Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 22.01.2014


BVerwG 22.01.2014 - 9 B 56/13

Zum Vertretenmüssen einer wesentlichen Ertragsminderung im Rahmen der Grundsteuer


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsdatum:
22.01.2014
Aktenzeichen:
9 B 56/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 18. Juni 2013, Az: 4 L 82/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

a) Die Klägerin möchte geklärt wissen:

"ob dem Grundstückseigentümer im Sinne überregionaler Vermittlungs-/Vermietungsbemühungen überregionale Zeitungsinserate und Internetangebote gleichzeitig zumutbar/zuzumuten sind (oder ob unter Berücksichtigung des Objektcharakters, des Marktsegments und der Marktsituation ein Vermietungsangebot in Internetportalen ausreicht),

ob in dem Fall, dass Vermietungsangebote in Internetportalen ausreichen, ein dauerhaftes Angebot in mindestens zwei Internetportalen erforderlich ist".

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Diese Fragen zu § 33 Abs. 1 Satz 1 des Grundsteuergesetzes in der Fassung vom 7. August 1973 (BGBl I S. 965 - <GrStG a.F.>) bedürfen - soweit sie überhaupt einer verallgemeinerbaren Antwort zugänglich sind - keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 2. August 2006 - BVerwG 9 B 9.06 - NVwZ 2006, 1290). An einer Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinne fehlt es, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem Gesetz oder aufgrund in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Rechtsgrundsätze ergibt. So liegen die Dinge hier.

5

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG in der am 31. Dezember 2007 außer Kraft getretenen, hier aber noch anwendbaren Fassung vom 7. August 1973 (BGBl I S. 965) wird bei Minderung um mehr als 20 vom Hundert des normalen Rohertrags des Steuergegenstandes bebauter Grundstücke die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht, wenn der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. Insoweit fehlt den von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen die grundsätzliche Bedeutung nicht schon deshalb, weil diese sich auf ausgelaufenes Recht beziehen. Denn offensichtlich stellen sie sich im Rahmen des geltenden Rechts in gleicher Weise wie bei der früheren Gesetzeslage (vgl. auch Beschluss vom 30. März 2005 - BVerwG 6 B 3.05 - juris Rn. 5 f.). Die Nachfolgeregelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG (in der Fassung vom 19. Dezember 2008, BGBl I S. 2794) ist hinsichtlich des Merkmals des "Nichtvertretenmüssens" unverändert geblieben. Wann ein Steuerpflichtiger die Ertragsminderung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG nicht zu vertreten hat, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch geklärt und ergibt sich im Übrigen aus einer sachgerechten Auslegung der Vorschrift selbst.

6

Ein Steuerpflichtiger hat eine Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (Urteile vom 15. April 1983 - BVerwG 8 C 150.81 - BVerwGE 67, 123 <126> und vom 25. Juni 2008 - BVerwG 9 C 8.07 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 28 Rn. 18; vgl. auch Abschnitt 38 Abs. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Grundsteuer-Richtlinien 1978 sowie BTDrucks VI/3418 S. 95). Welche Umstände ein Steuerpflichtiger zu vertreten hat, ist durch Auslegung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG zu ermitteln. Insbesondere der Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift hineingestellt ist, ergibt, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Grundsteuer als ertragsunabhängige Objektsteuer eine Durchbrechung dieses Grundsatzes in Ausnahmefällen zulässt, in denen die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer für den Abgabenpflichtigen nicht mehr zumutbar ist. Beruft sich der Steuerpflichtige auf eine wesentliche Ertragsminderung, so kann von einer die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Belastung aber keine Rede sein, wenn der Steuerpflichtige selbst durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt oder es unterlassen hat, den Eintritt der Ertragsminderung durch solche geeigneten Maßnahmen zu verhindern, die von ihm erwartet werden konnten (Urteile vom 15. April 1983 a.a.O. S. 126 f. und vom 25. Juni 2008 a.a.O. Rn. 19 f.). Ist die Ertragsminderung - wie hier - durch einen Leerstand des Objekts bedingt, so hat der Steuerpflichtige die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat (Urteil vom 6. September 1984 - BVerwG 8 C 60.83 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 22 S. 18; BFH, Urteil vom 24. Oktober 2007 - II R 5/05 - BFHE 218, 396 <400 f.>; vgl. schon Abschnitt 38 Abs. 4 Satz 1 GrStR 1978; Moll, KStZ 1978, 86 <88>). Unter welchen Bedingungen dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die sich einer allgemeingültigen Antwort entzieht. Ob der Steuerpflichtige nachhaltige Vermietungsbemühungen unternommen hat, ist jeweils unter den gegebenen Umständen zu prüfen. Im Einzelnen können etwa der Objektcharakter, der Objektwert, die angesprochene Marktstruktur bzw. das angesprochene Marktsegment sowie die Marktsituation vor Ort berücksichtigt werden (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Juni 2011 - 9 B 16.10 - juris Rn. 22 ff.).

7

Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Erforderlichkeit einer bestimmten Anzahl und Kombination von Zeitungs- oder Internetinseraten lassen sich danach nicht fallübergreifend beantworten (vgl. zu möglichen Kriterien, jeweils die Einzelfallabhängigkeit betonend Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 10. Aufl. 2010, § 33 Rn. 17; Puhl, KStZ 2010, 88 <89 f.>). Über die abstrakten Rechtssätze hinausweisende zusätzliche Erkenntnisse, die in dem erstrebten Revisionsverfahren gewonnen werden könnten, sind mit der Beschwerde nicht dargetan. Das gilt auch, soweit die Beschwerde es als klärungsbedürftig bezeichnet, ob Vermietungsbemühungen allein im Internet, gegebenenfalls in einem einzigen Internetportal, im Rahmen des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG überhaupt ausreichen können. Dass es keinen Rechtssatz gibt, der dies von vornherein ausschließt, liegt aus den vorstehenden Gründen auf der Hand, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Der Sache nach zielt die Klägerin vielmehr auf die dem angefochtenen Urteil insoweit zu Grunde liegende rechtliche und tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts, ohne den fallübergreifenden Klärungsbedarf darzulegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Allein der Umstand, dass die hier in Frage stehende konkrete Fallkonstellation noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist, begründet keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

8

b) Der weiteren Frage,

"ob und inwiefern ein Grundstückseigentümer im Rahmen seiner Vermarktungsmöglichkeiten verpflichtet ist, auf die Möglichkeit einer Sanierung nach den Wünschen der zukünftigen Mieter hinzuweisen",

kommt eine grundsätzliche Bedeutung schon deswegen nicht zu, weil sie sich dem Berufungsgericht nicht gestellt hat und deshalb in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die Klägerin in ihren Inseraten bzw. Anzeigen auf die Möglichkeit einer Sanierung des Objekts nach den Wünschen der zukünftigen Mieter hätte hinweisen müssen (UA S. 7). Rechtsfragen, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt haben oder auf die sie nicht entscheidend abgehoben hat, können regelmäßig nicht zur Zulassung der Revision führen (Beschlüsse vom 21. September 1993 - BVerwG 2 B 109.93 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 181 S. 32 m.w.N. und vom 26. August 2013 - BVerwG 9 B 13.13 - juris Rn. 4 m.w.N.).