Entscheidungsdatum: 09.05.2011
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu. Die Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den gegebenen Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die Frage, ob die Kläger einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des rechtskräftig abgeschlossenen Revisionsverfahrens hinsichtlich des ehemaligen Unternehmens M. & Co. KG in B. haben. Das Verwaltungsgericht hat dies verneint, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG nicht erfüllt seien. Das von den Klägern zur Begründung ihres Wiederaufnahmebegehrens vorgelegte Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 12. Juni 1996 sei weder ein neues Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, weil es die Enteignung von 1946 nicht betreffe, noch ergebe sich aus ihm eine den Klägern günstige Veränderung der Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; namentlich komme auch bei seiner Berücksichtigung keine Rückgabe der beanspruchten Vermögenswerte nach § 1 Abs. 7 VermG in Betracht.
Die von den Klägern als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen gehen hieran vorbei. Das gilt ohne Weiteres für die zweite von ihnen bezeichnete Frage,
ob in Abgrenzung zum sogenannten faktischen Enteignungsbegriff in Bezug auf die von der Enteignung betroffene Person auch Enteignungsmaßnahmen von Vermögenswerten unbelasteter Personen an gemeinsamen Vermögenswerten als besatzungshoheitlich gelten.
Diese Frage steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG oder § 1 Abs. 7 VermG und würde sich daher in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Nichts anderes aber gilt für die andere aufgeworfene Frage,
ob eine Enteignung eines in der Haftanstalt zu Tode Gekommenen ohne zugrundeliegendes Strafurteil eines Militärtribunals, in welchem zugleich der Vermögensentzug ausgesprochen wird, gleichwohl aber zu einer faktischen Enteignung führt, einer strafrechtlichen Verurteilung durch ein solches Militärtribunal zum Tode mit gleichzeitigem Vermögensentzug gleichsteht.
Diese Frage zielt zwar auf die Anwendung von § 1 Abs. 7 VermG. Sie geht jedoch schon daran vorbei, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die das Revisionsgericht in Ermangelung von durchgreifenden Verfahrensrügen (dazu unten 3.) gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden wäre, keine bloß faktische, sondern eine förmliche Enteignung vorlag, die zudem weder auf die Inhaftierung des Rechtsvorgängers der Kläger noch auf dessen Versterben in der Haft zurückzuführen war. Vielmehr wurde danach das Betriebsvermögen des Unternehmens durch deutsche Stellen unter Bezugnahme auf den SMAD-Befehl Nr. 124 beschlagnahmt und 1946 zugunsten des Bundeslandes Sachsen enteignet. Soweit die Beschwerde zugleich sinngemäß die Frage aufwirft, ob § 1 Abs. 7 VermG auch - erweiternd oder analog - auf solche Enteignungsmaßnahmen anzuwenden ist, wenn der in sowjetischer Haft verstorbene frühere Berechtigte von russischer Seite rehabilitiert wird, bedarf es zur Klärung keines Revisionsverfahrens. Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich bereits, dass Rehabilitierungsentscheidungen der dafür zuständigen russischen Behörde nur zur Anwendung des § 1 Abs. 7 VermG führen können, wenn die Vermögensentziehung durch staatliche Stellen der Sowjetunion verfügt worden war (Urteile vom 17. April 1997 - BVerwG 7 C 15.96 - BVerwGE 104, 279 <289> = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 26 und vom 25. Februar 1999 - BVerwG 7 C 9.98 - BVerwGE 108, 315 <321 f.> = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 1).
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht dargetan. Dieser Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Die Beschwerde muss also die sich angeblich widersprechenden abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde benennt zwar teilweise Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts aus den von ihr angeführten Entscheidungen. Einen davon abweichenden vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz benennt sie aber weder ausdrücklich noch sinngemäß. Vielmehr rügt sie lediglich die ihrer Meinung nach fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch das Verwaltungsgericht. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
3. Es liegt auch kein von der Beschwerde geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft die Klage des Klägers zu 6 für unzulässig gehalten, wird zwar kein inhaltlicher Fehler, sondern ein Verstoß gegen Vorschriften über das gerichtliche Verfahren geltend gemacht (Urteil vom 14. Dezember 1961 - BVerwG 3 B 148.60 - BVerwGE 13, 239 <240 f.> m.w.N.). Selbst wenn das Urteil insoweit rechtsfehlerhaft wäre, könnte die angegriffene Entscheidung aber nicht darauf beruhen. Denn der Kläger zu 6 macht den streitgegenständlichen Anspruch zusammen mit den Klägerinnen zu 4 und 5 in Erbengemeinschaft nach Helga H. geltend. Da das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich der Klägerinnen zu 1 bis 5 als unbegründet abgewiesen hat, hätte es, wenn die Klage des Klägers zu 6 zulässig gewesen wäre, auch hinsichtlich des Klägers zu 6 zu diesem Ergebnis kommen müssen, da der Anspruch der Erbengemeinschaft nur gemeinschaftlich zustehen könnte. Die Beschwerde trägt auch nicht vor, welche weitergehenden Ansprüche der Kläger zu 6 geltend machen sollte. Dass über sein Begehren durch Prozessurteil und nicht durch Sachurteil entschieden wurde, stellt, selbst wenn es fehlerhaft gewesen wäre, keine selbstständige Beschwer dar.
Die auf Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 VwGO (gemeint wohl: Abs. 2) gestützte Gehörsrüge greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht das Vorbringen der Klägerinnen zur Rechtswidrigkeit der Enteignungsmaßnahme nicht übergangen, sondern festgestellt, dass die Klägerinnen insoweit keine neuen Beweismittel vorgelegt, sondern sich auf Unterlagen bezogen haben, die bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahrens waren. Aus ihnen ergebe sich auch nicht die für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erforderliche nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage. Auch der Vorwurf der Beschwerde, dass die die Enteignung belegenden Unterlagen Fälschungen seien, wurde vom Verwaltungsgericht geprüft und verworfen.
Die Beschwerde verkennt auch, dass im Verfahren um das Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahrens nicht geprüft wird, ob ein bestimmter Gesichtspunkt im vorangegangenen Verfahren bereits erörtert wurde. Nach der gesetzlichen Regelung ist ein Wiederaufgreifen nur aus den in § 51 Abs. 1 VwVfG aufgezählten Gründen möglich, u.a. wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Dass das Verwaltungsgericht insoweit Sachvortrag der Klägerinnen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hätte, behauptet die Beschwerde nicht.
Der gerügte Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. April 2010 haben die auch erstinstanzlich anwaltlich vertretenen Klägerinnen keine Beweisanträge gestellt. Die Beschwerde legt nicht dar, warum sich dem Verwaltungsgericht dennoch die vermisste Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Da es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um ein Verfahren um die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahrens handelt, hätte es den Klägerinnen oblegen, die geänderte Sach- oder Rechtslage dar- oder neue Beweismittel vorzulegen. Die Verpflichtung des Gerichtes gemäß § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, umfasst nicht die Verpflichtung, Gründe oder Beweismittel für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu ermitteln.
Schließlich liegt der gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze nicht vor. Ein Tatsachengericht hat nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung der Beschwerdeführer unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat. Ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>). Davon kann hier keine Rede sein. Das Verwaltungsgericht geht auch nicht von einem aktenwidrigen Sachverhalt aus und lässt - entgegen dem Vortrag der Beschwerde - nicht wesentlichen Akteninhalt bei seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung unberücksichtigt. Es hat vielmehr geprüft und festgestellt, dass die Klägerinnen hinsichtlich der geltend gemachten Rechtswidrigkeit der Enteignungsmaßnahmen keine neuen Beweismittel vorgelegt, sondern sich auf Unterlagen bezogen haben, die bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahrens waren. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass das zur Begründung des Wiederaufnahmeantrags vorgelegte Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 12. Juni 1996 nicht geeignet sei, eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten der Kläger zu bewirken. Die Beschwerde setzt dieser tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung lediglich ihre eigene Sachverhalts- und Beweiswürdigung entgegen.