Entscheidungsdatum: 04.02.2011
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
1. Der Rechtssache kommt nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Beschwerde wirft die Fragen auf:
"Sind die Tatbestandsmerkmale des VA-Begriffs Rechtmäßigkeitsvoraussetzung oder Wesensmerkmale des VA?
Liegt eine hoheitliche Maßnahme einer dafür zuständigen Behörde im Sinne des VA-Begriffs bei einem ihr zuzurechnenden (Abgaben-)Bescheid auch dann vor, wenn eine privatrechtliche Geschäftsbesorgungsgesellschaft inhaltlich den Bescheid erstellt und - bei automatisiertem Massenverfahren - maschinell ausfertigt?
Ist eine Differenzierung zwischen einem "formalen" und "inhaltlichen" Erlass eines VA durch unterschiedlich handelnde (juristische) Personen (einerseits Behörde andererseits private Geschäftsbesorgungsgesellschaft) mit dem VA-Begriff vereinbar?"
Diese Fragen wären in dem angestrebten Revisionsverfahren einer Klärung nicht zugänglich.
Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass die Frage, ob sich der Beklagte bei Erlass des Abgabenbescheids in dem geschehenen Umfang der Hilfe eines privaten Geschäftsbesorgers bedienen durfte, nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) und den durch die gesetzliche Verweisung in § 15 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ThürKAG ebenfalls dem irrevisiblen Landesrecht zuzurechnenden Vorschriften der (an sich bundesrechtlichen) Abgabenordnung (AO) beurteilt (vgl. Beschlüsse vom 8. August 2008 - BVerwG 9 B 31.08 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 33 Rn. 4 und vom 10. August 2007 - BVerwG 9 B 19.07 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 29 Rn. 5, jeweils m.w.N.). Denn mit ihren Grundsatzrügen, mit denen die Beschwerde geklärt wissen will, ob im Falle der umfassenden Einschaltung eines privaten Geschäftsbesorgers durch eine Behörde noch von einem Verwaltungsakt im Sinne des bundesrechtlichen Begriffs gesprochen werden kann, werden Fragen zum Begriffsinhalt des Verwaltungsakts selbst aufgeworfen und nicht zu dem dem Verwaltungshandeln des Beklagten zugrunde liegenden irrevisiblen materiellen Recht. Fragen zum Begriff des Verwaltungsakts berühren aber revisibles Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), weil der Begriff des Verwaltungsakts auch dem Prozessrecht der VwGO (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 42, 68, 113 Abs. 1 VwGO) angehört (vgl. Beschlüsse vom 9. Oktober 1998 - BVerwG 1 B 95.98 - Buchholz 402.43 § 9 MRRG Nr. 1 S. 1 und vom 27. Februar 1978 - BVerwG 7 B 36.77 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 72 S. 13 m.w.N.).
Die Fragen sind aber nicht entscheidungserheblich, weil ihre Beantwortung für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Einfluss wäre. Sollte es sich bei den Tatbestandsvoraussetzungen des bundesrechtlichen Verwaltungsaktsbegriffs entgegen der dem Berufungsgericht von der Beschwerde zugeschriebenen Auffassung nicht um Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, sondern um Wesensmerkmale handeln, würde es sich bei dem angefochtenen Abgabenbescheid nicht um einen Verwaltungsakt im materiellen Sinne, wohl aber um einen solchen im prozessualen Sinne handeln. Gerade weil es sich in diesem Fall bei dem Bescheid nur der Form nach um einen Verwaltungsakt handeln würde, wäre dieser aufzuheben und müsste die Klage ebenfalls Erfolg haben.
Im Zusammenhang mit den vorgenannten Fragen will die Beschwerde außerdem die Frage geklärt wissen:
"Steht das (landesrechtliche) Verbot einer inhaltlichen Übertragung von hoheitlichen Aufgaben auf einen privaten Geschäftsbesorger, der im Auftrag der zuständigen Behörde Abgabenbescheide inhaltlich erstellt und maschinell ausfertigt, mit bundesverfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) im Einklang?"
Die Zulassung der Revision rechtfertigt diese Frage nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und/oder Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung des - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - Bundesrechts seinerseits ungeklärte, über den speziellen Anwendungsfall hinausgehende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschlüsse vom 17. Juli 2008 - BVerwG 6 B 5.08 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 86 Rn. 5 und vom 1. September 1992 - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171 S. 18). An solchen Darlegungen fehlt es. Die Beschwerde beschränkt sich auf die Rüge, die Auslegung des Berufungsgerichts verletze den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG, ohne aufzuzeigen, zu welcher weiteren grundsätzlichen Klärung des Regelungsgehalts dieser beiden Verfassungsbestimmungen der Rechtsstreit Anlass geben würde.
b) Die Beschwerde wirft weiterhin die folgenden Fragen auf:
"Handelt es sich bei einer (negativen) Abhilfeentscheidung gem. § 72 VwGO, mit der die den ursprünglichen VA erlassende Behörde dem Widersprechenden mitteilt, dass seinem Widerspruch nicht abgeholfen werde, um einen VA? Wird durch eine (negative) Abhilfeentscheidung gem. § 72 VwGO eine "Regelung" im Sinne des VA-Begriffs getroffen, die eine im Ausgangsbescheid fehlende Regelung dieser Behörde ersetzt?"
Die Fragen können ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden. Sie sind zu verneinen. Die in § 72 VwGO nicht vorgeschriebene Abgabenachricht, mit der die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer mitteilt, dass sie seinem Widerspruch nicht abhilft, stellt eine unselbständige Verfahrenshandlung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dar. Sie gibt Auskunft darüber, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens an ihrer Beurteilung der Recht- und Zweckmäßigkeit festhält und deswegen den Widerspruch an die Widerspruchsbehörde weiterleitet. Eine solche Mitteilung erschöpft sich ihrem objektiven Erklärungsinhalt und dem Erklärungswillen der Behörde nach in einer Information des Betroffenen; eine Regelung im Sinne des Verwaltungsaktsbegriffs enthält sie nicht.
Die Beschwerde hält außerdem diese Fragen für klärungsbedürftig:
"Führt der Erlass eines Widerspruchsbescheides, der den Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid zurückweist, dazu, dass mit dieser Zurückweisung die im Ausgangsbescheid fehlende "Regelung" im Sinne des VA-Begriffs ersetzt, nämlich dahingehend umgestaltet wird?
Oder scheidet dies jedenfalls dann aus, wenn die Widerspruchsbehörde von der Ausgangsbehörde unterschiedlich und auf die Rechtsaufsicht beschränkt ist?
Selbst wenn man dies nicht annimmt, scheitert eine solche Ersetzung der (fehlenden) Regelung im Ausgangsbescheid durch den Widerspruchsbescheid, der den Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid zurückweist, jedenfalls daran, dass kein eigenes Handeln der Ausgangsbehörde zugrunde liegt?"
Die Fragen, die auf die rechtliche Bedeutung des Widerspruchsbescheids abzielen, rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, weil sie tatsächliche Umstände voraussetzen, die das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Ausweislich des Urteilstatbestandes (UA S. 3) ist über den Widerspruch des Klägers im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht entschieden gewesen. Die Vorinstanz ist daher - abweichend von den am selben Tag entschiedenen Parallelverfahren - vorliegend nicht der Frage nachgegangen, ob der Erlass des Widerspruchsbescheids zu einer anderen Beurteilung des angefochtenen Abgabenbescheids führt (UA S. 18).
Die Revisionszulassung rechtfertigt ebenso wenig die weitere Frage:
"Kann ein VA, dem es materiell an dem Merkmal der "Regelung" mangelt, in einen von derselben Behörde erlassenen VA umgedeutet werden, wenn diese nachträglich dem Erlass des VA zustimmt oder erklärt, sich seinen Inhalt voll umfänglich zueigen zu machen?"
Der Frage fehlt schon deshalb die grundsätzliche Bedeutung, weil sie revisibles Recht nicht betrifft und deshalb in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zu klären wäre. Ob der angegriffene Bescheid in einen rechtmäßigen Verwaltungsakt umgedeutet werden kann, hat das Berufungsgericht nach § 128 Abs. 1 AO, den § 15 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ThürKAG für entsprechend anwendbar erklärt, beurteilt. Die in den landesrechtlichen Kommunalabgabengesetzen in Bezug genommenen Vorschriften der Abgabenordnung gehören aber - wie oben im Einzelnen ausgeführt - nicht dem Bundesrecht, sondern dem irrevisiblen Landesrecht an.
2. Verfahrensmängel werden von der Beschwerde nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend bezeichnet.
Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen und seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, indem es aktenwidrig angenommen habe, eine eigenständige Einzelfallregelung sei dem Nichtabhilfeschreiben des Beklagten vom 5. Mai 2006 nicht zu entnehmen. Dieses Vorbringen wird den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an eine substantiierte Darlegung der die Verfahrensmängel (vermeintlich) begründenden Tatsachen schon deswegen nicht gerecht, weil es sich nicht auf das im vorliegenden Verfahren ergangene, von einer Sachbearbeiterin S. bearbeitete Nichtabhilfeschreiben vom 1. Juli 2004 bezieht, sondern auf das unter dem 5. Mai 2006 ergangene Schreiben in dem Parallelverfahren BVerwG 9 B 53.10. Dieses Schreiben weicht nicht nur hinsichtlich der Bearbeiterin (Frau R.) und der äußeren Form, sondern auch hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Begründung erheblich von dem an den Kläger im vorliegenden Verfahren gerichteten Schreiben ab. Nur im Schreiben vom 5. Mai 2006 finden sich auch die von der Beschwerde zur Begründung ihrer Verfahrensrüge wörtlich wiedergegebenen Formulierungen.