Entscheidungsdatum: 02.09.2010
Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
a) Die Beschwerde macht als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht von einer Präklusion des klägerischen Vorbringens zu Verstößen gegen Bestimmungen des europäischen Artenschutzes ausgegangen sei. Unzutreffend habe der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass es an einem rechtzeitigen, hinreichend substantiierten Vorbringen zu dieser Problematik fehle. Denn die Kläger hätten im Rahmen des Klageverfahrens im Wesentlichen auf der Basis der Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens, insbesondere des Landschaftspflegerischen Begleitplans, auch für die Bereiche außerhalb der Kaltentalquerung eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung für erforderlich gehalten. Insoweit handele es sich um reinen Rechtsvortrag, der nicht präkludiert sei. Unzutreffend gehe das Gericht auch davon aus, dass die Stellungnahmen der Kläger keine Ausführungen zum Artenschutz enthielten, sondern sich nur auf den Habitatschutz bezögen. Insoweit handele es sich um eine rechtliche Einordnung, die nicht zur Präklusion führen könne. Außerdem führten Eingriffe in ein Habitat zwangsläufig zur Beeinträchtigung der dort vorhandenen Arten.
Mit diesem Vortrag ist ein für das angefochtene Urteil erheblicher Verfahrensmangel nicht hinreichend dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verlangt vom Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (Beschlüsse vom 29. April 2003 - BVerwG 9 B 65.02 - juris Rn. 3 und vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 9 B 41.09 - juris Rn. 16; stRspr). So liegen die Dinge hier. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorbringen der Kläger zum Artenschutz deshalb unberücksichtigt gelassen, weil er es nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG a.F. für präkludiert hielt, und hat dies ausführlich damit begründet, dass die Kläger bis zum Ablauf der Einwendungsfrist keine hinreichend substantiierten Rügen zum Artenschutz vorgebracht hätten. Insoweit greift die Beschwerde die tatsächliche und rechtliche Würdigung ihres Vorbringens durch den Verwaltungsgerichtshof an, was jedoch eine Gehörsrüge nicht begründen kann. Darüber hinaus kann die Beschwerde, soweit sie einen Gehörsverstoß wegen der Nichtberücksichtigung des artenschutzrechtlichen Vorbringens in Bezug auf die Kaltenaue rügt, auch deshalb nicht durchdringen, weil der Verwaltungsgerichtshof sich ungeachtet der von ihm angenommenen Präklusion mit dem Vorbringen der Kläger ausführlich auseinander gesetzt hat (UA Rn. 97 ff.).
b) Der Kläger zu 1 rügt als weiteren Gehörsverstoß einen Abwägungsfehler, weil der Verwaltungsgerichtshof die tatsächlichen Auswirkungen auf seine Waldflächen im "Gangsteigholz" und "Fürstätter Wald" unterschätzt und damit nicht berücksichtigt habe. Er müsse eine Existenzgefährdung jedenfalls seines forstwirtschaftlichen Betriebsteiles befürchten. Bei der Prüfung der Existenzgefährdung seien die Waldverluste nicht vollständig berücksichtigt worden. Darüber hinaus sei die Funktion des Fürstätter Waldes als Klimaschutzwald außer Betracht geblieben.
Eine weitere Gehörsverletzung machen die Kläger zu 2 und 3 geltend, weil der Verwaltungsgerichtshof die ihnen drohende Existenzgefährdung alleine anhand des Flächenverlustes von 3,19 % beurteilt habe und nicht in einer wertenden Zusammenschau sämtlicher weiterer mit dem Vorhaben verbundenen Nachteile wie ungünstige Zerschneidungen und entstehende Umwege. Er habe sie lediglich auf das Entschädigungsverfahren verwiesen.
Mit diesem Vorbringen ist jedoch ein Gehörsverstoß nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr greift die Beschwerde die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch den Verwaltungsgerichtshof an, was eine Gehörsrüge nicht begründen kann.
Darüber hinaus verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör die Gerichte nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Gehörsverstoß kommt deshalb nur in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. Solche Umstände hat der Kläger zu 1 mit Blick auf die behauptete Nichtberücksichtigung seines Vorbringens zur Funktion des Fürstätter Waldes als Klimaschutzwald nicht dargelegt, zumal die Bedeutung des Klimaschutzwaldes für die Stadt Rosenheim ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 25. September 2008 (S. 13) Gegenstand der Erörterungen gewesen ist.
2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr).
a) Die von den Klägern in der Beschwerdebegründung bezeichnete Rechtsfrage:
"Ist ein enteignungsbetroffener Kläger gemäß § 17 Abs. 4 FStrG a.F. und gemäß § 17a Abs. 7 S. 1 FStrG mit naturschutzrechtlichen Einwendungen auch insoweit ausgeschlossen, als diese Einwendungen auf behördlichen Tatsachenermittlungen beruhen, welche Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind,
oder bezieht sich der Einwendungsausschluss des § 17 Abs. 4 FStrG a.F. und des § 17a Abs. 7 S. 1 FStrG nur auf solche naturschutzrechtlichen Einwendungen, welche auf Tatsachenbehauptungen beruhen, die weder Gegen-stand der behördlichen Sachverhaltsermittlungen waren, noch (zurechenbar) im Rahmen der Einwendungsfristen des Planfeststellungsverfahrens geltend gemacht wurden?"
erfüllt die genannten Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil sie nicht hinreichend konkret ist. Inwieweit "Einwendungen auf behördlichen Tatsachenermittlungen beruhen, welche Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses sind", und ob ein Kläger mit Einwendungen gemäß § 17 Abs. 4 FStrG a.F. "insoweit" ausgeschlossen ist, kann in dieser Allgemeinheit nicht Gegenstand grundsätzlicher höchstrichterlicher Klärung in einem Revisionsverfahren sein.
Falls die Frage auf solche Einwendungen abzielen sollte, mit denen Planbetroffene behördliche Tatsachenermittlungen erstmals oder abweichend aus der Sicht das Naturschutzes bewerten, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass sie sich zur Vermeidung der Präklusion bereits im Verwaltungsverfahren mit dem vorhandenen Material so konkret auseinandersetzen müssen, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Hinsicht sie bestimmte Belange noch einer näheren Betrachtung unterziehen soll (Urteil vom 30. Januar 2008 - BVerwG 9 A 27.06 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 195 Rn. 30 f.). Anzuknüpfen ist dabei an die ausgelegten Planunterlagen. Von einem Einwender kann erwartet werden, dass er gegen die Planung sprechende Gesichtspunkte geltend macht, die sich nach den ausgelegten Unterlagen einem Laien in seiner Lage von dessen eigenem Kenntnis- und Erfahrungshorizont her erschließen. Wenn der Naturschutz in den ausgelegten Unterlagen ausführlich behandelt worden ist, kann von einem von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümer erwartet werden, dass er der Behörde zumindest in laienhafter Form die Bereiche der Tier- und Pflanzenwelt benennt, deren Behandlung er im Hinblick auf die Inanspruchnahme seiner Grundstücke noch als unzureichend ansieht (Urteil vom 30. Januar 2008 a.a.O.). Der Senat kann nicht erkennen, dass Planbetroffene generell nicht in der Lage sind, dem innerhalb der Einwendungsfrist nachzukommen. Einer so verstandenen Präklusion steht auch Europarecht nicht entgegen, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat (vgl. Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - juris Rn. 107 f.).
Die Grundsatzrüge kann im Übrigen auch dann nicht durchdringen, wenn unterstellt wird, dass sich die Frage auf Einwendungen beziehen soll, die aus der behördlichen Tatsachenermittlung hergeleitet werden, ohne deren Richtigkeit in Frage zu stellen. Die Beschwerde deutet zu diesem Aspekt lediglich an, dass ihrer Auffassung nach die tatsächlichen Feststellungen des vorliegenden Landschaftspflegerischen Begleitplans die Notwendigkeit einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für den gesamten Trassenbereich ohne Weiteres erkennen ließen. Insoweit ist jedoch eine Einzelfallproblematik angesprochen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass gleichwohl fallübergreifender Klärungsbedarf in diese Richtung besteht. Davon abgesehen lässt sich der angegriffenen Entscheidung auch nichts für die Annahme der Beschwerde entnehmen, dass sich die Notwendigkeit einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für den gesamten Trassenbereich bereits unmittelbar aus dem Landschaftspflegerischen Begleitplan ergibt.
b) Die Frage
"Kann ein im Bedarfsplan in dreifacher Form dargestelltes Fernstraßenvorhaben wirksam plangerechtfertigt sein?"
würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, denn das Vorhaben ist im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen (Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 des Fernstraßenausbaugesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 4. Oktober 2004, BGBl I S. 2574) nicht in dreifacher Form dargestellt. Vielmehr enthält der Bedarfsplan drei unterschiedliche Vorhaben mit unterschiedlichen Verkehrszwecken. Der Neubau der B 15 ist nicht als vordringlicher, sondern als weiterer Bedarf dargestellt und soll ersichtlich verschiedene Autobahnen in Nord-Süd-Richtung großräumig verbinden. Der Ausbau der bestehenden B 15 südlich Rosenheim soll die Stadt Rosenheim und den südlich davon gelegenen Raum an die Bundesautobahn A 8 verbessert anschließen. Demgegenüber stellt die hier streitige Planung eine westliche Ortsumgehung der Stadt Rosenheim dar und dient deren Entlastung vom Nord-Süd-Durchgangsverkehr sowie der besseren Verteilung bzw. Verknüpfung des Ziel- und Quellverkehrs im westlichen Stadtbereich von Rosenheim bzw. im östlichen Stadtbereich von Kolbermoor (PFB S. 65).
c) Die weitere Frage:
"Reicht es aus, zur Klärung der Frage, ob eine Existenzgefährdung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes vorliegt, allein auf einen Schwellenwert beim Flächenverlust abzustellen, der hier vom erstinstanzlichen Gericht mit 5 % der Betriebsfläche angenommen wird, oder müssen nicht vielmehr in einer wertenden Gesamtschau neben dem Flächenverlust auch alle weiter eintretenden Betriebserschwernisse, insbesondere unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit, betrachtet werden, um eine solche bejahen oder verneinen zu können?"
wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie stellt keine Rechtsfrage dar, sondern zielt auf tatsächliche Feststellungen, die dem Revisionsgericht verwehrt sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Ungeachtet dessen kann allerdings nach allgemeiner, durch Gutachten landwirtschaftlicher Sachverständiger belegter Erfahrung ein Verlust an Eigentumsflächen oder von langfristig gesicherten Pachtflächen in einer Größenordnung von bis zu fünf Prozent der Betriebsfläche einen gesunden landwirtschaftlichen (Vollerwerbs-)Betrieb in der Regel nicht gefährden. Deshalb kann die Planfeststellungsbehörde regelmäßig bei einer Landinanspruchnahme bis zu diesem Anhaltswert ohne Einholung eines landwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass eine vorhabenbedingte Existenzgefährdung oder -vernichtung des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebs nicht eintritt (Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 13.08 - juris Rn. 27). Jedoch sind stets besondere tatsächliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
d) Hinsichtlich der weiteren Fragen:
"Reicht es im Falle einer grundsätzlich anerkannten Existenzgefährdung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch ein planerisches Vorhaben aus, dass der Planungsträger dem Betroffenen Tauschland anbietet, ohne dieses auf seine vergleichbare Bonität hin konkret untersucht zu haben und diese bestätigen zu können, wenn sich der Betroffene auf die Minderwertigkeit des Tauschlandes beruft, oder ist vielmehr der Nachweis einer vergleichbaren Bonität der Flächen in einem solchen Fall für die Annahmefähigkeit eines Tauschlandangebots Voraussetzung?
Ist bei einem Vorhaben, das das Ergebnis einer bereits einmal unter Flächenverlust für den betroffenen Landwirt durchgeführten Flurbereinigung beeinträchtigt, der neu durch das Planvorhaben entstehende Flächenverlust zum damals mit der Flurbereinigung erlittenen Flächenverlust bei der Beurteilung seiner evtl. Existenzgefährdung hinzuzurechnen, wenn das Planvorhaben das Ergebnis der Flurbereinigung wieder ganz oder teilweise zunichte macht; wenn ja: gibt es insoweit einen Schwellenwert und wie ist ein solches - ganzes oder teilweises - Zunichtemachen zu ermitteln?
Ist der Vorhabenträger verpflichtet, ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren i.S.v. § 87 FlurbG durchzuführen, wenn mit einem Vorhaben das Ergebnis einer früher durchgeführten Flurbereinigung beeinträchtigt wird, ggfs. ab welcher Schwelle und wie ist diese zu ermitteln?"
zeigt die Beschwerde deren Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend auf. Es ist weder dargelegt, dass den Klägern Tauschland angeboten worden ist, noch dass die Planung zu ihren Lasten das Ergebnis eines durchgeführten Flurbereinigungsverfahrens beeinträchtigt oder ganz bzw. teilweise zunichte macht.