Entscheidungsdatum: 15.12.2011
Die Klägerin, Eigentümerin eines Betriebsgrundstücks im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, wendet sich gegen die Festsetzung eines Abwasserbeitrages in Höhe von 129 042,38 €. Da eine Genehmigung nach § 17 des Wassergesetzes der DDR vom 2. Juli 1982 ihr das Einleiten von Abwasser in einen nahe gelegenen Bachlauf gestatte, unterliege ihr Grundstück nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang für die Abwasserentsorgung. Daran ändere auch die nach Erlass des Beitragsbescheides in Kraft getretene, den Anschluss- und Benutzungszwang ausweitende Änderung der Abwassersatzung des Beklagten nichts. Das Verwaltungsgericht Dresden hat der Anfechtungsklage der Klägerin stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert, die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
1. Die Frage,
ob, unter welchen Umständen und in welchem Umfang ein ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakt durch Erlass einer später ergangenen rechtmäßigen Rechtsgrundlage als geheilt angesehen werden kann,
formuliert trotz des einleitenden Hinweises der Klägerin auf § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO keine Grundsatzfrage des Verwaltungsprozessrechts, sondern ein Problem des materiellen Rechts, nämlich die Frage, wie eine Änderung der Ermächtigungsgrundlage sich auf die Rechtmäßigkeit eines zuvor erlassenen Verwaltungsakts auswirkt. Diese Frage wäre im angestrebten Revisionsverfahren nur entscheidungserheblich, soweit sie sich auf die hier umstrittene Heilung eines Abwasserbeitragsbescheides durch eine nachträglich ohne Rückwirkungsanordnung erlassene kommunale Änderungssatzung bezieht. Insoweit betrifft sie jedoch kein revisibles Recht, sondern die Anwendung irrevisibler landesrechtlicher Vorschriften des Wasser- und Kommunalrechts. Die Klägerin zeigt in diesem Zusammenhang auch keinen Klärungsbedarf in Bezug auf revisible Normen auf. Der Hinweis auf die berufungsgerichtlichen Ausführungen zur Rechtsprechung betreffend die Heilung von Erschließungsbeitragsbescheiden genügt dazu nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat dem Erschließungsbeitragsrecht keine verbindlichen Vorgaben entnommen, sondern die in der Rechtsprechung dazu entwickelten Rechtssätze nur als Auslegungshilfe genutzt, um ein seines Erachtens paralleles landesrechtliches Problem zu lösen (zur Abgrenzung vgl. Urteil vom 30. September 2009 - BVerwG 8 C 5.09 - BVerwGE 135, 100
Ob eine Heilung ex tunc oder nur ex nunc eintreten konnte, wäre im Revisionsverfahren auch nicht entscheidungserheblich, weil der Senat dort auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abstellen müsste. Die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts richtet sich nach dem materiellen Recht (Urteil vom 28. Juli 1989 - BVerwG 7 C 39.87 - BVerwGE 82, 260 <261> = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 29 S. 13 m.w.N). Bei der Beurteilung von Maßnahmen, die wie der Abwasserbeitragsbescheid auf der Grundlage irrevisiblen Landesrechts erlassen wurden, hat das Revisionsgericht von dem Zeitpunkt auszugehen, den das Berufungsgericht in Anwendung des einschlägigen irrevisiblen Rechts für maßgeblich gehalten hat. Das ist hier der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Soweit die Klägerin geklärt wissen will, wie sie der Erhebung von Aussetzungszinsen begegnen soll, formuliert sie keine für das Revisionsverfahren erhebliche Rechtsfrage. Der Klagegegenstand, der im Revisionsverfahren nicht mehr erweitert werden kann (§ 142 Abs. 1 VwGO), beschränkt sich auf die Anfechtung der Beitragsfestsetzung selbst. Unabhängig davon ergibt sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung, dass Zinsen nicht für einen Zeitraum vor Fälligkeit erhoben werden dürfen und dass die Fälligkeit nicht vor der Heilung des Beitragsbescheides eintreten kann (vgl. Urteil vom 25. November 1981 - BVerwG 8 C 14.81 - BVerwGE 64, 218 <222 f.> = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 112).
2. Die weitere, sinngemäß gestellte Frage,
ob nach Art. 31 GG die der Klägerin nach § 17 des Wassergesetzes der DDR vom 2. Juli 1982 erteilte, nach Art. 19 EV fortgeltende wasserrechtliche Genehmigung vom 16. April 1986 der landesrechtlichen Regelung des § 63 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 SächsWG entgegensteht,
hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie anhand der üblichen Auslegungsmethoden unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres - verneinend - zu beantworten ist. Zum Bundesrecht im Sinne des Art. 31 GG gehören nur Rechtssätze und keine Einzelfallentscheidungen wie die wasserrechtliche Genehmigung (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1997 - 2 BvN 1/95 - BVerfGE 96, 345 <364>). Im Übrigen galt auch das Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, Anlage II Kapitel XII EV nicht als Bundesrecht, sondern als Landesrecht fort. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich auch aus §§ 6 oder 57 WHG kein Vorrang der Genehmigung vor § 63 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 SächsWG herleiten. Art. 19 EV erklärt Verwaltungsakte für weiterhin wirksam, ohne die bisherige Ermächtigungsgrundlage gegen eine neue bundesrechtliche auszutauschen.
3. Die sinngemäß aufgeworfene Frage,
ob Art. 14 Abs. 1 GG oder Art. 19 Satz 3 EV i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip in der Ausprägung des Vertrauensschutzprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG fordert, dass als Bundesrecht fortgeltende Verwaltungsakte der ehemaligen DDR und die dadurch gewährten Rechtspositionen nur unter Gewährung eines Übergangszeitraums aufgehoben werden dürfen,
würde sich im Revisionsverfahren nicht stellen, weil die der Klägerin erteilte Genehmigung keinen Bundesrechtsrang hat. Unabhängig davon lässt sie sich bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung verneinen. Danach gebieten weder Art. 14 Abs. 1 GG noch Art. 20 Abs. 3 GG, bei der Beseitigung von DDR-Altrechten stets eine Übergangsfrist vorzusehen. Art. 14 Abs. 1 GG schützt solche Rechte nur, wenn sie dem Einzelnen eine eigentümergleiche Rechtsposition verschafft haben, die auf einer nicht unerheblichen Eigenleistung beruht. Dafür kann es unter anderem auf Art und Umfang von Investitionen zur Rechtsausübung und auf die Fortführung der Nutzung im Zeitpunkt des Beitritts ankommen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2010 - 1 BvR 27/09 - juris Rn. 62). Greift Art. 14 Abs. 1 GG ein, darf das betreffende Altrecht im Zuge der Neuregelung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG beseitigt werden, sofern der damit verbundene Eingriff verhältnismäßig ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2010 a.a.O. Rn. 65 f.; allgemein zu privat- oder öffentlichrechtlichen Nutzungsrechten bezüglich der Grundstücksentwässerung: BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 234.97 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 142). Die Eigentumsgarantie verbietet nicht, individuelle Rechtspositionen durch angemessene und zumutbare Überleitungsregelungen umzugestalten, wenn Gemeinwohlgründe vorliegen, die dem berechtigten, durch die Bestandsgarantie gesicherten Vertrauen auf den Fortbestand eines wohl erworbenen Rechts vorgehen (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300 <350 f.>; Kammerbeschluss vom 24. Februar 2010 a.a.O. Rn. 65 m.w.N.). Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes ist dabei schon berücksichtigt und vermittelt keine weitergehende Bestandsgarantie.
Zur Sicherung der Zumutbarkeit des Eingriffs muss eine Übergangsregelung nicht zwangsläufig Übergangsfristen vorsehen. Stattdessen kommen auch Ausnahme- oder Befreiungstatbestände (BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 6 B 52.05 - GewArch 2006, 149), eine Entschädigung oder Sonderregelungen in Betracht, die es den Inhabern der Altrechte erleichtern, eine Bewilligung nach neuem Recht zu erlangen (dazu vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2010 a.a.O. Rn. 83 ff.). Das Einräumen einer Übergangsfrist ist entbehrlich, wenn sonstige Überleitungsvorschriften genügen, die Zumutbarkeit des Eingriffs zu gewährleisten. Der Einwand, das Berufungsgericht habe dies im konkreten Fall zu Unrecht angenommen, beanstandet die Rechtsanwendung auf den Einzelfall, deren Richtigkeit nicht Gegenstand der Grundsatzrüge sein kann.
Aus Art. 19 Satz 3 EV lässt sich ebenfalls kein Erfordernis einer Übergangsfrist herleiten. Er verweist für wirksam bleibende Verwaltungsakte auf die allgemeinen Regeln der Bestandskraft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2005 a.a.O.), die ebenso wie der Grundsatz des Vertrauensschutzes eine Aufhebung weder schlechthin ausschließen noch stets von der Einräumung einer Übergangsfrist abhängig machen.