Entscheidungsdatum: 09.07.2014
1. Das in § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 (juris: GlüStVtr BY, J: 2008) normierte Verbot von Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet stellt eine Beschränkung des von Art. 56 Abs. 1 AEUV gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs dar, der grundsätzlich geeignet ist, seine Gemeinwohlziele (Bekämpfung der Spielsucht sowie Jugend- und Spielerschutz) zu erreichen.
2. Die Untersagung der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet ist wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ermessensfehlerhaft und aus diesem Grund rechtswidrig, wenn Privaten jegliche Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet untersagt wird, während gegen Internetwerbung der staatlichen Lotteriegesellschaft nur dann eingeschritten wird, wenn die Werbung die besonderen Anforderungen der § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV 2008 nicht erfüllt.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, durch den ihr untersagt wurde, auf ihrer Internetseite für öffentliches Glücksspiel zu werben.
Sie betreibt einen Sportinformationsdienst im Internet, der sich durch Werbeeinnahmen finanziert. Auf ihrer Internetseite veröffentlichte sie u.a. Werbeanzeigen eines Sportwettenvermittlers, die Wettquoten für aktuelle Fußballspiele enthielten.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2008 untersagte die Regierung von Mittelfranken der Klägerin, auf ihrer Internetseite für öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV 2008 zu werben, und drohte für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 25 000 € an. Die Voraussetzungen für ein Tätigwerden aufgrund von § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2008 lägen vor, da die Klägerin gegen eine nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehende Verpflichtung verstoßen habe, namentlich gegen das Verbot der Werbung im Internet für öffentliches Glücksspiel (§ 5 Abs. 3 GlüStV 2008). Hierfür sei unerheblich, ob der auf der Internetseite beworbene Veranstalter oder Vermittler von Glücksspiel sein Angebot legal oder illegal betreibe. Außerdem liege ein Verstoß gegen § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) vor.
Mit Änderungsbescheiden vom 14. Juli 2008 und vom 10. Dezember 2008 wurde das angedrohte Zwangsgeld zunächst auf 40 000 €, dann auf 50 000 € erhöht. Ferner wurde mit weiterem Änderungsbescheid vom 5. Februar 2009 Ziffer I der Verfügung vom 25. Juni 2008 insoweit aufgehoben, als sich die Untersagungsverfügung auch auf die Abrufbarkeit der Werbung aus Gebieten außerhalb des Freistaates Bayern erstreckte. Es wurde der Klägerin nunmehr untersagt, auf ihrer Internetseite für öffentliches Glücksspiel zu werben, soweit die Werbung vom Gebiet des Freistaates Bayern aus abrufbar ist.
Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die auf Bayern beschränkte Untersagung der Werbung sei rechtmäßig. Sie genüge dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch dann, wenn die Anordnung nur dadurch erfüllt werden könne, dass die Klägerin ihre Werbung für öffentliches Glücksspiel deutschlandweit aus dem Internet entferne. Denn das Verbot der Werbung für öffentliche Glücksspiele im Internet gelte bundesweit. Die Regelung des § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 verstoße auch weder gegen deutsches Verfassungsrecht noch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
Das mit Bescheid vom 21. September 2009 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 50 000 € ist von der Klägerin am 8. Januar 2010 gezahlt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Urteil vom 26. Juni 2012 geändert und den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2008 in der Fassung des Bescheides vom 5. Februar 2009 aufgehoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig und insbesondere als Anfechtungsklage statthaft. Sie sei auch begründet, denn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2008 für eine Untersagung von Glücksspielwerbung im Internet seien nicht erfüllt. Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 liege nicht vor, weil diese Bestimmung mit dem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar und deshalb im Hinblick auf dessen Anwendungsvorrang unanwendbar sei. Das Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet stelle eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, die den unionsrechtlichen Anforderungen an solche Beschränkungen nicht genüge. Zwar diene es der Bekämpfung der Glücksspielsucht und dem Jugend- und Spielerschutz und damit zwingenden Allgemeininteressen; es sei auch geeignet, die mit ihm verfolgten Ziele zu erreichen, und erforderlich, da ein milderes Mittel, mit dem diese Ziele ebenso wirksam erreicht werden könnten, nicht ersichtlich sei. Das Werbeverbot des § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 sei aber nicht geeignet, die Verwirklichung der zu seiner Rechtfertigung angeführten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen, weil systematische Verstöße des Deutschen Lotto- und Totoblocks sowie der Landeslottogesellschaften gegen dieses Verbot von den zuständigen Behörden strukturell geduldet würden. Dies gelte für die bayerischen Behörden ebenso wie für die zuständigen Behörden der übrigen Länder, so dass offen bleiben könne, ob bei der Kohärenzprüfung ausschließlich auf die Praxis in Bayern abzustellen sei. Aus diesem strukturellen Vollzugsdefizit ergebe sich, dass der Beklagte die zur Rechtfertigung der mit diesem Verbot verbundenen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dienenden Ziele im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 tatsächlich nicht verfolge, sondern in Wahrheit fiskalische oder andere Zwecke zu erreichen suche, die die Beschränkung nicht legitimieren könnten. Schließlich sei die Untersagungsverfügung auch ermessensfehlerhaft, weil durch sie gleich gelagerte Fälle ohne sachlichen Grund ungleich behandelt würden. Der Beklagte benachteilige Private wie die Klägerin gegenüber der Staatlichen Lotterieverwaltung, indem er ersteren jegliche Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet untersage, während er bei Verstößen von Lotto Bayern gegen das Internetwerbeverbot allenfalls dann einschreite, wenn es sich um Werbung handele, die über die nach § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV 2008 an sich zulässige sachliche Information über die Möglichkeit zum Glücksspiel hinausgehe.
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, das Berufungsgericht gehe bereits von einem unzutreffenden Verständnis der Reichweite des medienbezogenen Werbeverbots nach § 5 Abs. 3 GlüStV (2008) aus, indem es die bloße Unternehmenspräsenz mit einer eigenen Homepage als verbotene Werbung qualifiziert habe. Hierbei handele es sich um eine Frage des revisiblen Rechts, weil der Inhalt des Landesrechts wesentlich durch revisibles Recht bestimmt werde. Die Auslegung des Werbebegriffs sei letztlich auf die Definition aus Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG des Rates über irreführende und vergleichende Werbung von 10. September 1984 (ABl Nr. L 250 S. 17) zurückzuführen, weshalb sich der Begriff "Werbung" nach Unionsrecht richte, das seinerseits als Bundesrecht der Revision unterliege. Darüber hinaus werde der Inhalt zulässiger Werbung maßgeblich durch Verfassungsrecht bestimmt. Im Hinblick auf das von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Selbstdarstellung des Unternehmens könne ein Internetauftritt auf einer eigenen Homepage nicht generell verboten werden. Ferner beruhe das Berufungsurteil auf einem Verfahrensmangel. Das Berufungsgericht habe einem Terminsverlegungsantrag des Beklagten nicht stattgegeben und damit dem Beklagten keine Gelegenheit gegeben, durch einen Vertreter der Regierung von Mittelfranken die Vollzugspraxis der zuständigen Aufsichtsbehörde zu erläutern. Hierdurch habe das Berufungsgericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung sowie den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren verletzt. Das Berufungsurteil sei auch nicht aus anderen Gründen richtig. Weder sei das Internetwerbeverbot unverhältnismäßig im engeren Sinne noch liege ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Schließlich habe die Klägerin mit der Werbung für illegale private Sportwetten nicht nur gegen § 5 Abs. 3 GlüStV 2008, sondern auch gegen das Verbot der Werbung für unerlaubtes Glücksspiel gemäß § 5 Abs. 4 GlüStV 2008 verstoßen, weil die Sportwettenveranstalter bzw. -vermittler, für die die Klägerin geworben habe, nicht über die erforderliche Erlaubnis verfügt hätten.
Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 hat der Beklagte erklärt, aus der angefochtenen Untersagungsverfügung für die Zeit nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages am 1. Juli 2012 keine Rechte mehr herleiten zu wollen. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit - für die Zeit ab 1. Juli 2012 - übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 31. März 2009 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit bezüglich der Zeit seit dem 1. Juli 2012 übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Im Umfang der Teilerledigung sind das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31. März 2009 und das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 wirkungslos.
Bezüglich des noch nicht erledigten Teils des Streitgegenstandes ist die Revision des Beklagten unbegründet. Das angegriffene Urteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht gegen Verfahrensrecht verstoßen.
a) Die Rüge des Beklagten, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf ein faires Verfahren verletzt, indem er einem Terminsverlegungsantrag der Landesanwaltschaft Bayern nicht stattgegeben habe, ist schon nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden. Danach müssen innerhalb der Frist zur Begründung der Revision die verletzte Rechtsnorm bezeichnet und substantiiert die Tatsachen vorgetragen werden, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO muss eine mündliche Verhandlung nur "aus erheblichen Gründen" verlegt oder vertagt werden. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass das Gericht durch die rechtswidrige Ablehnung der Vertagung die Möglichkeit zu weiterem entscheidungserheblichen Vortrag abgeschnitten hat (Beschluss vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 3 B 94.98 - juris Rn. 4). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Beklagte nicht dargelegt. Die Begründung des Terminsverlegungsantrages des Beklagten lässt bereits nicht erkennen, warum die Hinzuziehung eines Vertreters der Regierung von Mittelfranken erforderlich gewesen sein sollte, um sich sachgemäß und erschöpfend zu erklären. Der Beklagte hat nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass er sich die entsprechenden Informationen bezüglich des Vollzugs des Internetwerbeverbots nicht von den zuständigen Behörden beschaffen und rechtzeitig in das Verfahren hätte einführen können. Unter diesen Umständen lässt sich die Ablehnung der Terminsverlegung durch die gerichtliche Verfügung vom 13. Juni 2012 nicht als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs werten. In dieser Verfügung wurde ausgeführt, dass keine erheblichen Gründe für eine Terminsänderung zu erkennen seien. Der Beklagte hätte deshalb, sofern ihm die Gründe der Ablehnung nicht genügten, zur Vermeidung des Verlusts des Rügerechts in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht einen förmlichen Vertagungsantrag mit einer näheren Begründung stellen müssen (Beschluss vom 14. Dezember 1990 - BVerwG 2 B 106.90 - Buchholz 436.61 SchwbG 1986 Nr. 1 = DVBl 1991, 641), was er ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht getan hat.
b) Der geltend gemachte Verfahrensmangel einer Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden. Für die ordnungsgemäße Begründung der Rüge mangelhafter Sachaufklärung muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und für erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 23. November 2005 - BVerwG 6 C 9.05 - GewArch 2006, 158). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Sie legt nicht dar, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Dem Revisionsvorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass seitens des Beklagten vor dem Berufungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich eine solche dem Gericht von sich aus hätte aufdrängen müssen.
2. Das Berufungsurteil beruht auch in sachlicher Hinsicht nicht auf einem Verstoß gegen revisibles Recht.
Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die streitgegenständliche Untersagungsverfügung in Ansehung ihrer Vollstreckung für zulässig gehalten. Insofern hat sich die Untersagung nicht erledigt, weil die Klägerin wegen der Zahlung von Zwangsgeld unverändert beschwert ist.
Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die angegriffene Untersagungsverfügung sei im Vollstreckungszeitraum rechtswidrig, hält der revisionsrechtlichen Prüfung ebenfalls stand. Dieser Prüfung ist die seinerzeitige Rechtslage, mithin der Glücksspielstaatsvertrag 2008 und das dazu erlassene Bayerische Ausführungsgesetz vom 20. Dezember 2007 (BayGVBl S. 922) zugrundezulegen.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das in § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 normierte Verbot von Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet eine Beschränkung des von Art. 56 Abs. 1 AEUV gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (siehe auch Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 5.10 - BVerwGE 140, 1 Rn. 31 ff. = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 277). Es hat auch fehlerfrei angenommen, dass die Dienstleistungsfreiheit nur eingeschränkt werden darf, wenn die beschränkende Regelung mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist, wenn sie des Weiteren aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und wenn sie schließlich nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteile vom 24. November 2010 - BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 Rn. 62 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 32 und vom 20. Juni 2013 - BVerwG 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 Rn. 28). Dabei ist eine nationale Regelung nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltenden Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 35 m.w.N.). Diese Anforderungen gelten nicht nur für die Rechtfertigung staatlicher Glücksspielmonopole, sondern für die Rechtfertigung von Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit allgemein (Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 35 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 10. März 2009 - Rs. C-169/07, Hartlauer - Slg. 2009, I-1721 Rn. 55 ff.).
Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend angenommen, dass es nicht an Gründen des Allgemeininteresses fehlt, die das Internetwerbeverbot rechtfertigen könnten. § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 dient - wie die Regelung des Glücksspielstaatsvertrages insgesamt - der Bekämpfung der Spielsucht (§ 1 Nr. 1 GlüStV 2008) und dem Jugend- und Spielerschutz (§ 1 Nr. 3 GlüStV 2008). Die Staatsvertragsparteien begründeten das Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet zusätzlich damit, dass "neben die Breitenwirkung und die Zielgruppenorientierung als zusätzliches Gefahrenelement der sofortige Übergang zur Teilnahme am Spiel
b) Ob die Annahme des Berufungsgerichts zutrifft, aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizits genüge schon das Internetwerbeverbot des § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 selbst nicht dem Kohärenzgebot, weshalb diese Bestimmung im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts unanwendbar sei, kann dahingestellt bleiben. Das Berufungsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass die angegriffene Untersagung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ermessensfehlerhaft und aus diesem Grund rechtswidrig ist (aa). Es spricht zudem viel für die Annahme, dass die Ermessensausübung der Behörde aus demselben Grunde auch mit der Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts unvereinbar ist (bb).
aa) Das Berufungsgericht hat - ohne dass dies mit begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden ist (siehe oben 1.) - in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der Beklagte Privaten wie der Klägerin jegliche Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet untersagte, während er gegen die Internetwerbung von Lotto Bayern allenfalls dann einschritt, wenn es sich um Werbung handelte, die den besonderen Anforderungen des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV 2008 nicht genügte. Darin hat das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht eine Ungleichbehandlung gesehen, die durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigt war. Hiergegen wendet sich der Beklagte ohne Erfolg.
Die vom Berufungsgericht aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Anforderungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ermächtigt ein Gesetz dazu, unter bestimmten Voraussetzungen bestimmte Verhaltensweisen nach Ermessen zu untersagen, so erfordert das Gebot der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG, das Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung rechtswidriger Zustände, so hat sie in vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen zwar nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. Es ist ihr indes verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen. Behandelt sie mehrere Fallgruppen unterschiedlich, so bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes. Dasselbe gilt, wenn sie sich darauf beschränkt, einen Einzelfall herauszugreifen (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 22. April 1995 - BVerwG 4 B 55.95 - BRS 57 Nr. 248).
Die Annahme des Berufungsgerichts, auch die werbenden Internetauftritte des Deutschen Lotto- und Totoblocks und der Landeslottogesellschaften stellten nach § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 verbotene Werbung dar, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Die Auslegung des § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 betrifft eine Frage des Landesrechts, die nicht revisibel ist. Die Revisibilität der Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages ist erst durch § 33 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages mit Wirkung vom 1. Juli 2012 begründet worden; sie gilt nicht rückwirkend. Selbst wenn der Inhalt des Landesrechts, wie der Beklagte meint, ausweislich der Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2008 durch revisibles Recht beeinflusst sein sollte, begründet dies die Revisibilität der landesrechtlichen Vorschrift nicht zwangsläufig, sondern nur dann, wenn Bundesrecht für den Inhalt des Landesrechts kraft eines Gesetzesbefehls des Bundes bestimmend ist (Urteil vom 23. Februar 2000 - BVerwG 6 C 5.99 - BVerwGE 110, 326 <328 f.> = Buchholz 11 Art. 7 Abs. 3 GG Nr. 6 S. 2). An einem solchen bundesrechtlichen Gesetzesbefehl fehlt es hier. Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht bei seiner Auslegung des Werbebegriffs in § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 lediglich auf Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik dieser Vorschrift gestützt und Bundesrecht nicht, auch nicht als Auslegungshilfe herangezogen.
Ein Bundesrechtsverstoß ergibt sich auch nicht daraus, dass § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 in der Auslegung des Berufungsgerichts mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar wäre. Es ist schon zweifelhaft, ob das Berufungsgericht auf diese Vorschrift des Bundesverfassungsrechts zugunsten von Glücksspielunternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, überhaupt Bedacht nehmen musste. Auch mit Blick auf mögliche private Glücksspielbetreiber - die der Glücksspielstaatsvertrag 2008 außerhalb des monopolisierten Bereichs in engem Rahmen zugelassen hatte - ist das vollständige Internetwerbeverbot unter Einschluss der Eigenwerbung im eigenen Internetauftritt des jeweiligen Unternehmens zwar streng, aber angesichts des außerordentlichen Gewichts der damit verfolgten Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes, nicht unverhältnismäßig.
Unabhängig hiervon hat das Berufungsgericht nicht nur die sachliche Information über die Möglichkeit zum Glücksspiel im Rahmen eines sogenannten Eigenauftritts im Internet als Werbung im Sinne von § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 qualifiziert, sondern darüber hinaus - und insoweit das Urteil selbstständig tragend - festgestellt, dass Lotto Bayern mit Werbeslogans wie "Ihr Spiel in guten Händen", "Ihre Kundenkarte von Lotto Bayern. Mehr Sicherheit und Service" die Teilnahme an den angebotenen Glücksspielen fördern und hierzu anreizen wollte. Damit hat es für den eigenen Internetauftritt einen weicheren Werbebegriff zugrunde gelegt, der die sachliche Information über die vom Werbenden selbst angebotenen legalen Wettmöglichkeiten aus dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 GlüStV auszuklammern sucht, und auch auf dieser Grundlage eine verbotswidrige Werbepraxis von Lotto Bayern festgestellt, die der Beklagte duldete. Hiergegen lässt sich nichts erinnern.
Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung bei der Durchsetzung des Internetwerbeverbots gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 folgt auch nicht daraus, dass die Staatliche Lotterieverwaltung - im Gegensatz zu den privaten Anbietern - ausschließlich für erlaubtes Glücksspiel geworben habe. Denn § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 stellt auf den Vertriebsweg Internet, anders als § 5 Abs. 4 GlüStV 2008 aber nicht darauf ab, ob das beworbene Glücksspiel erlaubt oder unerlaubt ist. Die Untersagungsverfügung ist ausweislich ihres Tenors und ihrer Begründung auch ausschließlich auf § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 und ausdrücklich nicht zusätzlich auf § 5 Abs. 4 GlüStV 2008 gestützt worden. Folglich ist die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung nur im Rahmen der Normen des § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 zu überprüfen, denn die Ermessensausübung muss sich vom Zweck der Rechtsgrundlage leiten lassen. Auch eine Umdeutung der angefochtenen Untersagungsverfügung in eine auf § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 5 Abs. 4 GlüStV 2008 gestützte Verfügung kommt nach Art. 47 Abs. 2 Halbs. 1 BayVwVfG nicht in Betracht.
Die Rüge des Beklagten, das Berufungsgericht habe seinen tatsächlichen Feststellungen in fehlerhafter Weise nicht allein die Vollzugspraxis in Bayern, sondern auch die Situation in anderen Ländern zugrunde gelegt, geht fehl. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung nicht auf eine (bundes-)länderübergreifende Betrachtung gestützt, sondern die Frage der Einbeziehung der praktischen Handhabung des Internetwerbeverbots in den übrigen Ländern ausdrücklich offen gelassen.
bb) Die systematische Ungleichbehandlung der Klägerin und anderer Privater einerseits und der staatlichen Wettanbieter andererseits führt zugleich dazu, dass die Vollzugspraxis des Beklagten den Anforderungen des europäischen Unionsrechts nicht genügt. Wie erwähnt, kann offen bleiben, ob dies schon zur Unanwendbarkeit des Internetwerbeverbots selbst führt; hieran bestehen Zweifel, weil die Inkohärenz der Vollzugspraxis die Inhaber des staatlichen Wettmonopols begünstigt und damit Rückschlüsse zunächst nur für dieses Wettmonopol selbst zulässt, aber das Internetwerbeverbot - das vom staatlichen Wettmonopol unabhängig gilt - an sich unberührt lässt. Jedenfalls aber ist die Handhabung des Untersagungsermessens durch die Vollzugsbehörden des Beklagten als solche mit der Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts unvereinbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 VwGO. Die auf die streitige Revisionsentscheidung entfallenden Kosten hat nach § 154 Abs. 1 VwGO der Beklagte zu tragen. Bezüglich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Verfahrens waren die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ebenfalls dem Beklagten aufzuerlegen, weil dieser bei streitiger Entscheidung voraussichtlich auch insoweit unterlegen wäre. Die Begründung des angegriffenen Bescheides berücksichtigt (noch) nicht die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte, die nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages (Erster GlüÄndStV) zu beachten sind.