Entscheidungsdatum: 12.07.2017
Die Beschwerde, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt, bleibt ohne Erfolg. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
1. Die Beschwerde hält im Hinblick darauf, dass von dem planfestgestellten Vorhaben "Verlegung der Bundesstraße 289 im Gebiet der Stadt M." lediglich das östliche Teilstück bis zum Anschluss an die K. Straße (B 289 alt), nicht aber das daran westlich anschließende, die Klägerin in ihrem Grundeigentum betreffende Teilstück im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen enthalten ist, folgende Fragen für klärungsbedürftig:
Welche Anforderungen sind im Rahmen der straßenrechtlichen Planrechtfertigung an Strecken zu stellen, die an eine im Bedarfsplan enthaltene Strecke anschließen, selbst aber nicht im Bedarfsplan enthalten sind und über einen bloßen Anschluss hinausgehen? Ist dabei der bewusste Wille zu beachten, dass es jederzeit möglich gewesen wäre, den Bedarfsplan auch auf diese Teilabschnitte auszuweiten, davon aber absichtlich kein Gebrauch gemacht wurde?
Welche Anforderungen sind im Rahmen von straßenrechtlichen Planrechtfertigungen ohne Bedarfsplan an das Kriterium des "vernünftigerweise gebotenen Vorhabens" auch bezüglich der Abgrenzung zwischen im Bedarfsplan nicht enthaltenen, aber vernünftigerweise geboten sein könnenden kleineren Ergänzungen und solchen Ergänzungen bzw. Erweiterungen von im Bedarfsplan gesetzlich vorgegebenen Maßnahmen zu stellen, die ihrerseits als nicht mehr notwendige Maßnahmen qualifiziert werden können?
Welche Anforderungen sind an dem Begriff der "Baumaßnahmen geringen Umfangs" im Zusammenhang mit Verbesserungsmaßnahmen zu stellen, damit insofern eine eigenständige Planrechtfertigung nicht notwendig ist?
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Denn sie lassen sich, soweit entscheidungserheblich und abstrakt klärungsfähig, ohne weiteres beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Die Planrechtfertigung ist ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung. Es ist erfüllt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben gemäß den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also erforderlich ist. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern schon dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45). Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG entsprechen die Vorhaben, die in den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen aufgenommen sind, den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Die darin liegende Feststellung, dass ein Verkehrsbedarf besteht, ist für die Planfeststellung und das anschließende gerichtliche Verfahren verbindlich (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 m.w.N.).
Ausgehend davon sind die Anforderungen an die Planrechtfertigung für eine Teilstrecke des planfestgestellten Vorhabens, die an eine im Bedarfsplan enthaltene Teilstrecke anschließt, selbst aber nicht im Bedarfsplan ausgewiesen ist, in der Rechtsprechung ebenfalls geklärt. Die diesbezügliche Planrechtfertigung kann sich unter zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten ergeben. Soweit es sich bei der im Bedarfsplan fehlenden Teilstrecke lediglich um eine dem Anschluss und der Anpassung dienende notwendige Folgemaßnahme handelt, kann sie von der gesetzlichen Bedarfsfeststellung mit umfasst sein. Andernfalls bedarf es einer selbstständigen Prüfung der Planrechtfertigung, an der der Bedarfsplan indes nicht hindert. Denn § 1 Abs. 2 FStrAbG bestimmt die Verbindlichkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung lediglich positiv. Eine bindende negative Feststellung, dass für nicht in den Bedarfsplan aufgenommene Vorhaben kein Bedarf besteht, enthält die Vorschrift nicht. Die Nichtaufnahme eines Vorhabens in den Bedarfsplan hat je nach den Umständen des Falles für die Bedarfsfrage eine allenfalls indizielle Bedeutung, bei Ausbauvorhaben vergleichsweise geringen Umfangs nicht einmal diese. Entscheidend ist, ob für den nicht im Bedarfsplan enthaltenen Teil des Vorhabens, gemessen an den Zielen des jeweiligen Planfeststellungsbeschlusses, ein konkretes Bedürfnis besteht. (BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2005 - 9 VR 39.04 - juris Rn. 4 ff.).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich von diesen Grundsätzen leiten lassen. Er hat tragend darauf abgestellt, dass (auch) das Ausbauvorhaben westlich des Anschlusses an die K. Straße zur Erreichung der Planungsziele (Steigerung der Verkehrssicherheit, uneingeschränkte Nutzbarkeit für den Schwerverkehr) vernünftigerweise geboten sei. Das von der Beschwerde herausgestellte prozentuale Verhältnis der beiden Teilstücke des Vorhabens zueinander war im Rahmen dieser Bewertung ebenso wenig entscheidend wie der von der Beschwerde unterstellte "bewusste Wille" des Bundesgesetzgebers, nur das östliche und nicht das westliche Teilstück in den Bedarfsplan aufzunehmen. Insoweit verkennt die Beschwerde, dass es der Bedarfsplanung um die gesamtwirtschaftliche Bedeutsamkeit eines Projekts, nicht aber um kleinräumige Aspekte der Verkehrssicherheit geht. Ob das Ergebnis der Bedarfsprüfung des Verwaltungsgerichtshofs überzeugend ist, betrifft nur den vorliegenden Einzelfall und verleiht ihm keine darüber hinausgehende allgemeine Bedeutung.
2. Grundsätzlich klärungsbedürftig sind auch nicht die Fragen:
Welche Sachverhaltsaufklärungspflicht ergibt sich für den jeweiligen Spruchkörper im Rahmen der Überprüfung von straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen entsprechend den fachplanungsrechtlichen Maßstäben für die Planrechtfertigung, soweit sich diese nicht aus einer Rechtfertigung im Bedarfsplan ergibt?
In welchem Umfang ist die Planfeststellungsbehörde - und im Rahmen der gerichtlichen Überprüfbarkeit das erkennende Gericht - verpflichtet, bezüglich der Planrechtfertigung von Straßen, welche nicht im Bedarfsplan festgelegt sind, die jeweiligen planrechtfertigenden Elemente (insbesondere die Wirtschaftlichkeit bzw. die Sicherheit) unter Beachtung des Art. 14 Abs. 1 GG zu hinterfragen und zu erforschen und ggf. entsprechende weitere Gutachten zu beantragen bzw. einzuholen?
Im Hinblick auf ein nicht im Bedarfsplan enthaltenes Vorhaben muss das Gericht - ebenso wie zuvor die Planfeststellungsbehörde - auf einer hinreichend ermittelten Tatsachengrundlage die Überzeugung davon gewinnen, dass das Vorhaben nach dem oben näher dargelegten Maßstab vernünftigerweise geboten ist. Ob diese Anforderungen erfüllt sind, ist eine Frage des Einzelfalls, die sich einer grundsätzlichen Klärung entzieht. Verfahrensrügen in Bezug auf die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) hat die Klägerin nicht erhoben.
3. Soweit der Verwaltungsgerichtshof einen Abwägungsmangel im Hinblick auf eine Existenzgefährdung des von der Klägerin geführten landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes deshalb verneint hat, weil der Betrieb einerseits nur einen dauerhaften Flächenverlust von deutlich unter 5 % erleiden werde und andererseits als nachhaltige Erwerbsquelle ausweislich der Verluste im Geschäftsjahr 2012/13 ohnedies nicht geeignet sei, hält die Beschwerde für klärungsbedürftig:
Sind für die im Rahmen der Existenzgefährdung von landwirtschaftlichen Betrieben aufgestellte 5 %-Hürde für bewirtschaftete Flächen auch unwirtschaftliche Restflächen dahingehend mit einzubeziehen, dass sie aufgrund ihres Zuschnitts nicht mehr eine nachhaltig ertragssteigernde Bewirtschaftung der Flächen zulassen, sondern planungs- und eingriffsbedingt aufgrund der veränderten Bewirtschaftungsverhältnisse und des dadurch erhöhten Bewirtschaftungsaufwandes keinen hinreichenden Ertrag mehr abwerfen und damit den Gesamtertrag des landwirtschaftlichen Betriebes wesentlich mindern?
Gilt die von der Rechtsprechung aufgestellte 5 %-Hürde in Bezug auf landwirtschaftlichen Flächenverlust starr auch dann, wenn die entsprechende Planrechtfertigung sich nicht aus dem Bedarfsplan ergibt, sondern auf einer gesonderten Planrechtfertigung beruht?
Reicht es für die Frage der hinreichend nachhaltigen Erwerbsquelle im Rahmen von landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieben aus, dass lediglich auf den - einjährigen - betrieblichen Verlust bzw. den steuerlichen Verlust aus der Bilanz abgestellt wird, oder ist auf eine davon unabhängige langfristig, zumindest aber mittelfristig angelegte betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Gutachtens - abzustellen?
Auch insoweit zeigt die Beschwerde einen grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf.
Zu der Frage, ob vorhabenbedingt unwirtschaftliche Restflächen in den Flächenverlust einzubeziehen sind, der bis zu einer Größenordnung von 5 % die Existenz eines landwirtschaftlichen (Vollerwerbs-)Betriebs erfahrungsgemäß nicht gefährdet (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 13.08 - BVerwGE 136, 332 Rn. 27), fehlen tatrichterliche Feststellungen dazu, dass derartige Restflächen hier in nennenswertem Umfang überhaupt anfallen. Rechtsfragen, die sich in einem Revisionsverfahren erst auf der Grundlage weiterer, von der Vorinstanz nicht festgestellter Tatsachen stellen würden, können die Zulassung der Revision regelmäßig - und auch hier - nicht rechtfertigen (stRspr, s. etwa BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2015 - 9 B 17.15 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 114 Rn. 8 m.w.N.). Es bedarf im Übrigen keiner Klärung, sondern liegt auf der Hand, dass die Frage der Existenzgefährdung eines Landwirtschaftsbetriebes durch einen vorhabenbedingten erheblichen Flächenverlust nicht davon abhängt, ob die Planrechtfertigung für das Vorhaben auf der gesetzlichen oder einer eigenständigen Bedarfsfeststellung beruht.
Ob der Verwaltungsgerichtshof auf den (nur) einjährigen betrieblichen und steuerlichen Verlust abstellen durfte, um dem Nebenerwerbsbetrieb der Klägerin die Nachhaltigkeit abzusprechen, ist schon deshalb nicht klärungsbedürftig, weil es sich dabei lediglich um eine Alternativbegründung handelt. Denn die Vorinstanz hat - selbstständig tragend - bereits eine vorhabenbedingte Existenzgefährdung des Betriebs verneint, ohne dass Zulassungsgründe dagegen durchgreifen. Davon abgesehen ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt, dass es für die Existenzfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs - den Eingriff durch das Vorhaben hinweggedacht - auf eine längerfristige Betrachtung ankommt, in der nur momentane betriebsspezifische Besonderheiten nicht ausschlaggebend sind (BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 13.08 - BVerwGE 136, 332 Rn. 28). Ob der Verwaltungsgerichtshof diese Grundsätze richtig angewandt hat, betrifft wiederum nur den Einzelfall und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung.
4. Schließlich ist die Frage,
Ist bei der Alternativenprüfung im Rahmen der Abwägung der Umstand zu berücksichtigen, dass das zu überprüfende Planvorhaben seine Planrechtfertigung nicht aus dem Bedarfsplan herleiten kann, sondern andere Umstände hierfür vorliegen?,
ohne weiteres zu verneinen. Die Planrechtfertigung - sei es aufgrund des gesetzlichen Bedarfsplans, sei es aufgrund eigenständiger Bedarfsfeststellung - ist Voraussetzung dafür, dass die Planfeststellungsbehörde überhaupt in die Abwägung verschiedener Planungsvarianten eintreten kann. Für die Abwägung selbst ist es aber ersichtlich ohne Belang, woraus sich die Planrechtfertigung, falls sie besteht, im Einzelnen ergibt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.