Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 01.09.2010


BVerwG 01.09.2010 - 8 B 6/10

Ausschluss der Rückübertragung bei Veräußerung von Betriebsteilen oder Unternehmensgegenständen


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
01.09.2010
Aktenzeichen:
8 B 6/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend VG Gera, 12. November 2009, Az: 6 K 538/07 Ge, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, noch lässt sich der Beschwerdebegründung eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO entnehmen. Es liegen auch keine Verfahrensmängel vor, auf denen das angegriffene Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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1. Die Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).

3

Die von dem Beschwerdeführer für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen:

Kann sich der aus einer Unternehmensrestitution Berechtigte auf die Betriebsnotwendigkeit eines zugeschwommenen Grundstücks gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG als betriebsnotwendig berufen, wenn vor Rückübertragung durch den bisher Verfügungsberechtigten die Voraussetzungen zur Fortführung eines früheren betrieblichen Zwecks - hier Lackiererei für Eisenbahnwaggons - durch Entsorgung tatsächlich bereits beseitigt wurden?

Und

Kann eine im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG erhebliche Beeinträchtigung eines Unternehmens gegeben sein, die die Lebensfähigkeit des Unternehmens berührt, wenn auf einem zugeschwommenen Grundstück der bisher dort allein erfolgte Betriebszweck (hier: Lackierung von Eisenbahnwaggons) vor Unternehmensrückübertragung wegfällt und ein solcher Geschäftszweig auch mangels Nachfrage durch Entfernung der betrieblichen Anlagen aufgegeben wird und hierdurch mit Wegfall zum Rückgabezeitpunkt für eine nicht mehr bestehende Nutzung das Betriebsgrundstück damit um diese Fläche überdimensioniert ist?

wären in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, weil sie von einem anderen Sachverhalt ausgehen als dem, den das Verwaltungsgericht aufgrund der erstinstanzlichen, nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffenen Sachverhaltsaufklärung festgestellt hat (vgl. Beschlüsse vom 17. März 2000 - BVerwG 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 14 und vom 6. Juni 2006 - BVerwG 6 B 27.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Nr. 35 S. 2). Es hat weder eine "Entsorgung" der Lackiererei noch einen Wegfall dieses Betriebszweigs vor der Rückübertragung des Unternehmens oder der darauf bezogenen Veräußerung der Grundstücke durch die Beigeladenen angenommen. Vielmehr hat es festgestellt, dass die Lackiererei über den Zeitpunkt der Veräußerung und den Erlass des Rückübertragungsbescheides vom 4. April 1991 hinaus auch für Autos genutzt und dazu im Zuge der Fortführung des Betriebes durch die Erwerberin modernisiert wurde. Erst zu einem späteren Zeitpunkt habe diese die Lackiererei an anderer Stelle neu errichtet und das bisherige Lackierereigebäude - teilweise - als Ausstellungsgebäude umgenutzt. Das Verwaltungsgericht ist auch nicht von einer Überdimensionierung des Betriebsgeländes im Zeitpunkt der Rückgabe ausgegangen, sondern hat angenommen, dass sämtliche Betriebsgrundstücke wegen ihrer jeweiligen, im angegriffenen Urteil aufgeführten Nutzungen für den Betrieb unentbehrlich waren und blieben. Soweit die Beschwerde beanstandet, das Verwaltungsgericht habe mangels Beteiligung des Klägers im Verwaltungsverfahren nach § 31 Abs. 2 VermG nicht auf den Erlass der Rückübertragungsentscheidungen abstellen dürfen, kritisiert sie die ihres Erachtens fehlerhafte Anwendung der Vorschrift, ohne eine Grundsatzfrage zu formulieren. Die von ihr gestellten Fragen könnten auch nicht etwa deshalb entscheidungserheblich werden, weil hinsichtlich des vom Kläger unterstellten Sachverhalts eine in erster Instanz ordnungsgemäß beantragte Sachaufklärung unterblieben und dies gerügt worden wäre (vgl. Beschluss vom 17. März 2000 a.a.O.). Die Beschwerde hat weder eine Aufklärungsrüge noch sonstige wirksame Verfahrensrügen erhoben (s.u. 3.).

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Auch die unter Ziffer III. 2. der Beschwerdebegründung formulierten Fragen, ob § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG bei Fehlen eines funktionierenden Betriebes oder bei Unmöglichkeit der Betriebstätigkeit im Rückgabezeitpunkt anzuwenden sei, können nicht zur Zulassung der Revision führen, da sie einen anderen Sachverhalt als den von der Vorinstanz festgestellten zugrunde legen. Das Verwaltungsgericht ist aufgrund seiner Beweiserhebung davon ausgegangen, die Betriebstätigkeit sei auf sämtlichen streitigen, zum Stichtag in den Betriebsteil 5 der T. GmbH einbezogenen Grundstücken noch über die Rückübertragungsentscheidung hinaus fortgeführt worden, und zwar einschließlich des Gebrauchtwagenhandels, der Kfz-Reparatur, der Lackiererei und der - wenn auch geringfügigen - Wicklerarbeiten für Lichtmaschinen. Die Erwerberin der Betriebsgrundstücke habe das Unternehmen seit Mai 1991 lediglich an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst, modernisiert und durch die bereits vor dem Stichtag konkret geplante Erweiterung um das Neuwagengeschäft ausgebaut. Die E-Baugruppeninstandsetzung sei zwar stillgelegt, das ihr dienende Gebäude aber als Arbeitsraum umgenutzt worden. Die dem zugrunde liegende Tatsachen- und Beweiswürdigung kann mit der Grundsatzrüge nicht angegriffen werden. Soweit die Beschwerde sich gegen das Bejahen der Betriebsnotwendigkeit sämtlicher Grundstücke und Teilflächen wendet, rügt sie die Anwendung des Tatbestandsmerkmals der erheblichen Beeinträchtigung, ohne eine grundsätzliche, klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage aufzuwerfen.

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Die unter Ziffer IV. 2. b der Beschwerdebegründung gestellten Fragen sind nicht klärungsbedürftig, weil sie sich ohne Weiteres unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung aus dem Gesetz beantworten lassen (vgl. Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228). Die Veräußerung von Betriebsteilen oder Unternehmensgegenständen schließt die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG nicht zwangsläufig aus, sondern nur, wenn dies ihre funktionelle Einbeziehung in den Betrieb beendet oder diesen wesentlich verändert (Urteile vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 55.96 - BVerwGE 104, 193 = Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 13 und vom 22. April 2004 - BVerwG 7 C 15.03 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 41 S. 70 f.). Für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG ist unerheblich, ob der Berechtigte der Unternehmensrestitution den zurückübertragenen Betrieb in eigener Person weiterführt (vgl. Urteil vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 34.98 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 32 S. 12 - investive Veräußerung - und vom 18. März 2009 - BVerwG 3 C 9.08 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 33 Rn. 13 - asset deal). Da § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG allein auf die tatsächliche Nutzung der in das Unternehmen einbezogenen Gegenstände und ihre Bedeutung für die Fortführung des Betriebes abstellt, kommt es für die Anwendung des Ausschlusstatbestandes auch nicht auf die vom Kläger aufgeworfenen Fragen zur Festsetzung von Ausgleichsverbindlichkeiten oder zur Zuordnung von Veräußerungserlösen an. Soweit der Kläger annimmt, die Beigeladenen hätten keine Ausgleichsverbindlichkeiten zahlen müssen und mit der Veräußerung der Grundstücke deren Wert gleichsam zum zweiten Mal vereinnahmt, geht er von einem anderen Sachverhalt aus als das Verwaltungsgericht. Dieses hat festgestellt, die Ausgleichsverbindlichkeiten der Beigeladenen für die zugeschwommenen Grundstücke seien mit einem Betrag verrechnet worden, der vereinbarungsgemäß anstelle einer Ausgleichszahlung wegen der Verschlechterung der Ertragslage bereit gestellt wurde; der Restbetrag sei teilweise zur Kreditablösung verwendet und im Übrigen ausgezahlt worden. Danach fiel der Wert der streitigen Grundstücke den Beigeladenen nicht ohne Gegenleistung zu, sondern wurde durch Verrechnung statt Zahlung ausgeglichen.

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2. Die geltend gemachte Divergenz zu den Urteilen vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 55.96 - (BVerwGE 104, 193 = Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 13) und vom 15. Juni 2000 - BVerwG 3 C 8.99 - (Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 26) ist nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ordnungsgemäß dargelegt. Zu beiden Urteilen zeigt die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch auf. Dies gilt auch, soweit sie sich gegen die Annahme einer Unternehmensveräußerung im Wege des asset deal und gegen ein "Weiterwandern" des Rückübertragungsausschlusses zum Erwerber wendet. Sie rügt nur die ihres Erachtens fehlerhafte Anwendung der zitierten Rechtsprechung durch das Verwaltungsgericht, ohne aus dem angegriffenen Urteil einen divergierenden abstrakten Rechtssatz herauszuarbeiten. Außerdem stellt das Urteil vom 15. Juni 2000 entscheidungstragende Rechtssätze nicht zu § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG, sondern nur zu § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG auf. Eine Umdeutung der Divergenz- in eine Grundsatzrüge scheidet aus, weil sich aus ihr keine klärungsfähige und -bedürftige Grundsatzfrage ergibt.

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3. Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf denen das Urteil beruhen kann, sind nicht dargelegt.

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Der Beschwerdebegründung lässt sich keine Verletzung des Rechts des Klägers auf rechtliches Gehör nach § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG entnehmen. Auf das Vorbringen zur fehlenden Beteiligung des Klägers im Unternehmensrückübertragungsverfahren musste das Verwaltungsgericht nicht ausdrücklich eingehen, weil es darauf nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung nicht ankam. Es hat angenommen, die fehlende Beteiligung des Klägers im Verwaltungsverfahren berühre nicht die Wirksamkeit der Unternehmensrestitution und lasse den etwaigen Anspruch auf Restitution der Grundstücke unberührt, so dass der Vorrang des Erstgeschädigten jedenfalls gewahrt bleibe.

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Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes gemäß § 108 Abs. 1 VwGO, die als Verfahrensfehler zu qualifizieren wäre, ist nicht dargelegt. Einwände gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung wie die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Betriebsnotwendigkeit der streitigen Grundstücke zu Unrecht bejaht, sind grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnen. Gleiches gilt für die Kritik an der rechtlichen Bewertung der Grundstücksveräußerung durch die Beigeladenen als asset deal.

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Der Vorwurf selektiver Verwertung des Prozessstoffs sowie aktenwidriger Feststellungen wegen Verneinens einer Entflechtung des Unternehmens übersieht, dass das Verwaltungsgericht das Herauslösen des Betriebsteils 5 aus der T. GmbH in tatsächlicher Hinsicht zutreffend erkannt hat. Auf die Frage, ob es daher materiell-rechtlich eine teilweise Entflechtung nach § 6b Abs. 1 Satz 1 VermG hätte annehmen müssen, kommt es für die Verfahrensrüge nicht an.

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Denkfehlerhafte Schlüsse von Indizien auf Haupttatsachen sind nicht substantiiert geltend gemacht. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nicht schon vor, wenn die im Rahmen der Sachverhalts- und Beweiswürdigung gezogenen Schlussfolgerungen nicht zwingend oder sogar unwahrscheinlich oder wenig überzeugend sind, sondern erst, wenn die Schlussfolgerung denklogisch ausgeschlossen ist. Das ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Soweit sie sich gegen die Annahme eines asset deals wendet, greift sie nicht die Tatsachenfeststellung zur Grundstücksveräußerung, sondern deren materiell-rechtliche Würdigung als Unternehmensveräußerung durch Veräußerung des (wesentlichen) Betriebsvermögens an. Soweit die Beschwerde die Feststellungen zur Betriebsnotwendigkeit der Grundstücke kritisiert, zeigt sie ebenfalls keine denklogisch unmöglichen Schlüsse auf. Sie geht vielmehr von einem anderen für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt aus und ersetzt die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts durch die des Klägers.

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4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen. Neues Rügevorbringen im Schriftsatz vom 25. Juni 2010, der erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 1. Februar 2010 eingereicht wurde, kann nicht berücksichtigt werden.