Entscheidungsdatum: 21.06.2016
1. Ist der Planfeststellungsbehörde im Zusammenhang mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung ein Verfahrensfehler unterlaufen, darf das Gericht eine Rechtsverletzung (Art. 11 Abs. 1 Buchst. b UVP-RL
2. Der Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verlangt, dass sich das Tatsachengericht die volle Überzeugung von der offensichtlich fehlenden konkreten Kausalität des Verfahrensfehlers bildet.
I
Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der B 51 und Neubau der B 481n (Ortsumgehung Münster). Sie ist Eigentümerin eines in der Nähe der Trasse liegenden Grundstücks, das durch die Planung nicht unmittelbar in Anspruch genommen wird. Mit ihrer Klage vor dem Oberverwaltungsgericht hat sie formelle und materielle Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Planfeststellung erhoben. Das Oberverwaltungsgericht hat mehrere Verfahrensfehler festgestellt bzw. als wahr unterstellt, die dem Beklagten bei der Umweltverträglichkeitsprüfung im Zusammenhang mit der Bekanntmachung des Vorhabens unterlaufen seien, sämtliche Fehler aber als nicht kausal für den Planfeststellungsbeschluss angesehen. Weitere mit der Klage geltend gemachte Verfahrensfehler hat das Oberverwaltungsgericht ebenso wie materielle Mängel des Planfeststellungsbeschlusses verneint. Die Beschwerde wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision.
II
Die Beschwerde ist begründet. Zwar rechtfertigt sie weder die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (1.) noch wegen Divergenz (2.). Jedoch macht die Beschwerde mit Erfolg einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel geltend (3.). Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 in Verbindung mit § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht.
1. Soweit die Beschwerde einen grundsätzlichen Klärungsbedarf geltend macht, dringt sie nicht durch. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Beschwerde muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darlegen, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung dieser bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfragen des Bundesrechts führen kann (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
a) Die Fragen:
1. Reicht es für die unionsrechtskonforme Anwendung des Kausalitätskriteriums bei der Prüfung der Kausalität eines Verfahrensfehlers bei Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung aus, darauf abzustellen, dass "keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich" sind, dass ohne einen festgestellten Verfahrensfehler bei der Durchführung der UVP der Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses anders ausgefallen wäre?,
2. Ist es bei unionskonformer Auslegung des sog. Kausalitätskriteriums erforderlich, nach Feststellung eines Fehlers bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung davon auszugehen, dass die Möglichkeit besteht, dass die angegriffene Entscheidung ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre, wenn mit Hilfe der Akten und eventueller weiterer Beweismittel nicht objektiv nachzuweisen ist, dass die Entscheidung nicht anders ausgefallen wäre?,
3. Ist bei unionskonformer Auslegung der Anforderungen an die Bekanntmachung und Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 9 UVPG dann von der Verletzung der europarechtlich garantierten effektiven Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit auszugehen, wenn Fehler mit dem Gewicht der folgenden Fehler oder vergleichbarem Gewicht für den Zugang zu Informationen und die Beteiligung am Entscheidungsprozess einzeln oder im Zusammenwirken bestehen?,
a) Die Bekanntmachung der Beteiligung erfolgt erst, nachdem die Auslegung der Unterlagen (Auslegungszeit entsprechend der gesetzlichen Vorgaben exakt ein Monat) bereits begonnen hatte,
b) Die Bekanntmachung enthält entgegen § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG keine Angaben darüber, welche Unterlagen/Informationen im Sinne des § 6 UVPG vorgelegt wurden,
c) Entgegen § 9 Abs. 1b Nr. 1 UVPG wird keine den Anforderungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 UVPG genügende allgemeinverständliche, nichttechnische Zusammenfassung der Angaben nach § 6 Abs. 3 Satz 1 UVPG ausgelegt,
d) Entgegen § 9 Abs. 1b Nr. 1 UVPG i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG wird keine "Übersicht über die wichtigsten, vom Träger des Vorhabens geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten und Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Vorhabens" ausgelegt,
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Denn sie lassen sich auf der Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], Altrip -, des dadurch veranlassten, allerdings erst nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getretenen § 4 UmwRG in der Fassung des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) und der mittlerweile dazu bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - juris) eindeutig beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Mit dem neu gefassten § 4 UmwRG, den der Senat in dem erstrebten Revisionsverfahren zu beachten hätte, hat der Gesetzgeber dreierlei geregelt (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - juris Rn. 41 ff. m.w.N.): Zum Ersten hat er klargestellt, dass § 46 VwVfG für nicht unter § 4 Abs. 1 UmwRG n.F. fallende - relative - Verfahrensfehler weiterhin maßgeblich ist mit der Folge, dass eine Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein wegen dieses Fehlers beansprucht werden kann, wenn offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zum Zweiten hat er die nach § 86 VwGO bestehende Pflicht des Gerichts zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen hervorgehoben, die es im vorliegenden Zusammenhang gebietet zu untersuchen, ob es offensichtlich ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre. Erkenntnismittel des Gerichts sind die vom Vorhabenträger oder der zuständigen Behörde vorgelegten Beweise sowie die gesamten dem Gericht vorliegenden Akten und Planunterlagen, aber auch sonst erkennbare oder naheliegende Umstände. Ein wesentliches Erkenntnisziel besteht darin zu klären, ob nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Dabei ist es Sache des Gerichts, unter anderem auch die Schwere des geltend gemachten Verfahrensfehlers zu gewichten und insbesondere zu prüfen, ob dieser Fehler der betroffenen Öffentlichkeit eine der Garantien genommen hat, die geschaffen wurden, um ihr im Einklang mit den Zielen der UVP-Richtlinie Zugang zu Informationen und die Beteiligung am Entscheidungsprozess zu ermöglichen. Tritt - wie hier - ein Beteiligter im Sinne von § 61 Nr. 1 und 2 VwGO als Kläger auf, kommt es gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG darauf an, ob ihm selbst die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen worden ist; auf die Verkürzung der Verfahrensrechte anderer Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit kann sich ein solcher Beteiligter dagegen nicht berufen (s. BT-Drs. 18/5927 S. 10 f.). Zum Dritten hat der Gesetzgeber die Folgen eines non liquet dahingehend geregelt, dass die Kausalität des Verfahrensfehlers vermutet wird (s. auch § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG). Gelingt es dem Gericht, sich auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnismittel davon zu überzeugen, dass die Entscheidung auch ohne den festgestellten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre, führt der Fehler gemäß § 46 VwVfG weder zur Aufhebung noch zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Dies entspricht den Voraussetzungen, die der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 - Rn. 51) dafür genannt hat, dass das nationale Recht eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-RL verneinen kann.
Hiervon ausgehend lassen sich die Fragen 1 und 2 ohne Weiteres beantworten: Der bloße Hinweis, es seien "keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich", dass ohne den festgestellten Verfahrensfehler bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung der Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses anders ausgefallen wäre, genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kausalitätsprüfung. Vielmehr muss die fehlende Kausalität zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auf der Grundlage der oben genannten Erkenntnismittel feststehen. Einen darüber hinausgehenden abstrakten Klärungsbedarf zeigt die Klägerin nicht auf.
In Bezug auf die Frage 3 ist zunächst zu beachten, dass das Oberverwaltungsgericht nur die unter a) und b) genannten Fehler festgestellt bzw. unterstellt hat, nicht aber die unter c) und d) aufgeführten. Dessen ungeachtet begründet die Frage keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Gewichtung der Schwere eines Fehlers (vgl. nunmehr § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b UmwRG), gegebenenfalls auch im Zusammenwirken mit anderen Fehlern, eine Frage des Einzelfalls ist. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht zudem bereits entschieden, dass Bekanntmachungsfehler nach ihrer Art und Schwere nicht ohne Weiteres mit den in § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwRG genannten Fällen vergleichbar sind (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - juris Rn. 47, 50), mithin nicht - jedenfalls nicht stets - kausalitätsunabhängig zur Aufhebung der Entscheidung führen. Die Beschwerde zeigt auch insoweit keinen abstrakten Klärungsbedarf auf, sondern wendet sich lediglich gegen die vom Oberverwaltungsgericht im Einzelfall vorgenommene Gewichtung.
b) Hinsichtlich der weiteren Frage:
Ist es für die unionsrechtskonforme Prüfung, ob mehrere festgestellte Fehler bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung zur Aufhebung der Zulassung für ein UVP-pflichtiges Vorhaben führen, erforderlich, die kumulative Wirkung der Fehler zu prüfen?,
legt die Beschwerde ebenfalls nicht dar, inwiefern es sich hierbei um eine allgemein zu klärende, grundsätzliche Frage handelt. Die Beschwerde ist der Auffassung, die drei vom Oberverwaltungsgericht festgestellten bzw. unterstellten Verfahrensfehler hätten "jedenfalls kumulativ eine Schwere, die eine erhebliche und wesentliche Beeinträchtigung der Information und Beteiligung darstellt", ohne allerdings Gesichtspunkte aufzuzeigen, unter denen die aufgeworfene Frage fallübergreifend klärungsbedürftig wäre. Es liegt auf der Hand, dass bei der Prüfung, ob eine fehlerhafte Verfahrensweise der Behörde nach Art und Schwere mit dem vollständigen Ausfall der Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. der Öffentlichkeitsbeteiligung vergleichbar ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwRG) und ob sie der betroffenen Öffentlichkeit - bzw. einem privaten Kläger - die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c, Abs. 3 Satz 2 UmwRG), gegebenenfalls auch das Zusammenwirken mehrerer einzelner Fehler zu berücksichtigen ist. In Anbetracht der Verschiedenartigkeit der denkbaren Fehler ist dies aber stets eine Frage des Einzelfalls, die sich einer allgemeinen Klärung entzieht.
c) Auch die Frage:
Ist bei unionskonformer Betrachtung der Anforderungen aus § 9 Abs. 1b Nr. 1 UVPG i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 2 UVPG, wonach zwingend eine "allgemein verständliche, nichttechnische Zusammenfassung der Angaben" nach § 6 Abs. 3 Satz 1 UVPG auszulegen ist, wobei diese Angaben "Dritten die Beurteilung ermöglichen müssen, ob und in welchem Umfang sie von den Umweltauswirkungen des Vorhabens betroffen werden können" (§ 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG), die öffentliche Auslegung eines Dokumentes ausreichend, welches einzig erwähnt, dass Prognoseberechnungen vorgenommen wurden und Immissionsgrenzwertüberschreitungen verbleiben, aber keine Angaben dazu macht, in welchem Umfang und in welcher Höhe sowie in welchen Bereichen mit entsprechenden Belastungen zu rechnen ist?,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Ob ein konkretes Dokument den UVP-rechtlichen Anforderungen gerecht wird, ist eine Frage des Einzelfalls. Welche Anforderungen bei der Auslegung von Planunterlagen im Allgemeinen erfüllt werden müssen, ist bereits in der vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 C 11.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 S. 254, vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 27 und vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 19 ff.). Der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es hierfür nicht. Auch soweit die Beschwerde insbesondere geklärt wissen will, welchen inhaltlichen Anforderungen die allgemeinverständliche nichttechnische Zusammenfassung (§ 6 Abs. 3 Satz 2 UVPG) genügen muss, kritisiert sie lediglich den Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts, wonach deren Funktion unter den hier vorliegenden Umständen durch den seinerzeit ausgelegten Erläuterungsbericht erfüllt worden sei. Eine fallübergreifend erhebliche, allgemein klärungsfähige Rechtsfrage wirft sie auch in diesem Zusammenhang nicht auf.
d) Zulassungserheblich ist schließlich ebenso wenig die von der Beschwerde aufgeworfene Frage:
Können bei der Ermittlung der Hintergrundbelastung durch Luftschadstoffe in einem städtischen Gebiet die Messergebnisse einer Messstelle herangezogen werden, wenn die städtischen Luftschadstoffquellen nicht im Luv der Hauptwindrichtung der Station liegen, und unter welchen Voraussetzungen ist das zulässig?
Die Beschwerde geht selbst davon aus, dass die wesentlichen Maßstäbe zur Beantwortung dieser Frage durch die 39. BImSchV (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen) vorgegeben sowie durch die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind. Nach Anlage 3 B. 1. c) der 39. BImSchV müssen Messstationen für den städtischen Hintergrund so gelegen sein, dass die gemessene Verschmutzung den integrierten Beitrag sämtlicher Quellen im Luv der Hauptwindrichtung der Station erfasst. Für die gemessene Verschmutzung sollte nicht eine einzelne Quelle vorherrschend sein, es sei denn, dass dies für eine größere städtische Fläche typisch ist. Die Probenahmestellen müssen grundsätzlich für eine Fläche von mehreren Quadratkilometern repräsentativ sein. Stehen für die Vorbelastung im Untersuchungsgebiet Messdaten nicht zur Verfügung, ist es grundsätzlich sachgerecht, auf die Messdaten anderer geeigneter Messstationen zurückzugreifen. Sind solche Daten verfügbar, kann die Durchführung eigener, jahrelanger Messungen an Ort und Stelle vom Vorhabenträger nicht gefordert werden. Die Auswahl der berücksichtigten Messstationen muss allerdings den örtlichen Verhältnissen Rechnung tragen und gegebenenfalls bestehende deutliche Unterschiede der für die Vorbelastung im Plangebiet maßgeblichen Faktoren berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 - Buchholz 407.4, § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 129 m.w.N.).
Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern diese Rechtsprechung in grundsätzlicher Weise fortentwickelt werden müsste. Vielmehr rügt sie, dass sich das Gericht in Widerspruch zu den Voraussetzungen der Anlage 3 zur 39. BImSchV gesetzt habe. Hiermit wird eine Grundsatzbedeutung nicht dargelegt.
2. Die Revision ist ferner nicht deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil auf einer Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO beruht. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Bezugsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Der Hinweis auf eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) dagegen nicht. Daran gemessen zeigt die Beschwerde die behauptete Divergenz nicht auf.
a) Das gilt zunächst für die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei mit seiner Annahme, erhebliche, jedoch nicht unzumutbare oder grenzwertüberschreitende Umweltauswirkungen seien lediglich im Rahmen der Vorprüfung der UVP-Pflicht von Bedeutung, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Die in der Beschwerde genannten Entscheidungen (BVerwG, Beschlüsse vom 5. März 1999 - 4 VR 3.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 149 und vom 31. Januar 2011 - 7 B 55.10 - Buchholz 445.4 § 68 WHG Nr. 1) enthalten den Rechtssatz, dass alle im jeweiligen Einzelfall von der Planung betroffenen Belange abwägungserheblich sind, mit Ausnahme derjenigen, die geringwertig oder nicht schutzwürdig sind. Die Entscheidungen betreffen folglich das Abwägungsgebot, nicht aber die inhaltlichen Anforderungen, die an eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu stellen sind. Eine Abweichung im Rechtssatz liegt damit nicht vor.
b) Ebenso wenig ist die Revision wegen einer Abweichung des angefochtenen Urteils von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 1988 - 4 B 7.88 - (Buchholz 442.01 § 29 PBefG Nr. 1) und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2012 - 7 A 11.11 - (BVerwGE 143, 249) zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht hält es für unproblematisch, dass die bauzeitlichen Belastungen durch Lärm und Erschütterungen weder ermittelt noch im Planfeststellungsbeschluss behandelt worden sind. Dies sei wegen der Unregelmäßigkeit der Einwirkungen plausibel. Im Übrigen enthielten die dem Planfeststellungsbeschluss beigefügten Nebenbestimmungen ausreichende Regelungen zum Schutz der Kläger. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat die Beschwerde insoweit nicht dargelegt.
Die erste in der Beschwerde genannte Entscheidung (BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1988 - 4 B 7.88 - Buchholz 442.01 § 29 PBefG Nr. 1) enthält den Rechtssatz, dass ein Kläger auf eine Planergänzung klagen kann, wenn er bauzeitliche Immissionen befürchtet, die das Maß des Zumutbaren überschreiten. Er kann eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde beantragen, dem Unternehmer die Errichtung und Unterhaltung geeigneter Schutzanlagen aufzuerlegen. Für den Fall, dass solche Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar wären, kann die Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs in Geld verlangt werden. Von diesen abstrakten Rechtssätzen weicht das hier angegriffene Urteil nicht ab; denn es hält den Anspruch der Kläger auf Planergänzung nicht grundsätzlich, sondern lediglich unter den hier konkret vorliegenden Umständen für unbegründet.
Der zweiten Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249) liegen, wie von der Beschwerde zutreffend angegeben, u.a. folgende Rechtssätze zugrunde: Die AVV Baulärm konkretisiert für Geräuschimmissionen von Baustellen den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen (Rn. 26). Der nach Nr. 3.1.1. der AVV Baulärm maßgebliche Immissionsrichtwert darf im Planfeststellungsverfahren nicht unter Rückgriff auf den sogenannten Eingreifwert nach Nr. 4.1. erhöht werden (Rn. 45). Rechtsgrundlage für Entschädigungsansprüche wegen unzumutbarer Beeinträchtigungen durch die Errichtung eines planfestgestellten Vorhabens ist § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Danach hat - sofern Vorkehrungen oder Anlagen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - der Betroffene einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Der Entschädigungsanspruch ist dem Grunde nach im Planfeststellungsbeschluss festzustellen, zudem sind die Bemessungsgrundlagen für die Höhe anzugeben (Rn. 70).
Das angefochtene Urteil beruht indessen nicht auf davon abweichenden abstrakten Rechtssätzen des Oberverwaltungsgerichts. Soweit dieses die Rechtsposition der Klägerin (schon) dadurch als ausreichend geschützt erachtet hat, dass der Planfeststellungsbeschluss eine Entschädigung vorsieht, falls die Anhaltswerte für Erschütterungen überschritten bzw. die Eingreifwerte für baubedingte Immissionen erheblich überschritten und dadurch Schäden verursacht werden, hat es keine eigenen, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssätze aufgestellt. Allenfalls hat das Oberverwaltungsgericht Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts übersehen oder unrichtig angewandt; dies trägt eine Divergenzrüge nicht.
3. Die Beschwerde hat aber Erfolg, weil ein von ihr geltend gemachter Verfahrensmangel vorliegt, auf dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Begründung, mit der das Oberverwaltungsgericht die von ihm festgestellten bzw. als wahr unterstellten Verfahrensfehler, die die Klägerin dem Beklagten im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeitsprüfung vorhält, als nicht ergebnisrelevant eingestuft hat, verstößt gegen die Grundsätze der richterlichen Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Die freie Entscheidung, ob die betreffenden Umstände dem Richter die vom Vorliegen bestimmter Tatsachen nötige Überzeugung verschaffen, ist von der Frage zu unterscheiden, welches Maß an Überzeugung nötig ist. Das Regelbeweismaß ist, soweit sich aus dem materiellen Recht nicht ausnahmsweise Abweichendes ergibt, die volle richterliche Überzeugung. Verfehlt der Tatrichter das vorgegebene Beweismaß, verlässt er den ihm durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Spielraum der Tatsachenwürdigung (s. etwa BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 - BVerwGE 131, 171 Rn. 25; Beschluss vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 8). So liegen die Dinge hier.
Nach den unionsrechtlich durch Art. 11 UVP-RL geprägten Anforderungen an das nationale Recht darf eine Rechtsverletzung nur verneint werden, wenn das Gericht, ohne dem Kläger die Beweislast aufzuerlegen, anhand der vom Vorhabenträger oder der Planfeststellungsbehörde vorgelegten Beweise, der Akten und Planunterlagen und der sonst erkennbaren oder naheliegenden Umstände zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12, Altrip - Rn. 53; s. auch BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - juris Rn. 43 f., 48). Diese durch das materielle Recht geprägten Grundsätze hat das Oberverwaltungsgericht seinen eigenen Erwägungen zur Fehlerkausalität zwar zutreffend vorangestellt. Statt sich die Überzeugung davon zu bilden, dass die Entscheidung des Beklagten ohne die festgestellten oder unterstellten Verfahrensfehler nicht anders ergangen wäre, hat es das Oberverwaltungsgericht dann aber damit bewenden lassen, es seien "keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich" bzw. es sei "nicht ersichtlich", dass die jeweiligen Verfahrensmängel die Sachentscheidung beeinflusst hätten, zumal die Klägerin (bzw. der darüber hinaus in erster Instanz noch beteiligte Kläger) solches von sich aus nicht behauptet habe.
Damit hat das Oberverwaltungsgericht das durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgegebene Maß an Überzeugungsgewissheit verfehlt. Zwar kann das Gericht den Umstand, dass es aus allen ihm verfügbaren Erkenntnissen keinerlei Anhaltspunkte für die konkrete Möglichkeit gewinnen kann, dass die Sachentscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre, tatrichterlich frei würdigen und ihm gegebenenfalls erhebliche Bedeutung beimessen, ohne dass dies für sich genommen den Überzeugungsgrundsatz verletzt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - juris Rn. 43). Umgekehrt verlangt der Überzeugungsgrundsatz aber, dass das Gericht sich Rechenschaft darüber ablegt, ob die betreffenden Umstände ihm - innerhalb des durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Rahmens - für die volle richterliche Überzeugung von der Unerheblichkeit des Verfahrensfehlers ausreichen, und darf sich deshalb bei seiner abschließenden Bewertung nicht mit bloßen Anhaltspunkten begnügen. Das Oberverwaltungsgericht wird deshalb die tatrichterliche Würdigung nachzuholen und dabei zu klären haben, ob ihm die bisher ermittelten Umstände die volle Überzeugung von der offensichtlich fehlenden konkreten Kausalität des jeweiligen Verfahrensfehlers (§ 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG) vermitteln. Ist das nicht der Fall, muss es versuchen, weitere für seine Überzeugungsbildung geeignete Hilfstatsachen festzustellen, etwa durch Befragung der Klägerin dazu, was sie konkret ohne den Verfahrensfehler noch vorzutragen imstande gewesen wäre. Wenn das nicht gelingt, hat es bei einem non liquet gemäß der Vermutungsregel des § 4 Abs. 1a UmwRG von der Kausalität des Verfahrensfehlers auszugehen.
4. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG.