Entscheidungsdatum: 17.01.2013
Die Klägerin begehrt die Rückübertragung von Vermögensgegenständen (hauptsächlich Gemälde) aus dem Nachlass ihrer Tante, die als Malerin und Grafikerin tätig und mit dem Maler Wilhelm K. verheiratet war. Der Beklagte lehnte den Restitutionsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 9. Oktober 1997 ab. Der Widerspruch blieb ebenso wie die Klage vor dem Verwaltungsgericht erfolglos.
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
1. Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist hinsichtlich der von ihr aufgeworfenen Fragen nicht gegeben.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung nur zu, wenn die Beschwerde eine abstrakte Rechtsfrage aufwirft, die einer revisionsgerichtlichen Klärung bedarf und von fallübergreifendem Gewicht ist. Daran fehlt es bezüglich der Frage,
ob sämtliche Handlungen der K. A. GmbH grundsätzlich als unlautere Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG einzustufen sind.
Es handelt sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts um einen von den Umständen des Einzelfalles geprägte, nicht jedoch um eine abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht. Zum Verkauf der Nachlassgegenstände an die K. A. GmbH hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass dieser dem Willen des anwaltlich vertretenen Erben Dr. F. und den damaligen Vorschriften der DDR entsprach. Die Erbschaftssteuerschulden des Erben waren nicht fingiert und sollten aus dem Nachlass bedient werden. Dass die Klägerin diese Einschätzung und die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts nicht teilt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Mit ihren Einwänden, die Sammlungen seien zur Begleichung der "Steuerschuld" eingezogen worden und es sei für jedermann bei solchen Geschäften erkennbar gewesen, dass es sich um eine staatlich geförderte "Kunstschieberei" gehandelt habe, wendet sich die Klägerin gegen die richterliche Überzeugungsbildung, legt aber keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dar.
Soweit die Klägerin geklärt wissen will, ob die zahlreichen Betrugsfälle durch die K. A. GmbH die Umkehr der Beweislast rechtfertigen, ist die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht auch bei Anwendung des § 1 VermG die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleiten will, grundsätzlich zu ihren Lasten, es sei denn, das Gesetz selbst trifft - wie im Fall des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG - eine besondere Regelung. Eine solche Regelung, die Anlass für eine andere Verteilung der Beweislast sein könnte, enthält § 1 Abs. 3 VermG nicht. Demzufolge trägt derjenige, der die Rückübertragung eines Vermögenswertes wegen einer Schädigungsmaßnahme nach § 1 Abs. 3 VermG beansprucht, die Beweislast dafür, dass der seinerzeitige Rechtsverlust auf eine unlautere Machenschaft zurückzuführen ist (stRspr, z.B. Urteil vom 26. September 1996 - BVerwG 7 C 14.95 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 88; Beschluss vom 27. Mai 2003 - BVerwG 7 B 46.02 - RüBAROV 2004, Nr. 1).
2. Die Klägerin bemängelt ohne Erfolg, dass das Verwaltungsgericht eine überraschende Entscheidung getroffen hat und so ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt habe.
Ein Urteil stellt sich als Überraschungsurteil dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. Beschluss vom 25. Mai 2001 - BVerwG 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.
Die Anordnung der Nachlassverwaltung und die Veräußerung der Kunstgegenstände an die K. A. GmbH und die rechtliche Einstufung war bereits Gegenstand des streitgegenständlichen Bescheides vom 9. Oktober 1997 und des Widerspruchsverfahrens. Im Klageverfahren haben die Beteiligten ihre unterschiedlichen Standpunkte zur Steuerschuld und zur Rolle der K. A. GmbH bei dem Verkauf durch den Nachlassverwalter dargelegt. Die Klägerin konnte daher nicht überrascht sein, dass das Verwaltungsgericht diesen Vortrag auch in seine Überlegungen mit einbezieht. Im Übrigen kann ein Beteiligter nicht erwarten, dass das Gericht "Andeutungen" zur Rechtslage und zur Einschätzung des Sachverhalts macht. Ist ein Beteiligter anwaltlich vertreten, darf das Gericht davon ausgehen, dass sich der Prozessbevollmächtigte mit der maßgeblichen Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut gemacht hat (Beschluss vom 25. April 2001 - BVerwG 4 B 31.01 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 47). Ein Gericht ist auch nicht verpflichtet, seine Schlussfolgerung aus den ihm vorliegenden Tatsachen mit den Beteiligten zu erörtern, zumal diese Würdigung letztlich erst in der abschließenden Beratung vorgenommen werden kann (Beschluss vom 31. August 1979 - BVerwG 2 B 18.77 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 109). Eine Aufklärungspflicht des Gerichts dahingehend, in welche Richtung seine Entscheidung geht, besteht nicht. Im Übrigen legt die Klägerin nicht dar, was sie noch vorgetragen hätte, wäre die vermisste Aufklärung erfolgt.
Das Verwaltungsgericht hat auch den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Das Gericht hat im Rahmen der ihm obliegenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung schlüssig ausgeführt, weshalb es davon ausgeht, dass der Verkauf der Kunstgegenstände durch den Nachlassverwalter keine schädigende Maßnahme gemäß § 1 Abs. 3 VermG darstellt. Hierbei hat es berücksichtigt, ob die Steuerschulden evtl. vorgeschoben wurden, um die Kunstgegenstände in staatliches Eigentum überführen zu können, und es hat auch die Rolle der K. A. GmbH durchaus kritisch gesehen.