Entscheidungsdatum: 11.06.2013
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. August 2011 - 17 Sa 133/11 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, seine regelmäßige Arbeitszeit um 3,29 % zu vermindern und die reduzierte Arbeitszeit so zu verteilen, dass er jeweils vom 22. Dezember eines Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres nicht zu arbeiten hat.
Der Kläger ist seit dem 20. Januar 1988 im Luftfahrtunternehmen der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt, zuletzt als Kapitän. Mit Schreiben vom 5. Januar 2010 verlangte er unter Bezugnahme auf das TzBfG von der Beklagten, ihn jeweils vom 22. Dezember des Jahres bis einschließlich 2. Januar des Folgejahres von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustellen. Die Beklagte lehnte den Antrag unter dem 6. April 2010 ab.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
|
die Beklagte zu verurteilen, einer Reduzierung seiner jährlichen Arbeitszeit um 3,29 % auf 96,71 % der regelmäßigen Vollarbeitszeit durch blockweise Freistellung von zwölf Arbeitstagen jeweils vom 22. Dezember eines Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres ab dem 22. Dezember 2010 zuzustimmen, gemäß Teilzeitantrag vom 5. Januar 2010. |
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, das Begehren des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Sein Verringerungsverlangen und sein Verteilungswunsch entsprächen nicht den Zielsetzungen des TzBfG. Der Kläger versuche, sich Sonderurlaub zu verschaffen, auf den er keinen Anspruch habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Verringerung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit. Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dem Anspruch des Klägers stehe der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.
I. Da die Klage unbegründet ist, kann der Senat offenlassen, ob sie mangels Rechtsschutzbedürfnisses insoweit unzulässig ist, als der Kläger eine Reduzierung seiner Arbeitszeit für die Jahre 2010 bis 2012 und damit für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt (vgl. BGH 26. September 1995 - KVR 25/94 - zu B IV der Gründe, BGHZ 130, 390; siehe ferner Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. Vor § 253 Rn. 10).
II. Die Beklagte ist nicht gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG verpflichtet, der vom Kläger verlangten Verringerung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit zuzustimmen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die unbefristete jährliche Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung in einem bestimmten Zeitraum bei entsprechender Reduzierung der Jahresarbeitszeit und der Vergütung könne eine Arbeitszeitverringerung iSd. § 8 TzBfG darstellen (vgl. hierzu BAG 24. Juni 2008 - 9 AZR 313/07 - Rn. 13). Zugunsten des Klägers kann auch davon ausgegangen werden, dass die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen des Verringerungsanspruchs erfüllt waren, diesem insbesondere keine betrieblichen Gründe iSv. § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegenstanden. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 TzBfG konnte der Kläger sein Verringerungsverlangen auch mit einem konkreten Verteilungswunsch verbinden und sein Änderungsangebot von der gewünschten Arbeitszeitverteilung abhängig machen. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber das Änderungsangebot nur einheitlich annehmen oder ablehnen (BAG 18. August 2009 - 9 AZR 517/08 - Rn. 19 mwN).
2. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dem Verringerungsverlangen des Klägers stehe der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.
a) Der in § 8 TzBfG geregelte Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit und der in § 9 TzBfG geregelte Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit sollen den Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung oder umgekehrt erleichtern (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 11; BAG 18. August 2009 - 9 AZR 517/08 - Rn. 29 mwN). Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit dient der Schaffung von Teilzeitstellen und vor allem der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie (vgl. BT-Drucks. 14/4374 aaO). Anders als § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG enthält § 8 TzBfG keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung und knüpft den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nicht an ein Mindestmaß der Arbeitszeitreduzierung. Dies bewirkt, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch Anspruch auf eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung seiner Arbeitszeit haben kann. Verlangt ein Arbeitnehmer, dass seine Arbeitszeit nur geringfügig reduziert wird, indiziert dies nicht per se einen Rechtsmissbrauch. Anderenfalls würde das Ziel des Gesetzgebers unterlaufen, der die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 TzBfG nicht an ein bestimmtes Restarbeitszeitvolumen gebunden hat (vgl. BAG 18. August 2009 - 9 AZR 517/08 - Rn. 37). Liegen allerdings im Einzelfall besondere Umstände vor, die darauf schließen lassen, der Arbeitnehmer wolle die ihm gemäß § 8 TzBfG zustehenden Rechte zweckwidrig dazu nutzen, unter Inkaufnahme einer unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und der Arbeitsvergütung eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte, kann dies die Annahme eines gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlichen Verringerungsverlangens rechtfertigen (vgl. aus dem arbeitsrechtlichen Schrifttum: HaKo-TzBfG/Boecken 3. Aufl. § 8 Rn. 87a; Meinel/Heyn/Herms TzBfG 4. Aufl. § 8 Rn. 28 und 30; Mengel in Annuß/Thüsing TzBfG 3. Aufl. § 8 Rn. 189 mwN; einschränkend BeckOK ArbR/Bayreuther Stand 1. Juni 2013 § 8 TzBfG Rn. 13). Die einzelfallbezogene Würdigung solcher Umstände durch die Tatsachengerichte ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff des Rechtsmissbrauchs verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter § 242 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (vgl. BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 183/11 - Rn. 25).
b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger verlange die Verringerung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit rechtsmissbräuchlich, ist frei von revisiblen Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht berücksichtigt, dass die vom Kläger begehrte blockweise Freistellung jeweils vom 22. Dezember eines Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres und damit an Weihnachten, Silvester, Neujahr und der Zeit „zwischen den Jahren“ einen Zeitraum umfasst, in dem erfahrungsgemäß viele Flugzeugführer der Beklagten von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werden wollen. Seine Annahme, der Kläger verfolge mit seinem geringfügigen Verringerungsverlangen unter Inkaufnahme einer unwesentlichen Reduzierung seiner Arbeitsvergütung die Garantie freier Tage jeweils vom 22. Dezember eines Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres, ohne damit rechnen zu müssen, dass ein Urlaubsantrag für diese Zeit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG wegen entgegenstehender Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienten, abgelehnt werden könnte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, der Rechtsmissbrauch folge aus der sog. Zweck-Mittel-Relation, wonach der Kläger eine formale Rechtsposition nutze, um einen Anspruch geltend zu machen, an dem er isoliert betrachtet kein erkennbares Interesse habe, um diesen wiederum zu nutzen, um eine unabhängig vom Arbeitszeitvolumen in seinem Interesse liegende Arbeitszeitgestaltung zu erreichen, auf die er isoliert betrachtet keinen Anspruch habe.
c) Soweit der Kläger auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23. November 2001 (- 26 Ca 1324/01 -) hinweist, übersieht er, dass jene Klägerin eine geringfügige Reduzierung der Regelarbeitszeit verbunden mit einer Neuverteilung der verbleibenden Arbeitszeit wünschte, um ihre Arbeitszeit an die Öffnungszeiten der Kindertagesstätte anzupassen, in der ihr Kind betreut wurde. Anders als im Entscheidungsfall ging es nicht um die Durchsetzung einer blockweisen Freistellung auch bei möglicherweise entgegenstehenden Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen.
d) Auch die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe es unter Verstoß gegen § 139 ZPO unterlassen, ihn darauf hinzuweisen, dass er ein nachvollziehbares Interesse an der gewünschten Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit nicht vorgetragen habe, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Rügt eine Partei eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht, obliegt es ihr, im Einzelnen vorzutragen, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen sie auf den unterlassenen Hinweis hin vorgebracht hätte. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung für das angefochtene Urteil möglicherweise kausal war (BAG 19. Januar 2010 - 9 AZR 426/09 - Rn. 44 mwN). Der Kläger hat in der Revisionsbegründung keine Gründe für die von ihm beantragte Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit dargetan, die über den Wunsch, im Zeitraum vom 22. Dezember jeden Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres nicht arbeiten zu müssen, hinausgehen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
|
Brühler |
|
Klose |
|
Suckow |
|
|
|
Wullhorst |
|
Neumann-Redlin |