Entscheidungsdatum: 09.12.2015
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 102 93 247.6
…
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner sowie den Richter Dipl.-Ing. agr. Dr. agr. Huber, den Richter Heimen und den Richter Dipl.-Ing. Brunn
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Patentanmeldung 102 93 247.6-23 mit der Bezeichnung „Tierkotaufsammler und –behälter“ ist am 19. Juli 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Inanspruchnahme der Priorität einer inländischen Voranmeldung (DE 20111338.6) vom 24. Juli 2001 eingegangen. Auf einen mit negativer Verfahrensaussicht abgefassten Erstbescheid der Prüfungsstelle für Klasse A01K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Juli 2005 hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt überarbeitete Unterlagen (2 Blatt Beschreibung, Patentansprüche 1 bis 5, 1 Blatt Zeichnungen mit Fig. 1 bis 3) vorgelegt (eingegangen am 31. Oktober 2005).
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
„Luftdicht und fest verschraubbarer Tierkotaufsammler und –behälter in Form einer Schaufel, fest verbunden (selbes Material) mit dem am Gehäuse anschraubbaren Griff; dieses luftdicht und fest verschraubbare Gehäuse lässt das Transportieren und Aufbewahren von Tierkot zu:
dadurch gekennzeichnet,
dass beim (1) Tierkotaufsammler und –behälter (Zeichnungen Figur 1, Figur 2 und Figur 3, Seiten )
die (3) Schaufel in einem Stück verarbeitet mit dem (am (2) Gehäuse) anschraubbaren (4) Griff, durch ein (5) Schraubgewinde mit dem (2) Gehäuse luftdicht und fest verschlossen werden kann.
Die Erfindung lässt dadurch ein unproblematisches Aufsammeln, Aufbewahren und Transportieren von Tierkot zu.“
Die diesem Hauptanspruch offenbar nachgeordneten geltenden Patentansprüche 2 bis 5 haben folgenden Wortlaut:
„2. Der Tierkotaufsammler und –behälter ist nicht an ein bestimmtes Material in der Herstellung gebunden. Er kann somit je nach Bedarf einfach oder luxuriös hergestellt werden und ist somit vom Material her variabel. Das gilt für das (2) Gehäuse ebenso wie für die (3) Schaufel mit angrenzendem (4) Griff.
3. Der Tierkotaufsammler und –behälter ist in der Größe durch die verschieden großen Kotmengen nicht festgelegt und somit in der Produktion von der Größe her variabel.
4. Der Tierkotaufsammler und -behälter ist von der Form her variabel. Er ist nicht festgelegt auf die runde Form und kann somit weitere Formen annehmen (ob dreieckig, viereckig, sechseckig oder anders). Das gilt ebenso für den (4) Griff, wie für die (3) Schaufel und für das (2) Gehäuse.
5. Größe, Material und Form des Tierkotaufsammlers und –behälter werden bestimmt durch das Design.“
Zu diesen Unterlagen war von der zuständigen Prüfungsstelle für Klasse A01K in einem Zweitbescheid vom 15. Januar 2008 Stellung genommen worden. In diesem Bescheid sind formale Mängel dahingehend gerügt worden, dass der Patentanspruch 1 unzulässiger Weise in Klammern gesetzte Begriffe und Bezugnahmen auf Beschreibung und Zeichnungen enthalte und schon aus diesem Grunde auch mangels Klarheit nicht gewährbar sei, während die Ansprüche 2 bis 4 keine Lehre zum technischen Handeln zum Inhalt hätten und der Anspruch 5 auf ein dem Patentschutz nicht zugängliches Design gerichtet sei.
Die im geltenden Patentanspruch 1 erkennbare technische Lehre sei darüber hinaus – soweit überhaupt klar – gegenüber dem Stand der Technik nach der US 5 711 564 A und GB 2 155 744 A nicht patentfähig, denn, es hätte lediglich einfacher handwerklicher Maßnahmen bedurft, um in Kenntnis dieses Standes der Technik zum Gegenstand der vorliegenden Anmeldung zu gelangen.
Nachdem der Prüfungsbescheid offenbar versehentlich mit einem unzutreffenden Datum (13.03.08) versandt worden war, wurde er der Anmelderin mit amtlichen Schreiben vom 14. März 2008 noch einmal mit dem korrekten Datum 15. Januar 2008 übermittelt.
Nachdem sich die Wohnanschrift der Anmelderin zwischenzeitlich geändert hatte und Zustellungen nicht erfolgreich ausgeführt werden konnten, hat die Anmelderin dem Deutschen Patent-und Markenamt mit Schreiben vom 2. März 2008 eine neue zustellungsfähige Anschrift bekannt gegeben, welche das Deutsche Patent- und Markenamt auch bereits durch eine Anfrage an die Meldestelle der Stadt Delmenhorst ermittelt hatte.
Mit Schreiben vom 10. November 2008 hat das Deutsche Patent- und Markenamt eine Fristverlängerung für die Beantwortung des letzten Prüfungsbescheides bis zum 1. März 2009 gewährt.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2009, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 25. Februar 2009 hat die Anmelderin um eine nochmalige Fristverlängerung von „ca. 4-5 Monaten“ gebeten.
Nachdem auch innerhalb dieser Frist keine Stellungnahme der Anmelderin zur Akte gelangt war, erging am 14. September 2009 der Beschluss des Deutschen Patent-und Markenamts dahingehend, dass die Patentanmeldung 102 93 247.6-23 aus Gründen des Bescheides vom 15. Januar 2008 gemäß § 48 PatG zurückgewiesen wird.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die Anmelderin hat gleichzeitig mit der Beschwerdeeinlegung die Weiterbehandlung gemäß § 123a PatG beantragt.
Weitere prozessuale oder sachliche Stellungnahmen der Anmelderin sind beim Deutschen Patent- und Markenamt nicht mehr zur Akte gelangt.
Nachdem die Anmelderin die Frist zur Nachholung der versäumten Handlung nicht wahrgenommen hatte, konnte eine Weiterbehandlung i. S. v. § 123a PatG nicht erfolgen, so dass die Sache beim Bundespatentgericht anhängig wurde.
Mit Hinweisverfügung des Berichterstatters des 8. Senats des Bundespatentgerichts vom 12. Oktober 2015 ist der Anmelderin mitgeteilt worden, dass die von der Prüfungsstelle für Klasse A01K des Deutschen Patent- und Markenamts bereits mit Prüfungsbescheid vom 15. Januar 2008 gerügten formalen Mängel in den geltenden Patentansprüchen 1 bis 5 bislang weiter fort bestehen würden und diese Ansprüche daher bereits aufgrund der im Zwischenbescheid noch einmal dargestellten formalen Mängel nicht als Grundlage für eine Patenterteilung geeignet seien. Ferner wurde der Anmelderin mitgeteilt, dass die im geltenden Patentanspruch 1 beschriebene Lehre zum technischen Handeln von einem Fachmann in Kenntnis des vorveröffentlichten Standes der Technik nach der US 5 711 564 A bereits ohne erfinderisches Zutun auffindbar gewesen sei, so dass dieser Anspruch gegenüber dem genannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und einer Patenterteilung daher nicht zu Grunde gelegt werden könne. Daher müsse mit der Zurückweisung der Anmeldung sowohl aus formalen Gründen als auch aus Gründen des im Verfahren befindlichen Standes der Technik gerechnet werden. Zur Stellungnahme wurde eine Frist von einem Monat eingeräumt.
Die Anmelderin hat sich mit Schreiben vom 13. November 2015 (eingegangen am 16. November 2015) innerhalb der gesetzten Frist geäußert. Aus diesem überwiegend auf ihre persönliche Situation gerichteten Schriftsatz ist insbesondere aus der 1. Seite, letzter Abs. sowie aus der 5. Seite, 3. Abs. bis zur 6. Seite 1. Abs. jedoch eindeutig erkennbar, dass die Anmelderin an ihrer „Idee“, welche aus der Zeichnung hinsichtlich ihrer Formgebung ersichtlich sei, festhalten wolle. Neue oder überarbeitete Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
Die Anmelderin begehrt sinngemäß, den Beschluss der Prüfungsstelle vom 14. September 2009 aufzuheben und das Patent zu erteilen.
Wegen weiterer Einzelheiten im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet, denn die geltenden Patentansprüche 1 bis 5 enthalten erhebliche formale Mängel und der Anmeldungsgegenstand stellt auch keine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis § 5 dar.
1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 5 enthalten formale Mängel, die dazu führen, dass diese Ansprüche keine Grundlage für die Erteilung eines Patents bilden können.
Die bereits seitens der Prüfungsstelle gemäß Prüfungsbescheid vom 15. Januar 2008 sowie nochmals gemäß Zwischenverfügung des Senats vom 12. Oktober 2015 gerügten formalen Mängel bestehen weiter fort.
Der geltende Patentanspruch 1 enthält im kennzeichnenden Teil, in dem die Erfindung charakterisiert werden soll, nach dem Ausdruck „Tierkotaufsammler und –behälter“ einen Klammerausdruck mit dem Wortlaut: „(Zeichnungen Figur 1, Figur 2 und Figur 3, Seiten )“, der als Bezugnahme auf Beschreibung und Zeichnungen zu werten ist. Derartige Bezugnahmen sind aber gemäß § 34 PatG i. V. m. § 9 (8) PatV jedenfalls dann nicht zulässig, wenn dies nicht zum Verständnis des beanspruchten Gegenstandes unbedingt erforderlich ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn der Patentanspruch ist auch ohne Bezugnahme auf die Beschreibung und die Zeichnungen verständlich.
Ein im Anspruch 1 noch enthaltener abgesetzter Nachsatz mit dem Wortlaut: „Die Erfindung lässt dadurch ein unproblematisches Aufsammeln, Aufbewahren und Transportieren von Tierkot zu“ beschreibt einen Vorteil, den die Verwendung einer im vorangegangenen Anspruchstext beschriebenen Vorrichtung möglicherweise erzielt. Diese Formulierung gehört jedoch nicht in einen Hauptanspruch, in dem eine Vorrichtung beschrieben werden soll und gibt nicht an, was unter Schutz gestellt werden soll.
Schon aus diesen Gründen ist der geltende Patentanspruch 1 nicht gewährbar.
Die Ansprüche 2 bis 5, die – auch wenn dies nicht ausdrücklich angegeben ist – wegen des einleitend benutzten bestimmten Artikels offensichtlich auf Anspruch 1 rückbezogen sein sollen und den dort beschriebenen Gegenstand weiter bilden sollen, entsprechen nicht § 9 (6) PatV.
Aus den Unteransprüchen ist letztlich nur zu entnehmen, dass das Material (Anspruch 2), die Größe (Anspruch 3) und die Form (Anspruch 4) beliebig gewählt werden können und nur durch das Design bestimmt werden (Anspruch 5). Die Ansprüche 2 bis 4 enthalten somit keine Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1, der in seiner allgemeinen Formulierung Tierkotaufsammler und –behälter aus jedem Material, in jeder Größe und in jeder Form umfasst. Zu Anspruch 5 wird noch darauf hingewiesen, dass Designmerkmale zur Begründung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht herangezogen werden können.
2. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 mag als neu gelten und auch gewerblich anwendbar sein. Er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, § 4 PatG.
Die im geltenden Anspruch 1 als Hauptanspruch beschriebene Lehre zum technischen Handeln ist auf einen Tierkotaufsammler und –behälter gerichtet, der aus einer Schaufel mit einem Griff besteht, wobei diese beiden Elemente einstückig ausgebildet sind (vgl. „… die (3) Schaufel in einem Stück verarbeitet …“ im Kennzeichen des Anspruchs 1) und bei dem über ein Schraubgewinde am Griff der Schaufel ein Gehäuse zum Aufbewahren und Transportieren von Tierkot luftdicht und fest verschraubbar angebracht werden kann.
Ein derartiges Schaufelteil ist bereits durch die US 5 711 564 A prinzipiell bekannt geworden, wie der Anmelderin u. a. auch schon mit Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle für Klasse A 01 K vom 15. Januar 2008 und nochmalig durch den gerichtlichen Hinweis mitgeteilt worden war.
Diese Entgegenhaltung lässt insbesondere in Fig. 5 ein Schaufelteil (10) erkennen, an dessen einstückig mit dem Schaufelteil (10) verbundenen Griffteil ein (am Griff) luftdicht und fest verschlossener Beutel (48) angebracht werden kann (vgl. hierzu auch Text in Sp. 3, Zeilen 10 bis 13, insbes. „The disposable bag is preferably plastic and has a sealable opening which fits snugly over the end of the scoop apparatus and can be held by a person using the scoop“).
Durch diese technische Offenbarung der US 5 711 564 A ist es bereits vor dem Prioritätstag der vorliegenden Patentanmeldung bekannt gewesen, eine Schaufel zum Aufsammeln von Tierkot mit einem über dem Griffteil angebrachten Behälter zu verwenden, in dem der Tierkot luftdicht abgeschlossen transportierbar ist.
Anders als beim Gegenstand der vorliegenden Anmeldung ist der bei dem Stand der Technik nach der US 5 711 564 A flexibel ausgebildete Behälter nicht über ein Schraubgewinde, sondern über einen dicht und eng anliegenden Beutelanschluss mit der Schaufel verbunden.
Dieser technische Unterschied vermag jedoch keine patentbegründende Wirkung zu entfalten, denn er stellt für den vorliegenden Anwendungsfall lediglich eine einfache technische Modifikation dar, die technisch äquivalent ist und demselben Zweck dient, ohne dass von der Maßnahme der Wahl einer Verschraubung anstatt einer ebenfalls dichten Aufsteckverbindung noch eine überraschende Wirkung zu erwarten gewesen wäre.
Nachdem der abgeschlossene und geruchsfreie Transport des Tierkots bereits durch die US 5 711 564 A mit Hilfe flexibler Behältnisse bekannt war, war es für den Fachmann naheliegend, nach Alternativen zu den flexiblen beutelartigen Behältnissen zu suchen, insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung von „Plastikmüll“.
Eine derartige technische Modifikation von wegwerfbaren Kunststoffbeuteln zu wiederverwendbaren festen Behältnissen war dem maßgeblichen Fachmann, einem Techniker für die Herstellung kleiner Handgeräte für die Tierpflege und –haltung, am Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung ohne erfinderisches Zutun möglich und auch durch den allgemeinen Trend hin zu wiederverwendbaren Bauteilen veranlasst.
Der geltende Anspruch 1 beruht gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Anspruch 1 ist daher nicht gewährbar und kann einer Patenterteilung nicht zu Grunde gelegt werden.
Nach Fortfall des Anspruchs 1 sind die Ansprüche 2 bis 5 schon auf Grund des Antragsprinzips nicht gewährbar.
3. Die gesamten Unterlagen gemäß Ansprüchen, Beschreibung und Zeichnungen lassen sowohl in der ursprünglichen als auch in der geltenden Fassung keine weiteren technischen Einzelheiten erkennen, die über die im geltenden Patentanspruch 1 bereits beschriebene technische Lehre hinaus gehen. Die gesamte Offenbarung der Anmeldung konnte daher ebenfalls keine Grundlage zur Erarbeitung tragfähiger Patentansprüche bieten.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung – eine solche war seitens der Anmelderin nicht beantragt worden – wurde auch vom Senat nicht für sachdienlich erachtet, § 78 PatG.