Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 05.07.2011


BVerwG 05.07.2011 - 8 B 9/11

Rüge der Übertragung auf den Einzelrichter


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
05.07.2011
Aktenzeichen:
8 B 9/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend VG Berlin, 4. November 2010, Az: 29 A 170.07, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Die Kläger wenden sich gegen die Rückübertragung eines - 1938 von ihren Rechtsvorgängern gekauften - Grundstücks, nachdem die vermögensrechtliche Berechtigung der Beigeladenen an diesem Grundstück rechtskräftig festgestellt ist. Sie halten die Rückübertragung wegen redlichen Erwerbs für ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen, der die Klage abgewiesen hat.

2

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf einem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die vermeintlich grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) werden nicht den Anforderungen entsprechend dargelegt.

3

1. Die Kläger rügen als verfahrensfehlerhaft, dass die 29. Kammer des Verwaltungsgerichts den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen habe. Die Regelung begegne an sich schon verfassungsrechtlichen Bedenken, und ihre Voraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Damit kann die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht erreicht werden.

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Die Ermächtigung, einen Rechtsstreit auf den Einzelrichter zu übertragen, ist mit Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 101 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 22. September 1983 - 2 BvR 1475/83 - NJW 1984, 559 und vom 2. Juni 2009 - 1 BvR 2295/08 - NJW-RR 2010, 268 <269>).

5

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es bereits zweifelhaft, ob mit der Rüge, die Kammer habe den Rechtsstreit unter Verstoß gegen § 6 Abs. 1 VwGO dem Einzelrichter übertragen, ein Verfahrensmangel bezeichnet ist, der in einem Revisionsverfahren durch das Revisionsgericht überprüft werden könnte. Denn nach § 557 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 173 VwGO in verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden unanfechtbaren Entscheidungen keiner inhaltlichen Beurteilung durch das Revisionsgericht (vgl. Beschluss vom 4. Dezember 1998 - BVerwG 8 B 187.98 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1 m.w.N.; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 52). Der Beschluss zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ist gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO unanfechtbar. Das hat grundsätzlich auch zur Folge, dass das Rechtsmittelgericht an diese Entscheidung gebunden ist und entsprechende Verfahrensrügen einer inhaltlichen Überprüfung entzogen sind (Beschluss vom 4. Dezember 1998 a.a.O. m.w.N.).

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Selbst wenn man aber von einer ausnahmsweise zulässigen Verfahrensrüge ausgeht, könnte das Vorbringen der Kläger, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 VwGO hätten nicht vorgelegen, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Kammer steht bei ihrer Übertragungsentscheidung gemäß § 6 Abs. 1 VwGO ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der zudem tendenziell ("Soll-Regelung") zugunsten der Einzelrichterübertragung ausgestaltet ist (vgl. Beschluss vom 4. Dezember 1998 a.a.O. m.w.N.). Dass die Kammer des Verwaltungsgerichts ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, namentlich besondere Schwierigkeiten oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 6 Abs. 1 VwGO) willkürlich verneint hätte, ist weder ersichtlich noch dargetan. Die allgemeine Behauptung, die Kläger würden in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG verletzt, reicht dafür nicht aus. Soweit sich die Kläger dagegen wenden, dass die Rückübertragung an die Beigeladene erfolgt, übersehen sie im Übrigen, dass deren vermögensrechtliche Berechtigung rechtskräftig festgestellt ist.

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2. Die vermeintlich grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargetan. Die Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es hier.

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Die Beschwerde formuliert schon keine konkrete Rechtsfrage. Die Behauptung, in der Literatur und auch vor dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages werde die Rückübertragung von Grundstücken auf die Beigeladene immer wieder als rechtswidrig angesehen, reicht dafür nicht aus. Dass die Beigeladene auch dann einen Anspruch auf Rückübertragung haben kann, wenn diese Ansprüche von noch lebenden Rechtsnachfolgern des ursprünglich Geschädigten nicht geltend gemacht werden, ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. Urteil vom 28. April 2004 - BVerwG 8 C 12.03 - BVerwGE 120, 362 <369> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 25). Unabhängig davon ist die Berechtigung der Beigeladenen im vorliegenden Verfahren rechtskräftig festgestellt (vgl. VG Berlin, Urteil vom 21. April 2005 - 29 A 58.00 - und BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2005 - BVerwG 7 B 60.05 -).

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3. Mit der Rüge, die angegriffene Entscheidung stehe im Widerspruch zu dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 13. Oktober 2009 - Az. 35023/04 -, ist eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargetan. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind nach dieser Vorschrift nicht divergenzfähig (vgl. Beschluss vom 18. August 2009 - BVerwG 8 B 60.09 - juris Rn. 11).

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Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang rügt, dass die Beigeladene als Rechtsnachfolgerin für die Ansprüche jüdischer Berechtigter, die von diesen nicht geltend gemacht worden seien, angesehen werde, ist wiederum auf die rechtskräftige Feststellung der vermögensrechtlichen Berechtigung der Beigeladenen hinzuweisen.