Entscheidungsdatum: 12.07.2013
Der Anspruch des Eigentümers gegenüber dem hoheitlichen Störer, die zu Beseitigung der Störung notwendigen Maßnahmen zu dulden, unterliegt nicht der Verjährung.
1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Fragen
"Existiert neben einem bereits verjährten öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch ein unverjährbarer Duldungsanspruch auf Beseitigung durch den Eigentümer oder ist ein solcher Duldungsanspruch als "minus" vom öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch mitumfasst?
Welche Anspruchsgrundlage gewährt dem Eigentümer gegenüber dem Straßenbaulastträger einen unverjährbaren Anspruch auf Duldung der Beseitigung auf seinem Grund befindlichen, nicht gewidmeten Straßengrundes, wenn der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch bereits verjährt ist?
Stellt der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch im öffentlichen Recht für vorliegende Fallgestaltungen eine abschließende Regelung dar oder ist daneben Raum für eine Anwendung des § 985 BGB oder eine sonstige § 985 BGB nachgebildete ungeschriebene Anspruchsgrundlage?"
bedürfen keiner revisionsrechtlichen Entscheidung, weil sie sich unmittelbar aus der Verfassung und der einschlägigen Rechtsprechung zum Eigentumsrecht beantworten lassen. Die Beklagte meint, der Anspruch des Klägers gegenüber der Gemeinde, die Beseitigung der nicht straßenrechtlich gewidmeten Verkehrsfläche auf den im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücken Nummer 795 und 802 der Gemarkung L... durch ihn selbst zu dulden, sei als "minus" des Folgenbeseitigungsanspruchs anzusehen und deshalb ebenso wie auch der Folgenbeseitigungsanspruch selbst wegen Verjährung erloschen. Dies trifft nicht zu.
Die Antwort auf die gestellten Fragen ergibt sich unmittelbar aus dem Schutz des Eigentums als elementarem Grundrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. Die hier in Rede stehende unstreitig rechtswidrige Überbauung führt zur Beeinträchtigung von Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein und genießt einen besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um die Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen geht (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91, 315/99 - BVerfGE 102,1 <15>). Daraus ergibt sich ohne Weiteres, dass ein Eigentümer eines Grundstücks mit diesem grundsätzlich nach Belieben verfahren darf (vgl. für das Zivilrecht § 903 BGB). Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sichert den konkreten Bestand in der Hand des einzelnen Eigentümers und seine Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand (vgl. BVerfG, Urteile vom 18. Dezember 1968 - 1 BvR 638, 673/64 und 200, 238, 249/65 - BVerfGE 24, 367 <389> und vom 1. März 1979 - 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78 - BVerfGE 50, 290 <339 f.>; Beschluss vom 12. November 1974 - 1 BvR 32/68 - BVerfGE 38, 175 <181>). Deshalb ist er berechtigt, rechtswidrige Einwirkungen auf sein Grundstück abzuwehren.
Hier kann der Kläger von der Beklagten nicht mehr die Beseitigung des rechtswidrigen Überbaus im Wege der Folgenbeseitigung verlangen, nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Verjährung dieses Anspruchs festgestellt hat. Die Verjährung des Folgenbeseitigungsanspruchs beseitigt jedoch nicht den durch den rechtswidrigen Überbau entstandenen rechtswidrigen Zustand, den der Eigentümer nicht hinnehmen muss. Er ist vielmehr befugt, rechtswidrige Störungen seines Eigentums auf eigene Kosten zu beseitigen. Dieses Recht folgt bei Eigentumsverletzungen durch hoheitliche Maßnahmen im öffentlichen Recht unmittelbar aus dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrecht. Das öffentliche Recht schützt den Eigentümer nicht weniger als das Zivilrecht und gewährt ebenso Abwehransprüche (Urteil vom 21. September 1984 - BVerwG 4 C 51.80 - Buchholz 406.16 § 16 Eigentumsschutz Nr. 40 S. 22; zum Schutz des zivilrechtlichen Eigentums BGH, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 141/10 - NJW 2011, 1068 <1069>). Nach § 903 Satz 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Im öffentlichen Recht gilt nichts anderes. Umfasst wird der Anspruch gegenüber dem Störer, jedenfalls die Maßnahmen zu dulden, die nötig sind, die rechtswidrige Eigentumsstörung zu beseitigen. Das gilt insbesondere, wenn sie wie hier, auf dem Eigentumsgrundstück vorgenommen werden sollen.
Der Duldungsanspruch ist auch nicht, wie die Beklagte meint, ein "minus" zum Folgenbeseitigungsanspruch, sondern ein "aliud". Er verlangt vom Hoheitsträger nämlich gerade nicht, die Folgen seines rechtswidrigen Vorgehens zu beseitigen, sondern lediglich hinzunehmen, dass vom Eigentümer ein rechtmäßiger Zustand wiederhergestellt wird. Der Duldungsanspruch ist nicht verjährt. Er ist auf die Herstellung des Gebrauchs des Eigentumsrechts gerichtet und dessen unmittelbarer Inhalt. Kraft der grundgesetzlichen Gewährleistung verjähren das Recht am Eigentum und die Ausübung dieses Rechts jedoch nicht. Im Zivilrecht ergibt sich das aus § 902 BGB (BGH, Urteil vom 28. Januar 2011 a.a.O.). Ob einem solchen Duldungsanspruch gegenüber dem hoheitlichen Störer ausnahmsweise Unzumutbarkeit entgegengehalten werden kann, mag dahinstehen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat derartige Gründe nicht festgestellt (vgl. zur Zumutbarkeit eines Folgenbeseitigungsanspruchs Urteil vom 26. August 1993 - BVerwG 4 C 24.91 - BVerwGE 94, 100 <113 ff.>).