Entscheidungsdatum: 09.07.2014
1. Ein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV (juris: GlüStVtr BW 2012) wird nur dann verlangt, wenn die Gewinnchance gerade aus dem Entgelt erwächst (wie BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2013 - BVerwG 8 C 21.12 - und vom 22. Januar 2014 - BVerwG 8 C 26.12 -).
2. Die von einem Möbel- und Einrichtungshaus geplante Werbeaktion "Sie bekommen den Kaufpreis zurück, wenn es am ... regnet" ist kein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV.
Die Klägerin beabsichtigt, eine Werbeaktion durchzuführen, bei der jedem Kunden, der innerhalb eines vorab festgelegten Aktionszeitraums in ihrem Einrichtungshaus Waren für mindestens 100 € erwirbt, der Kaufpreis zurückerstattet wird, wenn es an einem vorbestimmten Stichtag zwischen 12.00 und 13.00 Uhr am Flughaften Stuttgart mindestens eine Niederschlagsmenge von 3 l/qm regnet. Um den Kaufpreis zurückzuerlangen, müssen sich die Kunden bei Erfüllung dieser Voraussetzungen nach dem Stichtag bei der Klägerin melden und ihre Einkäufe während des Aktionszeitraums nachweisen.
Mit dem auf Antrag der Klägerin ergangenen Bescheid vom 2. November 2011 stellte der Beklagte fest, dass es sich bei der geplanten Werbeaktion um ein erlaubnispflichtiges Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV handele. Dies folge insbesondere daraus, dass der gezahlte Kaufpreis als Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance anzusehen sei.
Der auf die Aufhebung des Bescheides sowie auf die Feststellung, dass es sich bei der geplanten Werbeaktion um kein Glücksspiel nach § 3 Abs. 1 GlüStV handele, gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. März 2012 stattgegeben.
Die dagegen vom Beklagten eingelegte Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 9. April 2013 zurückgewiesen. In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Da von dem jeweiligen Kunden kein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance gefordert werde, handele es sich bei der Werbeaktion der Klägerin nicht um ein Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV. Der Kunde leiste den Kaufpreis für den Erwerb der gekauften Ware. Es werde auch kein verdecktes Entgelt verlangt, da die Ware mit Blick auf die Werbeaktion nicht teurer verkauft werde. Selbst wenn man mit dem vom Beklagten favorisierten weiten Entgeltbegriff jedes Vermögensopfer im Rahmen des "Entgelts" genügen lasse, werde dieses jedenfalls nicht "im Rahmen eines Spiels" erbracht, sondern für die gekaufte Ware geleistet.
Mit seiner dagegen eingelegten Revision macht der Beklagte insbesondere geltend, der von der Klägerin von ihrem Kunden geforderte Kaufpreis für die Waren habe eine Doppelfunktion. Seine Zahlung sei als "verdecktes" glücksspielrechtliches Entgelt zu werten, da die Kaufpreiszahlung zwingende Voraussetzung für den Erwerb der Gewinnchance sei, der Verkaufspreis über dem objektiven Wert der Ware liege und der Kunde den Kauf im Hinblick auf die Gewinnchance tätige. In der Kaufpreiszahlung liege damit jedenfalls auch der Erwerb einer Gewinnchance im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV. Er beantragt,
die Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März 2012 und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 9. April 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs.
Die Revision hat keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Sowohl die Anfechtungs- als auch die Feststellungsklage der Klägerin sind zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 2. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die von der Klägerin geplante Werbeaktion zu Recht nicht als Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) qualifiziert. Da das Revisionsgericht diejenige Rechtslage zugrunde legen muss, die das Berufungsgericht, entschiede es jetzt, anzuwenden hätte (stRspr; vgl. u.a. Urteile vom 18. Dezember 1992 - BVerwG 7 C 16.92 - BVerwGE 91, 334 <338> = Buchholz 113 § 12 InVorG Nr. 1 und vom 16. Oktober 2013 - BVerwG 8 C 21.12 - BVerwGE 148, 146 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 289 = GewArch 2014, 217 m.w.N.), beurteilt sich dies nach dem Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung des am 1. Juli 2012 in Baden-Württemberg in Kraft getretenen Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages vom 15. November 2011 (GBl vom 29. Juni 2012, S. 387), der nunmehr gemäß § 33 GlüStV revisibel ist.
Ein Glücksspiel liegt nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen eines Spieles für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 16. Oktober 2013 (a.a.O. "Super-Manager-Spiel") und vom 22. Januar 2014 (BVerwG 8 C 26.12 - juris - "Poker-Turnier") bereits entschieden, dass sich jedenfalls das Tatbestandsmerkmal des "Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance" gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV mit dem des "Einsatzes" für ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB insoweit deckt, als verlangt wird, dass die Gewinnchance gerade aus dem Entgelt erwächst (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 29. September 1986 - 4 StR 148/86 - BGHSt 34, 171 <175 f.>). Das ist der Fall, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Entgelt und Gewinnchance besteht. Dazu muss sich die Gewinnchance gerade aus der Entgeltzahlung ergeben. Hieran hält der Senat auch nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage fest.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Auch während der geplanten Werbeaktion entrichten die Kunden bei ihren Einkäufen im Einrichtungszentrum der Klägerin den Kaufpreis nicht für den Erwerb einer Gewinnchance, sondern für die zu erwerbende Ware. Für Waren mit einem Preis unter 100 € steht dies zwischen den Parteien nicht im Streit. Nichts anderes gilt aber auch für den Kauf von Möbeln oder anderen Einrichtungsgegenständen zu einem Preis von 100 € oder mehr. Auch dann ist Gegenstand des Rechtsgeschäfts der Erwerb der Ware. Hierauf ist die Kaufentscheidung ausgerichtet; hiervon wird sie geprägt. Die Kunden wollen dabei ein Möbelstück oder einen anderen Kaufgegenstand zu einem marktgerechten Preis erwerben. Auch während der Werbeaktion haben sie die Möglichkeit, Preisvergleiche bei Konkurrenten anzustellen und ihre Kaufentscheidung zur Deckung des von ihnen gesehenen Bedarfs an der zu erwerbenden Ware frei zu treffen. Ob der Kaufentschluss dabei von anderen Motiven der Käufer, von in Aussicht gestellten Rabatten oder Zugaben oder anderen Werbemaßnahmen des Einrichtungszentrums beeinflusst wird oder nicht, ist für Inhalt und Gegenstand des Rechtsgeschäfts ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass der Kaufpreis für den Erwerb der Ware verlangt und entrichtet wird.
Während der von der Klägerin geplanten Werbeaktion wird für die dem Warenkauf nachfolgende Beteiligung von Kunden an der Aktion zur Rückerstattung des Kaufpreises kein Entgelt verlangt. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin für den Fall des Eintritts bestimmter Bedingungen ausgelobte Rückerstattung des Kaufpreises als eine gemäß § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingte Schenkung qualifiziert. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob die Kunden daran teilnehmen, bleibt ihrer freien Entscheidung überlassen. Sie können die gekaufte Ware unabhängig von ihrer nachfolgenden Beteiligung oder Nichtbeteiligung an der Gewinnaktion in jedem Falle behalten. Das mit der Rückerstattung des Kaufpreises verbundene Verlustrisiko, das nicht durch im Rahmen der Werbeaktion erzielte höhere Umsätze und Gewinne ausgeglichen wird, trägt die Klägerin, nicht jedoch der jeweilige Kunde. Diese Risiken sucht die Klägerin nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen durch eine Versicherung abdecken zu lassen.
Von den Kunden wird auch kein Entgelt in verdeckter Form für den Erwerb einer Gewinnchance verlangt. Die Klägerin nimmt nach den tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs während des Aktionszeitraums keine Anhebung der Verkaufspreise vor. Sie werden insbesondere nicht im Hinblick auf die Werbeaktion erhöht.
Der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 1958 (5 StR 579/57 - BGHSt 1, 209 <210> gibt zu einer anderen Beurteilung keine Veranlassung. Das folgt schon daraus, dass der jener Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ein anderer war. Ausweislich der getroffenen gerichtlichen Feststellungen musste damals jeder, der den Veranstaltungsraum der "H." betreten und sich an dem angebotenen Roulettespiel beteiligen wollte, mindestens eine Verzehrkarte für 20 DM kaufen, der zehn "Gratischips" beigefügt waren. Die Entrichtung des Entgelts von 20 DM war mithin auf die Teilnahme an dem Roulettespiel ausgerichtet, für das die "Gratischips" benötigt wurden. Daran ändert auch nichts, dass die Besucher neben den "Gratischips" Verzehrkarten für Getränke und Speisen erhielten, wobei das Urteil ausdrücklich offen ließ, ob die Getränke und Speisen gleichwerte Gegenleistungen waren.