Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 13.02.2012


BVerwG 13.02.2012 - 9 B 77/11

Verfahrensfehler; aktenwidrige Tatsachenfeststellung; Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes; Tatbestandsberichtigung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
13.02.2012
Aktenzeichen:
9 B 77/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, 14. Juni 2011, Az: 1 A 407/05, Urteilvorgehend VG Bremen, 12. Juli 2005, Az: 5 K 738/04
Zitierte Gesetze
§ 5 Abs 6 StrG BR

Leitsätze

1. Nach § 119 VwGO können nur die im Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen berichtigt werden, nicht die darauf bezogenen Wertungen des Gerichts. Daher wird eine auf aktenwidrigen Feststellungen beruhende Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht dadurch geheilt, dass die Aktenwidrigkeit im Wege der Tatbestandsberichtigung behoben wird.

2. Die Entscheidung kann auch dann i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf einer verfahrensfehlerhaften Tatsachenfeststellung beruhen, wenn sich dieser Mangel nach der maßgeblichen Sachverhaltswürdigung des Gerichts nur zusammen mit einem weiteren, auf eine andere Tatsachenfeststellung bezogenen Verfahrensfehler auf diese ausgewirkt haben kann.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts leidet an einem von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangel, auf dem es auch beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dies führt zu seiner Aufhebung und zur Zurückverweisung der Rechtssache an die Vorinstanz (§ 133 Abs. 6 VwGO).

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1. Allerdings greifen nicht alle Verfahrensrügen durch.

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a) Das gilt einmal für die der Sache nach erhobene Rüge einer Verletzung der Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Danach müssen sich den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen entnehmen lassen, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet hat und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat. Dies setzt voraus, dass das Gericht zum einen seinen rechtlichen Prüfungsmaßstab offenlegt und zum anderen in tatsächlicher Hinsicht angibt, von welchem Sachverhalt es ausgeht und - sofern es den Tatsachenbehauptungen eines Beteiligten widerspricht - warum es dessen Vortrag nicht folgt und aufgrund welcher Erkenntnisse es eine ihm ungünstige Tatsachenlage als erwiesen ansieht. Aus den Entscheidungsgründen muss sowohl für die Beteiligten als auch für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts nach Meinung des Gerichts dem Vortrag eines Beteiligten, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner Rechtsverfolgung handelt, nicht zu folgen ist (vgl. Beschluss vom 18. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 6.06 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 Nr. 66 Rn. 24; vgl. auch Beschluss vom 30. Juni 2009 - BVerwG 9 B 23.09 - juris Rn. 3). Gemessen daran lässt das Beschwerdevorbringen eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erkennen.

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Nach dem angefochtenen Urteil ist einschlägige Rechtsgrundlage § 5 Abs. 6 BremLStrG, wonach Straßen, die, ohne gewidmet zu sein, bereits vor Inkrafttreten des Bremischen Landesstraßengesetzes dem öffentlichen Verkehr dienten und diesem kraft Privatrechts nicht entzogen werden können, als gewidmet gelten. Ausgehend davon hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Tatsache, dass ein Weg dem allgemeinen Verkehr diente, zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Widmungsfiktion des § 5 Abs. 6 BremLStrG sei. Vielmehr komme es weiter entscheidend darauf an, ob den jeweiligen Eigentümern des Wegegrundstücks eine privatrechtliche Befugnis zugestanden habe, die Benutzung des Weges durch andere Personen zu unterbinden. Das Oberverwaltungsgericht unterstellt dann im Folgenden eine Nutzung des streitgegenständlichen Weges durch die Allgemeinheit im maßgeblichen Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Bremischen Landesstraßengesetzes im Januar 1977 und prüft, ob es Indizien gibt, die für oder gegen eine privatrechtliche Befugnis zur Beschränkung der Wegenutzung sprechen. Es hat als Indizien für das Vorliegen einer solchen privatrechtlichen Befugnis unter anderem auf ein im Grundbuch auf dem Weg eingetragenes Gossenrecht, die Vorgänge im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Teilstücks des Weges durch die Beklagte an private Grundstückseigentümer im Jahre 1921 und den zeitweiligen Abschluss des Weges durch Pforten abgestellt und daraus - auch für die Zeit nach der Veräußerung eines Teilstücks des Weges - den Schluss gezogen, dass sich eine Widmungsfiktion nach § 5 Abs. 6 BremLStrG nicht feststellen lasse. Damit hat das Oberverwaltungsgericht eine Widmungsfiktion der Sache nach jedenfalls für die Fälle verneint, in denen der Eigentümer - hier die Beklagte - vor Inkrafttreten des Bremischen Landesstraßengesetzes zu erkennen gegeben hatte, dass er mit der Duldung einer Benutzung des Weges durch die Allgemeinheit nicht auch darauf verzichtete, diese öffentliche Nutzung wieder unterbinden zu können. Hierfür hat das Gericht Anhaltspunkte gesehen. Es hat somit seinen rechtlichen Prüfungsmaßstab hinreichend offengelegt und in nachvollziehbarer Weise angewandt.

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b) Das Beschwerdevorbringen lässt auch keine Gehörsverletzung erkennen. Der Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, deren Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht dieser Pflicht nachgekommen ist. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Die fehlende Bescheidung von Vorbringen in den Entscheidungsgründen lässt nur dann auf dessen Nichtberücksichtigung schließen, wenn es den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage von zentraler Bedeutung für das Verfahren betrifft und nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert ist (Beschluss vom 18. Oktober 2006 a.a.O.). Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass diese Voraussetzungen für einen Gehörsverstoß vorliegen.

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Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe übergangen, dass die Klägerin vorgetragen habe, nach dem Rechtsinstitut der "Rechtsvermutung der unvordenklichen Zeit" sei von einer Widmung des Weges für den öffentlichen Verkehr auszugehen. Sie legt jedoch nicht dar, dass und weshalb diesem Vorbringen im Hinblick auf die nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 5 Abs. 6 BremLStrG maßgebliche Frage einer privatrechtlichen Befugnis, die öffentliche Nutzung des Weges unterbinden zu können, Relevanz zukam. Die Beschwerde macht ferner geltend, die Klägerin habe vorgebracht, dass die im Jahre 1921 für einige Zeit am Weg angebrachten Pforten wieder beseitigt wurden und der Weg seither bis in die 1980er Jahre hinein öffentlich genutzt wurde, was als Indiz für ein öffentliches Wegerecht zu werten sei; dieses Vorbringen habe das Oberverwaltungsgericht unbeachtet gelassen. Damit ist kein Gehörsverstoß dargetan. Das Gericht hat eine öffentliche Nutzung des Weges auch in der Zeit nach seiner Veräußerung an Private im Jahre 1921 unterstellt. Es hat diesem Umstand jedoch deshalb keine maßgebliche Bedeutung beigemessen, weil eine Widmungsfiktion darüber hinaus voraussetze, dass die öffentliche Nutzung des Weges nicht kraft Privatrechts wieder entzogen werden konnte. Als Indiz für den Fortbestand einer entsprechenden privatrechtlichen Befugnis hat es die Veräußerung des Weges durch die Beklagte an private Grundstückseigentümer gewertet. Das rechtliche Gehör gibt jedoch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht dem Vorbringen eines Beteiligten folgt.

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c) Der Beschwerde kann ferner nicht in vollem Umfang gefolgt werden, soweit sie eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes rügt. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese Pflicht verletzt es dann, wenn es seiner Entscheidung den ermittelten Sachverhalt unrichtig oder unvollständig zugrunde legt (stRspr, vgl. Urteile vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 145 S. 36 und vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 1; Beschluss vom 26. Oktober 2009 - BVerwG 9 B 11.09 - juris Rn. 4) bzw. bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung (stRspr, vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 f.>, Beschlüsse vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f., vom 3. April 1996 - BVerwG 4 B 253.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 28, vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 S. 1 und vom 12. Februar 2008 - BVerwG 9 B 70.07 - juris Rn. 2 m.w.N.). Die hierauf bezogenen Rügen sind weitgehend nicht tragfähig.

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Soweit die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht habe sich ohne eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage auf die im Jahre 1921 vom Stadterweiterungsamt geäußerte Einschätzung bezogen, dass es sich bei dem Weg nicht um einen "öffentlichen Gang" handele, verfehlt sie dessen rechtlichen Ansatz. Das Gericht hat sich dieser Einschätzung des Stadterweiterungsamtes nicht einfach angeschlossen, sondern sie als ein Indiz neben anderen dafür gewertet, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Veräußerung des Weges an Private von einer privatrechtlichen Befugnis ausgegangen ist, dessen Nutzung durch die Allgemeinheit auch wieder unterbinden zu können. Insoweit beruht die angegriffene Entscheidung somit auf einer eigenen Sachverhaltswürdigung durch das Oberverwaltungsgericht.

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Die Beschwerde macht weiter geltend, das Oberverwaltungsgericht hätte den zeitweiligen Ausschluss der Nutzung des Weges durch die Allgemeinheit infolge der dort angebrachten Pforten nicht als Indiz gegen eine Widmungsfiktion werten dürfen, da es auf der anderen Seite dem Umstand keine Bedeutung beigemessen habe, dass der Weg nach 1921 überwiegend dem öffentlichen Gebrauch gedient habe. Eine solche Sachverhaltswürdigung sei widersprüchlich, weil derselbe Umstand - die tatsächliche Nutzung des Weges - einmal als erheblich und das andere Mal als irrelevant gewertet werde. Diese Rüge verfehlt den rechtlichen Ansatz des Oberverwaltungsgerichts. Dieses hat seine Entscheidung deshalb nicht auf den tatsächlichen öffentlichen Gebrauch des Weges gestützt, weil für eine Widmungsfiktion gemäß § 5 Abs. 6 BremLStrG nicht nur notwendig sei, dass tatsächlich eine öffentliche Nutzung stattgefunden habe, sondern die weitere Tatbestandsvoraussetzung erfüllt sein müsse, dass diese Nutzung nicht kraft Privatrechts wieder habe unterbunden werden können. Auf die zuletzt genannte tatbestandliche Voraussetzung bezieht sich die Würdigung des zeitweiligen Ausschlusses der Nutzung des Weges durch die Öffentlichkeit. Das ist ohne Weiteres nachvollziehbar.

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Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes sieht die Beschwerde außerdem in der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Weg "ohne die Verbindung zur Rutenstraße" um eine Sackgasse gehandelt habe. Diese Annahme sei aktenwidrig. Denn das Gericht habe entsprechend dem Beweisantrag der Klägerin unterstellt, dass der Weg bis in die 1980er Jahre hinein in ganzer Länge von der Einmündung in die Kohlhökerstraße bis zur Einmündung in die Rutenstraße öffentlich genutzt worden sei. Auch mit diesem Vorbringen wird kein Verfahrensmangel bezeichnet. Das Oberverwaltungsgericht hat erkennbar nicht im Widerspruch zur oben genannten Sachverhaltsunterstellung festgestellt, dass der Weg zur Rutenstraße hin gesperrt und somit tatsächlich eine Sackgasse war. Die von der Beschwerde gerügte Annahme des Oberverwaltungsgerichts geht vielmehr von den Indizien aus, die bezogen auf das zur Rutenstraße führende Teilstück des Weges für eine privatrechtliche Befugnis zur Unterbindung des öffentlichen Gebrauchs sprechen. Daraus folgert das Gericht, dass auch bezogen auf das zur Kohlhökerstraße führende Teilstück des Weges nicht die Überzeugung habe entstehen können, dass es auf Dauer dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stehen werde. Denn für den Fall der Sperrung des zur Rutenstraße führenden Teilstücks des Weges kraft Privatrechts stellte sich der restliche Weg nur noch als Sackgasse dar. Auch diese Erwägungen sind plausibel.

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d) Schließlich kann der Beschwerde auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie einen Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend macht. Die Aufklärungsrüge erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese Feststellungen nach der maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f.; stRspr).

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Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Es wird weder ein bestimmtes Beweisthema genannt noch das in Betracht kommende Beweismittel noch das voraussichtliche Ergebnis einer Beweisaufnahme. Die Beschwerde legt im Übrigen auch nicht dar, weshalb nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die "in den Straßen" liegenden Ableitungen zur Entwässerung der anliegenden Grundstücke vom Staat zu unterhalten waren, weiterer Klärungsbedarf bestanden haben sollte. Sie unterstellt lediglich, dass die staatliche Unterhaltungspflicht nur für eine Ableitung je Haus bestanden habe, ohne aufzuzeigen, dass und weshalb diese Annahme auch der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts entsprach.

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2. Im Übrigen liegen die geltend gemachten Verfahrensmängel hingegen vor; sie können sich auch auf die Entscheidung ausgewirkt haben.

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Das gilt einmal für eine weitere Rüge aktenwidriger Tatsachenfeststellung. Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein offensichtlicher Widerspruch besteht (vgl. Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 3 und vom 30. Juni 2009 a.a.O. Rn. 10). Die Beschwerde macht zu Recht geltend, dass danach die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts aktenwidrig ist, in der Lassungsbescheinigung von 1894 sei nicht von einem öffentlichen, sondern von einem "gemeinschaftlichen Gang" die Rede (Urteilsabdruck S. 9). Denn in der von der Klägerin in erster Instanz vorgelegten Lassungsbescheinigung von 1894 ist davon die Rede, dass die an der Kohlhökerstraße 61 belegene Immobilie im Nordwesten an einen "öffentlichen Gang" grenzt.

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Die Aktenwidrigkeit ist nicht dadurch entfallen, dass das Oberverwaltungsgericht auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 18. August 2011 den Tatbestand des angegriffenen Urteils bezogen auf den Inhalt der Lassungsbescheinigung von 1894 gemäß § 119 VwGO berichtigt hat. Mit der Rüge der Aktenwidrigkeit wird eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes geltend gemacht. Wie bereits ausgeführt, ist der Überzeugungsgrundsatz verletzt, wenn das Gericht seiner Sachverhaltswürdigung Tatsachen zugrunde legt, die in offensichtlichem Widerspruch zum Inhalt der vom Gericht beigezogenen Akten stehen, die zum Gesamtergebnis des Verfahrens i.S.d. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gehören (vgl. Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.>; Beschluss vom 30. Juni 2009 a.a.O.). Dieser Verfahrensmangel wird nicht dadurch geheilt, dass der Widerspruch zwischen einer tatsächlichen Feststellung und dem Akteninhalt nachträglich im Wege der Tatbestandsberichtigung nach § 119 VwGO aufgehoben wird. Berichtigungsfähig sind danach nur die im Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen selbst, nicht die darauf bezogenen Wertungen des Gerichts. Somit kann eine Tatbestandsberichtigung nicht den Mangel einer auf einer unrichtigen bzw. aktenwidrigen Tatsachenfeststellung beruhenden Überzeugungsbildung beseitigen.

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Zu Recht sieht die Beschwerde eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes darüber hinaus in der Feststellung, in einer weiteren Lassungsbescheinigung von 1899 sei von einem "gemeinschaftlichen Gang" die Rede. Allerdings steht diese Feststellung nicht in offensichtlichem Widerspruch zum Inhalt des von der Klägerin in erster Instanz eingereichten Dokumentes. In der Lassungsbescheinigung von 1899 ist von einem im Kataster mit IV 32 X a bezeichneten "gemeinschaftlichen Gang" zwischen den Erben Rutenstraße No. 4, 5, 6 und 7 die Rede, der in einen mit IV X a bezeichneten "öffentlichen Weg" ausmündet. Anhand der Akte kann nicht die Feststellung getroffen werden, dass der zuletzt genannte "öffentliche Weg" mit dem streitgegenständlichen Weg identisch ist. Denn die Akte enthält keine Lagepläne mit den oben genannten, im Jahre 1899 geltenden Flurstücksbezeichnungen; anhand der vorliegenden Lagepläne mit den neuen Flurstücksbezeichnungen kann insoweit auch kein Abgleich vorgenommen werden. Dann hat das Oberverwaltungsgericht jedoch eine tatsächliche Feststellung getroffen, für die es nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keine Grundlage gab. Darin ist eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes zu sehen (vgl. Beschluss vom 14. Juni 2011 - BVerwG 8 B 74.10 - NVwZ-RR 2011, 749 Rn. 5). Diesen Verfahrensmangel hat die Beschwerde auch hinreichend bezeichnet. Sie hat zutreffend gerügt, dass sich das Oberverwaltungsgericht für seine Feststellung, der streitgegenständliche Weg werde in der Lassungsbescheinigung von 1899 als "gemeinschaftlicher Gang" gewertet, zu Unrecht auf den Inhalt der ihm vorliegenden Akten berufen hat. Dass die Beschwerde darüber hinaus fälschlich meint, der Akteninhalt sei derart eindeutig, dass er die Annahme rechtfertige, die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts sei im Sinne der Aktenwidrigkeit unrichtig, ist unschädlich.

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Die angegriffene Entscheidung kann auf der verfahrensfehlerhaften Tatsachenfeststellung beruhen. Das würde allerdings nicht gelten, wenn die Entscheidungserheblichkeit für jeden der oben genannten Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz gesondert zu beurteilen wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass aus dem Bescheid der Polizeidirektion von 1851, in dem der Weg als "öffentlicher Gang", und den Lassungsbescheinigungen von 1894 und 1899, in denen er als "gemeinschaftlicher Gang" bezeichnet worden sei, deshalb keine Schlussfolgerungen für eine eindeutige rechtliche Zuordnung des Weges ziehen ließen, weil eine unterschiedliche Terminologie verwendet worden sei. Diese unterschiedliche Terminologie bleibt bestehen, wenn allein - entsprechend dem Akteninhalt hinsichtlich der Lassungsbescheinigung von 1894 - davon ausgegangen wird, dass von einem "öffentlichen Gang" die Rede ist. Denn daneben steht die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Weg in der Lassungsbescheinigung von 1899 als "gemeinschaftlicher Gang" bezeichnet wird.

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Die Entscheidung kann jedoch auch dann i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf einer verfahrensfehlerhaften Tatsachenfeststellung beruhen, wenn sich dieser Mangel nach der maßgeblichen Sachverhaltswürdigung des Gerichts nur zusammen mit einem weiteren, auf die Tatsachenfeststellung bezogenen Verfahrensfehler auf diese ausgewirkt haben kann. So liegt es hier. Ohne die beiden Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz ist davon auszugehen, dass der Weg in den Vorgängen der Jahre 1851 und 1894 einheitlich als "öffentlicher Gang" bzw. "öffentlicher Weg" bezeichnet wurde, während die Einordnung des Weges im Jahre 1899 - vorbehaltlich etwaiger ergänzender Feststellungen - offenbleiben muss. Nach der oben genannten Sachverhaltswürdigung des Oberverwaltungsgerichts kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es ohne die beiden Verfahrensverstöße zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

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3. Der Senat übt sein ihm im Rahmen von § 133 Abs. 6 VwGO eingeräumtes Ermessen dahingehend aus, dass die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen wird. Die Kostenentscheidung ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.