Entscheidungsdatum: 31.05.2018
Die Beschwerde, die sich allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO stützt, bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe die Öffentlichkeit des über die Hofstelle der Klägerin führenden Weges sowohl nach der sogenannten Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts als auch kraft unvordenklicher Verjährung jeweils verfahrensfehlerhaft bejaht. Ist ein Urteil - wie
hier - auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so setzt die Zulassung der Revision voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2016 - 3 B 38.16 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 3 und vom 18. Dezember 2017 - 4 BN 27.17 - juris Rn. 17). Jedenfalls soweit das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung auf den Grundsatz der unvordenklichen Verjährung gestützt hat, legt die Klägerin keinen Verfahrensmangel dar, sodass schon deshalb die Revision nicht zuzulassen ist.
1. Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 - 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Das Berufungsgericht hat den vorgenannten Grundsatz dahingehend ausgelegt, dass die Öffentlichkeit eines Weges gegeben ist, wenn seine Entstehung und ursprünglichen Verhältnisse im Dunkeln liegen, er jedoch nachgewiesenermaßen bereits im Jahr 1882 (80 Jahre vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 1. Januar 1962) existierte und seit spätestens 1922 in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit unter zumindest stillschweigender Duldung des Eigentümers als öffentlicher Weg genutzt wurde, ohne dass in den 40 Jahren seit 1882 eine gegenteilige Erinnerung bestand (vgl. dazu im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. April 2009 - 1 BvR 3478/08 - NVwZ 2009, 1158 <1160 f.>).
a) Die Rüge, das Gericht habe bei der Subsumtion hierunter wesentliches Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt gelassen und damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, greift nicht durch. Danach ist es Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein Verfahrensfehler ist aber u.a. dann gegeben, wenn das Gericht erhebliche Umstände übergeht, insbesondere gewichtigen Tatsachenvortrag, dessen Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt, in den Entscheidungsgründen unerwähnt lässt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Juli 2014 - 9 B 39.14 - NVwZ-RR 2014, 877 Rn. 9 und vom 17. Dezember 2015 - 9 B 63.15 - RdL 2016, 111 Rn. 2).
Die Beschwerde zeigt keinen derartigen Fehler auf.
aa) Dass der in Streit stehende Weg bereits im Jahr 1882 bestand, hat das Berufungsgericht dem Umstand entnommen, dass er sowohl in der Urkarte von 1814/1815 als auch in der Reinkarte von 1880 eingezeichnet war. Die Nutzung als öffentlicher Weg seit spätestens 1922 ohne gegenteilige Erinnerung seit 1882 folgt zur Überzeugung des Berufungsgerichts aus dem Besitzzeugnis der Rechtsvorgängerin der Beklagten aus dem Jahr 1931, in welchem diese bescheinigt, es handele sich um einen sich seit 100 Jahren ungestört in ihrem Besitz befindenden Weg, aus den Grenzverhandlungen im Jahr 1932, in welchen unter Mitwirkung des Rechtsvorgängers der Klägerin die Existenz des alten Weges bestätigt wurde, sowie aus dessen Zeichnung in der Reinkarte 1880 in Terrasienna (Ocker- oder Braunton), wodurch er als öffentlicher Weg qualifiziert worden sei. Die stillschweigende Duldung des Eigentümers folgt nach Ansicht der Vorinstanz schließlich entweder daraus, dass sich der Weg seit mindestens 1832 im Besitz und seit 1932 im Eigentum der Rechtsvorgängerin der Beklagten befunden habe, oder aus der Duldung des Rechtsvorgängers der Klägerin, von der im Hinblick auf die Grenzverhandlung von 1932 auszugehen sei.
bb) Soweit die Klägerin rügt, das Gericht habe ihr Vorbringen bezüglich der Darstellungen des Weges in der Urkarte von 1814/1815, in einer topographischen Karte aus dem Jahr 1824/1825 sowie im Liegenschaftsbuch von 1866 unberücksichtigt gelassen, verkennt sie, dass es hierauf schon deshalb nicht ankam, weil nach dem materiellrechtlichen Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts die Existenz und Nutzung des Weges (erst) seit dem Jahr 1882 maßgeblich waren.
Auch im Übrigen zeigt die Beschwerde den behaupteten Verfahrensmangel nicht auf. Sie meint, das Oberverwaltungsgericht hätte den Umstand nicht übergehen dürfen, dass der Weg auch nach 1882 nicht als steuerfrei im Grundsteuerkataster eingetragen worden sei. Ferner hätte es auf ihren Vortrag bezüglich zweier notarieller Verträge aus den Jahren 1883 und 1906, des Katasterplans von 1927 und einer Baugenehmigung aus dem Jahr 1931 gesondert eingehen müssen. Damit kann die Beschwerde nicht durchdringen. Zwar sind gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO im Urteil die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen Gründe anzugeben. Nicht erforderlich ist indes, dass sich das Gericht mit allen Einzelheiten ausdrücklich auseinandersetzt. Aus der Nichterwähnung einzelner Umstände kann daher regelmäßig - vorbehaltlich deutlicher gegenteiliger Anhaltspunkte - nicht geschlossen werden, das Gericht habe sie bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Oktober 1998 - 8 B 132.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 162 S. 507 und vom 18. Juli 2014 - 9 B 39.14 - juris Rn. 9
Bei der (fehlenden) Eintragung eines Weges als steuerfrei im Grundsteuerkataster handelt es sich nach der der Klägerin bekannten und von ihr selbst herangezogenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nur um ein Indiz, das durch stärkere Gegenindizien widerlegt werden kann (OVG Münster, Urteil vom 4. Mai 1960 - 4 A 1253/58 - OVGE 15, 294 <300>). Angesichts der Beweiskraft, die das Gericht der Darstellung des Weges im amtlichen Kartenwerk von 1880 (Reinkarte), dem Besitzzeugnis der Rechtsvorgängerin der Beklagten aus dem Jahr 1931 und der Grenzverhandlung von 1932, an der der Rechtsvorgänger der Klägerin beteiligt war, beigemessen hat, war dies nach der maßgebenden tatrichterlichen Würdigung hier erkennbar der Fall. Unter Berücksichtigung dessen drängte sich auch die Entscheidungserheblichkeit privatrechtlicher Verträge aus den Jahren 1883 und 1906 nicht derart auf, dass das Gericht ausdrücklich hierauf hätte eingehen müssen. Nämliches gilt für den Katasterplan aus dem Jahr 1927 sowie den Lageplan, der der vier Jahre später erteilten Baugenehmigung beigefügt war. Dies gilt zumal deshalb, weil sich die Klägerin insoweit in ihrer Berufungsbegründung auf die fehlende Ausweisung des Weges als selbständiges Flurstück berufen hat, auf die es nach dem Ansatz des Oberverwaltungsgerichts - wie auch des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem den Zivilrechtsstreit zwischen den Parteien rechtskräftig abschließenden Urteil vom 16. Dezember 2016 (-I-9 U 275/09 - juris Rn. 47 f.) - jedoch nicht ankam.
Hinzu kommt, dass sämtliche im vorliegenden Verfahren benannten Urkunden und Kartenwerke einschließlich der Bestimmung ihres Inhalts und Beweiswertes sowie des wechselseitigen Vortrags der Beteiligten Gegenstand auch des vorgenannten zivilrechtlichen Verfahrens waren und dort in dem Urteil des Oberlandesgerichts sowie in den im Verfahren eingeholten Gutachten umfassend berücksichtigt und bewertet wurden. Das Berufungsgericht hat hierauf in seinem angefochtenen Beschluss Bezug genommen, sodass auch insoweit keine Anhaltspunkte dafür bestehen, das Gericht habe erhebliche Umstände übergangen.
cc) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den eigentumsrechtlichen Gewährleistungen des Art. 14 Abs. 1 GG. Die Klägerin behauptet, der in der Örtlichkeit vorhandene Weg verlaufe in erheblichem Umfang über ihr Grundeigentum, da er nicht deckungsgleich mit der nach der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts im Eigentum der Beklagten stehenden Wegeparzelle sei. Auch unter dieser Prämisse folgt aus dem Eigentumsgrundrecht der Klägerin nicht, dass sich das Berufungsgericht entgegen den vorstehenden Ausführungen in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich mit allen von der Klägerin vorgebrachten Argumenten gegen die Annahme einer Öffentlichkeit des Weges kraft unvordenklicher Verjährung hätte auseinandersetzen müssen. Die verfahrensrechtliche Ausprägung des Eigentumsgrundrechts stellt für die Annahme eines öffentlichen Weges auf privatem Grundeigentum auf der Grundlage der Rechtsvermutung der unvordenklichen Verjährung hohe Anforderungen. Danach kann im Zweifel nicht von der Existenz eines öffentlichen Weges ausgegangen werden, sofern nicht das Gericht die volle Überzeugung des Vorliegens der Voraussetzungen der Rechtsvermutung gewinnt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. April 2009 - 1 BvR 3478/08 - NVwZ 2009, 1158 <1161 f.>; BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 9 B 53.08 - Buchholz 407.0 Allgemeines Straßenrecht Nr. 25 Rn. 4). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Weitergehende Anforderungen an die Begründung der Entscheidung folgen hieraus nicht.
b) Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass weder das angefochtene Urteil auf einer aktenwidrigen Sachverhaltsfeststellung bzw. -würdigung beruht noch das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt willkürlich gewürdigt oder den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt hat.
2. Die Beschwerde macht darüber hinaus ohne Erfolg geltend, der angefochtene Beschluss verletze § 130a Satz 1 VwGO. Danach kann das Berufungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Entscheidung darüber, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Sie kann nur daraufhin überprüft werden, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Derartige Ermessensfehler legt die Beschwerde nicht dar.
Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 130a Satz 1 VwGO mit der Begründung rügt, zur Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie zur Erfüllung der Amtsermittlungspflicht sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen, um die Frage einer Öffentlichkeit des Weges nach der Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zu erörtern, kommt es hierauf aufgrund der selbständig tragenden Begründung einer Öffentlichkeit des Weges kraft unvordenklicher Verjährung nicht an. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht der Hinweis in dem gerichtlichen Schreiben vom 11. August 2011 ausreichend war, der Klägerin insoweit rechtliches Gehör zu gewähren.
Sofern die Beschwerde dahin auszulegen ist, dass sie auch in Bezug auf die Herleitung der Öffentlichkeit des Weges aus dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung eine Verletzung von § 130a Satz 1 VwGO rügt, ist sie ebenfalls unbegründet.
Hat - wie hier - in erster Instanz eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden, muss im Berufungsverfahren nicht stets erneut mündlich verhandelt werden. Maßgebend sind vielmehr die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsmittelverfahrens. Danach kann eine mündliche Verhandlung entbehrlich sein, wenn die Tatsachen- und Rechtsfragen aufgrund der Aktenlage sachgerecht entschieden werden können. Je vielschichtiger der Streitstoff ist und je schwieriger und komplexer die Rechtsfragen sind, umso größeres Gewicht entfaltet indes insbesondere dann, wenn sich das Berufungsgericht erstmalig mit ihnen befasst, das Gebot, die Rechtssache im Rahmen einer mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten zu erörtern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2017 - 9 B 22.16 - juris Rn. 13 f.).
Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht ermessensfehlerfrei nach § 130a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss entschieden. Die vorliegend zu entscheidenden Rechtsfragen sind weder schwierig noch wurden sie erstmals im Berufungsverfahren aufgeworfen. Die Frage, ob der verfahrensgegenständliche Weg nach dem Grundsatz unvordenklicher Verjährung als öffentlicher Weg anzusehen ist, war vielmehr bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Mit den hierfür maßgeblichen historischen Dokumenten hat sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil und haben sich die Beteiligten schriftsätzlich im Berufungsverfahren intensiv auseinandergesetzt. Einen darüber hinausgehenden Erörterungsbedarf zeigt auch die Beschwerde nicht auf, zumal die Urkunden und Kartenwerke - wie vorstehend dargelegt - auch im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf umfassend gutachterlich und gerichtlich gewürdigt wurden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.