Entscheidungsdatum: 28.12.2010
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Es liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dagegen haben die Grundsatz- und die Divergenzrügen keinen Erfolg.
1. Die von der Beschwerde erhobene Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Revision.
Die als grundsätzlich bedeutsam aufgezeigte Frage,
ob die durch die Nr. 18 der VO über die Währungsreform in der SBZ vom 12. Juni 1948, bestätigt durch die Nr. 7 SMAD Befehl Nr. 111 vom 23. Juni 1948, vorgenommene Übernahme der Grundbuchverbindlichkeiten im Wert 1 RM zu 1 Mark der DDR als solche, auf der Grundlage der im Zuge des II. WK und der Kriegsfolgen eingetretenen Wertentwicklung und politischen Entscheidungen zur neuen Währung, bereits den "Schädigungsakt" hinsichtlich der mit Reichsmarkhypotheken über dem fiktiven Einheitswert belasteten Grundstücke darstellt, dessen Restituierung gemäß § 1 VIII VermG ausgeschlossen ist,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Streitgegenstand des Klageverfahrens ist nicht die Übernahme der Grundbuchverbindlichkeiten im Wert von 1 Reichsmark zu 1 Mark der DDR und der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 8 VermG, sondern der Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 1999, mit welchem die Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks an den Antragsteller verfügt worden ist, weil der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG vorliegt.
Die weiterhin gestellte Frage,
ob die Ausnahmevorschrift des § 50 VwVfG auch auf die Rücknahme von belastenden Bescheiden anwendbar ist, die lediglich als Reflex Dritte (die Erben laut Erbschein) mittelbar begünstigen und durch den belasteten Adressaten selbst angefochten wurden,
erfordert nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie lässt sich unschwer bereits aus dem Gesetz und anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten.
Gemäß § 50 VwVfG gelten § 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4 sowie § 49 Abs. 2 bis 4 und 6 nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift setzt die Anwendbarkeit von § 50 VwVfG die Anfechtung des Verwaltungsakts durch einen Dritten voraus, der durch den begünstigenden Verwaltungsakt beeinträchtigt wird. Dazu hat das Verwaltungsgericht keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Der ablehnende Bescheid vom 19. Februar 1996 wurde vom Adressaten Heinz D. angefochten. Gegenüber dem Verfügungsberechtigten hat dieser Bescheid keine Drittbelastung im Sinne einer Rechtsbeeinträchtigung entfaltet.
Für eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung dieser Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut gebieten würde, bestehen keine Anhaltspunkte. § 50 VwVfG ist im Anschluss an die vor Erlass der Verwaltungsverfahrensgesetze entwickelte Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 21. November 1968 - BVerwG 5 C 153.66 - BVerwGE 31, 67 <69> = Buchholz 409.2 § 56 Abgeltungsgesetz Nr. 1) auf den Verwaltungsakt mit Doppelwirkung bezogen. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass der Begünstigte bei einem solchen Verwaltungsakt mit der Einlegung von Rechtsbehelfen durch andere - durch den Verwaltungsakt belastete - Personen und im Falle einer Verletzung der Rechte dieser Personen mit der gerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsakts von vornherein rechnen muss und deshalb keinen Vertrauensschutz verdient; unter diesen Umständen soll die Behörde nicht gezwungen sein, im Verwaltungsprozess untätig eine zu befürchtende gerichtliche Aufhebung des Verwaltungsakts abzuwarten, sondern soll sie gewissermaßen vorwegnehmen dürfen (vgl. BTDrucks 7/910 S. 74
2. Der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz liegt ebenfalls nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Divergenzrüge ergibt eine die Revision eröffnende Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht; eine solche wird nicht hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133
Hinsichtlich des geltend gemachten Zulassungsgrundes wird die Beschwerde den dargelegten Anforderungen nicht gerecht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Regelfall davon auszugehen, dass die Überschuldung auf nicht kostendeckenden Mieten beruht. Die regelmäßige Kostenunterdeckung der Mieten in der DDR ist als allgemein anerkannte Erfahrungstatsache anzusehen, von der im Einzelfall solange ausgegangen werden kann, wie sich nicht aus der konkreten Ertragssituation Gegenteiliges ergibt (Urteil vom 11. Februar 1999 - BVerwG 7 C 4.98 - BVerwGE 108, 281 <283> = Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1). An dieser Rechtsprechung hat sich das Verwaltungsgericht orientiert (vgl. UA S. 17 unten) und ist anhand der Abrechnungen der Firma M. u. Co. vom 10. Januar 1971 und vom 10. November 1971 zu der Auffassung gelangt, dass Fehlbeträge vorlägen, die bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Regelvermutung stützten. Aus den Ausführungen hinsichtlich der Einwendungen der Klagepartei, dass nicht sämtliche Ausgaben berücksichtigungsfähig seien, folgt nicht, dass sich das Verwaltungsgericht über die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Regelvermutung und deren Entfallen hinwegsetzen wollte. Der Entscheidung ist diesbezüglich kein Rechtssatzwiderspruch zu entnehmen. In Wirklichkeit rügt die Beschwerde eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, weil es die benannten Abrechnungen nicht zutreffend ausgewertet habe und deshalb zu einer Kostenunterdeckung der Mieten gekommen sei.
Auch mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe den bei § 1 Abs. 2 VermG anzuwendenden Kostenbegriff, wie er durch die Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 11. Februar 1999 (a.a.O.) definiert wird, fehlerhaft angewandt, weil es die Finanzierungskosten (Tilgung und Zinsen) für die Anschaffungsinvestitionen bei der Ermittlung der nicht kostendeckenden Mieten mitberücksichtigt habe, zeigt die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung keinen Rechtssatz aufgestellt, dass bei der Prüfung der Kostendeckung der Mieteinnahmen eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise bei den Instandsetzungsausgaben wie den Kapitaldiensten undifferenziert und unabhängig davon gilt, ob sie dem Kauf, dem Bau oder der Unterhaltung dienen. Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der Abrechnungen der Firma M. u. Co. keine Abzüge bei den Finanzierungskosten vorgenommen, weil es davon ausgegangen ist, dass diese im Zusammenhang mit der Errichtung des Miethauses stehen und nicht mit dem Grundstückserwerb. Es hat insoweit zwar differenziert, aber unberücksichtigt gelassen, dass § 1 Abs. 2 VermG nicht die infolge der Niedrigmietenpolitik entgangene Kapitalverzinsung im Auge hat, sondern nur das Unrecht, dass die Mieten nicht einmal die Kosten der bloßen Erhaltung der Mietsache deckten und der Eigentümer durch die Niedrigmieten gezwungen wurde, die Substanz der Mietsache für den Erhalt des vertragsgemäßen Gebrauchs einzusetzen. Hierbei handelt es sich um einen Fehler in der Rechtsanwendung.
Auch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2001 (BVerwG 7 C 17.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 15) zeigt die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch auf, sondern rügt nur, dass das Verwaltungsgericht das Tatbestandsmerkmal der Kausalität der Niedrigmietenpolitik in Bezug auf die Schulden verkannt habe und zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass vorliegend die Regelvermutung einer Kostenunterdeckung gelte.
Ebenso verhält es sich mit dem Einwand der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft angenommen, dass der in den Jahren 1989/1990 durch den VEB Gebäudewirtschaft investierte Betrag von 39 054,10 Mark der DDR für Dachdeckerarbeiten, die Umdeckung des Daches, Dachklempnerarbeiten und Bauleitungskosten dafür herangezogen werden könne, dass bei einer Generalreparatur zum Zeitpunkt der Erbausschlagung im Jahre 1970 Kosten entstanden wären, die den zur Verfügung stehenden Beleihungsspielraum von 10 753,01 Mark der DDR wesentlich überstiegen hätten. Das Verwaltungsgericht bewertet im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung lediglich die Tatsache, dass 1989/1990 Investitionen in dieser Höhe in das Mietobjekt geflossen sind und zieht daraus Schlüsse, deren Bewertung im Rahmen einer Divergenzrüge nicht angezeigt ist.
Soweit das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Überschuldungssituation des Mietwohngrundstücks den vorliegenden Einheitswert des Grundstücks in Höhe von 34 100 Mark der DDR berücksichtigt hat, hat es die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Prüfung der Schuldensituation fehlerhaft angewendet. Einen Rechtssatzwiderspruch zeigt die Beschwerde allerdings nicht auf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 - BVerwGE 98, 87 <90 ff.> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39) müssen der Bewertung von Grundstücken und Gebäuden im Rahmen des § 1 Abs. 2 VermG die seinerzeit "ausnahmsweise geltenden Vorschriften" zugrunde gelegt werden, die in Wahrheit für DDR-Bürger generell anzuwenden waren. Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt war das die Bewertungsrichtlinie des Jahres 1960. Anders verhielt es sich später unter der Geltung der Preisverfügung Nr. 3/87 vom 30. April 1987 (Schriftreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 1, Behandlung des in der ehemaligen DDR belegenen Grundbesitzes von Berechtigten außerhalb dieses Gebietes, S. 144 ff.): Bei der Anwendung der Bewertungsrichtlinie des Jahres 1960 ist der Grundstückswert aus dem Mittel zwischen Sachwert und Ertragswert zu berechnen, wobei der Sachwert die Obergrenze bildet. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine vereinfachte Wertfeststellung auf der Grundlage des Einheitswerts zulässig (Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 48.94 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 40). Das setzt jedoch Feststellungen zur Höhe der zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten voraus, die nicht deutlich vom Einheitswert abweichen. Andernfalls muss der Zeitwert nach Maßgabe der im Urteil vom 16. März 1995 (BVerwG 7 C 39.93 - a.a.O.) entwickelten Grundsätze festgestellt werden.
Eine Divergenz zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 1995 (BVerwG 7 C 39.93 - a.a.O.) ist auch nicht insoweit gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, als das Verwaltungsgericht Instandhaltungskosten, die erst nach 19 Jahren angefallen sind, berücksichtigt hat. Das Verwaltungsgericht hat aus der Tatsache, dass 1989/1990 in das Mietwohngrundstück Investitionen in Höhe von 39 054,10 Mark der DDR geflossen sind, den Schluss gezogen, dass bei einer Generalreparatur im Jahre 1970 Kosten entstanden wären, die den zur Verfügung stehenden Beleihungsspielraum von 10 753,01 Mark der DDR überschritten hätten. Hierbei handelt es sich nicht um einen Rechtssatz, sondern um einen Vorgang im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung.
Mit ihrem Einwand, die kosmetischen "Kriegsschäden" am Giebel, der nasse Keller in Höhe von 1,50 m der Außenwand, die nicht trockengelegt worden sei, und die Dachdeckung 19 Jahre nach der Erbausschlagung, widerlegten das Merkmal der zeitlichen Unabdingbarkeit, zeigt die Beschwerde wiederum keinen Rechtssatzwiderspruch auf. Sie rügt vielmehr die fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und Fehler in der Überzeugungsbildung. Nichts anderes gilt schließlich im Zusammenhang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Kausalität zwischen Überschuldung und Niedrigmietenpolitik (vgl. Urteile vom 11. Februar 1999 - BVerwG 7 C 4.98 - a.a.O., vom 2. Februar 2000 - BVerwG 8 C 25.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 7, vom 24. Oktober 2001 - BVerwG 8 C 31.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 22, und vom 26. Juni 2002 - BVerwG 8 C 27.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 24). Die Beschwerde unterlässt es wiederum, einen Rechtssatzwiderspruch zwischen den zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und der Entscheidung des Verwaltungsgerichts herauszuarbeiten. Sie beanstandet stattdessen, das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Tilgung der Darlehen aus den laufenden Mieteinnahmen erbracht worden sei und es sich daher nicht um die Zuführung privater Mittel gehandelt habe.
3. Ein geltend gemachter Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift jedoch durch. Das Verwaltungsgericht hat die gerichtliche Aufklärungspflicht verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil es den Sachverhalt hinsichtlich einer im Jahre 1970 unmittelbar bevorstehenden Überschuldung des Grundstücks ... nicht vollständig aufgeklärt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war ein Grundstück oder Gebäude überschuldet, wenn die ihm zuzuordnenden Verbindlichkeiten den um die eingetragenen Grundpfandrechte verminderten Zeitwert der Immobilie überschritten haben und wenn diese vorhandenen Schulden nicht innerhalb zumutbarer Zeit durch den zu erwartenden Mietertrag gedeckt werden konnten (Urteil vom 24. Juni 1993 - BVerwG 7 C 27.92 - BVerwGE 94, 16 <22> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 4). Infolge der Gleichstellung der "unmittelbar bevorstehenden" mit der "eingetretenen" Überschuldung sind bei der Gegenüberstellung von Zeitwert und Verbindlichkeiten fiktiv diejenigen Aufwendungen zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts für Instandsetzungsmaßnahmen zur Sicherung der bestimmungsgemäßen Nutzung der Immobilie unaufschiebbar notwendig gewesen wären, aber vom Eigentümer aufgrund der ökonomischen Zwangslage unterlassen wurden (Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 a.a.O. S. 90).
Das Verwaltungsgericht hat die dem Wohngrundstück zugeordneten Verbindlichkeiten unzureichend ermittelt und sie weder zeitlich noch sachlich eingegrenzt. Da die Überschuldungslage nach der gesetzlichen Regelung zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts gegeben sein musste, können nur solche Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die bereits eingegangen waren oder sich aufgrund eines feststehenden Sachverhalts konkret abzeichneten.
Hinsichtlich der bereits eingegangenen Verbindlichkeiten hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auf dem Grundstück dingliche Belastungen in Höhe von insgesamt 37 500 RM für zwei Hypotheken zu Gunsten der Stadtsparkasse ... vom 14. September 1938 und 5. April 1939 lasteten, die im Zeitpunkt des Erbfalles mit noch 23 346,99 Mark der DDR valutierten. Hierbei habe es sich nicht um Kaufpreishypotheken gehandelt, weil Emil D. bereits seit 1920 Eigentümer des Grundstücks gewesen sei. Die Hypotheken hätten wohl der Finanzierung der Errichtung des Miethauses gedient. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind auf der Passivseite der Bilanz alle objektbezogenen Verbindlichkeiten einzustellen, weil die Vorschrift des § 1 Abs. 2 VermG nicht auf die Überschuldung des Eigentümers, sondern auf die des eingebüßten Vermögenswertes abstellt. Diese Voraussetzungen erfüllen die auf dem Grundstück lastenden Grundpfandrechte ausnahmslos, weil die Immobilie die Bezahlung dieser Schulden sichert. Deshalb wäre es verfehlt, Belastungen aus der Schuldenbilanz herauszunehmen, die für nicht grundstücksbezogene Kredite in das Grundbuch eingetragen wurden; denn der Objektbezug folgt unabhängig von der Zweckbestimmung oder Verwendung dieser Kredite aus ihrer dinglichen Sicherung. Anders verhält es sich bei dinglich nicht gesicherten Darlehen und Darlehen ersetzenden Eigenmitteln. Da bei ihnen das Grundstück nicht als Kreditgrundlage eingesetzt wurde, kann sich der durch § 1 Abs. 2 VermG vorausgesetzte Objektbezug nur aus der Verwendung der Kreditnutzung ergeben (Urteil vom 11. Februar 1999 - BVerwG 7 C 4.98 a.a.O. S. 284 f.).
Zu den konkret sich abzeichnenden und deshalb berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten gehören insbesondere Kosten der zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts anstehenden Instandsetzungsarbeiten, soweit deren Unterlassung sich bei der Grundstückswertberechnung nicht schon wertmindernd ausgewirkt hat (vgl. Abschn. III Buchst. a Abs. 6 i.V.m. Buchst. b Abs. 4 der Bewertungsrichtlinie 1960 sowie Abschn. V Nr. 2.1.4 der Preisverfügung 3/82 und 3/87). Da sich die Notwendigkeit von Reparaturen regelmäßig nicht nach festen Terminen bestimmen lässt, besteht insoweit ein gewisser zeitlicher Spielraum. In diesem Sinne ist der nachträglich in das Gesetz eingefügte erläuternde Begriff "unmittelbar bevorstehend" aufzufassen. Er soll einerseits ein wirklichkeitsfremdes Stichtagsdenken verhindern, andererseits aber auch gewährleisten, dass nur solche Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die nach Grund und Höhe bereits unabweisbar feststanden, auch wenn sie noch nicht eingegangen waren. Ein Indiz für die fehlende Dringlichkeit von Instandsetzungsarbeiten besteht, wenn ein Mietwohnhaus noch Jahre nach dem Eigentumsverzicht bewohnt wurde, ohne dass die nunmehr zuständigen staatlichen Stellen größere Reparaturen durchgeführt hätten (Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 a.a.O. S. 95 f.).
Die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den unmittelbar bevorstehenden Verbindlichkeiten für Instandsetzungsarbeiten beziehen sich bis auf die Angaben des Herrn L. vor dem Verwaltungsgericht ... am 26. Juni 1997 auf einen Zeitraum ab 1974 und später. Bezüglich der Notwendigkeit der Kosten zur Behebung der Schäden ergeben sich aus den getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgericht wird daher den Fragen nachgehen müssen, ob die Schadensbilanz, die Herr L. für die Jahre 1974 und 1992 aufgestellt hat, für den Zeitpunkt der Erbausschlagung relevant ist und welcher Kostenaufwand mit den in den genannten Schreiben aufgeführten Reparaturen verbunden gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt in diesen Punkten nicht hinreichend aufgeklärt. Es hat sich mit den Angaben des Herrn L. zur Schadenssituation begnügt, ohne im Einzelnen aufzuklären, inwieweit ein Finanzierungsbedarf für Instandsetzungsarbeiten in zeitlicher und sachlicher Hinsicht unabweisbar gewesen wäre. Seine Annahme, Herr L. habe den Zustand des streitgegenständlichen Hauses sehr gut gekannt und den unaufschiebbaren Reparaturbedarf sachgerecht einschätzen können, ist durch nichts belegt. Herr L. war bei der Volkspolizei beschäftigt und hat keinen handwerklichen Beruf ausgeübt. Auch der Hinweis des Gerichts auf die Aussage des Zeugen S., der den Zustand des Gebäudes im Jahre 1970 mit "desolat" und im Jahre 1995 mit "beklagenswert" bezeichnet hat, ist nicht geeignet, hieraus auf einen konkreten Instandsetzungsbedarf zum Zeitpunkt der Eigentumsaufgabe zu schließen, den das Verwaltungsgericht mit mindestens 10 753,00 Mark der DDR angenommen hat.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, es könnten die in den Jahren 1989/1990 durch den VEB Gebäudewirtschaft für die Dachsanierung investierten Kosten in Höhe von 39 054,10 Mark der DDR als Indiz dafür herangezogen werden, dass bei einer Generalreparatur zum Zeitpunkt der Erbausschlagung im Jahre 1970 Kosten entstanden wären, die den zur Verfügung stehenden Beleihungsspielraum von 10 753,01 Mark der DDR wesentlich überstiegen hätten, ist nicht geeignet, die erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu ersetzen, zumal es das Verwaltungsgericht übersehen hat, dass bei der Prüfung der Schuldensituation des Grundstücks der Zeitwert der Immobilie zugrunde zu legen ist und nicht der Einheitswert (vgl. Urteile vom 11. Februar 1999 - BVerwG 7 C 4.98 a.a.O. S. 287; vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 a.a.O. S. 90; Beschluss vom 8. Juni 2006 - BVerwG 7 B 44.06 - ZOV 2006, 299 f.). Überdies kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einem jahrzehntelangen Reparaturstau eine festgestellte Überschuldung nur dann auf nicht kostendeckenden Mieten beruhen, wenn im Zeitpunkt des Eigentumsverlustes der Zeitwert des Grundstücks zuzüglich eines angemessen vervielfachten Jahresreinertrages nicht ausreicht, um die Kosten der anstehenden unabweisbaren Instandsetzungsmaßnahmen zu decken.
Die Beschwerde hat aufgezeigt, dass die Einvernahme früherer Bewohner des Hauses ... sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis geführt hätte, dass eine Überschuldungssituation zum Zeitpunkt der Erbausschlagung nicht vorgelegen hat. Aus den Darlegungen der Beschwerde, dass zur Widerlegung des Instandsetzungsaufwands die Hausbewohner des Gebäudes als Zeugen benannt worden seien und die Feststellung des Instandsetzungsaufwandes durch ein Sachverständigengutachten mit dem Gericht diskutiert worden sei, folgt, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen von sich aus hätten aufdrängen müssen.
Der weiterhin gerügte Verfahrensfehler, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit (§ 96 VwGO) verstoßen, weil es die im Urteil zitierten Erkenntnismittel in die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2010 und in die Erörterungstermine vom 15. November 2007 und 25. März 2010 nicht eingeführt habe, liegt nicht vor. Das Gericht darf die nach § 99 VwGO vorgelegten Behördenakten und deren Inhalt zu Beweiszwecken verwerten. Ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 15. November 2007 hat der Vorsitzende Richter auf die in der Behördenakte sich befindende zweiseitige Einlassung des Zeugen L. sowie auf dessen Ausführungen bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts ... am 26. Juni 1997 hingewiesen. Die Glaubwürdigkeit der Angaben des Herrn L. wurde auch im Erörterungstermin vom 25. März 2010 diskutiert. Schließlich wurde bezüglich der Erklärungen des Herrn L. zum damaligen Zustand des Gebäudes ... der Zeuge S. gehört. Damit hatten die Beteiligten ausreichend Gelegenheit, sich zu diesen Erklärungen zu äußern.
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).