Entscheidungsdatum: 11.10.2010
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 9. September 2009 - 10 Sa 88/99 - wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 4.408,15 Euro festgesetzt.
A. Die Parteien streiten noch - soweit für das Beschwerdeverfahren maßgeblich - über die Höhe der Abgeltung von Schwerbehindertenzusatzurlaub, über die Berechnung der Entschädigung von Reise- Umzugskosten und über die Höhe der tariflichen Abfindung zuzüglich Zinsen.
Der Kläger war seit März 1983 bei der Beklagten als Redakteur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Regelungen des Manteltarifvertrags für Radio Freies Europa/Radio Liberty Inc., abgeschlossen zwischen der Beklagten und den Gewerkschaften DAG, RFFU in der Gewerkschaft Kunst im DGB sowie dem Bayerischen Journalisten-Verband e. V. Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Kündigung der Beklagten nach längerer Rechtsstreitigkeit zum 31. Dezember 1994. Der Kläger verlangt aus dem beendeten Arbeitsverhältnis die Abgeltung von Schwerbehindertenzusatzurlaub, die Zahlung einer tariflichen Abfindung sowie eine bestimmte Berechnung der tariflichen Reise- und Umzugskosten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Zahlungsansprüchen teilweise stattgegeben und im Übrigen die Berufung gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf einen absoluten Revisionsgrund, die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage stützt.
B. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
I. Die Beschwerde ist nicht deswegen unzulässig, weil ihre Begründung erst am 21. Juni 2010 und damit außerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist nach § 72a Abs. 3 ArbGG verspätet eingegangen ist. Das angegriffene Urteil des Landesarbeitsgerichts ist dem Kläger am 9. Dezember 2009 zugestellt worden. Insoweit ist ihm jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach seinem rechtzeitig gestellten Antrag (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) gem. § 233 ZPO zu gewähren. Er war ohne sein Verschulden verhindert, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Der Kläger ist wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage gewesen, die Nichtzulassungsbeschwerde rechtzeitig zu begründen. Er hat innerhalb der Notfrist des § 72a Abs. 3 ArbGG Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm mit Beschluss vom 13. April 2010 bewilligt worden ist.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügt.
1. Die Revision ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht deswegen zuzulassen, weil das Landesarbeitsgericht seine Nichtzulassungsentscheidung nicht im Einzelnen begründet hat. Eine Begründungspflicht ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (zum alten Recht verneinend BAG 24. Juni 1955 - 1 AZR 97/55 - juris-Rn. 8, BAGE 2, 40). Damit wird entgegen der Auffassung der Beschwerde der Rechtsweg für die unterlegene Partei nicht in verfassungswidriger Weise erschwert. Für die Zulassungsentscheidung des Beschwerdegerichts wäre eine Begründung des Landesarbeitsgerichts unmaßgeblich. Entscheidend ist allein, ob objektiv Zulassungsgründe iSv. § 72 Abs. 2 ArbGG gegeben sind und vom Beschwerdeführer nach Maßgabe des § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG dargelegt werden. Ob das Beschwerdegericht überhaupt befugt wäre, die Ansicht des Berufungsgerichts über die Bedeutung der Grundsätzlichkeit zu überprüfen, kann offenbleiben. Jedenfalls hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 72a Abs. 1 ArbGG verdeutlicht, dass keine Überprüfung der positiven Zulassungsentscheidung statthaft ist. Die Zulassung bindet unabhängig von den Gründen, die das Berufungsgericht gegeben hat (§ 72 Abs. 3 ArbGG). Diese Bindung schließt eine Fehlerkontrolle aus. Ebenso findet bei der statthaften Anfechtung der Nichtzulassungsentscheidung keine Fehlerkontrolle statt. Das Gesetz setzt stattdessen auf eine Ergebniskontrolle.
2. Die Beschwerde legt auch keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
a) Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und darauf beruhe die anzufechtende Entscheidung. Das Gericht verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es entscheidungserhebliches Vorbringen einer Partei nicht berücksichtigt. Das Gericht braucht nicht jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu behandeln. Nach § 313 Abs. 3 ZPO enthalten die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Überlegungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich vor der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sie in Erwägung zu ziehen. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht genügt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falls ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. BVerfG 12. November 2008 - 1 BvR 2788/08 - Rn. 8, NJW 2009, 907; 26. Juli 2005 - 1 BvR 85/04 - zu II 2 b aa, bb der Gründe, NJW 2005, 3345).
b) Die Beschwerde wird diesen Begründungsanforderungen nicht gerecht.
aa) Die Beschwerde meint hinsichtlich des Anspruchs auf anderweitige Berechnung und Auszahlung der Reise- und Umzugskosten habe das Landesarbeitsgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen. Es habe angenommen, die tarifliche Rechtslage würde verlangen, der Umzug oder eine Reise müsse auch tatsächlich durchgeführt worden seien. Hiermit habe der Kläger nicht rechnen können.
Ein Gericht verstößt dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es ohne vorherigen Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessteilnehmer nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (Senat 23. März 2010 - 9 AZN 1030/09 - Rn. 25, EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 122). Das ist hier nicht der Fall. Es versteht sich von selbst, dass Aufwendungsersatzansprüche wie Reise- und Umzugskosten grundsätzlich einen tatsächlichen entsprechenden Aufwand voraussetzen. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers musste es deshalb erkennbar sein, dass es eines besonderen Begründungsaufwands bedarf, wenn er Aufwendungsersatzansprüche ohne entsprechenden tatsächlichen Aufwand geltend macht.
bb) Der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe fehlerhaft bei der Berechnung der Urlaubsabgeltung nur einen Betrag iHv. 6.464,00 DM zugrunde gelegt und eine Berechnung des Anspruchs auf der Grundlage des monatlichen Arbeitsentgelts iHv. 8.500,00 DM wegen fehlenden schlüssigen Sachvortrags abgelehnt. Damit habe es übersehen, dass er sich darauf berufen habe, dass das Landesarbeitsgericht in zwei Verfahren aufgrund übereinstimmenden Vortrags der Parteien die monatliche Höhe des Arbeitsentgelts des Klägers im Juni 1988 mit 8.500,00 Euro festgelegt habe. Im Schriftsatz vom 30. März 1999 habe er zudem vorgetragen, dass er seiner Berechnung der Urlaubsabgeltung den von der Beklagten errechneten Tagessatz zugrunde lege.
Damit legt der Kläger schon die Entscheidungserheblichkeit dieser vermeintlichen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dar. Er trägt selbst vor, dass maßgebend für die Berechnung der Urlaubsabgeltung und der Urlaubsvergütung § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG sei. Danach bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Weshalb für die Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes der letzten 13 Wochen bei einem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 1994 die Vergütung des Klägers im Juni 1988 maßgeblich gewesen sein soll, trägt der Kläger nicht vor. Ebenso wenig legt er dar, von welchem Tagessatz das Landesarbeitsgericht hätte ausgehen müssen.
cc) Der Kläger rügt weiter, das Berufungsgericht habe die tarifliche Abfindung rechtsfehlerhaft lediglich iHv. 9.125,39 Euro zugesprochen. Dabei habe das Landesarbeitsgericht bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs nicht erwogen, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31. Dezember 1994 beendet worden sei. Dies trifft schon nach der Darlegung des Klägers nicht zu. Er trägt selbst vor, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1994 sei im Urteil genannt. Schon der erste Blick in die Entscheidungsgründe zeigt, dass das Landesarbeitsgericht bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1994 ausgegangen ist (zu II 1 d aa der Gründe, S. 12). Ob das Landesarbeitsgericht möglicherweise aus anderen Gründen zu einer unrichtigen Berechnung des Abfindungsanspruchs gelangt ist, ist im Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Das wäre allein dem Revisionsverfahren vorbehalten.
3. Die Beschwerde ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage zuzulassen.
a) Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat, obwohl dessen Urteil eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das setzt voraus, dass die Klärung der Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 26. September 2000 - 3 AZN 181/00 - zu II 2 der Gründe, BAGE 95, 372). Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (Senat 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - Rn. 5, BAGE 121, 52). Sie muss klärungsfähig und klärungsbedürftig sein. Außerdem sind in der Beschwerdebegründung die weiteren Voraussetzungen darzulegen, insbesondere die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.
b) Diese Voraussetzungen sind nicht dargelegt.
Der Kläger stellt die Frage,
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„wie bei überlanger Verfahrensdauer der Anspruch des Arbeitnehmers vor weitgehender Entwertung zu schützen ist, wobei Zinsbeträge, gerechnet ab Fälligkeit des originären Urlaubsanspruchs bzw. Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit sich insofern wohl als einfachste Möglichkeit anbieten“. |
Der Kläger meint in diesem Zusammenhang, die Verzinsung des Urlaubsabgeltungsanspruchs dürfe nicht erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Fälligkeitszeitpunkt beginnen, sondern bereits im Jahr des Entstehens des Urlaubsanspruchs. Er legt schon nicht dar, dass das Landesarbeitsgericht diese Rechtsfrage aufgeworfen hat. Zudem ist die Frage nicht klärungsbedürftig. Sie ist höchstrichterlich geklärt. Die Verzinsung des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Verzug beginnt frühestens mit dessen Fälligkeit und damit mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (zuletzt Senat 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 124, NZA 2010, 810). Der Kläger hat hiergegen auch keine durchgreifenden Argumente geäußert. Ein Verzug mit den Zinsfolgen kann deshalb für einen Urlaubsabgeltungsanspruch erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten (so ausdrücklich Senat 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 23, AP BUrlG § 7 Nr. 41 = EzA BUrlG § 7 Nr. 121). Die Verfahrensdauer ist dabei unbeachtlich, da die Verzinsung rückwirkend mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginnt.
4. Die Revision ist auch nicht wegen eines absoluten Revisionsgrundes gem. § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG zuzulassen.
a) Der Kläger rügt, die Berufungskammer sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Er begründet dies damit, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft durch Beschluss vom 1. Juli 2009 seinem Ablehnungsgesuch gegenüber dem Vorsitzenden der Zehnten Kammer nicht stattgegeben.
b) Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann grundsätzlich nicht geltend gemacht werden, das Berufungsgericht habe über ein Ablehnungsgesuch unrichtig entschieden oder hierüber gar den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Gericht sei deshalb bei Erlass des Urteils nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Die Partei ist vielmehr auf die beim Berufungsgericht zu erhebende Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) zu verweisen (vgl. BVerfG 31. Juli 2008 - 1 BvR 416/08 - Rn. 27). Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde kann die Entscheidung des Berufungsgerichts über ein Ablehnungsgesuch nicht inzident überprüft werden (vgl. BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 5, BAGE 128, 13). Es kann dahinstehen, ob diese Beschränkung auch dann gilt, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht oder wenn sie darauf hindeutet, dass das Berufungsgericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl. BVerfG 31. Juli 2008 - 1 BvR 416/08 - Rn. 29). Diese Umstände legt der Kläger nicht schlüssig dar. Er beanstandet im Wesentlichen, das Landesarbeitsgericht hätte dem Ablehnungsgesuch aus verschiedenen Gründen stattgeben müssen. Soweit er meint, Richter O hätte an der Befangenheitsentscheidung nicht mitwirken dürfen, weil ihm gegenüber ähnliche Ablehnungsgründe vorgebracht worden seien, ist das für das Beschwerdegericht nicht nachvollziehbar. Er trägt nicht vor, welche konkreten Ablehnungsgründe ähnlich gewesen sein sollen.
C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Düwell |
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Suckow |
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Krasshöfer |
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