Entscheidungsdatum: 18.06.2015
Die Beschwerde, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt, bleibt ohne Erfolg.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Frage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Die Beschwerde will geklärt wissen,
ob Anlieger Personen im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO sind, die bei der Straßenreinigung einschließlich des Winterdienstes von den Gemeinden auf den Fahrbahnen eingesetzt werden dürfen, und
ob Anlieger auf die Pflicht zum Tragen einer Warnkleidung bei Arbeiten auf der Fahrbahn in der Satzung hingewiesen bzw. von der sie einsetzenden Gemeinde über diese Vorschrift informiert werden müssen.
Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, denn sie würden sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Die Beschwerde geht von der Prämisse aus, dass Anlieger, die die ihnen durch Satzung auferlegte Straßenreinigungspflicht erfüllen, "Fußgänger" sind und daher die Fahrbahn nur unter den Voraussetzungen des § 25 StVO oder ihnen gewährter Sonderrechte betreten dürfen. Diese Annahme trifft aber nicht zu.
Nach § 25 Abs. 1 StVO muss, wer zu Fuß geht, die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden. Für das Überqueren der Straße gilt, dass die Fahrbahn unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten ist (§ 25 Abs. 3 Satz 1 StVO). Diese Bestimmungen richten sich an "Fußgänger", also an Verkehrsteilnehmer, die sich zu Fuß von einem Ort an einen anderen bewegen.
Demgegenüber sind Personen, die sich zum Zweck der Straßenreinigung auf der Fahrbahn aufhalten, keine Fußgänger im Sinne des § 25 StVO (a.A. Dyllick/Neubauer, LKV 2013, 546). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortsinn, sondern mittelbar auch aus der Sonderregelung des § 35 Abs. 6 Satz 1 und 4 StVO, wonach Personen, die unter anderem bei der Reinigung von Straßen eingesetzt sind, bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung zu tragen haben. Diese Bestimmung setzt erkennbar voraus, dass die Fahrbahnen von Straßen zu Reinigungszwecken betreten werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang überzeugend auf die Entstehungsgeschichte des geltenden § 35 Abs. 6 StVO verwiesen. So hatte § 46 Abs. 1 Satz 2 StVO vom 29. März 1956 (BGBl. I S. 271, 327) in der Fassung der Verordnung vom 7. Juli 1960 (BGBl. I S. 485) ausdrücklich vorgesehen, dass für Personen, die unter anderem bei der Reinigung der Straßen tätig sind, "nicht die Vorschriften dieser Verordnung (gelten), soweit diese die Benutzung der Straße durch Fußgänger beschränken". Mit der Neuregelung in § 35 Abs. 6 StVO, die auf die Straßenverkehrsordnung vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565) zurückgeht, war keine sachliche Änderung der früheren Rechtslage beabsichtigt. Vielmehr war aus Sicht des Verordnungsgebers für die Personen, die die dort genannten Arbeiten verrichten, schon wegen ihres Aufgabenkreises klar, dass sie sich unabhängig von den für Fußgänger geltenden Beschränkungen auch auf der Fahrbahn bewegen dürfen (s. amtliche Begründung, VkBl. 1970, 797 <816 f.>).
Für das Ergebnis, dass Personen, die die Straße zu Reinigungszwecken betreten, keine Fußgänger im Sinne des § 25 StVO sind, kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht entscheidend darauf an, ob sich das Gebot, auffällige Warnkleidung zu tragen (§ 35 Abs. 6 Satz 4 StVO), auch an reinigungspflichtige Straßenanlieger oder nur an berufsmäßig tätige Personen richtet. Für die letztere Annahme mag der Wortlaut der Norm ("die hierbei eingesetzt sind") ebenso sprechen wie ihr systematischer Zusammenhang mit § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO ("Fahrzeuge, die dem Bau, der Unterhaltung oder Reinigung der Straßen und Anlagen im Straßenraum oder der Müllabfuhr dienen"; s. auch König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 35 StVO Rn. 14). Verstärkt wird dies durch die Überlegung, dass Anlieger - anders als berufsmäßige Reinigungskräfte - nicht nur nach der hier einschlägigen landesrechtlichen Regelung (§ 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG), sondern auch wegen des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes zur Reinigung von Fahrbahnen nur verpflichtet werden können, soweit und solange dies unter Berücksichtigung der Verkehrsverhältnisse ohne eigene Gefährdung zumutbar ist.
Sollten Privatpersonen, die ihre satzungsrechtliche Kehrpflicht erfüllen, nicht in den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 6 StVO fallen, unterliegen sie unbeschadet dessen nicht den für Fußgänger geltenden Einschränkungen des § 25 StVO. Unter dieser Prämisse ist anzunehmen, dass das Straßenverkehrsrecht, welches im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG) die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs gewährleisten und auf ihn einwirkenden Gefahren begegnen will (s. zuletzt BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 3 C 6.13 - juris Rn. 27 m.w.N.), insoweit wegen der Begrenzungen, denen die Straßenreinigungspflicht der Anlieger ohnehin unterworfen ist, keinen spezifischen Regelungsbedarf sieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.