Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 16.06.2011


BVerwG 16.06.2011 - 8 B 85/10

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
16.06.2011
Aktenzeichen:
8 B 85/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend VG Potsdam, 11. März 2010, Az: 1 K 1296/08, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

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Die Kläger erstreben die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens, in dem ihr Antrag auf Rückübertragung eines ehemaligen Rittergutes unter Berufung auf § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG bestandskräftig abgelehnt worden war. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hatte die Wiederaufnahme abgelehnt, weil keine neuen Beweismittel vorlägen, die das Rückübertragungsbegehren nunmehr als berechtigt erscheinen ließen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

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Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

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1. Der Rechtssache kommt die ihr von den Klägern beigelegte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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Die Kläger halten die Frage für klärungsbedürftig,

ob in der exklusiven Nutzung eines Landwirtschaftsbetriebes durch die sowjetische Besatzungsmacht, die diesen Betrieb während ihrer Dauer anderweitigem faktischen Zugriff vorübergehend entzieht, eine faktische Enteignung im Sinne des vermögensrechtlichen Enteignungsbegriffs liegt.

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Diese Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren aus mehreren Gründen nicht stellen.

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Zum einen lässt sie keinen Bezug zum Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits erkennen, in welchem die Frage inmitten steht, ob die Kläger einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens haben und ob sie hierzu neue Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgelegt haben, die eine ihnen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Für die Beurteilung, ob die vorgelegten Beweismittel eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, kommt es auf die Rechtsauffassung an, die den bestandskräftigen Bescheid trägt (Beschluss vom 3. Mai 2000 - BVerwG 8 B 352.99 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 42; Urteil vom 2. August 2001 - BVerwG 7 C 26.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 18 ; stRspr). Diesen Ausgangspunkt, den auch das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil einnimmt, ziehen die Kläger nicht in Zweifel. Dann aber ist die Rechtsauffassung, die den unanfechtbaren Bescheid trägt, unabhängig davon zugrundezulegen, ob sie ihrerseits zutrifft oder nicht. Daher geht die Grundsatzrüge, die gerade diese Rechtsauffassung in Frage stellt, ins Leere.

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Zum anderen verkennen die Kläger, dass weder der unanfechtbare Bescheid noch der Beklagte im Wiederaufnahmeverfahren in der Nutzung des Rittergutes als Versorgungswirtschaft der sowjetischen Besatzungstruppen eine faktische Enteignung gesehen haben. Auch das Verwaltungsgericht hat diese Auffassung ersichtlich nicht vertreten. Zwar unterscheidet es nicht genügend deutlich zwischen der Inanspruchnahme des Rittergutes als Versorgungswirtschaft durch die Rote Armee und der noch während ihres Andauerns eingeleiteten Entziehung durch deutsche Stellen im Zuge der Bodenreform. Es lässt aber erkennen, dass es in der nur vorübergehenden Inanspruchnahme als Versorgungswirtschaft allein für sich noch keine faktische Eigentumsentziehung sieht; vielmehr hebt es insofern - und nicht nur im Sinne einer Hilfsbegründung - den Erlass 2244/347 der Landesregierung Brandenburg vom 26. November 1947 hervor, auf den schon der unanfechtbare Bescheid im Erstverfahren abgestellt hatte. Damit befindet es sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Hiernach konnten Landgüter im Vollzug der Bodenreformvorschriften ungeachtet dessen faktisch enteignet, also dem vormaligen Eigentümer endgültig entzogen werden, dass sie im Einzelfall von der sowjetischen Besatzungsmacht vorübergehend als Versorgungswirtschaft für die Rote Armee in Anspruch genommen wurden und deshalb ihrem Bestimmungszweck nach der Bodenreform einstweilen noch nicht zugeführt werden konnten (Urteil vom 2. August 2001 a.a.O. ). Das gilt zweifelsfrei auch dann, wenn das Landgut von der sowjetischen Besatzungsmacht bereits vor der Einleitung der Bodenreform in Anspruch genommen wurde (vgl. Beschluss vom 25. April 2008 - BVerwG 8 B 3.08 - ZOV 2008, 206). Einen diesbezüglichen weiteren grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigen die Kläger nicht auf. Ob ein bestimmtes Landgut trotz einer bestehenden Nutzung als Versorgungswirtschaft der Roten Armee tatsächlich Enteignungsmaßnahmen im Zuge der Bodenreform unterworfen wurde, betrifft eine Frage des Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.  

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2. Den Zulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) legen die Kläger nicht schlüssig dar, obwohl dies geboten gewesen wäre (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hierzu wäre erforderlich gewesen, einen rechtlichen Obersatz, den das Verwaltungsgericht aufgestellt und auf den es seine Entscheidung gestützt hat, zu bezeichnen und ihm einen anderen rechtlichen Obersatz aus der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichte gegenüberzustellen, von dem es damit abgewichen ist. Das leisten die Kläger nicht. Sie beziehen sich zwar auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 50.95 -, demzufolge das für die Annahme einer Enteignung erforderliche Vollzugselement mit dem bloßen Inkrafttreten der Bodenreformverordnungen noch nicht verbunden war; diese Vorschriften bedurften daher noch einer weiteren Umsetzung durch staatliche Stellen im Sinne eines tatsächlichen Zugriffs auf den jeweiligen landwirtschaftlichen Betrieb, um die endgültige und vollständige Verdrängung des bisherigen Eigentümers aus seinem Eigentum deutlich zu machen (BVerwGE 104, 84 <87>). Ferner berufen sie sich auf das Urteil vom 27. Februar 1997 - BVerwG 7 C 42.96 -, in dem ebenfalls darauf abgehoben wurde, ob der frühere Eigentümer durch staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 106 = ZOV 1997, 200). Die Kläger stellen dem jedoch keinen abweichenden Obersatz des Verwaltungsgerichts gegenüber. Den Obersatz, den sie insofern formulieren, hat das Verwaltungsgericht selbst nicht aufgestellt. Im Gegenteil hat es deutlich gemacht, dass es auch nach seiner Rechtsauffassung allein darauf ankommt, ob sich der Eigentümer aufgrund tatsächlicher Maßnahmen der behördlichen Stellen endgültig aus seinem Eigentum verdrängt sehen musste.

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3. Das angefochtene Urteil leidet schließlich nicht an Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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Die Kläger wenden sich insofern vornehmlich dagegen, dass das Verwaltungsgericht den bereits erwähnten Erlass der Landesregierung Brandenburg vom 26. November 1947 herangezogen hat. Inwiefern damit ein Verfahrensmangel verbunden sein soll, machen sie jedoch nicht deutlich. Sie verweisen hierzu auf ihre eigenen Schriftsätze, in denen sie diesen Erlass in einer bestimmten Weise interpretiert haben. Es ist aber nicht verfahrensfehlerhaft, dass sich das Verwaltungsgericht dieser Interpretation nicht angeschlossen hat. Allein daraus lässt sich auch nicht schließen, dass das Verwaltungsgericht diese ihre Interpretation bei seiner Sachwürdigung übersehen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstoßen hätte.

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Ferner rügen die Kläger, das Verwaltungsgericht habe Quellen ignoriert, aus denen sich das Bestehen eines sowjetischen Enteignungsverbots ergeben hätte, und auch damit das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Auch diese Rüge legen sie nicht schlüssig dar. Aus den von ihnen angeführten Quellen mag sich ergeben, dass die sowjetischen Truppen das Rittergut ungeachtet der Einleitung der Bodenreform nicht zu deren Zwecken freigeben, sondern weiterhin als Versorgungswirtschaft zu eigenen Zwecken nutzen wollten. Ein Enteignungsverbot ergibt sich hieraus nicht, sondern allenfalls ein vorübergehendes Hindernis, eine eingeleitete Enteignung auch sogleich zum Abschluss zu führen. Richtig ist, dass die Kläger die in Rede stehenden Quellen ihrerseits im Sinne eines Enteignungsverbots interpretieren. Das Verwaltungsgericht ist jedoch nicht verpflichtet, sich dieser Interpretation anzuschließen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.