Entscheidungsdatum: 20.12.2011
1. Die Zulassung eines Planvorhabens, das aufgrund mit ihm etwa einhergehender nachteiliger Auswirkungen auf die Qualität des Grundwassers die Chancen eines Grundeigentümers verschlechtert, sein Grundstück Dritten zur Installation und zum Betrieb von Grundwasserförderanlagen zu überlassen, greift nicht in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie ein.
2. Das bloße Interesse des Eigentümers eines über einem förderfähigen Grundwasservorkommen gelegenen Grundstücks daran, dass das Grundwasserdargebot quantitativ und qualitativ unverändert erhalten bleibt, ist kein in der planerischen Abwägung zu berücksichtigender Belang.
3. Auf den Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung kann sich ein Einzelner nicht unabhängig von der Betroffenheit in eigenen Rechten berufen. Aus § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG folgt nichts Abweichendes, da diese Regelung nur die Sachprüfung im Rahmen eines zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens betrifft, dagegen keine Bedeutung für die Prüfung der Klagebefugnis hat.
Der Kläger wendet sich gegen Entwässerungsregelungen für Teilabschnitte der Bundesautobahnen A 3 und A 44, die auf Planfeststellungsbeschlüsse vom 24. April 1991 und 21. Februar 2007 zurückgehen und durch Änderungsplanfeststellungsbeschlüsse vom 24. September 2008 und 26. Februar 2010 ihre heutige Fassung erlangt haben.
Durch Planfeststellungsbeschluss vom 24. April 1991 wurde der Bau des Autobahnknotens A 3/A 44 (Autobahnkreuz Ratingen) planfestgestellt. Entsprechend dem nachfolgend realisierten Plan wird das Straßenoberflächenwasser der im nordöstlichen Anschlussohr des Knotens errichteten Sonderanlage R., einem Regenrückhaltebecken mit Ölabscheider und Absetzfunktion, zugeführt und von dort in den Hahnerhofbach eingeleitet, der als Zufluss des Homberger Bachs zum Bachsystem der Anger gehört.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks .... Das Grundstück liegt im nordöstlichen Quadranten des Autobahnkreuzes zwischen der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden A 3 und der in West-Ost-Richtung verlaufenden A 44 ca. 300 m von der A 3 und ca. 175 m von der A 44 entfernt. Eine ca. 1,1 ha große Teilfläche des insgesamt ca. 2,9 ha umfassenden Grundstücks ist 1974 mit einem Erbbaurecht für 99 Jahre zugunsten der Stadtwerke R. GmbH belastet worden. In dem Erbbauvertrag ist den Stadtwerken das Recht zur Kündigung mit einer Frist von einem Jahr eingeräumt worden. Die Stadtwerke betreiben auf dem Grundstücksteil die Trinkwassergewinnungsanlage Homberg-Meiersberg; sie fördern dort auf der Grundlage einer wasserrechtlichen Bewilligung Wasser aus einem Tiefbrunnen, der in einen Massenkalkzug reicht.
Mit Beschluss vom 21. Februar 2007 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 44 zwischen Ratingen und Velbert fest. Dieser Beschluss sah vor, für einen Teilabschnitt der A 44 östlich des Knotens A 3/A 44 das Straßenoberflächenwasser ebenfalls in die Sonderanlage zu leiten. Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 21. Februar 2007, den der Kläger erfolglos angefochten hat, richten sich auch zwei derzeit ruhende Klagen der Städte D. und R., die aufgrund der Einleitung des Straßenoberflächenwassers der A 44 eine Verschärfung der Hochwassersituation am Unterlauf der Anger befürchten.
Diese Bedenken haben zu einer Änderungsplanung geführt, die den Gegenstand des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 24. September 2008 bildet. Sie zielt darauf ab, die Einleitungsmenge des Straßenoberflächenwassers zu drosseln. Die dafür benötigte höhere Rückhaltekapazität soll durch Zuschaltung eines nur temporär bei Bedarf einzustauenden Retentionsraums erreicht werden, der im nordwestlichen Anschlussohr des Autobahnkreuzes geplant ist. Um diesen Retentionsraum anzulegen, soll die Rampe Velbert-Köln nicht, wie ursprünglich geplant, als Brückenbauwerk, sondern als Damm errichtet werden. Aus dem dadurch entstehenden Erdbecken soll das Wasser mittels eines Dammdurchlasses gedrosselt in den Hahnerhofbach eingeleitet werden. Der Standort des geplanten Retentionsraums befindet sich ebenso wie die Sonderanlage R. in der Schutzzone IIIa des Wasserschutzgebiets für die Trinkwassergewinnungsanlage Homberg-Meiersberg. Derzeit wird ein Verfahren zur Änderung der Schutzgebietsverordnung betrieben, in dem geprüft wird, ob die Schutzzone II auf die Standorte der Sonderanlage und des geplanten Retentionsraums ausgedehnt werden soll.
Durch Antrag des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2008 wurde ein Verfahren zur Änderung des Planfeststellungsbeschlusses vom 21. Februar 2007 mit dem Ziel eingeleitet, die Entwässerungsanlagen um den Retentionsraum zu ergänzen. Von einer Auslegung der Planunterlagen wurde abgesehen. Eine im Planfeststellungsverfahren erfolgte Vorprüfung nach §§ 3c, 3e UVPG kam zu dem Ergebnis, dass für das Änderungsvorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müsse. Mit Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 24. September 2008 stellte der Beklagte den Plan fest.
Gegen den ihm am 25. Oktober 2008 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 24. November 2008 Klage beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen erhoben. Während des Klageverfahrens wurde ein weiteres Änderungsplanfeststellungsverfahren durchgeführt, das den Umbau der Sonderanlage R. mit dem Ziel einer verbesserten Reinigungsleistung zum Gegenstand hatte. Durch Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 26. Februar 2010 stellte der Beklagte den Plan für den Beckenumbau fest.
Der Kläger hat diesen Änderungsbeschluss in sein Klagebegehren einbezogen. Mit Beschluss vom 27. September 2010 hat sich das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die angefochtenen Regelungen seien formell und materiell rechtswidrig. Die Zuständigkeit des Beklagten als Planfeststellungsbehörde sei nicht wirksam begründet worden, weil die einschlägige Zuständigkeitsverordnung die in § 73 Abs. 1, § 74 Abs. 1 VwVfG angeordnete Trennung von Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde missachte. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht unterblieben. In materiellrechtlicher Hinsicht seien die planfestgestellten Änderungsregelungen abwägungsfehlerhaft, denn die eigentumsrechtlichen und wirtschaftlichen Belange des Klägers seien nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden. Die zur Abdichtung des Retentionsraums vorgesehene Tonschicht sei nicht geeignet, ein Durchsickern des im Retentionsraum eingestauten Niederschlagswassers in das Grundwasser zu verhindern. Die Sonderanlage R. werde auch nach dem geplanten Umbau nicht dem Stand der Technik entsprechen und eine zu geringe Kapazität aufweisen.
Der Kläger beantragt,
die Planfeststellungsbeschlüsse des Beklagten vom 24. April 1991 und 21. Februar 2007 in der Fassung der Änderungsplanfeststellungsbeschlüsse vom 24. September 2008 und 26. Februar 2010, soweit sie die Entwässerung der Autobahnen A 3 und A 44 abweichend von der ursprünglichen Planfeststellung regeln, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die angefochtenen Regelungen.
Die Klage ist unzulässig. Dem Kläger fehlt die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Er kann nicht geltend machen, durch die angefochtenen planfeststellungsrechtlichen Änderungsregelungen in seinen Rechten verletzt zu sein.
1. Das Eigentum an dem Grundstück ... kann dem Kläger kein Abwehrrecht gegen etwaige Verunreinigungen des Grundwassers vermitteln. Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat (Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300 <332 ff.>), umfasst das Grundeigentum nicht das den Erdkörper unterhalb einer Grundstücksfläche durchströmende Grundwasser. Das Grundwasser untersteht vielmehr einer vom Grundeigentum getrennten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung. § 905 BGB, der die Rechtsbeziehungen des Grundstückseigentümers zum Erdkörper regelt, entfaltet also für das Grundwasser keine Geltung. Dessen Benutzung richtet sich vielmehr allein nach den öffentlich-rechtlichen Regelungen des Wasserrechts, die dem Grundstückseigentümer gleichfalls kein Recht zuweisen, im Rahmen der Grundstücksnutzung auf das Grundwasser einzuwirken, und sich insoweit als Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen. Dies bedeutet, dass der Grundstückseigentümer in Bezug auf das Grundwasser weder über eine bürgerlich-rechtlich noch über eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition verfügt. Dies bringen auch § 4 Abs. 3 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli 2009 (WHG n.F.) bzw. § 1a Abs. 4 Nr. 1 WHG in der vormals geltenden Fassung (WHG a.F.) zum Ausdruck.
2. Obwohl § 7 des zwischen dem Rechtsvorgänger des Klägers und den Stadtwerken R. geschlossenen Erbbauvertrags den Stadtwerken ein ordentliches Kündigungsrecht zur Aufgabe des Erbbaurechts an dem Grundstück des Klägers einräumt, scheidet auch eine Beeinträchtigung des Grundeigentums durch Einwirkung auf die ins Werk gesetzte Grundstücksnutzung aus. Die mit dem Grundeigentum verbundene Möglichkeit, das Grundstück Dritten zur Installation und zum Betrieb von Grundwasserförderanlagen zu überlassen, wird rechtlich nicht behindert. In Betracht zu ziehen ist vielmehr allein eine mit einer etwaigen Grundwasserverschmutzung einhergehende Verschlechterung der Chance, die Stadtwerke R. auf Dauer im Vertragsverhältnis zu halten bzw. einen entsprechenden anderen Nutzer zu finden. Insoweit handelt es sich lediglich um einen Lagevorteil, auf dessen Fortbestand kein Anspruch besteht und der deshalb nicht in den Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung fällt (vgl. auch Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <101 f.>; Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 16.03 - juris Rn. 26).
3. Der Kläger kann sich als Anknüpfungspunkt für die Klagebefugnis auch nicht auf ein aus dem fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebot folgendes Recht auf gerechte Abwägung berufen. Das Abwägungsgebot verlangt zwar nicht nur die Berücksichtigung privater Rechte, sondern auch sonstiger abwägungserheblicher privater Belange. Private Belange gehören aber dann nicht zum Abwägungsmaterial, wenn sie entweder objektiv geringwertig oder aber nicht schutzwürdig sind (Beschluss vom 9. November 1979 a.a.O. S. 102). Die Schutzwürdigkeit fehlt einem privaten Belang nicht nur, wenn er makelbehaftet ist, sondern auch dann, wenn sein Träger sich vernünftigerweise auf Veränderungen, wie sie mit dem Planvorhaben verbunden sind, einstellen muss und deswegen nicht auf den Fortbestand einer bestimmten Situation vertrauen darf (Beschluss vom 9. November 1979 a.a.O. S. 102 f.; Urteil vom 28. März 2007 - BVerwG 9 A 17.06 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 64 Rn. 19).
Hiervon ausgehend ist das Interesse des Klägers am Fortbestand der bisherigen Nutzungsverhältnisse nicht schutzwürdig. Seiner Vertragspartnerin, der Stadtwerke R. GmbH, ist zwar mit Bescheid vom 13. März 2008 eine Bewilligung zur langfristigen Grundwasserförderung auf dem Grundstück des Klägers erteilt worden, die nur unter den Voraussetzungen des § 18 WHG n.F. (§ 12 WHG a.F.) widerrufen werden kann. Das begründet aber noch keinen Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers. Den Stadtwerken steht nämlich das vertragliche Recht zu, den Erbbauvertrag mit nur einjähriger Frist zu kündigen und ihr Erbbaurecht aufzugeben; sie können mithin ohne Weiteres auf veränderte Umstände wie verschlechterte Absatzmöglichkeiten, ein qualitativ oder quantitativ verändertes Wasserdargebot usw. durch Aufgabe der Grundwasserförderung auf dem Grundstück des Klägers reagieren. Der Vertrag räumt dem Kläger daher keine Position ein, aufgrund deren er darauf vertrauen könnte, dass die bisherige Grundstücksnutzung dauerhaft erhalten bleibt.
Dass es zu veränderten Umständen der genannten Art kommt, die die Dispositionen des Bewilligungsinhabers beeinflussen, liegt ebenfalls im Rahmen üblicher Entwicklungen, mit denen ein Grundstückseigentümer zu rechnen hat. Dies gilt selbst dann, wenn die planungsbedingten Veränderungen auf einer nicht in jeder Hinsicht fehlerfreien behördlichen Risikoabschätzung beruhen sollten, wie es der Kläger für die von ihm befürchteten Grundwasserbeeinträchtigungen geltend macht. Dem durch eine Planung nur mittelbar Betroffenen vermittelt das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot lediglich ein Recht auf fehlerfreie Berücksichtigung seiner eigenen abwägungserheblichen Belange; er kann also nicht geltend machen, öffentliche oder fremde private Belange seien nicht ordnungsgemäß abgewogen worden. Damit stünde es nicht in Einklang, wenn für die Frage, ob eine Person auf den Fortbestand der bisherigen Rahmenbedingungen für eine Nutzung vertrauen darf und insoweit über einen schutzwürdigen und damit abwägungserheblichen Belang verfügt, entscheidend darauf abzustellen wäre, ob die zu einer Änderung dieser Rahmenbedingungen führende Planung öffentliche Belange oder Belange anderer fehlerhaft beeinträchtigt.
4. Hat der Kläger nach alldem keine materiellrechtliche Position, die ihm eine Klagebefugnis vermittelt, so kann er auch nicht geltend machen, Verstöße gegen formellrechtliche Bestimmungen verletzten ihn in seinen Rechten. Die Einhaltung formellrechtlicher Vorschriften ist regelmäßig kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von materiellen Rechten und Belangen. Daher können Form- und Verfahrensvorschriften subjektive Rechte, die Grundlage einer Klagebefugnis sind, grundsätzlich nicht selbständig, sondern nur unter der Voraussetzung begründen, dass sich der behauptete Verstoß auf eine materiellrechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben könnte (vgl. Urteile vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <361 f.>, vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <251 f.> und vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 31). Mangels einer betroffenen materiellrechtlichen Position scheidet diese Möglichkeit von vornherein aus.
Nichts anderes gilt, soweit der Kläger - erstmals in der mündlichen Verhandlung - rügt, der Beklagte hätte über die Änderungsplanung nicht ohne vorherige Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung entscheiden dürfen; auch mit dieser Rüge macht er keinen Rechtsverstoß geltend, auf den er sich ausnahmsweise unabhängig von der Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten berufen könnte. Allerdings erklärt § 4 Abs. 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG, wonach auf eine umweltrechtliche Verbandsklage hin die Zulassungsentscheidung über ein UVP-pflichtiges Vorhaben aufzuheben ist, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung unterblieben ist, auf Rechtsbehelfe sonstiger Beteiligter i.S.d. § 61 Nr. 1 und 2 VwGO für entsprechend anwendbar. § 4 Abs. 3 UmwRG betrifft aber nur die Sachprüfung im Rahmen eines zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens, hat dagegen für die Beurteilung der Klagebefugnis keine Bedeutung.
Dies folgt vor allem aus der Gesetzessystematik und dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Gesetzeszweck. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz normiert in erster Linie die umweltrechtliche Verbandsklage. Zentrale Vorschrift ist § 2 UmwRG, der in Absatz 1 die Klagebefugnis anerkannter Umweltschutzvereinigungen regelt und in seinem Absatz 5 - korrespondierend - bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Klage begründet ist. § 4 Abs. 1 UmwRG knüpft an die dort bezeichneten Verfahrensfehler einer fehlerhaft unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung die Aufhebung der Zulassungsentscheidung und trifft damit eine Fehlerfolgenregelung für die Begründetheitsprüfung. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können, wie es § 46 VwVfG sonst voraussetzt (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 16/2495 S. 14). Mit dieser Regelung sollte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Rechnung getragen werden, der in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 - Rs. C-201/02, Wells - (Slg. 2004, I-723 Rn. 54 ff.) das fehlerhafte Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor Genehmigungserteilung als wesentlichen Verfahrensmangel behandelt hat, auf den sich der von der Genehmigung Betroffene ohne Weiteres berufen kann; es ging also darum, mit der Fehlerfolgenregelung eine europarechtskonforme Umsetzung des in Art. 10a der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, 85/337/EWG, geändert durch Richtlinie 2003/35/EG des Rates vom 26. Mai 2003 (UVP-RL) umrissenen Umfangs der gerichtlichen Verfahrenskontrolle zu sichern (so Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/2495 S. 13 f.). Hingegen ist der Regelung nicht zu entnehmen, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG für den Zugang von Umweltvereinigungen zu Gericht modifiziert oder den in ihr bezeichneten Verfahrenserfordernissen aus sich heraus eine drittschützende Wirkung beigemessen werden sollte.
Indem § 4 Abs. 3 UmwRG die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO für entsprechend anwendbar erklärt, bringt er zum Ausdruck, dass auch insoweit Fehler der beiden genannten Kategorien unabhängig von den sonst nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geltenden einschränkenden Maßgaben zur Begründetheit der Klage führen. Darin erschöpft sich der Regelungsgehalt der Bezugnahme. Weder der Gesetzeswortlaut noch die Stellung der Vorschrift im Gesetz deuten darauf hin, dass weitergehend die Berufung auf die in Rede stehenden Verfahrensfehler auch solchen Personen eröffnet werden sollte, die nicht schon aufgrund einer möglichen Betroffenheit in einem materiellen Recht klagebefugt sind. Das widerspräche im Übrigen dem Sinn und Zweck der Bezugnahme. Sähe man in § 4 Abs. 3 UmwRG eine Regelung, die unabhängig von einer solchen Betroffenheit die Klagebefugnis begründete, so würde damit eine UVP-Interessentenklage eingeführt. Angesichts des erklärten Willens des Gesetzgebers, für Individualklagen an der Systementscheidung zugunsten eines auf subjektive Rechte zugeschnittenen Rechtsschutzes festzuhalten (BTDrucks 16/2495 S. 7 f. und 14), ist ein so weitreichendes Verständnis des § 4 Abs. 3 UmwRG nicht zu rechtfertigen. Die Norm lässt vielmehr den individualrechtsbezogenen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet und weitet durch Verzicht auf die sonst geltenden Einschränkungen der Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern lediglich - insofern § 47 VwGO ähnelnd - den gerichtlichen Umfang der Begründetheitsprüfung gegenüber der Prüfung der Klagebefugnis aus.
Das Unionsrecht gebietet keine abweichende Beurteilung. Daran bestehen keine ernstlichen Zweifel. Nach Art. 10a UVP-RL kann ein Rechtsbehelf durch das nationale Recht davon abhängig gemacht werden, dass der Kläger eine Rechtsverletzung geltend macht. Hierbei ist es Sache der Mitgliedstaaten zu bestimmen, welches die Rechte sind, deren Verletzung zu einem Rechtsbehelf in Umweltangelegenheiten führen kann; ihnen steht es frei, diese Rechtspositionen auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - Rs. C-115/09, Trianel - NJW 2011, 2779 Rn. 44 f.). Dass ein subjektives Recht einem Einzelnen nur zuerkannt wird, sofern er durch die Zulassungsentscheidung überhaupt betroffen wird, widerspricht weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren (Art. 10a Abs. 3 Satz 1 UVP-RL), noch dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip, das ebenso wenig wie das deutsche Recht eine Popular- oder Interessentenklage erfordert.