Entscheidungsdatum: 24.03.2010
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO nicht vorliegen.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, da die Beschwerde keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts formuliert, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme und die für die Revisionsentscheidung entscheidungserheblich wäre (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Die für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,
ob der Ausschlussgrund gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG auch dann erfüllt ist, wenn der Gemeingebrauch durch förmliche Einziehungsverfügung der Straßenbehörde aufgehoben wurde und ein möglicher neuer Gemeingebrauch überhaupt erst mehr als fünf Jahre nach Aufhebung der Widmung neu begründet wurde,
sowie die daran anschließenden Fragen,
ob und inwieweit nach einer förmlichen Entwidmung einer "faktischen" Widmung nach DDR-Recht das Verfügungsverbot gemäß § 3 VermG einer solchen förmlichen Neu-Widmung nach bundesdeutschem Straßenrecht entgegensteht,
ob der Ausschlussgrund des Gemeingebrauchs gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG auch dann erfüllt ist, wenn Teile einer (vermeintlich neu gewidmeten) Verkehrsfläche (auf Straßenhöhe und im Luftraum) mit einem Gebäude bzw. Gebäudeteilen bebaut sind und somit der Allgemeinheit nicht zur Verfügung stehen, und ob eine (neue) Teilwidmung eines Grundstücks die Rückgabe des ganzen Grundstücks, also auch der nichtgewidmeten Teile ausschließt,
und ob es gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG relevante zivilrechtliche Nutzungsbindungen mit widmungsähnlichem Charakter geben kann, die erst nach Inkrafttreten des Vermögensgesetzes begründet wurden,
würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil sie nur eine von zwei das angegriffene Urteil jeweils selbstständig tragenden Erwägungen betreffen. Das Verwaltungsgericht begründet die Klageabweisung nicht allein damit, dass kein Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorliege, da der Restitutionsausschlussgrund der Widmung zum Gemeingebrauch nach § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entfallen sei. Es stützt seine Entscheidung außerdem auf die davon unabhängige, selbstständig tragende Erwägung, der Wiederaufgreifensantrag der Klägerin sei nach § 51 Abs. 2 VermG unzulässig, weil diese nicht ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sei, sich bereits im früheren vermögensrechtlichen Verfahren auf den geltend gemachten Wegfall der Widmung zum Gemeingebrauch zu berufen. Beruht das angegriffene Urteil auf mehreren selbstständig tragenden Gründen, können Angriffe gegen einen von ihnen der Revision nur zum Erfolg verhelfen, wenn auch alle übrigen, die Entscheidung alternativ tragenden Erwägungen mit wirksamen Rügen angegriffen werden. Das ist hier nicht geschehen.
Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen beziehen sich ausschließlich auf den ersten der beiden selbstständig tragenden Entscheidungsgründe. Sie wenden sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG sei weder mit der Einziehung der über das streitige Grundstück verlaufenden Straße noch durch die investive Veräußerung des Grundstücks entfallen, weil die bereits zum Stichtag des § 5 Abs. 2 VermG bestehende Widmung für den öffentlichen Fußgängerverkehr trotz der Einziehungsverfügung erhalten geblieben oder allenfalls für die Dauer der Bauzeit unterbrochen worden sei. Der Verfügungsberechtigte habe lediglich die straßenrechtliche Sicherung der Zweckbestimmung durch eine privatrechtlich vereinbarte ersetzt. Die davon unabhängige, ebenfalls zum Verneinen des Wiederaufgreifensanspruchs führende Erwägung, die Klägerin habe nicht ohne grobes Verschulden i.S. des § 51 Abs. 2 VwVfG versäumt, sich bereits im früheren Verfahren auf den Wegfall des Restitutionsausschlussgrundes zu berufen, wird mit der Grundsatzrüge nicht angegriffen.
2. Insoweit hat die Beschwerde lediglich eine Divergenzrüge gemäß § 133 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erhoben, die jedoch nicht durchgreift.
Die geltend gemachte Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 78.88 - (BVerwGE 82, 272 <277> = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 22) liegt nicht vor. Dieses Urteil wird nicht von der Erwägung getragen, dem Betroffenen werde "nur ausnahmsweise vorzuhalten sein", von der Behörde nicht ermittelte Unterlagen nicht selbst in das frühere Verfahren eingeführt zu haben. Es formuliert diesen Satz nur als obiter dictum. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Ausnahmecharakter groben Verschuldens in einem solchen Fall auch nicht rechtsgrundsätzlich verneint. Vielmehr hat es ein grobes Verschulden der Klägerin im Hinblick darauf bejaht, dass sie die von der Behörde nicht berücksichtigten Umstände bereits vor dem Abschluss des vermögensrechtlichen Verfahrens kannte, es aber trotzdem unterließ, den daraus abgeleiteten Einwand des Wegfalls der Widmung zum Gemeingebrauch rechtzeitig geltend zu machen.
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfuhr die Klägerin bereits im Rahmen der Anhörung zum Erlass des Investitionsvorrangbescheides vom 12. August 1994 und endgültig mit dessen Zustellung am 25. August 1994, dass die investive Veräußerung des bisherigen Straßengrundstücks bevorstand, die bisherige Straßenfläche vom Erwerber aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen als Arkade für den öffentlichen Fußgängerverkehr auszugestalten und daher die Einziehung der Straße absehbar war. Dennoch erhob die Klägerin auch nach Eintreten der Bestandskraft des Investitionsvorrangbescheides, der Einziehung der Straße im November 1994 und der Veräußerung des Grundstücks im März 1995 in den bis zum Abschluss des vermögensrechtlichen Verfahrens verbleibenden Jahren nicht den nahe liegenden Einwand, im Zeitpunkt der investiven Veräußerung habe der Ausschlussgrund der Widmung zum Gemeingebrauch nicht mehr bestanden. Sie unterließ es auch, mit dieser Begründung den das vermögensrechtliche Verfahren abschließenden Bescheid vom 13. Februar 1998 anzufechten. Dieses Versäumnis hat das Verwaltungsgericht als grobes Verschulden der Klägerin gegen sich selbst eingeordnet. Einwände gegen die Subsumtion können keine Divergenz begründen.
Eine Divergenz zum Urteil vom 27. Februar 2002 - BVerwG 8 C 1.01 - (BVerwGE 116, 67 <69> = Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 34) besteht ebenfalls nicht. Wie diese Entscheidung geht das angegriffene Urteil davon aus, dass eine die Rückübertragung ausschließende Widmung zum Gemeingebrauch gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 VermG bereits zum Stichtag des 29. September 1990 vorgelegen haben muss. Entgegen dem Beschwerdevorbringen stellt das Verwaltungsgericht auch keinen abstrakten Rechtssatz dahingehend auf, dass § 5 Abs. 1 VermG einen Vorrang bestimmter rechtlicher oder tatsächlicher Veränderungen nach dem Stichtag bezwecke. Es prüft und bejaht lediglich die Kontinuität der Widmung für den Gemeingebrauch nach dem Stichtag des § 5 Abs. 2 VermG. Die dem zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen hat die Beschwerde nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen. Bedenken gegen die Richtigkeit der Rechtsanwendung nicht mit der Divergenzrüge geltend zu machen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO abgesehen, da sie nicht dazu beitragen kann, die Voraussetzungen der Revisionszulassung weiter zu klären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.