Entscheidungsdatum: 05.07.2012
Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung, den Erlös aus der Veräußerung des Flurstücks c der Gemarkung L. (mit 3 127 qm, eingetragen im Grundbuch von L. Bl. 150) an die Beigeladenen als Rechtsnachfolger nach Herrn Arthur Oswald T. auszukehren. Auf diesem Grundstück befand sich das Hofgebäude der Neubauernstelle, die Herrn T. 1949 zugeteilt worden war. Ansprüche wegen der Veräußerung der zugehörigen land- und forstwirtschaftlichen Flurstücke a und b der Gemarkung L. (mit 5 655 qm und 66 432 qm, Grundbuch von L. Bl. 121 und 995) sind Gegenstand des Verfahrens BVerwG 8 C 15.11.
Herr T. wurde am 27. Januar 1953 in Untersuchungshaft genommen und am 24. März 1953 durch das Kreisgericht ... wegen "Wirtschaftsverbrechen und Preisvergehen" rechtskräftig zu einer Haftstrafe von einem Jahr sowie zur Vermögenseinziehung verurteilt. Wegen der Kreditbelastung des Hofgebäudes mit rund 21 000 DM fand sich kein Bewerber für eine Neuzuteilung der Neubauernstelle. Die Felder wurden seit der Inhaftierung des Herrn T. durch die LPG "Pionier" L. bewirtschaftet, die auch das landwirtschaftliche Inventar übernahm. Einen Teil des Viehbestandes veräußerte sie, um damit besicherte Verbindlichkeiten des Herrn T. abzulösen.
Am 13. Mai 1953 wurde Herr T. - wohl aufgrund einer Amnestie - aus der Haft entlassen. Aufgrund einer Verordnung vom 11. Juni 1953 wurden Härtefallkommissionen gebildet, die zu entscheiden hatten, ob strafgerichtlich eingezogenes Vermögen den rechtskräftig Verurteilten zur persönlichen Nutzung überlassen werden sollte. Die Richtlinie 2 vom 1. Februar 1954 betreffend das Vermögen, das aufgrund rechtskräftiger Strafurteile in Volkseigentum übergegangen war, fasste die einschlägigen Durchführungsbestimmungen zusammen. Die Härtefallkommission des Bezirks ... beschloss nach Überprüfung einer ersten, ablehnenden Entscheidung am 30. Oktober 1953 die Übergabe des eingezogenen Vermögens zur Nutzung an Herrn T. Mit Schreiben vom 6. November 1953 teilte sie ihm den Beschluss zur sofortigen Nutzungsüberlassung mit und wies ihn auf die Pflicht hin, die überlassenen Vermögenswerte pfleglich und gewissenhaft zu behandeln und durch erforderliche Reparaturen und Erneuerungen instand zu halten. Zwecks weiterer Veranlassungen habe er sich mit dem Sekretär des Rates des Kreises in Verbindung zu setzen.
Am 4. Dezember 1953 erklärte Herr T. gegenüber dem Rat des Kreises schriftlich, er verzichte auf die Flurstücke, für die er infolge der Bodenreform als Eigentümer eingetragen sei. Daraufhin beschloss die Kreisbodenkommission am 7. Dezember 1953, dass die Felder bei der LPG bleiben und die Gebäude in das Eigentum des Volkes überführt werden sollten. Am 29. Januar 1954 wurden die land- und forstwirtschaftlichen Flurstücke der Neubauernstelle einschließlich der Flurstücke a und b auf den Landesbodenfonds als Eigentümer umgeschrieben. Das Flurstück c mit dem weiterhin von Familie T. bewohnten Hofgebäude wurde in das Eigentum des Volkes überführt; Rechtsträger wurde der Rat der Gemeinde L. In einem Bericht an das Ministerium des Innern erläuterte der Rat des Kreises im September 1954, die Neubauernstelle sei mit dem Verzicht in den Bodenfonds zurückgefallen. Wegen der schlechten Bewirtschaftung und des geringen Viehbestandes habe kein Übernahmebewerber gefunden werden können.
Am 23. August 1954 erließ das Ministerium des Innern der DDR die Richtlinie Nr. 7/54 betreffend die gnadenweise Rückgabe von Vermögen, das aufgrund rechtskräftiger Verurteilung zur Einziehung gelangt und dem mit bedingtem Strafaufschub aus der Haft Entlassenen zur persönlichen Nutzung überlassen worden war. Die Gnadenkommission des Bezirks ... beschloss am 22. Oktober 1954, die im Strafurteil vom 24. März 1953 ausgesprochene Vermögenseinziehung in Ausübung des Gnadenrechts aufzuheben. Dies wurde Herrn T. mit Schreiben vom 28. Oktober 1954 mitgeteilt. Ein Bericht vom 3. November 1954 verwies wegen der Durchführung des Beschlusses auf die Verzichtserklärung des Herrn T. und erläuterte, wegen dessen Schulden habe der Erlös für das Inventar nicht ausgezahlt werden können. Das Hofgebäude sei mit einem hohen Kredit belastet und stark reparaturbedürftig. Andere Vermögenswerte seien nicht eingezogen oder gesperrt worden. Der Vorgang sei also abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 30. November 1990 beantragte Herr T. die Rückübertragung sämtlicher Flurstücke. Am 21. Dezember 1990 verstarb er und wurde zu je 1/6 von den Beigeladenen zu 1 bis 5 und Herrn Werner T. beerbt. Dieser verstarb 1999; seine Erben waren Frau Anita Monika T. und Herr Olaf T. zu je 1/2. Frau Anita Monika T. verstarb 2007 und wurde vom Beigeladenen zu 6 und von Herrn Olaf T. beerbt, der 2008 verstarb und vom Beigeladenen zu 6 allein beerbt wurde.
Das Landratsamt ... lehnte den Rückübertragungsantrag mit Bescheid vom 28. September 1994 ab. Den Widerspruch dagegen wies das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 1996 zurück. Der Vermögensverlust sei auf den Verzicht des Herrn T. zurückzuführen. Eine Schädigung nach § 1 Abs. 3 VermG liege nicht vor. Für einen Machtmissbrauch oder eine Nötigung seien keine Anhaltspunkte erkennbar. Dieser Widerspruchsbescheid wurde dem damaligen Bevollmächtigten der Erbengemeinschaft am 27. September 1996 zugestellt.
Im November 1995 veräußerte die Klägerin das Flurstück c für 80 000 DM an die Eheleute P., die anschließend als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurden. Die Klägerin des Verfahrens BVerwG 8 C 15.11 veräußerte die Flurstücke a und b, letzteres als notariell Bevollmächtigte der Klägerin des vorliegenden Verfahrens in deren Namen. Auch diese Flurstücke wurden auf die jeweiligen Erwerber umgeschrieben.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2005 hob das Landgericht ... das Urteil des Kreisgerichts ... vom 24. März 1953 einschließlich der Vermögenseinziehung auf. Es stellte fest, das Strafverfahren sei rechtsstaatswidrig gewesen, und rehabilitierte Herrn T.. Daraufhin beantragte der Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 30. November 2005 im Namen der Erbengemeinschaft und unter Hinweis auf die Rehabilitierung "Entschädigung" für das Vermögen des Herrn T. und trug vor, der Rat des Kreises habe diesen zum Verzicht genötigt. Im Rahmen der Anhörung erläuterte er, soweit die Vermögenswerte wegen der Veräußerung nicht zurückgegeben werden könnten, beanspruche die Erbengemeinschaft den Erlös oder den Verkehrswert und nur hilfsweise eine Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz.
Die Landesdirektion ... stellte mit Bescheid vom 15. September 2008 fest, die Beigeladenen zu 1 bis 5 und Herr Werner T. seien Berechtigte bezüglich des ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebes des Herrn Arthur Oswald T. (Ziffer 1). Ihnen stehe ein Anspruch auf Erlösauskehr für die Flurstücke b und ... (richtig: a) gegen die Klägerin des Verfahrens BVerwG 8 C 15.11 (Ziffer 2) sowie ein Anspruch auf Erlösauskehr für das Flurstück c gegen die Klägerin des vorliegenden Verfahrens zu (Ziffer 3).
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 7. Oktober 2008 Anfechtungsklage erhoben und geltend gemacht, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 VermG lägen nicht vor. Die Rehabilitierungsentscheidung gehe ins Leere, da die Vermögensentziehung mit der Nutzungsüberlassung, jedenfalls aber mit der Gnadenentscheidung aufgehoben worden sei. Der Vermögensverlust sei nicht aufgrund des Strafurteils, sondern durch den Verzicht des Herrn T. eingetreten. Außerdem hätten die Beigeladenen nur Entschädigung beantragt und den Anspruch auf Erlösauskehr nicht fristgerecht angemeldet.
Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. November 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Den Beigeladenen stehe als vermögensrechtlich Berechtigten ein Erlösauskehranspruch gemäß § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG zu. Die Vorschrift sei nach § 1 Abs. 7 VermG entsprechend anzuwenden, da Herr T. sein landwirtschaftliches Unternehmen, die Neubauernstelle, mit Rechtskraft der inzwischen im Rehabilitierungsverfahren aufgehobenen strafgerichtlichen Verurteilung verloren habe. Ein etwa erforderlicher faktischer Zugriff liege in der Übernahme des Inventars und der Grundstücke durch die LPG. Die Rehabilitierungsentscheidung gehe auch nicht ins Leere, da die Vermögenseinziehung in der DDR nicht rückgängig gemacht worden sei. Die von der Härtefallkommission beschlossene Überlassung zur persönlichen Nutzung stelle keine Rückübereignung dar. Der Verzicht habe sich nicht auf eine Herrn T. noch immer überlassene Neubauernstelle bezogen, sondern sei nur ein Indiz, dass ihm möglicherweise die Überlassung zur persönlichen Nutzung angeboten wurde. Ein solches Angebot, zudem noch ausgeschlagen, sei nicht identisch mit einer Aufhebung der Vermögenseinziehung. Gleiches gelte für die Gnadenentscheidung vom 22. Oktober 1954. Sie habe weder die rechtliche Qualität einer Rehabilitierung, noch führe sie eine Rückübertragung des Eigentums herbei. Der Eigentumsverlust sei auch nicht tatsächlich rückgängig gemacht und Herr T. nicht wieder im Grundbuch eingetragen worden. Wegen der Stilllegung des landwirtschaftlichen Unternehmens und der Veräußerung der Flurstücke bleibe den Beigeladenen nur der Anspruch auf Erlösauskehr. Mit dem sinngemäß auszulegenden Schreiben vom 30. November 2005 liege eine rechtzeitige Anmeldung vor.
Die Revision der Klägerin rügt eine Verletzung des § 1 Abs. 7 VermG. Nicht das aufgehobene Strafurteil, sondern der Verzicht des Herrn T. habe den Verlust der Bodenreformgrundstücke bewirkt. Die faktische Entziehung sei durch die stattgebende Entscheidung der Härtefallkommission rückgängig gemacht worden. Die Gnadenentscheidung habe eine etwaige konstitutive Wirkung der Vermögenseinziehung beseitigt. Die gegenteiligen Annahmen des Verwaltungsgerichts seien aktenwidrig und denkfehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden zu ändern und den Bescheid der Landesdirektion ... vom 15. September 2008 in Ziffer 1 und 3 aufzuheben.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil. Die Verzichtserklärung des Herrn T. könne nicht als Verzicht auf die Rückgabe des Eigentums ausgelegt werden, da die Gnadenentscheidung für ihn damals nicht absehbar gewesen sei.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 halten das angegriffene Urteil ebenfalls für richtig, haben jedoch keinen Antrag gestellt. Sie meinen, Herr T. habe auf das entzogene Bodenreformeigentum nicht wirksam verzichten können. Die anderen Beigeladenen haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt § 1 Abs. 7 und § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG. Es beruht auf diesen Rechtsfehlern und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Den Beigeladenen steht kein Anspruch auf den Veräußerungserlös für das verfahrensgegenständliche Flurstück zu.
1. Zu Unrecht meint das angegriffene Urteil, die Regelung zur Restitution von Unternehmensresten in § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG sei wegen der Rehabilitierung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen nach § 1 Abs. 7 VermG entsprechend anzuwenden. Dabei übersieht es, dass § 1 Abs. 7 VermG einen Zusammenhang zwischen der aufgehobenen Vermögenseinziehung und der begehrten Wiedergutmachung voraussetzt und dass dieser Zusammenhang wegen eines wirksamen Verzichts auf die Rückgabe der Neubauernstelle fehlt.
a) Nach § 1 Abs. 7 VermG gelten die Vorschriften des Vermögensgesetzes entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger straf-, ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlicher Entscheidungen steht. Diese Vorschrift stellt eine Rechtsfolgenverweisung dar und geht von einem zweistufigen Verfahren aus. Sie setzt voraus, dass die nach den anderen Vorschriften zuständige Stelle die Vermögensentziehung als rechtsstaatswidrig aufgehoben und dadurch den Rechtsgrund des Vermögensverlustes beseitigt hat. Die rechtsgrundlos gewordene Vermögensverschiebung wird anschließend nach Maßgabe des Vermögensgesetzes rückabgewickelt (stRspr, vgl. Urteil vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 9.98 - BVerwGE 108, 315 <318 f.> = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 1 S. 1 <3 f.>; Beschluss vom 17. Februar 2009 - BVerwG 8 B 98.08 - ZOV 2009, 137 f.).
Eine Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 7 VermG liegt in der strafrechtlichen Rehabilitierung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen mit Beschluss des Landgerichts ... vom 24. Oktober 2005. Die Entscheidung der Gnadenkommission vom 22. Oktober 1954 erfüllt den Tatbestand noch nicht, weil sie keine rechtsstaatliche Missbilligung der Verurteilung erkennen lässt (vgl. Urteile vom 25. Februar 1999 a.a.O. S. 322 bzw. <6> und vom 17. Mai 2000 - BVerwG 8 C 16.99 - BVerwGE 111, 182 <185> = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 4). Erst der Rehabilitierungsbeschluss vom 24. Oktober 2005 bezeichnet die strafrechtliche Verurteilung und die Vermögenseinziehung als rechtsstaatswidrig und hebt sie darum insgesamt auf. Für die Rechtsfolgen verweist § 3 Abs. 2 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG) auf das Vermögensgesetz.
b) Eine vermögensrechtliche Rückgabeberechtigung folgt aus der Rehabilitierungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 VermG jedoch nur, wenn die begehrte Rückgabe im Zusammenhang mit der Aufhebung der rechtsstaatswidrigen Entscheidung steht. Das setzt voraus, dass der zurückzugebende Vermögenswert durch die aufgehobene rechtsstaatswidrige Entscheidung entzogen wurde. Erforderlich ist darüber hinaus, dass die rechtsstaatswidrige Entscheidung noch im Zeitpunkt der Rehabilitierung den Rechtsgrund des Vermögensverlusts bildete, sodass ihre Aufhebung die Vermögensverschiebung rechtsgrundlos werden ließ.
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist hier umfassend zu prüfen. Die Bindungswirkung des strafrechtlichen Rehabilitierungsbeschlusses nach § 3 Abs. 2 StrRehaG steht dem nicht entgegen. Sie bezieht sich nur auf Fragen, über die im Rehabilitierungsverfahren entschieden wurde (vgl. Urteil vom 19. Juli 2000 - BVerwG 8 C 6.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 5 S. 21). Außerdem wirkt sie nicht zulasten derjenigen Verfügungsberechtigten, die - wie die Klägerin - nicht am Rehabilitierungsverfahren beteiligt waren und deshalb effektiven Rechtsschutz nur im vermögensrechtlichen Verfahren erlangen können (vgl. Urteile vom 24. Juni 2004 - BVerwG 7 C 21.03 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 14 S. 50 f., vom 19. Mai 2005 - BVerwG 7 C 18.04 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 15 S. 56 und vom 6. August 2008 - BVerwG 8 C 2.08 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 19 S. 56; Beschluss vom 15. Juli 2010 - BVerwG 8 B 4.10 - ZOV 2010, 223).
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die strafgerichtliche Vermögenseinziehung die verfahrensgegenständlichen Flurstücke erfasste (aa) und nicht schon vor der Rehabilitierung rückgängig gemacht wurde (bb). Das angegriffene Urteil übersieht aber, dass der Zusammenhang zwischen der rehabilitierungsrechtlichen Aufhebung der Vermögenseinziehung und der begehrten Rückgabe auch mit einem wirksamen Verzicht auf die Rückgabe des entzogenen Vermögenswerts entfällt und dass ein solcher Verzicht hier vorliegt (cc).
aa) Die strafgerichtliche Vermögenseinziehung erstreckte sich auf die gesamte Neubauernwirtschaft des Herrn T. und erfasste alle dazu gehörenden Bodenreformgrundstücke. Offen bleiben kann, ob der endgültige Vermögensverlust schon mit der Rechtskraft des Strafurteils eintrat (vgl. Urteile vom 19. Juli 2000 a.a.O. S. 22 und vom 6. August 2008 a.a.O. Rn. 21) oder ob er wegen des faktischen Enteignungsbegriffs des Vermögensrechts einen tatsächlichen Zugriff voraussetzte (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 7 C 18.05 - BVerwGE 126, 213
bb) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in der Entscheidung der Härtefallkommission oder dem Gnadenerweis keine Rückgabe der entzogenen Neubauernstelle gesehen. Eine die Vermögensentziehung aufhebende, die vermögensrechtliche Restitution erübrigende Rückabwicklung liegt nur vor, wenn die Entziehung vollständig rückgängig gemacht und der Betroffene wieder in seine vorherige Rechtsstellung eingesetzt wurde (vgl. Urteile vom 20. März 2002 - BVerwG 8 C 2.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 8 S. 30 <33> und vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 14). Das ist hier nicht geschehen.
Die stattgebende Entscheidung der Härtefallkommission vom 30. Oktober 1953 führte keine vollständige Wiedergutmachung herbei. Sie hob weder die Vermögenseinziehung auf, noch setzte sie Herrn T. erneut in das entzogene Bodenreformeigentum ein. Das Strafurteil und die damit verhängte Vermögenseinziehung blieben ausdrücklich aufrecht erhalten. Die Entscheidung, Herrn T. die Flurstücke zur persönlichen Nutzung zu überlassen, verlieh ihm ein Nutzungsrecht nach Maßgabe der Richtlinie 2, ohne ihm wieder Bodenreformeigentum zuzuteilen. Dass er nach wie vor als Bodenreformeigentümer im Grundbuch eingetragen war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Solange die Vermögenseinziehung wirksam blieb, erschöpfte die Eintragung sich in einer bloßen Buchposition.
Der Gnadenerweis vom 22. Oktober 1954 bewirkte ebenfalls keine vollständige Rückabwicklung der Vermögenseinziehung. Entgegen dem angegriffenen Urteil folgt dies allerdings nicht schon daraus, dass die Gnadenentscheidung keine Rehabilitierung vornahm. Zur Rückabwicklung einer Entziehung genügt, dass das entzogene Recht wieder eingeräumt und der Vermögenswert zurückgegeben wird. Aus welchem Rechtsgrund dies geschieht, ist unerheblich. Die Rückabwicklung kann daher auch durch eine nicht rehabilitierende Maßnahme bewirkt werden. Revisionsrechtlich fehlerfrei hat das Verwaltungsgericht jedoch angenommen, der Gnadenerweis habe mangels sachenrechtlicher Gestaltungswirkung keine Rückabwicklung herbeigeführt. Die dagegen erhobenen Verfahrensrügen der Klägerin gehen fehl. Die tatrichterlichen Feststellungen zum Gnadenerweis sind weder aktenwidrig noch denkfehlerhaft. Das Verwaltungsgericht verneint weder die Aufhebung der Vermögenseinziehung noch deren unmittelbare Wirkung. Es geht lediglich davon aus, dass damit - wie im Fall einer Rehabilitierungsentscheidung nach § 3 Abs. 2 StrRehaG - nur der Rechtsgrund der Entziehung beseitigt, das eingezogene Vermögen aber noch nicht rechtsgestaltend in das Eigentum des Betroffenen überführt wurde. Aus der Richtlinie 7/54 ergibt sich nicht, dass diese Schlussfolgerung denklogisch unmöglich wäre. Vielmehr gehen Ziffern I B 2 und II der Richtlinie von der Notwendigkeit einer Übertragung oder Rückgabe des entzogenen Vermögens "in das Eigentum" des Betroffenen aus. Die von der Klägerin zitierte Regelung der Berichtspflicht zur Rückübertragung spricht ebenfalls für die Notwendigkeit eines Vollzugsakts. Hier unterblieb die Rückgabe, weil die staatlichen Stellen davon ausgingen, mit der Verzichtserklärung des Herrn T. habe sich die Rückgabe der entzogenen Neubauernstelle erledigt. Wertersatz für das Inventar wurde unter Hinweis auf abgelöste und noch offene Verbindlichkeiten abgelehnt.
cc) Entgegen dem angegriffenen Urteil folgt aus dem Unterbleiben der Rückgabe aber noch nicht, dass der Vermögensverlust im Zeitpunkt der Rehabilitierung noch auf der rechtsstaatswidrigen Vermögenseinziehung beruhte. Vielmehr stellt der am 4. Dezember 1953 erklärte Verzicht einen selbstständigen Rechtsgrund für den Vermögensverlust dar.
Mit der schriftlichen Erklärung vom 4. Dezember 1953 hat Herr T. gegenüber dem Rat des Kreises wirksam auf die Rückgabe des entzogenen Bodenreformeigentums verzichtet. Die gegenteilige Auslegung der Vorinstanz, dass Herr T. nur das Angebot auf Nutzungsüberlassung abgelehnt habe, widerspricht den gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, die im Zeitpunkt der Erklärung auch in der DDR galten. Danach ist der erklärte Wille bei empfangsbedürftigen Erklärungen anhand des Wortlauts unter Berücksichtigung der für den Adressaten erkennbaren Umstände zu ermitteln.
Der Wortlaut der Verzichtserklärung vom 4. Dezember 1953 ist eindeutig. Herr T. verzichtete ausdrücklich auf die Grundstücke, für die er als Bodenreformeigentümer eingetragen war. Diese Erklärung bezieht sich nicht nur auf die Nutzungsüberlassung oder auf ein entsprechendes Angebot, sondern auf das Bodenreformeigentum selbst. Der Verzicht darauf geht nicht schon wegen der strafgerichtlichen Vermögenseinziehung ins Leere. Soweit die Einziehung vollzogen wurde, schließt er einen künftigen Rückgabeanspruch aus. Darüber hinaus erstreckt er sich auf die Eigentumseintragung im Grundbuch, die Herrn T. verblieben war und die ihm wegen der stattgebenden Entscheidung der Härtefallkommission nach Teil B Abschnitt II Ziffer 3 Abs. 2, Abschnitt IX der Richtlinie 2 trotz der Vermögenseinziehung und selbst bei Verweigerung der Nutzungsübernahme nicht mehr entzogen werden durfte. Dieser Buchposition konnte Herr T. sich nur durch Verzicht auf das Eigentum selbst entledigen.
Für einen umfassenden Verzicht sprechen auch die für den Adressaten erkennbaren Umstände der Erklärung. Danach wollte Herr T. jede Rückgabe der Neubauernstelle abwenden, die ihn gezwungen hätte, die absehbar unrentable Bewirtschaftung der hoch verschuldeten Hofstelle samt allen damit verbundenen Lasten zu übernehmen. Das galt sowohl für eine nur faktische Rückgabe durch die bereits beschlossene Nutzungsüberlassung als auch für eine vollständige, die Rückübertragung des Bodenreformeigentums einschließende Rückabwicklung der Entziehung.
Bereits die Nutzungsüberlassung hätte Herrn T. wieder eine dem Bodenreformeigentum vergleichbare Rechtsstellung verschafft. Das Recht zur persönlichen Nutzung entsprach dem Recht zur Bewirtschaftung der Neubauernstelle, das den Kern des Bodenreformeigentums bildete. Der persönliche Charakter des Nutzungsrechts bildete den Zuweisungsgehalt dieses Eigentums ab, das nur dem Neubauern selbst zustand und nicht veräußert oder verpfändet werden durfte (vgl. dazu §§ 1, 13 der im Zeitpunkt der Härtefallentscheidung geltenden Verordnung über die Auseinandersetzung bei Besitzwechsel von Bauernwirtschaften aus der Bodenreform vom 21. Juni 1951, GBl DDR I S. 629; Urteil vom 25. Februar 1994 - BVerwG 7 C 32.92 - BVerwGE 95, 170 <172 ff.> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 17 S. 10 f.). Der Hinweis der Härtefallkommission auf die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung des überlassenen Vermögens machte deutlich, dass mit dem Nutzungsrecht die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung verbunden war. Für das Bodenreformeigentum ergab sie sich aus dessen rechtlicher Ausgestaltung als persönliches Arbeitseigentum (Urteil vom 25. Februar 1994 a.a.O. S. 11).
Wegen der hohen Verschuldung der Neubauernstelle, des erheblichen Reparaturbedarfs und der Vorgeschichte der strafgerichtlichen Verurteilung musste Herr T. davon ausgehen, dass die Neubauernstelle nicht zu bewirtschaften war, ohne erneut die Erfüllung von Tilgungs- und Ablieferungspflichten oder die Existenz seiner Familie zu gefährden. Dieses Dilemma war auch für den Rat des Kreises erkennbar, der um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wusste. Es bestand nicht nur bei der beschlossenen Nutzungsüberlassung, sondern auch und erst recht bei einer vollständigen Rückübertragung des Bodenreformeigentums. Das Kreisgericht hatte Herrn T. in den Entscheidungsgründen des Strafurteils darauf hingewiesen, dass er seiner Notlage nicht durch Rechtsbruch, sondern nur durch Verzicht auf die Neubauernstelle hätte entgehen können. Mit der Verzichtserklärung auf dem dafür vorgesehenen Formular zog er die entsprechenden Konsequenzen.
Für die Wirksamkeit seines Verzichts ist unerheblich, ob die spätere Aufhebung der Vermögenseinziehung für ihn absehbar war. Zum einen konnte er auch auf eine ungewisse künftige Rückübertragung des Bodenreformeigentums verzichten. Zum anderen ergibt sich aus den dargelegten Umständen, dass er seinen Verzicht gerade in Kenntnis der Folgen einer Rückgabe endgültig und vorbehaltlos erklärte, um die Neubauernstelle auf keinen Fall wieder zurücknehmen zu müssen. Der Verzicht ist auch nicht wegen Willensmängeln unwirksam. Dass er nicht auf eine Nötigung, einen Machtmissbrauch oder sonstige unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zurückzuführen war, hat das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen bereits mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 1996 bestandskräftig auch gegenüber den Beigeladenen festgestellt.
Der Verzicht stellt keine bloß hypothetische und deshalb unbeachtliche Reserveursache für den Vermögensverlust dar. Allerdings entfällt ein vermögensrechtlicher Anspruch wegen einer Schädigung nicht schon, wenn der Vermögenswert andernfalls durch eine spätere, tatsächlich ins Leere gehende Entziehungsmaßnahme verloren gegangen wäre (Urteil vom 19. Juli 2000 - BVerwG 8 C 6.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 5 S. 21). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der Verzicht stellt keine zweite, tatsächlich wirkungslose Schädigung dar, die nur bei Fehlen der Erstschädigung Bedeutung gewonnen hätte. Vielmehr knüpfte er gerade an die Vermögenseinziehung und die Milderung ihrer Rechtsfolgen durch die Entscheidung der Härtefallkommission an. Er ließ die dadurch geschaffene Rechtsposition entfallen und schloss eine Rückabwicklung der Enteignung aus. Als selbstständiger Rechtsgrund für den dauerhaften Vermögensverlust blieb er von der späteren Aufhebung der Vermögenseinziehung im Rehabilitierungsverfahren unberührt. Da die Vermögensverschiebung nicht rechtsgrundlos wurde, konnte die Rehabilitierung keinen Anspruch auf vermögensrechtliche Restitution auslösen.
2. Die Entscheidung der Vorinstanz beruht auf den dargelegten rechtlichen Mängeln und ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Aus § 1 Abs. 3 VermG können die Beigeladenen keine vermögensrechtliche Berechtigung herleiten, weil eine Schädigung durch unlautere Machenschaften mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 1996 bestandskräftig verneint wurde. Sonstige Schädigungstatbestände kommen nicht in Betracht. Auf die rechtzeitige Anmeldung von Erlösauskehransprüchen und die Auslegung des Schreibens vom 30. November 2005 kommt es danach nicht mehr an.
3. Die verwaltungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen erlauben eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Klage ist nach § 113 Abs. 1 VwGO stattzugeben, weil Ziffern 1 und 3 des angefochtenen Bescheids rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen. Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, finden die Berechtigungsfeststellung und die Feststellung des Erlösauskehranspruchs gegen die Klägerin im Vermögensgesetz keine Grundlage.