.2017
Der Anspruch auf die Zahlung von Prozesszinsen entsprechend § 291 BGB verjährt bei allgemeinen Leistungsklagen grundsätzlich innerhalb von drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem er rechtshängig geworden ist.
Der Rechtsstreit betrifft die Frage der Verjährung des Anspruchs auf Prozesszinsen.
Die Beteiligten schlossen 1992 einen städtebaulichen Vertrag, den die Klägerin im Jahr 2002 kündigte. Mit ihrer am 30. Dezember 2004 erhobenen Klage hat sie von der Beklagten die Erstattung von 4 921 403,80 € gefordert. Einen Antrag auf Verzinsung dieses Betrages hat die Klägerin in erster Instanz nicht gestellt. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte dennoch verurteilt, an die Klägerin 1 907 834,10 € nebst acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30. Dezember 2004 zu zahlen. Im Berufungsverfahren der Beklagten hat die Klägerin, ohne Anschlussberufung einzulegen, mit Schriftsatz vom 28. Februar 2013 beantragt, die Beklagte für den Zeitraum vom 31. Dezember 2004 bis 30. September 2012 zur Verzinsung des Erstattungsanspruchs zu verurteilen. Die Beklagte hat hinsichtlich der Zinsansprüche die Einrede der Verjährung erhoben. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Beklagten teilweise stattgegeben und den an die Klägerin zu zahlenden Betrag auf 1 202 074,10 € reduziert sowie die Klägerin verurteilt aus einem Betrag von 1 154 809,35 € Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2012 zu zahlen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht hinsichtlich des Zinsanspruchs ausgeführt, die erstmalige Beantragung von Prozesszinsen im Berufungsverfahren sei vorliegend auch ohne eigene (Anschluss-)Berufung der Klägerin zulässig. Da der Anspruch auf Prozesszinsen bereits mit der Rechtshängigkeit entstehe, sei der erstmals am 1. März 2013 geltend gemachte Zinsanspruch jedoch für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2009 verjährt.
Mit ihrer vom Senat allein hinsichtlich des Zinsanspruchs für den Zeitraum vom 31. Dezember 2004 bis zum 31. Dezember 2009 zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Entstehung der Prozesszinsen setze die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung voraus.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. September 2014 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1 202 074,10 € sowie aus dem Betrag von 1 154 809,35 € Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum vom 31. Dezember 2004 bis zum 30. September 2012 zu zahlen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die zulässige Revision ist unbegründet.
1. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht der Klägerin die umstrittenen (weiteren) Prozesszinsen nicht schon deshalb versagt, weil die Klägerin den Zinsanspruch vor dem Verwaltungsgericht nicht geltend gemacht hatte. Zwar verstieß das erstinstanzliche Urteil insoweit gegen § 88 VwGO, als es die Beklagte dennoch zur Zahlung von Zinsen verurteilte. Dieser Verstoß wurde aber auch ohne eigene (Anschluss-)Berufung der Klägerin dadurch geheilt, dass sie im Berufungsverfahren die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragt, sich damit dessen Urteilsausspruch zu eigen gemacht und ihr Klagebegehren gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO entsprechend erweitert hat (vgl. BGH, Urteile vom 20. April 1990 - V ZR 282/88 - BGHZ 111, 158 <161>, vom 12. Januar 1994 - VIII ZR 165/92 - BGHZ 124, 351 <370> und vom 24. Januar 2013 - I ZR 78/11 - juris Rn. 11); dahinstehen kann, ob dies auch im Fall einer echten Klageänderung in Form einer nachträglichen Klagehäufung gelten würde (dagegen BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 5 RE 23/14 R - BSGE 118, 294 Rn. 12; s.a. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 7 C 20.09 - Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 4 Rn. 17).
2. Die Klägerin kann den Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen für den noch in Streit stehenden Zeitraum nicht durchsetzen, weil die Beklagte insoweit zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben hat.
a) Vorbehaltlich abweichender Regelungen im einschlägigen Fachrecht können, sofern - wie vorliegend - der Umfang der Geldschuld eindeutig bestimmt ist oder rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann, nach dem im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 291 Satz 1 in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechtshängigkeitszinsen verlangt werden (BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1973 - 7 C 21.72 - Buchholz 451.80 Allgemeines Nr. 19 S. 53 ff. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 46 f. m.w.N.).
b) Öffentlich-rechtliche Ansprüche unterliegen mangels spezieller Regelung grundsätzlich der Verjährung entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Der Zweck der Verjährung, tatsächliche Umstände, die längere Zeit unangefochten Bestand hatten, im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit als zu Recht bestehend anzuerkennen, hat seine Berechtigung gleichermaßen im Privatrecht wie im öffentlichen Recht. Dabei ist nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch geltenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelungen als die "sachnächsten" entsprechend heranzuziehen sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - DVBl. 2016, 1603 Rn. 35 m.w.N.).
Der Anspruch auf Prozesszinsen nach § 291 BGB ist der regelmäßigen dreijährigen Verjährung gemäß § 195 BGB unterworfen (vgl. Benicke/Grebe, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2014, § 291 Rn. 44). Diese Vorschrift ist auch für die Verjährung von Prozesszinsen in verwaltungsgerichtlichen Verfahren als die sachnächste Regelung heranzuziehen mit der Folge, dass auch dort die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt. Sie beginnt entsprechend § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
c) Die Verjährungsfrist begann danach im vorliegenden Fall mit der Klageerhebung zu laufen.
aa) Entstanden ist ein Anspruch gemäß § 199 Abs. 1 BGB, wenn er vom Gläubiger - notfalls gerichtlich - geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Rechtsentscheid vom 19. Dezember 1990 - VIII ARZ 5/90 - BGHZ 113, 188 <191 ff.>; Urteile vom 17. Dezember 1999 - V ZR 448/98 - NJW-RR 2000, 647 <648> und vom 16. April 2013 - II ZR 118/11 - NJW 2013, 2511 Rn. 18; Grothe, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 199 Rn. 4). Gemäß § 291 Satz 1 Halbs. 1 BGB hat der Schuldner eine fällige Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen. Der Gläubiger kann daher den Anspruch auf Prozesszinsen mit der Klageerhebung geltend machen. Dieser Zeitpunkt verschiebt sich gemäß § 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB ausnahmsweise nur dann, wenn die zu verzinsende Schuld erst nach Rechtshängigkeit fällig wird. Folglich entsteht der Anspruch auf Prozesszinsen im Regelfall bereits mit der Rechtshängigkeit des zu verzinsenden Anspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2013 - V ZR 118/11 - NJW-RR 2013, 825 Rn. 23; hiervon ausgehend auch BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1973 - 7 C 21.72 - Buchholz 451.80 Allgemeines Nr. 19 S. 55; vgl. ferner Urteil vom 24. September 1987 - 2 C 27.84 - Buchholz 240 § 3 BBesG Nr. 5 S. 3).
bb) Dem steht nicht entgegen, dass der Anspruch auf Prozesszinsen sowohl seinem Grund als auch seiner Höhe nach erst mit der rechtskräftigen Entscheidung über die Klageforderung feststeht. Vielmehr kennzeichnet sämtliche abhängigen Nebenleistungen, dass einerseits Bedingung ihrer Entstehung der Bestand des Hauptanspruchs ist (hierzu BGH, Urteil vom 23. November 1994 - XII ZR 150/93 - BGHZ 128, 74 <84>), andererseits jedoch aufgrund der nur durch § 217 BGB beschränkten verjährungsrechtlichen Selbständigkeit ihre Verjährung vor derjenigen des Hauptanspruchs - und damit auch vor dessen rechtskräftiger Feststellung - vollendet sein kann (vgl. BT-Drs. 14/6040 S. 124; Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 217 Rn. 4; Grothe, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 217 Rn. 2). Ungeachtet ihrer verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen unterscheiden sich Prozess- und Verzugszinsen insoweit nicht voneinander. Folglich setzt im Anwendungsbereich des § 291 BGB weder die Entstehung noch der Verjährungsbeginn des Anspruchs auf Prozesszinsen eine rechtskräftige Entscheidung über das Bestehen der Schuld voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2000 - 3 C 11.99 - Buchholz 451.511 § 14 MOG Nr. 1 S. 3).
cc) Soweit hingegen der Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung oder der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, durch den sich der Rechtsstreit nach Rechtshängigkeit erledigt hat, nicht jedoch schon mit der Rechtshängigkeit entsteht (BFH, Urteile vom 29. Juni 1971 - VII K 31/67 - BFHE 103, 28 <31>, vom 26. April 1985 - III R 24/82 - BFHE 143, 408 <409 f.> und vom 29. April 1997 - VII R 91/96 - BFHE 182, 253 <258>; BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2000 - 3 C 11.99 - Buchholz 451.511 § 14 MOG Nr. 1 S. 4), beruht dies auf dem von § 291 BGB abweichenden Wortlaut, systematischen Aufbau und Zweck dieser Vorschrift.
Die Regelung des § 236 AO ist auf die Situation der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage zugeschnitten und findet ihre sachliche Rechtfertigung in dem Umstand, dass in diesen Fällen die rechtskräftige Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. die rechtskräftige Verpflichtung zu dessen Erlass für das Entstehen des (Rück-) Zahlungsanspruchs konstitutiv ist. Insofern ist es folgerichtig, auch die Entstehung des Nebenanspruchs an die Rechtskraft zu knüpfen und lediglich den Beginn des zu verzinsenden Zeitraums aus Billigkeitsgründen auf den Tag der Rechtshängigkeit vorzuverlegen (vgl. BFH, Urteil vom 29. Juni 1971 - VII K 31/67 - BFHE 103, 28 <29 f.>; BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2000 - 3 C 11.99 - Buchholz 451.511 § 14 MOG Nr. 1 S. 2). Auf § 291 BGB lassen sich diese Erwägungen nicht übertragen (a.A. VG Göttingen, Urteil vom 5. August 2009 - 3 A 39/08 - NVwZ-RR 2009, 943 <944>; ihm folgend Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 291 Rn. 26).
dd) Abgesehen davon würde die Annahme, der Anspruch entstehe erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass gemäß § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708, 709 ZPO der Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen schon vor seiner Entstehung - wenngleich nur vorläufig - für vollstreckbar erklärt würde. Schließlich besteht seitens des Klägers kein Schutzbedürfnis, welches ein Hinausschieben des Zeitpunkts der Entstehung des Verzinsungsanspruchs auf die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens rechtfertigen könnte. Die Geltendmachung von Prozesszinsen neben dem Hauptanspruch wirkt nicht streitwerterhöhend (§ 43 Abs. 1 GKG). Der Kläger kann sie daher schon mit der Klageerhebung geltend machen, ohne sich einem zusätzlichen Prozesskostenrisiko auszusetzen.
d) War demnach der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Prozesszinsen bereits mit der Klageerhebung entstanden, so wurde die Verjährung entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erstmals durch die gerichtliche Geltendmachung des Zinsanspruchs mit Schriftsatz vom 28. Februar 2013 gehemmt. Die bis zum 31. Dezember 2009 entstandenen Zinsansprüche waren folglich verjährt. Nachdem die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat, hat das Berufungsgericht die Klage daher insoweit zu Recht abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.