Entscheidungsdatum: 24.02.2010
Wird in einem im Verfahren nach dem Vermögensgesetz ergangenen Bescheid eine (Entschädigungs-)Berechtigung des Antragstellers festgestellt, so erwächst diese, wenn sie nicht angefochten wird, in Teilbestandskraft mit der Folge, dass das Gericht über die Berechtigtenstellung (§ 2 Abs. 1 VermG) des Anspruchstellers, der seinen Rückübertragungsanspruch weiter verfolgt, im weiteren Klageverfahren nicht mehr anderweitig entscheiden darf (im Anschluss an die Rechtsprechung des 7.Senats u.a. Urteil vom 16. April 1998 - BVerwG 7 C 32.97 - BVerwGE 106, 310).
Der Kläger begehrt die Rückübertragung von zwei in Z. am L.see bei O. belegenen Grundstücken (Flur 3, Flurstücke 45/2 und 46/1) als deren Eigentümerin die Beigeladene im Grundbuch eingetragen ist.
Ursprünglich existierten die nebeneinander liegenden Flurstücke 45 und 46. Durch Neuvermessung entstanden unter anderem die streitgegenständlichen seeseitigen Flurstücke 45/2 und 46/1 mit einer Größe von ca. 2 602 qm und 1 070 qm.
Als Eigentümer der damaligen Flurstücke 45 und 46 waren im Grundbuch (Band 11, Blatt 292 bzw. 306) 1951 zunächst der 1975 verstorbene Ernst A. und dessen 1977 verstorbene Ehefrau Bertha A. geb. L. eingetragen worden. Die Grundstücke wurden mit Beschluss des Rates des Kreises O. vom 8. Oktober 1987 auf der Grundlage des DDR-Baulandgesetzes in Volkseigentum überführt. Die Rechtsträgerschaft an diesen Grundstücken wurde dem Rat der Gemeinde Z. eingeräumt, der 1987 auch im Grundbuch eingetragen wurde.
Mit Schreiben vom 3. September 1990 meldete der Sohn des Klägers, Rechtsanwalt D. A., "als Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach Berta A. geb. L., gestorben am 4. Juli 1977 in B." Rückübertragungsansprüche für die in der Gemeinde Z., Kolonie am L.see, S.straße, gelegenen Grundstücke ("Grundbuch des Amtsgerichts O. Band 11 Blatt 292 und Blatt 306") an und beantragte die "Herstellung der früheren Eigentumsrechte (Rückübereignung)" sowie "die Aufhebung der staatlichen Verwaltung". Gleichzeitig beantragte er für den Fall, dass das Grundstück und/oder die darauf befindlichen Gebäude nach dem 18. Oktober 1989 veräußert worden sein sollten, vorsorglich "das Genehmigungsverfahren nach der Grundstücksverkehrsverordnung wieder aufzugreifen und einen entsprechenden Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs einzutragen". Für den Fall, dass auf Grund des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 Grundstück oder Gebäude veräußert worden sein sollten, beantragte er, das Genehmigungsverfahren wieder aufzugreifen. Sollte ein neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen sein, beantragte er, von Amts wegen einen Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs einzutragen.
Dieses von Rechtsanwalt D. A. eingereichte Anmeldeschreiben vom 3. September 1990 erfolgte unter seinem Briefkopf und ist in der Ich-Form gehalten. Auf Seite 2 des Schreibens wird ausgeführt: "Die verstorbene Mutter des Unterzeichners war zusammen mit dem Vater des Unterzeichners, der diesen Antrag ebenfalls gegenzeichnet, Erbin nach Berta A.... . Auch insoweit wird die Erbfolge durch fotokopierten Erbschein des Amtsgerichts W. vom 10. August 1977 zu Aktenzeichen ... (Anlage A 2) nachgewiesen." Der Erbschein vom 10. August 1977 wies als Erben von Bert(h)a A. geb. L. unter anderem den Kläger und Frau Gertrud A. geb. Sch., die Mutter von D. A., aus. Unterzeichnet ist das zweiseitige Anmeldeschreiben vom 3. September 1990 im Anschluss an den Text links unten von Rechtsanwalt D. A.. Auf einer punktierten Linie findet sich rechts daneben die Unterschrift des Klägers.
Mit unter anderem an den Kläger und an dessen Sohn D. A. adressiertem Bescheid vom 13. Februar 2001 lehnte der Beklagte hinsichtlich der Flurstücke 45/2 und 46/1 die Rückübertragung an mehrere Antragsteller, darunter den Kläger und dessen Sohn D. A., ab (Ziff. 3), stellte jedoch fest, dass "den Antragstellern in Erbengemeinschaft" ein Entschädigungsanspruch hinsichtlich dieser Flurstücke dem Grunde nach zustehe (Ziff. 4). In der Begründung heißt es, die Antragsteller seien Berechtigte im Sinn des § 2 Abs. 1 VermG. Der Rückübertragung des Eigentums an den Flurstücken 45/2 und 46/1 stehe aber der Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 1 VermG entgegen, weil die in Rede stehende Fläche für die Rechtsnachfolger der Alteigentümer ohne Inanspruchnahme eines über Nachbargrundstücke führenden Notwegerechts nach § 917 BGB nicht nutzbar wäre. Deshalb stehe den Antragstellern in Erbengemeinschaft lediglich ein Entschädigungsanspruch zu, dessen Höhe in einem gesonderten Bescheid festgesetzt werde.
Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2003 zurückgewiesen.
Mit seiner beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des I. Widerspruchsausschusses beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen vom 2. April 2003 zu verpflichten, das Eigentum an den Grundstücken in Z., Flur 3, Flurstücke 45/2 und 46/1 an die Erbengemeinschaft nach Ernst Albert A. und Berta A. zurückzuübertragen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht Potsdam hat mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2008 ergangenen Urteil die Klage als unzulässig mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger fehle die Klagebefugnis, weil er mangels fristgerechter eigener Antragstellung nicht rückübertragungsberechtigt sei.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Mit der Unterzeichnung des Anmeldeschreibens vom 3. September 1990 habe er sich den Antrag seines Sohnes, des Rechtsanwalts D. A., zu eigen gemacht. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens habe er immer wieder darauf hingewiesen, dass er mit der erfolgten Unterzeichnung des Schreibens vom 3. September 1990 einen eigenen Antrag auf Rückübertragung der hier infrage stehenden Grundstücke gestellt habe. Folgerichtig habe ihn der Beklagte auch durchgängig als Antragsteller behandelt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. Januar 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Nr. 3 seines Bescheides vom 13. Februar 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 das Eigentum an den Grundstücken in Z. Flur 3, Flurstück 45/2 und 46/1 an die Erbengemeinschaft nach Ernst Albert A. und Berta A. zurückzuübertragen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat mit der Abweisung der Klage wegen nach seiner Auffassung fehlender fristgerechter eigener Antragstellung des Klägers das in § 88 VwGO bestimmte Gebot verletzt, über das Klagebegehren nicht hinauszugehen.
Unter Nr. 4 des Bescheides des Beklagten vom 13. Februar 2001, der durch den Widerspruchsbescheid vom 2. April 2003 insoweit nicht abgeändert wurde, wurde unter Bezugnahme auf das Antragsschreiben vom 3. September 1990 festgestellt, dass "den Antragstellern" - und damit auch dem Kläger als Antragsteller zu 1. - "in Erbengemeinschaft wegen des Eigentumsverlustes an den Flurstücken 45/1, 45/2 und 46/1 ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zusteht".
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Feststellung der (Entschädigungs-)Berechtigung, die in einem im Verfahren nach dem Vermögensgesetz ergangenen Bescheid ausgesprochen wurde, als selbstständige Teilentscheidung Bestand, wenn sie nicht angefochten wird (vgl. Urteile vom 16. April 1998 - BVerwG 7 C 32.97 - BVerwGE 106, 310 = Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 9, vom 16. Juli 1998 - BVerwG 7 C 39.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 159 = VIZ 1998, 563; Beschluss vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 B 281.98 - Buchholz 310 § 133 (nF) VwGO Nr. 42). Das ist hier der Fall.
Weder der Kläger noch die Beigeladene haben die Feststellung dieser Berechtigung im Rahmen der vom Kläger erhobenen, allein auf Rückübertragung gerichteten Klage in Zweifel gezogen und zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemacht. Zwar hat der Kläger in seinem Antrag die umfassende Aufhebung des Bescheids vom 13. Februar 2001 begehrt. Aus seiner Klagebegründung ergab sich aber eindeutig, dass er sich nur gegen die Ablehnung der Rückübertragung, nicht gegen die Feststellung der Berechtigung wandte. Insoweit wäre seine Klage auch mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig gewesen. Damit ist bestandskräftig geworden, dass der Kläger (und die anderen Antragsteller) in Erbengemeinschaft wegen des Eigentumsverlustes an den in Rede stehenden Grundstücken Berechtigte nach dem Vermögensgesetz sind.
Darüber hat sich das Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen § 88 VwGO hinweggesetzt, indem es die - bereits bestandskräftig festgestellte - Berechtigung des Klägers erneut geprüft und im Hinblick auf die von ihm ungeachtet dessen angenommene fehlende Antragstellung verneint hat. Dass dies nicht im Urteilstenor, sondern in den Entscheidungsgründen geschehen ist, schließt den Verfahrensfehler nicht aus (vgl. Beschlüsse vom 10. Mai 1993 - BVerwG 7 B 27.93 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 22, und vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 B 281.98 - a.a.O.).
Das widerspricht dem dem Klagevorbringen zu entnehmenden Rechtsschutzziel (vgl. Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144 <149>; Beschluss vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 B 281.98 - a.a.O). Dieses war trotz des missverständlichen Wortlauts des Klageantrages nach dem eindeutigen Inhalt des Vorbringens auf die Verpflichtung des Beklagten zur Rückübertragung beschränkt. Keinesfalls war die Klage darauf gerichtet, die bereits bestandskräftig festgestellte Berechtigung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG) des Klägers zur Disposition zu stellen.
Danach kommt es entscheidungserheblich nicht mehr darauf an, dass das Verwaltungsgericht zudem bei der Auslegung des Anmeldeschreibens vom 3. September 1990 gegen die §§ 133, 157 BGB und durch die Verneinung der Klagebefugnis auch gegen § 42 Abs. 2 VwGO verstoßen hat, indem es die fristgerechte Antragstellung rechtsirrig als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage betrachtet hat.
Es ist nicht ersichtlich, dass das angefochtene Urteil aus anderen Gründen im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO richtig ist. Darüber, ob dem Kläger der für die Erbengemeinschaft geltend gemachte Rückübertragungsanspruch der Sache nach zusteht oder ob dem der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 VermG entgegen steht, weil die streitgegenständlichen Flurstücke ohne Inanspruchnahme eines Notwegerechts nach § 917 BGB nicht nutzbar sind, hat das Verwaltungsgericht bisher nicht befunden. Dem Senat sind als Revisionsinstanz die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen versagt.
Auf die Revision des Klägers war deshalb das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Potsdam zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz Nr. 2 VwGO).
Da eine abschließende Entscheidung noch aussteht, muss die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten bleiben.