Entscheidungsdatum: 26.01.2011
1. Der Begriff des Zugangs zu selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 AGG setzt nicht voraus, dass es sich bei der selbstständigen Tätigkeit um einen eigenständigen Beruf im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt.
2. Die Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs ist ein legitimes Ziel, das für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige eine Ungleichbehandlung wegen des Alters durch Festsetzung eines Höchstalters von 68 Jahren mit einer Verlängerung bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres rechtfertigen kann.
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung einer weiteren Verlängerung seiner öffentlichen Bestellung zum vereidigten Sachverständigen.
Mit Bescheid vom 27. November 1978 war der am ... geborene Kläger als Sachverständiger für die Sachgebiete "Anwendung der EDV im Rechnungswesen und Datenschutz" öffentlich bestellt und vereidigt worden. Mit Bescheid vom 30. August 2000 hatte die Beklagte das Sachgebiet auf "EDV im Rechnungswesen und Datenschutz sowie EDV in der Hotellerie" erweitert. Die öffentliche Bestellung war gemäß der Sachverständigenordnung vom 5. Dezember 2001 (SVO 2002) der Beklagten bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres des Klägers am 26. April 2004 befristet worden. Sie wurde auf Antrag des Klägers mit Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2003 um 3 Jahre bis zum 26. April 2007 verlängert. Der bestandskräftig gewordene Bescheid enthielt den Hinweis, nach diesem Zeitpunkt sei eine Verlängerung der öffentlichen Bestellung aus Rechtsgründen nicht mehr möglich. Den mit Schreiben vom 12. Januar 2007 gestellten Antrag des Klägers auf eine weitere Verlängerung der Bestellung um 5 Jahre, hilfsweise eine Verlängerung um 4 Jahre bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. März 2007 ab.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24. Mai 2007) erhobene Klage mit dem Begehren, die Beklagte zur Neubescheidung des Antrages vom 12. Januar 2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11. März 2008 abgewiesen. Der Kläger habe bereits die ihm sowohl nach altem wie nach neuem Satzungsrecht eingeräumte einmalige Verlängerungsmöglichkeit ausgeschöpft und die im Bescheid vom 25. Juni 2003 auf 3 Jahre beschränkte Verlängerung der Bestellung in Bestandskraft erwachsen lassen.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt und zur Begründung insbesondere vorgetragen, die in der Sachverständigenordnung der Beklagten vorgesehene Höchstaltersgrenze in Verbindung mit einer Verlängerungsmöglichkeit der Bestellung bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres erfülle den Tatbestand einer unzulässigen Altersdiskriminierung.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 28. Januar 2009 zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts scheitere das Begehren des Klägers allerdings nicht an der Bestandskraft des Bescheides der Beklagten vom 25. Juni 2003, mit dem die öffentliche Bestellung bis zum 26. April 2007 verlängert worden sei. Ein darüber hinausgehender rechtlicher Regelungsgehalt lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Für den Kläger habe kein Anlass bestanden, die Frage der Berechtigung einer Ablehnung eines weiteren Verlängerungsantrages damals einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen.
Der Kläger könne jedoch unabhängig davon nicht die Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, seinen Antrag vom 12. Januar 2007 auf Verlängerung seiner öffentlichen Bestellung als Sachverständiger um 5 Jahre, hilfsweise bis zum 75. Lebensjahr, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Eine nochmalige Verlängerung der Bestellung über das 71. Lebensjahr hinaus sei nach den eindeutigen Regelungen der Sachverständigenordnung der Beklagten ausgeschlossen, ohne dass der Beklagten insoweit ein Ermessensspielraum verbleibe. § 22 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 der Sachverständigenordnung verstoße weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl EG Nr. L 303 S. 16 - im Folgenden: Richtlinie 2000/78/EG). Die Festlegung der Altersgrenze in der Sachverständigenordnung der Beklagten genüge den formellen und materiellen Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG. Die Regelung des § 36 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 GewO sei als Ermächtigungsgrundlage der Satzung hinreichend bestimmt. Die Festsetzung der Altersgrenze sei ferner durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt, weil damit erreicht werden solle, die mit der öffentlichen Bestellung zum vereidigten Sachverständigen verbundene besondere Qualifikation denjenigen vorzubehalten, die körperlich und geistig in der Lage seien, den aus dieser Qualifikation resultierenden Anforderungen zu genügen und dem mit ihr verbundenen Vertrauen der Öffentlichkeit in die besondere Qualität dieser Sachverständigen und ihrer Gutachten gerecht zu werden. Die gutachterliche Tätigkeit eines Sachverständigen, der nicht mehr über eine hinreichende Leistungsfähigkeit verfüge, begründe erhebliche Gefahren für Auftraggeber und Allgemeinheit. Die Festsetzung einer Altersgrenze diene damit auch dem Regelungsziel des § 36 Abs. 1 GewO, im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs und einer funktionierenden Rechtspflege Behörden, Gerichten und privaten Interessenten für komplizierte Sachverhaltsfeststellungen und Prüfungen kompetente und glaubwürdige Fachleute anzubieten.
Die Festsetzung einer Altersgrenze bei Vollendung des 68. Lebensjahres sei zur Erreichung des Regelungsziels geeignet. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung werde die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter größer; der Durchschnitt der Berufstätigen im siebten Lebensjahrzehnt erfahre eine Abnahme der Leistungsfähigkeit, die einen Einschnitt rechtlicher Art erlaube und unter Umständen fordere. Es seien auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Annahme nicht mehr zutreffend sein könnte. Das pauschale gegenteilige Vorbringen des Klägers biete jedenfalls keinen Anlass, von dieser Einschätzung abzuweichen.
Die Altersgrenze sei auch erforderlich. Bei der Einschätzung der Erforderlichkeit einer Maßnahme verfüge der Normgeber über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum. Er sei im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes nicht darauf beschränkt, zur Sicherstellung seines Regelungsziels jeweils im Einzelfall ab Vollendung des 68. Lebensjahres eines öffentlich bestellten Sachverständigen eine individuelle Prüfung der Leistungsfähigkeit vorzunehmen. Er habe vielmehr auf der Grundlage von Erfahrungswerten eine generalisierende Regelung erlassen dürfen.
Entgegen der Auffassung des Klägers sei auch kein milderes Mittel ersichtlich, das die gleiche Wirksamkeit zur Erreichung des Regelungsziels gewährleiste. Eine mit jeder Verlängerung verbundene individuelle Prüfung der Eignung und besonderen Sachkunde stelle im Vergleich zu einer pauschalierenden Altersgrenze kein taugliches milderes Mittel dar. Jedenfalls sei eine solche individuelle Überprüfung nicht gleich geeignet, den Gefahren einer altersbedingten Verschlechterung der Leistungsfähigkeit zu begegnen, weil sie regelmäßig später als die Verschlechterung stattfände.
Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs sowie dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe werde die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten, so dass die generalisierende Altersgrenze auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne entspreche. Der Eingriff erfahre durch die einmalige befristete Verlängerungsmöglichkeit bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres eine erhebliche Abmilderung. Zusätzlich werde er in seinen Auswirkungen dadurch abgemildert, dass der Kläger nicht gehindert sei, auch ohne öffentliche Bestellung weiterhin als Sachverständiger tätig zu sein, was dieser auch tue.
Ein Verstoß der satzungsrechtlichen Festlegung der Höchstaltersgrenze gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei nicht ersichtlich. Vorliegend sei bereits zweifelhaft, ob die Bestellung als öffentlicher Sachverständiger überhaupt in den Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes falle, weil die Tätigkeit als öffentlich bestellter Sachverständiger nicht als eigene selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden könne. Jedenfalls sei die Altersgrenze aber gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG zulässig.
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei die Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger eine selbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 AGG und ein eigenständiger Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG. Die in der Sachverständigenordnung der Beklagten normierte Höchstaltersgrenze stelle eine sowohl nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz als auch nach der Richtlinie 2000/78/EG und dem Unionsrecht unzulässige Altersdiskriminierung dar und sei damit wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig bzw. unanwendbar. Zumindest müsse die Regelung der Sachverständigenordnung über die Altersgrenze verfassungs- und richtlinienkonform in der Weise ausgelegt werden, dass in begründeten Einzelfällen auch eine befristete Bestellung über die Altersgrenze hinaus nochmals zu verlängern sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. März 2008 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Januar 2009 den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2007 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 12. Januar 2007 auf öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger für "EDV im Rechnungswesen und Datenschutz sowie EDV in der Hotellerie" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts.
Die Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ohne Verstoß gegen revisibles Recht zurückgewiesen.
Nach der für das Revisionsgericht bindenden Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch die Vorinstanz kann der Kläger von der Beklagten nicht beanspruchen, seinen Antrag vom 12. Januar 2007 auf Verlängerung seiner öffentlichen Bestellung als Sachverständiger um 5 Jahre, hilfsweise bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Einer weiteren Verlängerung der Bestellung stehen die Regelungen der Sachverständigenordnung (SVO) der Beklagten entgegen. Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob hierfür auf § 22 Abs. 2 der ursprünglichen SVO vom 5. Dezember 2001 (SVO 2002) oder auf dessen Fassung gemäß Beschluss der Vollversammlung der Beklagten vom 3. Dezember 2007 (SVO 2008) abzustellen ist. Nach beiden Regelungen scheidet eine solche nochmalige Verlängerung aus. Denn gemäß § 22 Abs. 1 Buchst. d SVO 2002/2008 erlischt die öffentliche Bestellung, wenn der Sachverständige das 68. Lebensjahr vollendet hat. Gemäß § 22 Abs. 2 SVO 2002/2008 kann die Beklagte in begründeten Ausnahmefällen eine einmalige befristete Verlängerung der öffentlichen Bestellung bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres zulassen. Einem solchen Antrag hatte die Beklagte bereits entsprochen, so dass eine weitere Verlängerung der öffentlichen Bestellung nach § 2 Abs. 4 SVO 2002/2008 ausscheidet.
Die Vorschriften der von der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts auf der Grundlage von § 36 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 GewO als Satzung erlassenen SVO 2002/2008 sind als Landesrecht nicht revisibel. Die revisionsgerichtliche Prüfung muss von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des Landesrechts ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Das Revisionsgericht kann insoweit lediglich nachprüfen, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung oder deren Ergebnis Bundesrecht - insbesondere Bundesverfassungsrecht - oder das Recht der Europäischen Union verletzen (stRspr; vgl. u.a. Urteile vom 12. November 1993 - BVerwG 7 C 23.93 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 38 S. 21 <23 f.> = BVerwGE 94, 288 und vom 9. Dezember 2009 - BVerwG 8 C 17.08 - Buchholz 415.1 AllgKommunalR Nr. 173). Das ist hier nicht der Fall.
Nicht beanstandet werden kann, dass das Berufungsgericht weder die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl EG Nr. L 255 S. 22) noch die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl EG Nr. L 376 S. 36) berücksichtigt hat. Beide setzen einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus (vgl. Art. 1 und 2 Richtlinie 2005/36/EG bzw. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 10 der Richtlinie 2006/123/EG), woran es hier fehlt. Es liegt auch kein Fall der Inländerdiskriminierung vor, weil die Höchstaltersgrenze für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen in § 22 SVO 2002/2008 unabhängig von der Staatsangehörigkeit für alle Sachverständigen gilt, die eine Bestellung anstreben.
Die auf § 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Buchst. d SVO 2002/2008 gestützte Ablehnung des Verlängerungsantrages verstößt nicht gegen die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160), zu dessen Zielen es nach § 1 AGG gehört, Benachteiligungen wegen des Alters zu verhindern oder zu beseitigen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG umfasst sein sachlicher Anwendungsbereich bei selbstständiger Erwerbstätigkeit die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg.
Zwar stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Maßnahmen, die die öffentliche Bestellung von Sachverständigen einschränken, keine Regelungen der Berufswahlfreiheit, sondern Berufsausübungsregelungen dar, weil sich öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige von den übrigen Sachverständigen nicht durch die Zugehörigkeit zu einem eigenständigen Beruf, sondern nur durch die staatliche Feststellung ihrer Qualifikation als Sachverständige unterscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 - 1 BvR 298/86 - BVerfGE 86, 28 <38>). Der Zugang zu selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 AGG ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der Berufswahl, wie ihn das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der sog. "Dreistufentheorie" zu Art. 12 Abs. 1 GG entwickelt hat, sondern geht über diesen hinaus. Als selbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG ist jede Tätigkeit anzusehen, die unabhängig von Weisungen, also frei in Bezug auf die Organisation der Arbeit ist sowie gegen Vergütung und auf eigene Rechnung erfolgt. Erfasst sind damit u.a. freiberufliche und unternehmerische Dienste (vgl. dazu u.a. Meinel/Heyn/Herms, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2010, § 2 Rn. 9 ff. m.w.N. und § 6 Rn. 24 ff.). Die Tätigkeit des Klägers als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger stellt eine solche selbstständige Tätigkeit im Sinne der Vorschrift dar, da sie gegen Vergütung, auf eigene Rechnung und frei von Weisungen in Bezug auf die Organisation der Arbeit erfolgt.
Zu den Bedingungen für den Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zählen die Voraussetzungen, die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich sind oder die rechtliche Grundlage für die Aufnahme der Tätigkeit darstellen. Entscheidend dafür, ob der "Zugang" zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit durch die in Rede stehende Höchstaltersgrenze des § 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Buchst. d SVO 2002/2008 beschränkt wird, ist, ob die Regelung geeignet ist, die Nachfrage nach den vom Kläger angebotenen Dienstleistungen zu beschränken (EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Domnica Petersen - juris Rn. 33).
Zwar übt auch ein nicht öffentlich bestellter Sachverständiger eine selbstständige Tätigkeit aus, die sich in der Tätigkeit selbst nicht von der des öffentlich bestellten Sachverständigen unterscheiden muss. Bestimmte Gutachtertätigkeiten sind aber dem öffentlich bestellten Sachverständigen vorbehalten, der aufgrund der öffentlichen Bestellung auch wesentliche Wettbewerbsvorteile gegenüber dem nicht öffentlich bestellten Sachverständigen hat. Mit der öffentlichen Bestellung werden einem Sachverständigen diejenigen Eigenschaften amtlich bestätigt, die für seinen beruflichen Erfolg entscheidend sind: fachliche Kompetenz und persönliche Integrität. Daraus ergibt sich ein erheblicher Wettbewerbsvorsprung gegenüber denjenigen Sachverständigen, die auf keine staatliche Anerkennung ihrer Kompetenz verweisen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 - a.a.O. <37> = juris Rn. 38). Wer Sachverstand benötigt, wird sich im Zweifelsfall zunächst an öffentlich bestellte Sachverständige wenden. Den Gerichten wird dies sogar in den Prozessordnungen ausdrücklich vorgeschrieben; sie sollen Gutachten nach Möglichkeit bei öffentlich bestellten Sachverständigen anfordern (§ 404 Abs. 2 ZPO; § 73 Abs. 2 StPO; § 98 VwGO). Wo in Gesetzen an komplizierte Sachverhalte bestimmte Rechtsfolgen geknüpft werden, wird vielfach ebenfalls zur Feststellung des Sachverhalts das Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen gefordert (vgl. z.B. § 2 Nr. 18 BattG; § 6 Nr. 1 AltfahrzeugV).
Damit ist das Erlöschen der öffentlichen Bestellung aufgrund des in § 22 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Abs. 2 SVO 2002/2008 geregelten Höchstalters geeignet, die Nachfrage nach den vom Kläger angebotenen Dienstleistungen als öffentlich bestellter Sachverständiger für "EDV im Rechnungswesen und Datenschutz sowie EDV in der Hotellerie" zu beschränken. Das reicht nach der oben genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus, um den sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG zu eröffnen. Diese Rechtsprechung zum Kassen(zahn-)arztrecht - das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls keinen eigenen Beruf zum Gegenstand hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. März 1960 - 1 BvR 216/51 - BVerfGE 11, 30 <41>) - ist hier auch bei der Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG zu berücksichtigen und dementsprechend der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu bejahen.
Unschädlich ist, dass die Höchstaltersgrenze des § 22 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Abs. 2 SVO 2002/2008 nicht den Beginn, sondern das Ende der öffentlichen Bestellung des Klägers darstellt. Da die Bestellung gemäß § 2 Abs. 4 SVO 2002/2008 immer befristet ist, muss sie, wie im Fall des Klägers, nach Ablauf neu erteilt werden. Diese "Verlängerung" wurde dem Kläger unter Hinweis auf sein Alter, das über dem vorgesehenen Höchstalter liegt, verweigert. Damit ist der Zugang zur Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger betroffen.
Auch der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist eröffnet, denn gemäß § 6 Abs. 3 AGG gelten die Vorschriften des zweiten Abschnitts für Selbstständige entsprechend, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft.
Aufgrund seines Alters erfährt der Kläger eine weniger günstige Behandlung als eine andere - jüngere - Person in einer vergleichbaren Situation erfahren würde. Es liegt deshalb eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Nach dem Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2000/78/EG können Ungleichbehandlungen wegen des Alters unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Danach ist zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist. Erwägungsgründe stellen nicht nur unbeachtliche Programmsätze dar, sondern geben für die Auslegung der Regelungen einer Richtlinie entscheidende Hinweise (vgl. BAG, Urteil vom 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - DB 2010, 960 ff. - juris Rn. 28 m.w.N.).
Hier ist die Ungleichbehandlung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.
Lässt sich das verfolgte Ziel nicht unmittelbar aus einer gesetzlichen Regelung ableiten, kommt es darauf an, ob andere, aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der jeweiligen Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen (vgl. EuGH, Urteile vom 16. Oktober 2007 - Rs. C-411/05, Palacios de la Villa - Slg. 2007, I-08531 - juris Rn. 56 f. und vom 12. Januar 2010, Domnica Petersen - a.a.O. Rn. 40). Aus der Sachverständigenordnung der Beklagten ergibt sich nicht unmittelbar ein Ziel, das die Höchstaltersgrenze rechtfertigt. Ein solches Ziel erschließt sich aber aus dem Zusammenhang mit der Ermächtigung der Beklagten nach § 36 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 GewO durch Satzung die erforderlichen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Bestellung zu erlassen. Dazu gehören insbesondere auch die persönlichen Voraussetzungen einschließlich altersmäßiger Anforderungen sowie der Beginn und das Ende der Bestellung. Damit wird die Einführung einer Höchstaltersgrenze ermöglicht (vgl. BTDrucks 10/3290 S. 16). Das Regelungsziel des § 36 GewO besteht nach einhelliger Ansicht darin, im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs und einer funktionierenden Rechtspflege allen Behörden, Gerichten und privaten Interessenten für komplizierte Sachverhaltsfeststellungen und Prüfungen kompetente und glaubwürdige Fachleute anzubieten. Schwierige und zeitraubende Nachforschungen über den Ruf und die Eignung eines Gutachters sollen durch die öffentliche Bestellung entbehrlich werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 a.a.O. <42> Rn. 52). Für dieses Ziel der Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs durch die Institution öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger wollte der Gesetzgeber die jederzeit verlässliche Leistungsfähigkeit der Sachverständigen sicherstellen und zu diesem Zweck die Möglichkeit eröffnen, durch die Festlegung einer Höchstaltersgrenze potenziell nicht mehr so leistungsfähige Sachverständige auszuschließen. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte durch § 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Buchst. d SVO 2002/2008 nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen Gebrauch gemacht.
Die Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs ist ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 Satz 1 AGG. Es dient dem öffentlichen Interesse. Allerdings ist es kein sozialpolitisches Ziel im Sinne der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG beispielhaft aufgeführten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung. Wie sich aus der beispielhaften Aufzählung ("insbesondere") ergibt, sind die im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie legitimen Ziele aber nicht auf diese sozialpolitischen Bereiche beschränkt (Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 2 C 18.07 - BVerwGE 133, 143 Rn. 16).
Zwar hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 - juris Rn. 47 ff.) dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage vorgelegt, ob nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG nur ein Ziel sozialpolitischer Art oder ob auch sonstige dem Gemeinwohl dienende Ziele legitim in diesem Sinne sein können. Dem lag die Feststellung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde, dass der Gesetzgeber des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eine Beschränkung auf eine bestimmte Art von Zielen nicht vornehmen wollte (BAG, Beschluss vom 17. Juni 2009 a.a.O. Rn. 55).
Die vom Bundesarbeitsgericht aufgeworfene Frage ist aber durch die seitdem ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt: Der Gerichtshof hatte zunächst durch das Urteil der Großen Kammer vom 22. November 2005 (Rs. C-144/04, Mangold - Slg. 2005, I-09981) für die Legitimität eines Ziels im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nur auf das Allgemeininteresse abgestellt (a.a.O. Rn. 60). Auch im Urteil der Großen Kammer vom 16. Oktober 2007 (Rs. C-411/05, Palacios de la Villa - Slg. 2007, I-08531 Rn. 64) wird nur die Rechtmäßigkeit eines im Allgemeininteresse liegenden Ziels geprüft. Allerdings stellte die 3. Kammer des Gerichtshofs in der Entscheidung vom 5. März 2009 (Rs. C-388/07, Age Concern England - Slg. 2009, I-1569 = juris), ohne sich mit der Abgrenzung zu sonstigen Allgemeinwohlzielen auseinanderzusetzen, nur auf im konkreten Fall vorliegende sozialpolitische Ziele ab. Darauf nahm die 3. Kammer in einer weiteren Entscheidung vom 18. Juni 2009 (Rs. C-88/08, Hütter - Slg. 2009, I-5325 = juris Rn. 41 f.) Bezug, in der die sozialpolitischen Ziele aber nur noch als eine Kategorie von legitimen Zielen bezeichnet werden. Eine Einschränkung auf die sozialpolitischen Ziele hat auch die nachfolgende Rechtsprechung der Großen Kammer des EuGH nicht vorgenommen. Im Urteil vom 12. Januar 2010 (Domnica Petersen - a.a.O. Rn. 45) weist sie auf die bisherige Rechtsprechung hin, der zufolge auch die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen ärztlichen Versorgung oder die Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit ebenso wie der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung legitime Ziele sein können. In den Urteilen der Großen Kammer vom 19. Januar 2010 (Rs. C-555/07, Kücükdeveci - NJW 2010, 427 <428> Rn. 33) und vom 12. Oktober 2010 (Rs. C-499/08, Andersen - juris Rn. 26) wird ebenso auf den beispielhaften Charakter der Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung verwiesen wie auf den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Ziele (EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2010 - Rs. C-45/09, Rosenbladt - juris Rn. 38, 40). Im Urteil vom 18. November 2010 (Rs. C -250/09 und 268/09, Georgiev - juris) hat schließlich auch die 2. Kammer des Gerichtshofs entschieden, dass die Schaffung einer hochwertigen Lehre an der Universität und die optimale Verteilung der Professorenstellen auf die Generationen legitime Ziele sein können, die die zwangsweise Versetzung in den Ruhestand von Universitätsprofessoren mit Vollendung des 68. Lebensjahres rechtfertigen (können). Im Hinblick auf diese seit dem Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellt sich deshalb keine dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegende Rechtsfrage mehr.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein legitimes Ziel grundsätzlich als eine "objektive und angemessene" Rechtfertigung einer von den Mitgliedstaaten vorgesehenen Ungleichbehandlung wegen des Alters anzusehen (vgl. EuGH, z.B. Urteile vom 22. November 2005, Mangold - a.a.O. Rn. 61 und vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa - a.a.O. Rn. 66).
Die zur Erreichung eines solchen legitimen Ziels eingesetzten Mittel müssen angemessen und erforderlich sein (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AGG). Insoweit verfügt der nationale Normgeber über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung seiner Ziele (vgl. EuGH, Urteile vom 22. November 2005, Mangold - a.a.O. Rn. 63 und vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa - a.a.O. Rn. 68). Es ist jedoch darauf zu achten, dass die in diesem Zusammenhang vorgesehenen Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was angemessen und erforderlich ist, um das verfolgte Ziel zu erreichen (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa - a.a.O. Rn. 71). Eine Regelung ist zudem nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu verwirklichen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010, Domnica Petersen - a.a.O. Rn. 53).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Festsetzung eines Höchstalters, mit dessen Erreichen die öffentliche Bestellung endet, ist geeignet und damit angemessen, dem Ziel der Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs zu dienen. Der Normgeber konnte und durfte davon ausgehen, dass mit fortschreitendem Alter - im Umfang individuell unterschiedlich, im Ergebnis aber bei jedem Menschen - die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit nachlässt. Ein generelles Höchstalter ist geeignet, Sachverständige, bei denen (inzwischen) altersbedingt nicht mehr die Gewähr gegeben ist, dass sie jederzeit die an sie gestellten Anforderungen voll erfüllen, aus dem Kreis der öffentlich bestellten Sachverständigen herauszunehmen und damit der Gefahr, dass sich der Rechtsverkehr nicht mehr auf ihre Leistung verlassen kann, zu begegnen.
Die Höchstaltersgrenze ist auch erforderlich. Zwar wäre eine individuelle Überprüfung der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Sachverständigen ein milderes Mittel, das sowohl den individuellen Leistungsabbau als auch die individuellen Anforderungen je nach dem Sachgebiet, für das die Bestellung besteht, berücksichtigen könnte. Sie ist aber nicht in gleicher Weise wie eine Höchstaltersgrenze dazu geeignet, weil sie zu spät käme. Eine altersbedingt nicht mehr ausreichende Leistungsfähigkeit würde erst festgestellt werden, wenn sie bereits eingeschränkt ist. Die öffentliche Bestellung würde noch fortbestehen bis bei der nächsten Überprüfung die Mängel zu Tage treten.
Das Ziel der Sicherung des Rechtsverkehrs setzt zudem eine mittelfristige Betrachtung voraus. Der Sachverständige muss nicht nur im Zeitpunkt der Beauftragung über die volle Leistungsfähigkeit zur Erstellung eines Gutachtens verfügen, sondern, insbesondere wenn er vom Gericht im Rahmen einer Beweiserhebung beauftragt wurde, für die gesamte Dauer des Verfahrens für Erläuterungen oder Nachfragen zur Verfügung stehen. Das kann sich bei Gerichtsverfahren über mehrere Jahre hinziehen. Die Erfüllung dieser an die uneingeschränkte Wahrnehmung der besonders anspruchs- und verantwortungsvollen Aufgaben eines öffentlich bestellten Sachverständigen zu stellenden Anforderungen wird bei der gebotenen typisierenden Betrachtung durch die abstrakte Normierung einer Höchstaltersgrenze gesichert.
Es liegt im Ermessen des Normgebers, hier der Beklagten, festzulegen, in welchem Maß das Risiko minimiert werden soll, dass ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger die an diese Institution gebundenen Erwartungen nicht mehr erfüllt. Dabei darf er von der allgemeinen Erfahrungstatsache ausgehen, dass mit fortgeschrittenem Alter der Anteil der voraussichtlich nicht mehr voll leistungsfähigen Sachverständigen größer wird. Er muss dafür nicht das Erreichen eines empirisch belegten konkreten Prozentsatzes abwarten, sondern kann selbst bestimmen, in welchem Maß er das Ziel des Schutzes des Rechtsverkehrs sichern will. Die Beklagte konnte hier auch berücksichtigen, dass die in § 22 Abs. 1 Buchst. d SVO 2002/2008 festgelegte Höchstaltersgrenze von 68 Jahren mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung deutlich über die allgemeine Altersgrenze, die derzeit noch bei 65 Jahren liegt, hinausgeht. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beanstandet es nicht, eine im Übrigen zulässige Altersgrenze bei 68 Jahren anzusetzen (vgl. EuGH, Urteile vom 12. Januar 2010, Domnica Petersen - a.a.O. Rn. 52 und vom 18. November 2010, Georgiev - a.a.O. Rn. 54).
Schließlich unterliegen die Ermittlungen, die der Normgeber zur Festlegung der konkreten Altersgrenze trifft, keinen spezifischen Verfahrensvorschriften. Die Beklagte durfte mit ihrer Regelung, die eine einmalige Verlängerung bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres zulässt, davon ausgehen, dass es bei einem Sachverständigen im achten Lebensjahrzehnt häufiger zu Problemen kommen kann, die eine mittelfristige Sicherung seiner vollen Leistungsfähigkeit gefährden. Dass es im konkreten Einzelfall immer Sachverständige geben wird, bei denen derartige Probleme individuell nicht auftreten, ist einer typisierenden Regelung immanent und musste von der Beklagten nicht berücksichtigt werden.
Die Regelung des § 22 SVO 2002/2008 ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne und dem betroffenen Kläger zumutbar. Mit der Festlegung des Höchstalters auf die Vollendung des 68. Lebensjahres in § 22 Abs. 1 Buchst. d SVO 2002/2008 hat die Beklagte das generelle Ende der öffentlichen Bestellung bereits deutlich über der allgemeinen Altersgrenze angesetzt. Darüber hinaus bietet § 22 Abs. 2 SVO 2002/2008 die Möglichkeit einer einmaligen weiteren Verlängerung der Bestellung, die sie dem Kläger bereits bis zur Vollendung seines 71. Lebensjahres gewährt hat.
Obwohl der Kläger ebenso wie andere, nicht öffentlich bestellte Sachverständige ohne Bestellung auch über die Höchstaltersgrenze hinaus als Sachverständiger tätig sein kann, ist die Regelung des § 22 SVO 2002/2008 geeignet, das mit ihr verfolgte Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Denn das Ziel besteht nicht darin, Auftraggeber vor der Inanspruchnahme nicht mehr ausreichend leistungsfähiger Sachverständiger zu schützen. Die Regelung soll vielmehr einen geordneten Rechtsverkehr gewährleisten, der auf die mit der öffentlichen Bestellung und Vereidigung bescheinigte besondere Sachkunde und Zuverlässigkeit dieser Sachverständigen vertraut. Die Gewährleistung der Voraussetzungen dieses Vertrauens soll gesichert werden.
Da somit die Voraussetzungen des § 10 AGG erfüllt sind, stellt die Höchstaltersgrenze des § 22 SVO 2002/2008 keine Altersdiskriminierung, sondern eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters dar. Etwas anderes ergibt sich auch weder aus einer direkten Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG noch aus dem vom Europäischen Gerichtshof als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts bezeichneten Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005, Mangold - a.a.O. Rn. 75). Die Richtlinie 2000/78/EG wurde durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt, sodass für eine unmittelbare Anwendung ihres Art. 6, dem § 10 Satz 1 und 2 AGG entspricht, oder anderer einschlägiger Vorschriften zugunsten des Klägers kein Raum bleibt. Der allgemeine Grundsatz des Verbotes der Diskriminierung wegen des Alters wiederum wird durch die Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert (EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - Rs. C-555/07, Kücükdeveci - NJW 2010, 427 Rn. 21). Damit sind weitergehende, unmittelbar auf das primäre Unionsrecht gestützte Ansprüche ausgeschlossen.
Die Höchstaltersgrenze stellt auch keine unzulässige Beeinträchtigung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG dar. Die Regelung des § 22 SVO 2002/2008 findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 36 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 GewO. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass die Vorschrift zur Festsetzung von Höchstaltersgrenzen ermächtigen sollte (vgl. BTDrucks 10/3290 S. 16). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. November 1990 - 1 BvR 1280/90 - GewArch 1991, 103 f.) dient die Festsetzung von Höchstaltersgrenzen dem Gemeinwohl. Nach allgemeiner Erfahrung lässt das körperliche und geistige Leistungsvermögen des Menschen mit zunehmendem Lebensalter nach (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1983 - 1 BvL 46/80, 1 BvL 47/80, Prüfingenieur - BVerfGE 64, 72 <82>). Die gutachterliche Tätigkeit eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, der nicht mehr über eine hinreichende Leistungsfähigkeit verfügt, stellt das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die besondere Qualifikation dieser Sachverständigen in Frage und kann erhebliche Gefahren für Auftraggeber und Allgemeinheit begründen. Die Festsetzung einer Altersgrenze bei Vollendung des 68. Lebensjahres mit der Möglichkeit der Verlängerung der Bestellung bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres ist zur Erreichung dieses Ziels aus den oben dargelegten Gründen geeignet und erforderlich. Die Beendigung der Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist auch zumutbar, weil der Sachverständige ohne öffentliche Bestellung weiterhin als solcher tätig sein kann.
Da weitere Tatsachenfeststellungen nicht erforderlich waren, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).